Der Lolli danach von Krawallninchen ================================================================================ Kapitel 2: Die Lerche --------------------- Ein extragroßer Lolli geht an , und . Frohen zweiten Advent und einen gütigen Nikolaus wünsche ich euch! ____________________________________________________________________ Und wieder einer dieser Tage, die man einfach aus dem Gedächtnis streichen sollte. Ich schlief so schlecht wie lange nicht mehr. Seit halb sieben lag ich nun schon wach. An einem Sonntag! Stunde um Stunde starrte ich ins trübe Dämmerlicht und lauschte dem unangenehm penetranten Gezwitscher irgendwelcher Vögel vor meinem Fenster. Zogen Vögel im Winter nicht eigentlich in den Süden? Ich würde meine freie Zeit so gerne genießen, doch ich konnte nicht. Ich fand einfach keine Ruhe. Vielleicht fehlte mir der Stress. Das Schreiben von Songs. Die Diskussionen. Die Proben. Die Konzerte. Aiji. Verstimmt schlug ich die Decke zurück, erhob mich aus meinem Bett um Richtung Bad zu schlurfen. Nebenbei ließ ich den Blick durch mein Domizil schleifen. Grauenhaft. Abgelenkt stieß ich mir den linken Fuß am Türrahmen meines Badezimmers. Zweieinhalb Sekunden später auch den Kopf, weil ich mich nach dem schmerzenden Körperteil gebückt hatte. Womit hatte ich diesen Tag eigentlich verdient? Eine kalte Dusche und zwei Tassen Kaffee später hielten fünf aufgelöste Aspirin in meinem Magen ein Meeting ab. Der Schmerz blieb, gegen die Unordnung in meiner Wohnung vermochte ich jedoch vorzugehen. Ich räumte nicht auf, ich zelebrierte. Mit lauter Musik, die ich mir jedoch nur über Kopfhörer zu Gemüte führte. Erst als Bad und Küche glänzten, mein Schlafzimmer duftete, war ich zufrieden. Ich warf ich die Kopfhörer achtlos auf den frisch polierten Wohnzimmertisch und ließ mich erschöpft auf’s Sofa fallen. Nur das gleichmäßige Rumpeln der Waschmaschine störte die Stille. Ich döste ein, doch erholsamen Schlaf vermochte ich nicht zu finden. Jemand klingelte. Einen Moment lang erwog ich, nicht zu öffnen. Sonntags kamen keine Pakete und Besuch erwartete ich ebenso wenig. Die Neugier siegte. Ich erhob mich und öffnete die Tür. Aiji stand vor mir, mit roter Weihnachtsmütze, einer großen roten Schachtel mit mindestens genauso großer Schleife und einem unsicheren Lächeln auf den Lippen. Ich trat beiseite und ließ ihn ein. Er überreichte mir das Paket mitsamt dem Ungetüm einer Schleife. „Aiji?“ Meine Stimme klang so unsicher wie sein Lächeln ausgesehen hatte. Irgendetwas schien ihn zu amüsieren. „Meine Lerche war vielleicht nicht artig, aber ich muss ihr nicht die Rute geben. Ich dachte, ich bringe etwas Futter und ein Nikolausgeschenk.“ Was auch immer das bedeuten mochte. „Du hast ne Meise.“ „Gut, denn dann ist die Lerche nicht so einsam.“ „Bist du hier, um mir zu verkünden, dass du unter die Ornithologen gegangen bist?“ Er lachte, zog Jacke und Schuhe aus und schloss meine Wohnungstür. Neugierig hob ich den Deckel der Schachtel an. Ein angenehmer Duft schlug mir entgegen. Kekse. Haufenweise Kekse. Mit Zuckerguss. Und eine weitere Schachtel. „Tee?“ Ohne eine Antwort abzuwarten brachte ich das Geschenk in die Küche, bereitete Tee und suchte eine Schale für die zahlreichen Kekse heraus. Sie alle hatten die Form von Vögeln oder Tannen. Während ich herum werkelte legten sich zwei Arme von hinten um meine Taille und weiche Lippen strichen über meinen Nacken. Sacht aber bestimmt schob ich die Meise auf Kuschelkurs von mir. Vielleicht fror sie ja? Ich nahm das beladene Tablett auf und drehte mich um. Aijis Anblick ließ mich lachen. „Denkst du ernsthaft über einen Berufswechsel nach?“ Er schien meinen Worten nicht folgen zu können. Ich deutete mit einem Nicken auf seine ehemals schwarze Hose und brachte die anscheinend selbstgebackenen Plätzchen ins Wohnzimmer. Er folgte mir mit roten Bäckchen. So sah er schon fast gar nicht mehr nach Meise aus. Zögerlich schob er mir einige Zettel über den Tisch. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Eigentlich hatte ich die Arbeit zumindest die letzten Tage dieses Jahres hinter mir lassen wollen. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden sah ich Bruchstücke von Gitarrenriffs und Lyrics durch, ergänzte sie dann durch meine eigenen Ideen. Wie hatte ich vergessen können, dass Musik meine Leidenschaft war? Warum ich Aiji für mein neues Projekt ausgewählt hatte? Wir waren so produktiv wie lange nicht mehr. Auch ohne den Druck des Managements. Ich setzte noch zwei weitere Male Tee auf. Die Plätzchen gingen zur Neige, wie der Zettelstapel wuchs. Es wurde spät und ich fühlte mich so gut wie lange nicht mehr. Irgendwann packte die Meise den beachtlichen Stapel Kreativität ein und verabschiedete sich. Er musste den Heimflug antreten. Nicht nach Süden, sondern gen Norden. Ich folgte ihm in den Flur. Er küsste meine Stirn, wünschte mir eine gute Nacht verließ meine Behausung. Der Teufel weiß, was mich überkam, als ich seine Hand festhielt und ihn beinahe grob an die Wand neben meiner Haustür drückte. Langsam, wie in Zeitlupe, löste sich meine Hand von seiner Brust, fand den Weg zu seinem Gesicht. Sanft streichelte ich über seine Wange, fuhr mit der Hand in sein Haar. Ich schloss die Augen, suchte so seinem fragenden Blick zu entgehen, lehnte meine Stirn an seine. Plötzlich berührten weiche Lippen die meinen. Er küsste mich vorsichtig und sanft. Ich fühlte mich wie gelähmt. Erst als meine Lähmungserscheinungen langsam nachließen, erwiderte ich den Kuss. Himmel Herrgott, was fand hier statt? Aiji hätte mich niemals geküsst. Noch nicht einmal im Vollrausch wäre ihm das in den Sinn gekommen. Langsam löste er sich von mir, sah mich an. Ich vermied den Blickkontakt weiterhin. Meine Hand war noch immer in seinem Haar. Langsam ließ ich sie sinken und hob den Blick. Den Ausdruck seiner Augen vermochte ich nicht zu deuten. Schmerz, Trauer, Enttäuschung, Wut…? Plötzlich stieß er mich von sich und lief davon. Ich stand noch immer in der Tür und sah ihm regungslos nach, versuchte zu begreifen, was hier eben geschehen war. Erst als ein Kühler Luftzug mein Gesicht streifte, schloss ich die Tür. Mechanisch ging ich ins Wohnzimmer, brachte das Geschirr zurück in die Küche. Die zweite Schachtel lag noch ungeöffnet auf dem Tresen. Langsam entfernte ich die Schleife, nahm den Deckel ab. Ein überdimensionaler roter Lolli in Herzform lag darin. Mit einer weiteren Schleife um den Stiel. Mein Gitarrist hatte eindeutig Meise. Mit Schleifchen. ____________________________________________________________________ Eine ENS-Benachrichtigung geht automatisch an jeden Kommischreiber. Ein Keks mit Zuckerguss für jeden Leser! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)