Erkenntnisse von Bluey ================================================================================ Die Schule war unnatürlich ruhig, als Colt das Gebäude durch den Haupteingang betrat. Jetzt am späten Nachmittag waren die meisten Kinder schon nach Hause gegangen, die Gänge und Klassenzimmer waren verlassen. Der Star Sheriff nahm mit großen, schnellen Schritten die Treppe in die zweite Etage und schon von weitem sah er den kleinen Übeltäter, sowie dessen große Schwester, seine Lebensgefährtin Robin, am Ende des Ganges. Josh saß mit trotzig verschränkten Armen auf einem Stuhl an der Seite, während Robin unruhig auf und ab ging, den Blick immer wieder auf die große Uhr gerichtet, welche über dem Zimmer von Rektor Jones hing. Als sie ihn sah veränderten sich ihre feinen Gesichtszüge von ungeduldig und besorgt in ärgerlich und genervt. Colt seufzte innerlich auf. Er ahnte, was ihm bevorstand, wenn sie erst einmal zu Hause waren. „Hallo Schatz!“, begrüßte er sie dennoch in normalem Tonfall, bevor sein Blick sich auf Josh richtete. „Was hast du dieses Mal angestellt?“, wollte er wissen. „Tja, dass wüssten wir schon, wenn du nicht mal wieder über eine halbe Stunde zu spät aufgetaucht wärst.“, zickte Robin ihn auch gleich an, noch bevor ihr kleiner Bruder die Gelegenheit bekam, auf seine Frage zu reagieren. Sein trotziges Gesicht wurde noch eine Spur verschlossener und seine Haltung straffte sich. Der Zwölfjährige gab Colt keine Antwort, dies brauchte er auch nicht, denn der Cowboy richtete die blauen Augen nun ärgerlich auf seine Verlobte. „Entschuldigung, dass ich nebenbei auch noch einer Beschäftigung nachgehe und wir den Begleitflug nicht einfach wegen einer neuen Eskapade des kleinen Rotzlöffels abbrechen konnten.“, erwiderte er bissig. „Außerdem hat ihm das Schmoren vermutlich gar nicht mal übel getan.“ „Hör auf, so langsam reicht es mir, das du nie da bist, wenn man dich braucht.“, antwortete Robin mit zornesrotem Gesicht. Sie wollte noch mehr sagen, aber in diesem Moment ging die Tür den Rektorzimmers auf und Joshs Schulleiter stand vor ihnen. „Ahja, da Sie nun beide anwesend sind, würde ich Sie gern nach drin bitten.“, sagte er mit freundlicher Stimme und ließ sich nicht anmerken, ob er den Streit zwischen ihnen mitbekommen hatte. „Junger Mann, du wartest bitte hier!“, wies er Josh an, der jedoch überhaupt nicht reagierte. „Und wehe du rührst dich vom Fleck.“, sagte Colt noch. „Ja Sir!“ Joshs leise Erwiderung wurde von Robins „Red nicht so mit meinem Bruder!“ verschluckt und der Junge ließ mutlos die Schultern wieder sinken. Robin und Colt folgten dem Rektor in dessen Büro und nahmen auf den beiden Besucherstühlen vor dem großen Schreibtisch Platz. „Was ist passiert?“, fragte Robin mit banger Stimme. Colt verschränkte die Arme und auch er sah den Schulleiter fragend an. Im letzten Monat war er nun schon zum zweiten Mal in Joshs Schule und davor auch schon. Er war auf alles gefasst, denn in den letzten Monaten schien Robins kleiner Bruder nur aus Widerworten zu bestehen und er tat sein möglichstes, um ihnen Schwierigkeiten zu machen. Er machte seine Hausaufgaben nicht, von Hilfe im Haushalt brauchten sie erst gar nicht anzufangen. Wies man ihn darauf hin, dass er auch mithelfen könnte, dann artete dies meist in ein Wortgefecht aus, an dessen Ende Josh nach oben verschwand und Colt und Robin streitend zurückblieben. Dann schloss er sich in schönster Regelmäßigkeit in seinem Zimmer ein und durch die Decke im Wohnzimmer dröhnte stundenlang Rockmusik. Colt hätte dem kleinen Strolch am liebsten richtig Manieren beigebracht, aber Robin bestand darauf, dass sie es mit Verständnis versuchen sollten. Sie argumentierte, dass die Veränderungen in ihrem Leben Schuld am Verhalten des Jungen waren und wenn sich erst alles eingespielt hätte, dann würde sich das allein geben. Der Cowboy konnte dies nicht nachvollziehen, aber er hatte auf ihrem Urteil als Lehrerin vertraut. Mittlerweile glaubte er jedoch nicht mehr daran, dass dieses Problem mit Verständnis und Fürsorge zu lösen war, zumindest nicht nur. „Nun, wir haben Josh und seine Bande heute erwischt, wie sie einen wesentlich kleineren und vor allem jüngeren Schüler bedroht haben. Der Junge sollte ihnen sein Taschengeld geben und außerdem gefielen ihnen wohl sein Frühstücksbrot und ein neues Gameboyspiel.“, sagte Rektor Jones mit bedächtiger Stimme. Nun klappte sogar dem Star Sheriff die Kinnlade nach unten, während Robin entsetzt nach Luft schnappte. Colt hatte ja mit vielem gerechnet, dass der Junge allerdings Schwächere bedrohen würde, war für ihn bisher undenkbar gewesen. „Seine Bande?“, fragte er nach. „Was bedeutet das genau?“ Der Rektor runzelte die Stirn und sah den Cowboy nun direkt an, während Robin immer noch mit geschocktem Gesicht die Worte verdaute. „Nun Colt, es sieht so aus, als hätte Josh einige Jungen aus der Schule um sich geschart und gemeinsam jagen sie den kleineren Angst und Schrecken ein. Sie ärgern sie, drohen ihnen auch, aber bisher sind sie nie weiter gegangen. Wir verfolgen diese Entwicklung schon seit einiger Zeit mit Sorge und haben versucht, durch die Aufteilung der Jungen in verschiedene Klassen dem Ganzen ein Ende zu setzen, aber wie es aussieht, sind diese Maßnahmen leider fehlgeschlagen.“ Colts Augen hatten sich finster zusammengezogen, er rieb sich nachdenklich das Kinn. Das Josh sich dermaßen zum Rowdy entwickeln würde, hatte er nicht vorausgeahnt. Aber sie mussten handeln. „Was glauben Sie, warum er dies tut?“, fragte er weiter. Robin hörte ihnen mit bangem Gesichtsaudruck zu.“ „Nun, ganz genau kann Ihnen das wohl nur Josh beantworten, aber wir glauben, dass er Aufmerksamkeit sucht, Bestätigung wenn Sie so wollen. Indem er die anderen Jungen anführt, findet er womöglich, was er sich wünscht.“ „Unmöglich.“, fiel Robin erregt in die Unterhaltung ein. „Josh ist so ein lieber und netter Junge, er wäre gar nicht in der Lage, eine Bande anzuführen. Bestimmt haben ihn die anderen dazu angestiftet, oder er wird von ihnen irgendwie dazu gezwungen.“ Die blonde Lehrerin konnte sich nicht vorstellen, dass ihr lieber kleiner Bruder zu so etwas in der Lage sein sollte, zumal sie selbst jede Art von Gewalt gegen andere völlig ablehnte und ihm auch kein entsprechendes Beispiel vorgelebt hatte. Colt und der Rektor sahen sich an und der Blick zwischen den Männern sagte deutlich, dass beide einer Meinung waren und zwar das Josh sich in den letzten Wochen sehr zum Negativen entwickelt hatte und dass er sehr wohl in der Lage war, diese Dinge zu tun. „Das ist noch nicht alles.“, sprach der Rektor bedächtig und sowohl Colt als auch Robin lehnten sich angespannt nach vorn. Was konnte denn nun noch kommen? „Joshs Leistungen haben bedenklich nachgelassen. In fast allen Hauptfächern steht er inzwischen auf fünf und wenn er nicht bald wieder anfängt, den Unterricht ernster zu nehmen, dann wird er das Schuljahr wiederholen müssen.“ „Er hat solche Schwierigkeiten? Dann ist vielleicht das eine Ursache mit, weswegen er sich zu solchem Unsinn hat anstiften lassen.“, mutmaßte Robin sofort. „Wenn er dem Unterricht nicht folgen kann, dann ist er vielleicht mit der schulischen Situation total überfordert und dann kommt noch der Stress Zuhause dazu.“ „Robin!“, versuchte Colt sie zu bremsen und legte ihr eine Hand auf den Arm, aber sie schüttelte ihn unwillig ab. „Das kann doch sein.“, beharrte sie auf ihrem Standpunkt. Sie versuchte innerlich Gründe für Joshs Verhalten zu finden, Gründe, weswegen er nichts für all das konnte. „Ich habe nicht gesagt, dass Josh nicht mitkommt.“, meinte Rektor Jones da und Robin hielt inne. „Josh ist ein sehr intelligenter Junge, er begreift den Stoff des Unterrichts in vollem Maße und wenn er sich denn einmal dazu herablässt mitzuarbeiten, dann sind seine Antworten immer richtig und zeigen, dass er den anderen Schülern seiner Klasse weit überlegen ist. Allerdings macht er keine Hausaufgaben und in Kontrollen und Arbeiten zieht er es vor, Strichmännchen zu zeichnen anstatt die Aufgaben zu lösen. Er zieht seinen Notendurchschnitt mit Absicht nach unten, verstehen Sie?“ Nein! Robin verstand zwar die Worte, aber der Sinn schien sich nicht zu ergeben. Colt griff erneut nach ihrer Hand und dieses Mal ließ sie es zu, denn sie brauchte Trost nach all den schlechten Neuigkeiten. „Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?“, wollte der Cowboy wissen. „Reden Sie mit ihm. Versuchen Sie ihm den Ernst der Lage zu erklären und versuchen Sie herauszufinden, weswegen er das tut. Vielleicht kann er sich ja auch noch eine Sportart als Hobby zulegen, wo er sich abreagieren und auspowern kann, allerdings nur, wenn seine schulischen Leistungen wieder in Ordnung sind. Möglicherweise bekommt er zu wenig Aufmerksamkeit oder braucht eine gewisse Selbstbestätigung? Hat es in den letzten Monaten gravierende Veränderungen in seinem Leben gegeben?“ Fragend sah er die beiden an. „Nun, wie Sie bereits wissen, sind wir inzwischen zusammengezogen und planen zu heiraten.“; antwortete der Star Sheriff. „Außerdem bin ich im Kavallerieoberkommando im Moment sehr eingespannt und manchmal muss ich auch tagelang auf Mission gehen. Aber Robin ist immer da und ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Joshs Verhalten darauf zurückzuführen ist.“ „Nun, es liegt an Ihnen, dies herauszufinden und es liegt an Josh, seine Leistungen wieder zu verbessern, damit er die Klasse nicht wiederholen muss. Möglicherweise sollten Sie auch den Rat eines geeigneten Kinderpsychologen einholen, aber das ist nur ein gut gemeinter Ratschlag von mir.“ Rektor Jones sah beide an. „Für’s erste ist er für diese Woche vom Unterricht suspendiert, außerdem wird einiges an Strafarbeiten an ihn und seine Freunde zukommen. Ich kann und darf so ein Verhalten nicht tolerieren. Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine besseren Neuigkeiten sagen konnte.“ „Natürlich, das verstehen wir.“, antwortete Robin mechanisch, während sich in ihren blauen Augen Tränen sammelten und sie sich erhob. „Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns so ausführlich zu sprechen.“ Sie sagte dies höflich und wohlerzogen, aber sie stand wie unter Schock, das merkten beide Männer. Colt erhob sich ebenfalls, genau wie der Rektor, dann nahm er seine Freundin am Arm und nachdem auch er sich verabschiedet hatte, führte er sie aus dem Büro. „Mitkommen und kein Wort bis wir Zuhause sind.“, fuhr er Josh an, der ihn trotzig anstarrte, sich dann erhob und vor ihnen her zum Ausgang trottete. „Wenn du ihn so anfährst, machst du es auch nicht besser.“, fauchte Robin, ein Stück ihrer Energie zurückgewinnend. „Es schadet ihm aber auch nicht und ich werde ihm für diese Heldentaten bestimmt nicht auch noch den roten Teppich auslegen.“, konterte Colt aufgebracht. **** Auf der Fahrt zum Heim von Colt Robin und Josh herrschte eisiges Schweigen im Auto. Josh saß wie üblich mit trotziger Miene und verschränkten Armen auf dem Rücksitz und starrte nach draußen, während der Star Sheriff und die junge Lehrerin ihren Gedanken nachhingen und versuchten, das eben Gehörte zu verarbeiten. Colt versuchte sich zu erinnern, wann genau dies alles angefangen hatte. Robin und er waren jetzt beinahe zehn Monate zusammen und wohnten schon seit einer Weile in einem Haushalt. Josh war anfangs total begeistert vom Einzug des Star Sheriffs gewesen und sie hatten viel gemeinsam unternommen und Spaß gehabt. Beide zogen Robin sehr oft damit auf, dass sie sich im Bezug auf ihren kleinen Bruder wie eine Glucke benahm und Colt war der Meinung, dass sie ihn zu sehr verhätschelte. Aber er war auch sicher, dass sich die Situation ändern würde und so nahm er ihre Überbesorgnis anfangs mit viel Humor. Er schloss jeden Abend wenn er nach Hause kam, seinen Blaster in einen extra dafür angeschafften Safe ein und sprach auch nicht von seiner Arbeit, wenn der Junge in der Nähe war. Dennoch Josh reagierte begeistert auf jedes Wort, was über das Kavallerieoberkommando fiel und stellte viele Fragen. Wenn Robin jedoch in der Nähe war, unterband sie solche Gespräche immer gleich im Keim und fing statt dessen an, von Kino, Theaterstücken und Musik zu reden, ein Thema, was ihrer Meinung nach unverfänglich war, was aber den Star Sheriff und das Kind sehr wenig begeisterte. Ihr zuliebe ging Colt jedoch darauf ein und hielt sich im Bezug auf seinen Job zurück. Das Robin dieses Thema auch unterband, wenn Josh nicht in der Nähe wurde ihm erst jetzt, genau in diesem Moment bewusst. Aber um des lieben Friedens willen hatte er sich gebremst und nichts gesagt. Dennoch begannen die kleineren Streitereien und wurden von mal zu mal heftiger. Wann immer er versuchte, Robin einen Rat im Bezug auf Josh zu geben, reagierte seine Freundin ärgerlich und warf ihm vor, sich in Dinge einzumischen, von denen er keine Ahnung hatte. Dabei waren es nur Kleinigkeiten, die der Cowboy erwähnte, wie zu Beispiel, dass Josh mit seinen zwölf Jahren sehr wohl alt genug war, morgens allein aufzustehen und sich auch seine Pausenbrote selbst zu schmieren. Robin jedoch überging solche Sätze und stand nach wie vor jeden Morgen eine Stunde eher auf, um für Josh und Colt alles vorzubereiten. Sicher, er genoss einerseits ihre Fürsorge, aber andererseits engte Robins Bemutterung ihn zunehmend ein und nachdem er jahrelang allein oder auf Ramrod gelebt hatte, war er selbstständig genug, um einige Dinge auch allein zu tun. Außerdem hatten seine Eltern ihn frühzeitig zur Selbstständigkeit erzogen, denn die Ranch musste bewirtschaftet werden und er musste sehr wohl mit anfassen. Sie achteten jedoch sehr darauf, dass er nur Aufgaben übernahm, die er auch meistern konnte und Colt wusste, dass ihm dies nicht geschadet hatte und auch Josh nicht schaden würde. Außerdem verbrachte er viel Zeit mit ihm draußen und auch wenn Robin es zu gefährlich fand, er ging mit ihm reiten, sie gingen angeln, streiften durch die Wälder und übernachteten im Freien. Der Junge war ein glühender Verehrer des Star Sheriffs, und obwohl Robin diese Entwicklung mit Sorge sah, ließ sie ihnen ihre gemeinsame Zeit. Bis gleich zwei Dinge auf einmal geschahen. Josh hatte Colt erzählt, wie gern er für das Kavallerieoberkommando arbeiten würde, wenn er groß genug wäre und Colt hatte Robin daraufhin angesprochen. Oder anders formuliert, er hatte es versucht, denn sie hatte ihn gar nicht ausreden lassen. Zum ersten Mal seit sie zusammen waren, stritten sie sich so heftig, dass die Situation eskalierte und Colt sein Heil in der Flucht suchte, während Robin wutschnaubend hinter ihm her schrie. Sie warf ihm vor, dass er schuld sei, dass Josh diesen Wunsch hegte, weil er ihm diese Karriere so vorleben würde. Und sie würde auf keinen Fall zulassen, dass ihr Bruder zum Kämpfer ausgebildet werden würde, auch wenn sie für Frieden und Gerechtigkeit im Neuen Grenzland kämpften. Sie sah Josh als zukünftigen Lehrer oder Arzt, jemand der dabei half Gutes zu tun, ohne eine Waffe in die Hand zu nehmen. Immer heftiger waren die gegenseitigen Argumente geworden, irgendwann war Colt völlig entnervt in den Bronco gesprungen und zu Ramrod gejagt. Ihm tat der Streit schon kurz danach wieder leid, seine Freunde hatten ihm ebenfalls gut zugeredet, das Robin nun mal eine sehr friedliche Einstellung hätte und das sie vielleicht nur Zeit bräuchte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ihr Bruder sich ein anderes Leben wünschte, als sie für ihn geplant hatte. Zwei Tage später hatte er reumütig vor ihrer Tür gestanden, und Robin hatte ihm natürlich verziehen. Auch ihr hatte der Streit leid getan, aber sie war dennoch nicht bereit, von ihrem Standpunkt abzuweichen und Colt hatte das Thema nicht mehr angerührt. Das Zweite war, das Josh unbedingt Fußball hatte spielen wollen, nachdem Colt ihn einige Male mit auf den Platz genommen hatte. Robin hatte widerstrebend eingewilligt, dass er sich in einer Mannschaft einschreiben konnte. Sie war sehr besorgt, aber Colts Argumente, dass sie Josh gar zu sehr einengen würde, hatten sie nachdenklich gemacht und so erlaubte sie ihm, zweimal in der Woche nachmittags Fußball zu spielen. Allerdings spielte Josh nur genau sechs Wochen, denn gerade in seinem ersten Punktspiel wurde er von einem gegnerischen Spieler so gefoult, dass er fiel und sich das Handgelenk brach. Er fiel sechs Wochen in der Schule aus und Robin sah außerdem ihre sämtlichen Befürchtungen bestätigt und nahm ihn umgehend aus der Mannschaft. Außerdem strich sie sämtliche Freizeitaktivitäten, wo sie nicht mit teilnehmen konnte. Das hieß für Colt und Josh kein Reiten mehr, denn Robin hatte Angst vor Pferden. Außerdem gingen sie nicht mehr Angeln, denn in Robins Begleitung machte es ihnen einfach nicht mehr so viel Spaß wie früher. Und vom Zelten gehen träumten sie nur noch, Robin hatte die Zelte in den Keller verbannt mit der Begründung, die warme Jahreszeit wäre vorüber und im Herbst ginge man nicht mehr zelten. Sie ließ sich dabei weder von Joshs Betteln noch von Colts gegenteiliger Meinung irritieren, stattdessen nahm sie lieber häuslichen Unfrieden in Kauf. Seitdem rebellierte Josh. Erst fiel es bei Kleinigkeiten auf, er räumte seine Sachen nicht weg, packte seinen Schulrucksack genau vor die Haustür, er widersprach ihren Sätzen immer öfter und beteiligte sich fast gar nicht mehr am Familienleben. Erst rebellierte er nur gegen Robin, später auch immer öfter gegen Colt. Bald wussten sich die beiden Erwachsenen keinen Rat mehr und Diskussionen über Joshs Verhalten endeten immer öfter im Streit darüber, wie man dem gegenübertreten sollte. Colt hatte Robin vorgeschlagen, den Jungen wenigstens vorübergehend in das Internat des Kavallerieoberkommandos zu geben, damit er sich wieder Disziplin angewöhnte und außerdem wurden die Kinder dort nicht nur schulisch unterrichtet, sondern konnten auch aus jeder Menge beaufsichtigter Freizeitbeschäftigung wählen wie Schach, Baseball, Fußball oder Schwimmen. Robin hatte mehr als aufbrausend reagiert. Sie warf Colt vor, keine Ahnung von Kindererziehung zu haben. Sie war der Meinung, dass die Veränderung in ihrer aller Leben daran schuld sei, das Josh so eine Trotzphase durchmachte und er würde nur seine Grenzen testen. Mit Liebe, Fürsorge und Geduld würde sich der Junge schon bald wieder völlig normal verhalten. Sie dürften auf seine Frechheiten und Streiche einfach nicht reagieren. Des weitern machte sie klar, dass ihr Bruder schon ohne Eltern aufwachsen musste und sie ihn keinesfalls in ein Internat geben würde. Er hätte ein Recht darauf, bei seiner Familie aufzuwachsen. Der Cowboy wusste nicht, wie viele Abende Robin und er das Thema wieder und wieder durchgesprochen hatten. Anfangs hatte er ihrem Urteil vertraut und Joshs schlechtes Benehmen ignoriert, aber nachdem er beobachtet hatte, das Josh sich nicht nur zu Hause sondern auch zunehmend in der Öffentlichkeit ungezogen benahm, hatte er Robin wieder darauf angesprochen. Und seitdem stritten sie nur noch. Robin hing auf dem Beifahrersitz ihren Gedanken genauso nach und versuchte immer noch, die Worte von Joshs Rektor zu verarbeiten und was sie dagegen tun konnten. Sie fragte sich, was sie falsch gemacht hatte, weswegen Josh so gegen sie arbeitete und sie nicht mehr an ihn herankam. Sie suchte die Schuld bei sich, war der Meinung das Josh eifersüchtig auf die Zeit war, die sie mit Colt verbrachte. Und sie nahm sich vor, sich in Zukunft noch mehr auf ihren Bruder zu konzentrieren. Zuhause wollte sie in Ruhe mit ihm reden und ihm eindringlich die Folgen seiner Handlungen klarmachen. Und dann wollte sie ihm anbieten, sich ein Hobby zuzulegen, vielleicht wollte er ja wirklich Schach lernen, oder sie kauften ihm ein Haustier. Robin hielt nicht viel von kleineren Tieren im Haushalt, aber vielleicht konnten sie sich ja eine Katze oder einen kleinen Hund zulegen. Das würde ihrer kleinen Familie wieder mehr Zusammenhalt geben, weil sich ja immer einer darum kümmern musste. Sie konnten sich zusammensetzen und sich darüber einigen, was für ein Hund oder was für eine Katze es sein sollte oder gemeinsam Bücher und andere Ratgeber lesen und beraten. Robin vergaß völlig, dass Colt von einem Bauernhof stammte und sich vermutlich damit bestens auskannte. Vielleicht war dies auch die Lösung, das sie sich weniger mit Colt stritt. Ihr gingen die dauernden Diskussionen genauso an die Nerven wie ihrem Freund, aber sie wollte auch nicht darüber nachdenken, ob er möglicherweise mit seinen Argumenten doch nicht nur daneben lag. Josh war ihr Bruder, sie kümmerte sich seit Jahren allein um ihn, sie wusste, was am Besten für Joshs Wohl war. Auf der Rückbank hatte Josh zwar den Kopf zum Fenster gedreht, aber aus den Augenwinkeln musterte er seine Schwester und den Star Sheriff ganz genau. Robin sah immer noch aus, als würde sie gleich losheulen und Colts Gesichtszüge schienen vor Wut wie zu Stein erstarrt. Josh war zufrieden mit sich. Er hatte nie so weit gehen wollen, aber vielleicht erfüllten ihm seine ganzen Taten vielleicht jetzt seinen sehnlichsten Wunsch. Er wollte zum Kavallerieoberkommando und dafür würde er alles tun. Worte nützten nichts mehr, er hatte zu oft versucht Robin umzustimmen, aber er kam nicht gegen sie an, genauso wenig wie Colt. Wie sehr bedauerte er, dass der Cowboy in Entscheidungen, die sein Leben betrafen nicht mitreden durfte. Robin hatte das Zepter in der Hand und sie gab keinen Zentimeter nach. Aber wenn Worte nicht halfen, dann vielleicht Taten. Keiner der Erwachsenen wusste, dass Josh den Streit belauscht hatte, in welchem Colt das Internat des Kavallerie- Oberkommandos vorgeschlagen hatte und das er seitdem hoffte, er dürfe dorthin gehen. Er strebte die Offizierslaufbahn an, wollte viel lernen, dann seinen Grunddienst verrichten und danach einen der Wege gehen, die sich ihm nur beim Oberkommando boten. Seine jetzige Schule langweilte ihn, die Lehrer langweilten ihn und oft begriff er den Stoff schon, noch bevor die anderen Schüler halbwegs den Durchblick bekamen. Während die anderen noch lernen mussten, konnte er sich schon wieder seinen Gedanken widmen und er stellte wieder und wieder fest, dass ihm der Lehrstoff dort nicht reichte. Er wollte mehr wissen, er war fähiger als die Lehrer ahnten und sie konnten ihm nicht das vermitteln, was er brauchte. Zuhause durchforstete er stundenlang das Internet und suchte sich das Wissen heraus, was er wollte. Hoch lebe Google. Außerdem wollte er endlich wieder Fußball spielen oder vielleicht auch schwimmen. Außerdem liebte er das Reiten, es war so schlimm für ihn, dass Robin ihm all dies verboten hatte. Nur wegen einem dämlichen gebrochenen Handgelenkt, er hätte genauso gut die Treppe herunterfallen können, aber dann wären sie vermutlich in einen Flachbau ohne Treppen gezogen. Und Colt? Der hielt sich natürlich an Robins Anweisungen, weil er keinen Streit mit ihr wollte. Josh unterdrückte gerade noch ein wütendes Schnauben, die da vorn sollten ruhig denken, dass ihm das alles schnurzegal war. Je mehr Blödsinn er machte, desto mehr stiegen seine Chancen, dass Robin endlich einsah, dass sie mit seiner Erziehung überfordert war und das er sich mehr wünschte. Und dann kam er endlich ins Internat des Kavallerieoberkommandos und konnte endlich wieder normal sein. Josh sah es praktisch, er würde die Ferien Zuhause verbringen und die Schulzeit über war ja Colt da und Robin war nicht allein. Außerdem hatte sie ihre Arbeit und er wusste, dass seine Schwester es liebte, Grundschülern etwas beizubringen. Aber er war nun einmal kein Grundschüler mehr und fand, Robin könnte sich ruhig angewöhnen, mehr auf ihn oder Colt zu hören. Er wusste, dass sie es mit ihm nur gut meinte und das letzte was er wollte war, sie zu verletzen, aber der Zweck heiligte die Mittel. Dass er heute zu weit gegangen war, wusste er. Der Kleine hatte vor Angst geschlottert und Josh besaß gar keinen Gameboy, er hätte das Spiel nicht gebraucht. Er hätte die Sachen auch nicht behalten, im Gegensatz zu seinen Freunden, dennoch kam er mit der bockigen und streitlustigen Masche nicht weiter. Robin ignorierte ihn, nein, sie bemutterte ihn noch mehr und ging ihm ständig auf die Nerven. Colt dagegen versuchte nicht, ihn zu bemuttern und er hatte auch nicht Robins mitleidigen Gesichtsausdruck, wann immer er wieder etwas angestellt hatte. Im Gegenteil, Josh wusste genau, das der Star Sheriff sich nur seiner Schwester zuliebe so zusammenriss und ihn schon lange ins Internat verbannt hätte. Dummerweise konnte er nicht so handeln wie er wollte und so musste Josh weiterhin ungezogen, frech und vorlaut auftreten. Aber er war sich sicher, dass seine heutige Tat das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Robin würde Colt endlich zustimmen und sich von ihm trösten lassen, während er im Internat landete, noch einige Wochen widersprechen würde und sich aber dann wieder zusammenreißen und zeigen würde, was in ihm steckte. Er unterdrückte ein freudiges Grinsen und wartete zufrieden der Dinge, die Zuhause auf ihn zukommen würden. ***** Colt parkte das Auto in der Garage, dann gingen sie kommentarlos ins Haus. Josh wollte in sein Zimmer abbiegen, aber Colts: „Ins Esszimmer, Sportsfreund!“ hielten ihn davon ab. Josh war irritiert, er hatte angenommen, dass Colt und Robin erst gemeinsam beraten würden, was zu tun sei und dass sie ihn dann dazuholen würden. Ein flüchtiger Blick auf Robin zeigte ihm, dass er Recht gehabt hatte. Robin hatte genauso vorgehen wollen, Colt war ihr jedoch zuvorgekommen. Die blonde Lehrerin straffte jedoch die schmalen Schultern und ging voran, Josh folgte ihr, Colt bildete das Schlusslicht. Kaum saßen sie am Esstisch, polterte der Star Sheriff auch schon los. „Kannst du mir verraten, was in deinem verqueren Hirn vorgeht?“, schnaubte er wütend. „Einen Schwächeren bedrohen wegen eines Gameboyspieles. Du hast dir schon vieles erlaubt, aber das geht zu weit! Es zeugt von wenig Ehrgefühl, Kleinere verlassen sich darauf, dass die Größeren ihnen helfen und nicht, dass sie total verängstigt werden.“ Die blauen Augen des Starsheriffs blitzten zornig und es hielt ihn nicht auf seinem Stuhl. Er sprang auf und marschierte um den Tisch auf Josh zu. Der Junge zog den Kopf ein, Colt sah aus, als würde er ihn am liebsten kräftig durchschütteln wollen. „Colt bitte.“, mahnte Robin und ihre sanfte Stimme brachte den Cowboy zu Räson. Er wandte sich ab und starrte angespannt zum Fenster heraus. „Josh, ich kann nicht glauben, was der Rektor uns gesagt hat.“ Sie sah ihren kleinen Bruder an und die blauen Augen schwammen in ungeweinten Tränen. „Das bist doch nicht du, der so etwas tut. Bitte Josh, rede mit uns!“ Flehend sah sie ihn an. „Ich weiß ja, dass die Veränderungen in unserem Leben in den letzten Monaten sehr viel für dich waren, aber das ist doch kein Grund, sich einer Bande anzuschließen. Ich glaube übrigens nicht, dass du der Anführer bist. Bestimmt haben die anderen gelogen, um dir die Hauptschuld in die Schuhe zu schieben und ich werde mich morgen mit den Eltern beraten, damit sie die Sache richtig stellen.“ Josh riss die Augen auf und starrte sie an, genau wie Colt. Robin wertete dies als Zustimmung, als Hilfeschrei und als Tatsache, dass sie auf dem richtigen Weg war. „Ich weiß, dass du dir vernachlässigt vorkommst, weil Colt jetzt da ist, aber wir werden das ändern. Wir werden wieder mehr Zeit miteinander verbringen und vielleicht gewöhne ich mich ja an Pferde, dann können wir gemeinsam reiten gehen. Ich weiß, wie gern du das gemacht hast und es war bestimmt ein Fehler, dass ich euch das verboten habe. Und vielleicht legen wir uns ja einen Hund zu.“, versprach sie. „Aber du musst damit aufhören, andere zu ärgern. Und du musst schleunigst raus aus dieser Gang. Wenn nur ein Schulwechsel in eine andere Schule hier in der Nähe hilft, dann können wir da bestimmt was tun. Dann brauchst du keine Angst mehr zu haben und kannst wieder ordentlich mitarbeiten. Da musst du nicht bei solchen Untaten mitmachen und deine Leistungen werden bestimmt wieder besser.“ Robin war zu der Überzeugung gelangt, dass Josh ungewollt in diese Gang hineingeraten war und dass er jetzt nicht mehr herauskam und die anderen ihn bedrohten, sollte er aussteigen wollen. Ihr armer kleiner Bruder musste vor diesen Kindern geschützt werden und mit deren Eltern musste sie auch reden. Zuhause würden sie wieder mehr für den Zusammenhalt untereinander tun und bald würde sich auch hier die Lage entspannen. Josh würde sehen, dass er keinen Grund zur Eifersucht auf Colt hatte und dann würde alles wieder gut werden. Eine andere Schule musste her und sie musste sich mit Colt einigen, wie das Problem zu lösen war. Eigentlich war es ja ganz einfach. Sie sah bittend von Josh zu Colt und zurück. Das beide sie entgeistert ansahen wertete sie positiv. Josh war bestimmt erleichtert und Colt erstaunt, dass er nicht selbst soweit gedacht hatte. „Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?“, wetterte Colt los und Josh stimmte ihm im Stillen zu, versuchte aber, wieder ein möglichst gelangweiltes Gesicht aufzusetzen. „Dein Bruder benimmt sich seit Monaten wie die Axt im Walde, jetzt bedroht er schon andere Kinder und du willst ihm als Belohnung auch noch ein Haustier schenken?“ Der Star Sheriff war fassungslos. „Nicht als Belohnung Colt, als Anregung. Sie mal, wenn Josh erst einmal eingesehen hat, dass seine Eifersucht unbegründet ist…“ „Eifersucht?“, unterbrach Colt sie grob. „Was denn für eine Eifersucht? Er braucht eine ordentliche Tracht Manieren, damit er wieder weiß wo der Hammer hängt, dass ist alles. Es ging doch vorher auch.“ Nun war es an Robin, Colt missbilligend anzusehen. „Man unterbricht andere Leute nicht im Satz, Colt.“, rügte sie ruhig und Colt explodierte. „Begreifst du eigentlich, was hier los ist?“, brüllte er. „Der kleine Rotzer torpediert unser gesamtes Leben und du suchst die Schuld auch noch bei dir! Was er braucht ist keine liebe Ermahnung und auch keine Nachhilfe in Sachen gute Erziehung, denn das kann er sehr wohl. Was er braucht ist eine strenge Hand und eine Herausforderung. Schick ihn ins Internat, da bekommt er Manieren und Unterrichtsstoff um die Ohren geschleudert, dass die Schwarte kracht. Er wird gar keine Zeit mehr für den ganzen Blödsinn haben, den er gerade anstellt.“ „Das ist deine Lösung für alles oder?“ Robins Stimme war eisig. „Anstatt dich zu fragen, warum Josh solche Probleme hat, willst du ihn wegschicken. Nein, dass ist nicht richtig und ich weigere mich, auch nur darüber nachzudenken. Josh und ich mussten ohne Eltern klarkommen und ich lasse nicht zu, dass ihm nun auch noch das einzige Heim genommen wird, was er jemals hatte.“ Josh verdrehte die Augen. Das lief nicht so, wie es sollte. Robin suchte die Schuld bei sich und so wie er es ahnte, würde der Abend wie so viele davor laufen. Colt und Robin würden sich noch eine Weile weiter darüber streiten, wer Schuld an allem hatte und was man ändern muss, dann würde Colt in der Garage verschwinden, Robin würde Essen kochen, sie würden gemeinsam essen, dann würden sie sich wieder vertragen und ohne was zu klären in gespieltem Frieden ins Bett gehen. Ohne Vorwarnung sprang er auf und schlenderte ins Wohnzimmer. Colts „Stopp Freundchen wir waren noch nicht fertig.“ ignorierte er, warf die Füße auf den Tisch und machte sich den Fernseher an. Es dauerte nur Sekunden, bis Colt dicht gefolgt von seiner besorgten Schwester ins Wohnzimmer gestürmt kam, die Lage erfasste und dann wütend das Kabel des Fernsehgerätes samt Anschlussdose aus der Wand riss. „So nicht junger Mann.“, schnaubte er. „Colt!“ Robin betrachtete entsetzt die beschädigte Wand. „Gewalt ist aber auch keine Lösung. Aber das man Probleme auch mit reden lösen kann, begreifst du ja nicht unbedingt oder? Ihr beim Kavallerieoberkommando löst ja jedes Problem mit Gewalt.“ Kaum hatte sie das ausgesprochen, schlug sie erschrocken die Hände vor den Mund. Aber sie konnte die Worte nicht zurücknehmen, so sehr sie sie auch schon bereute. Colt stand wie erstarrt und auch Josh hatte entsetzt die Füße vom Tisch genommen und sah die Erwachsenen mit bangem Blick an. Einige lange Sekunden lang sagte keiner ein Wort. „Geh auf dein Zimmer Josh, wir reden später weiter.“, sagte der Cowboy schließlich heiser. „Aber…“, wandte er ein. „Kein Aber, du hast für heute genug angestellt.“, unterbrach Colt ihn. „Geh Josh.“, sagte nun auch seine Schwester und wandte den Blick nicht von ihrem Verlobten. Josh stand langsam auf und schlich wie ein geprügelter Hund aus dem Zimmer und die Treppe nach oben. Auf dem obersten Absatz jedoch verharrte er still und lauschte angespannt in Richtung Wohnzimmer, dessen Tür nur angelehnt stand. Colt sah Robin angespannt an. „Du gibst mir also die Schuld dafür, dass dein Bruder so am Rad dreht ja? Meine Anwesenheit und meine Job haben ihn so wirr im Kopf gemacht?“, fragte er leise. „Nein, das nicht.“, antwortete sie kleinlaut. „Genau so kommt es mir aber vor. Ich habe nichts wie Gewalt im Kopf und Josh hat sich das alles mehr oder weniger von mir abgeguckt.“ Hatten sich ihre Worte wirklich so angehört? Robin forschte in ihren Gedanken. Hatte sie am Ende genau das gesagt, was sie seit langem dachte? Sie liebte Colt ja, aber sie liebte auch den Frieden und hielt nichts von Waffengewalt. „Sie mal Colt, es ist doch so, dass Josh dich vergöttert und dir alles nachmacht.“, begann sie und konnte den Vorwurf nicht aus ihrer Stimme heraushalten. „Und du kämpfst den ganzen Tag. Selbst jetzt wo die Outrider besiegt und wieder in der Phantomzone sind, fliegt ihr rum und kämpft gegen wen auch immer.“ „Das ist also deine Meinung ja?“ Colts Stimme war ruhig, zu ruhig. „Du hast dir also dein Urteil gebildet. Ist dir je in den Sinn gekommen zu fragen was wir tun, jetzt wo die Outrider besiegt sind? Ja sicher, wir fliegen Missionen und wir jagen Raumpiraten und wenn nötig setzen wir auch unsere Waffen ein. Aber das ist nur ein Bruchteil unserer Arbeit. Ramrod hilft auch Bewohnern auf Planeten, wo die Outrider gewütet haben. Was meinst du, wie viele Bäume der Bronco aus dem Weg zieht, wo Straßenblockaden zum Schutz gegen die Outrider gebaut worden sind? Oder wie viele Familien wir zusammenführen, nachdem die Väter aus Outriderlagern befreit worden sind. Was meinst du, auf wie vielen Planeten Saber und April helfen, die Computersysteme zu reaktivieren, damit die Grundversorgung mit Strom und Wasser wieder funktioniert, während Fireball und ich Menschen helfen, ihre paar Habseeligkeiten, die sie vom Krieg übrig behalten haben, in Notquartiere zu bringen, weil die Outrider ihre Häuser zerstört haben?“ Colts Stimme war mit jedem Wort lauter und verbitterter geworden. Robin sah ihn geschockt und erstaunt zugleich an. „Colt, ich hatte ja keine Ahnung.“, stammelte sie und bereute ihre unbedachten Worte von vorhin so sehr. „Du sagst ja nie was.“ „Ich soll ja nicht!“, brüllte er da seinen ganzen Frust heraus. „Wer wechselt denn immer das Thema, sobald die Rede auf meine Arbeit kommt? Wer guckt denn zuerst nach dem Blaster an meiner Seite, ob er auch brav weggeschlossen ist? Ist dir je aufgefallen, dass dieser Blick noch vor dem Guten Tag sagen kommt, sobald du das Haus betrittst?“ Robin schwieg betroffen. Seine Worte verunsicherten sie und das er innerlich so voller Wut war, hatte sie nicht geahnt. Sie hatte nicht gewusst, wie er seine Tage verbrachte und hätte auch nie für möglich gehalten, dass die Star Sheriffs zum Wiederaufbau der Zerstörungen im Grenzland beitrugen. Betroffen sah sie ihn an, aber Colt war zu wütend, um darauf Rücksicht zu nehmen. Zu lange hatte er sich zurückgehalten, aus Rücksicht auf sie und Josh. „Da staunst du was?“, fragte er bissig. „Dein ach so schießwütiger Verlobter baut Häuser auf und hilft, Lebensmittel zu verteilen. Das passt nicht in dein Weltbild der Star Sheriffs richtig? Du sitzt hier im friedlichen Tranquility, was nebenbei bemerkt auch wir gerettet haben und wetterst über das Kavallerieoberkommando, während du die Augen vor der Wirklichkeit verschließt.“ „Das ist nicht fair Colt.“, protestierte Robin erstickt und schlang die Arme schützend um ihren Oberkörper. „Ich weiß genau, was die Outrider angerichtet haben und ich leiste genauso meinen Beitrag zum Wiederaufbau. Ich lehre Kinder, ich bringe ihnen schreiben und lesen und rechnen und viele Dinge mehr bei.“ „Das hat nie jemand bestritten Robin.“, erwiderte Colt. Seine Wut verrauchte, als er ihre niedergeschlagene Miene sah. „Dennoch siehst du einige Dinge zu unrealistisch und engstirnig. Und du bist nicht bereit, irgendeine Art von Kompromiss zu schließen. Was du nicht hören willst, hörst du nicht und was du nicht sehen willst, siehst du nicht.“ Robin kniff die Augen zusammen. Sicher, sie hatte nichts von seiner Arbeit hören wollen und sich auch in den letzten Monaten nicht sehr oft seinen Freunden unterhalten, sie hatte im Gegenteil sogar den Kontakt versucht soweit wie möglich zu unterbinden. Aber dennoch verletzten seine Worte ihren Stolz und kratzten an ihrem Ego. Er hatte gewusst, worauf er sich mit ihr eingelassen hatte und hatte dies auch akzeptiert und nun machte er ihr genau dies zum Vorwurf. „Was soll das bitte heißen?“, fragte sie aggressiv. „Ich meine unter anderem Josh. Er wird erwachsen und ist nicht mehr der kleine niedliche Junge mit Pfeil und Bogen, der außer Tranquility nichts weiter kennengelernt hat. Er will sich lösen, er hat versucht seinen Horizont zu erweitern, herausfinden, was ihm Spaß macht. Du hast alles im Keim erstickt, du packst ihn in Watte und willst ihn zu etwas formen, was er nicht möchte.“ „Seit wann bist du denn der große Experte in Sachen Kindererziehung?“, höhnte sie wütend. „Du warst doch nicht da, als ich blutjung mit einem Kleinkind dastand, wir beide ohne Eltern, unsere Heimat von den Outridern vernichtet. Ich war immer für ihn da, ich will nur das Beste für ihn.“ „Natürlich willst du das.“, stimmte er zu. „Aber vielleicht solltest du auch mal ab und zu fragen, was er sich wünscht, wovon er träumt. Du entscheidest alles Robin, ohne Kompromiss. Und das gleiche tust du mit mir. Du umgehst einfach alles, was man sagt. Wenn ich sage, morgen will ich kochen, hast du das Essen schon vorbereitet. Wenn ich dich frage, ob wir mit den anderen mal eine Pizza essen gehen wollen, dann hast du einen Tag später Kinokarten für irgend eine Schnulze, Hauptsache du kommst nicht in Kontakt mit noch mehr Leuten vom Kavallerieoberkommando. Meinen Job akzeptierst du doch nur, weil du genau weißt, dass ich ihn niemals aufgeben würde, nicht einmal für dich, so sehr ich dich auch liebe. Glaub mir Robin, ich habe so oft versucht, mit dir darüber zu reden oder über Josh, aber alles was du tust ist Richtig und was von deinem Kurs abweicht ist inakzeptabel. Frag Josh, was er machen möchte, frag ihn, was er mit April und Saber gemacht hat, oder was er mit Fireball durchdiskutiert hat, bis der Turbofreak es nicht mehr hören konnte.“ Jedes Wort von ihm traf sie wie ein Schlag mitten ins Gesicht. Sie hatte nicht geahnt, dass Colt so empfand. Sie wusste auch nicht, was er mit seinen seltsamen Andeutungen meinte, was Josh betraf. Sie war jedoch immer noch nicht bereit, einzulenken und seine Worte zu durchdenken. „Du lenkst vom Thema ab.“, fuhr sie ihn an. „Jetzt schiebst du Josh vor, nur weil du nicht weiterweißt. Aber so wie ich das sehe, ist Josh weniger das Problem, als die Dinge zwischen dir und mir.“ „Es greift alles ineinander, Robin.“, erwiderte er müde, denn er sah ein, dass Robin nicht bereit war, auch nur einen Schritt auf ihn und seine Worte zuzugehen. „Ich wünschte mir so sehr eine gleichberechtigte Partnerschaft mit dir und das wir beide zusammen aus dem großartigen Kind Josh einen großartigen Mann Josh machen. Aber egal was ich versuche, du blockst einfach alles ab, was nicht in dein Weltbild passt oder die Linie durcheinanderbringt.“ „Also bin ich jetzt Schuld das wir Probleme haben und Josh so verrückt spielt?“, schrie sie ihn verletzt an. „Das ist doch erst seitdem du da bist. Vorher war er ein ganz normaler Junge.“ Colt erstarrte. „Das denkst du wirklich oder?“ Er sah sie lange an und Robin hielt seinem Blick wütend stand, ihre Wut war das einzige was sie vom Zusammenbruch abhielt. „Vorher war alles in Ordnung zwischen Josh und mir.“, entgegnete sie ihm leise und vorwurfsvoll. „Dann kommst du und setzt ihm Flausen in den Kopf mit deinen Heldengeschichten. Er ist mein Bruder, meine einzige Familie und ich weiß, was ich tue und was am Besten für ihn ist. Er braucht keine Helden und kein Kavallerieoberkommando, sondern eine ruhige und stabile Umgebung, Menschen die ihn lieben und auffangen, wenn er fällt.“ Bei ihren Worten schloss der Cowboy gequält die Augen, wandte sich dann ab und griff seinen Hut. Ruhig ging er zum Safe, öffnete ihn, nahm seinen Blaster und schnallte ihn wortlos um. In den Safe legte er seinen Verlobungsring und schloss ihn dann sorgfältig wieder. „Was wird das?“, fragte Robin beunruhigt. „Und ich Idiot dachte, ich gehöre auch zu deiner Familie. Du, Josh und ich.“, sagte Colt ruhig und sah sie noch einmal an, bevor er sich in Richtung Tür wandte. „Aber so ist es nicht und so wird es niemals sein, oder Robin?“ Ohne eine Antwort zu erwarten öffnete er die Tür und trat hinaus. „Leb wohl Robin.“ Leise schwang die Tür hinter ihm ins Schloss und hinterließ eine lähmende Stille im ganzen Haus. Oben auf der Treppe saß ein fassungsloser Junge, dem die Tränen übers Gesicht liefen und der nicht fassen konnte, was gerade passiert war. Das hatte er nicht gewollt… Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)