Küss mich doch! von CuteAngel (Der zweite Band von der Liebesreihe 'Lächel doch mal') ================================================================================ Kapitel 6: In der aller letzten Sekunde kam der Prinz auf dem Ross ------------------------------------------------------------------ »Schokolade?« »Ja… ähm nein…«, stammelte ich und verschluckte mich beinahe an meinem Donat. Ohne näher auf mein Gestammel einzugehen, legte er eine Tafel Schokolade auf die Theke, dennoch blieb mir das Glitzern in seinen Augen nicht verborgen. Lautlos wanderten meine Finger zu der Tafel und versuchten ohne einen Ton sich etwas davon zu nehmen. Allerdings reichte wohl schon der Gedanke aus, um das blöde Papier zum Knistern zu bringen. Leonardo stellte seine Tasse auf dem Herd ab und verschränkte die Arme vor seiner Brust, so dass seine Arme unter den Achsen verschwanden. »Wolltest du jetzt immer mit den Bus durch ganz New York fahren?« Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte ich sonst darauf antworten? Eigentlich hoffte ich, dass mein Auto wieder dort stand, wo ich es abgestellt hatte. Dass sich jemand einen Scherz erlaubte und es mir zurück brachte. Hoffen darf man doch? Ich war zwar Realist, aber Hoffnung gab es immer, ob ich wollte oder nicht. »Es wurde einige Blocks weiter gefunden«, erklärte er und betrachtete mich weiterhin an. Unruhig verlagerte ich mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Es ist unversehrt. Was uns dazu bringt: Du musst von dort ausziehen.« Ich setzte an, ihm zu widersprechen, hingegen kam er mir zuvor. »Ich lasse dich da nicht mehr wohnen«, durchschnitt seine Stimme die Luft und damit war für ihn die Diskussion zu Ende. ‚Toll, und wo soll ich dann wohnen? Auf der Straße?’ »Bis du eine eigene Wohnung hast, kannst du hier wohnen.« Ich kniff meine Augen zu schlitzen zusammen. Soweit würde es nie kommen lassen! Er hatte nicht über mein Leben zu bestimmen. Meine Wohnung war mein Zufluchtsort, zwar nicht ein sicherer, aber immerhin ein Zufluchtsort vor ihm! »Ich kann mir aber keine andere Wohnung leisten und ich will auch nicht.« Er lachte auf. »Du willst nicht. Das hast du nicht zu bestimmen.« »Und ob ich das habe! Schließlich ist das mein Leben! Ich muss meine Miete bezahlen. Ich muss für mich sorgen. Das übernimmt keiner. Daher entscheide auch ich, wo ich wohne!« Er legte seine Arme auf die Theke und war bloß noch wenige Zentimeter von mir entfernt, dennoch bot ich ihm weiterhin die Stirn. Wenn ich eines hasste, dann war es, wenn jemand meinte über mein Leben zu bestimmen. Deswegen war ich von zu Hause weggegangen… »Bekomme du erst einmal dein Leben in den Griff!«, setzte ich einen drauf. »In wie fern?« Jedoch sah ich nicht ein, näher darauf einzugehen, sollte er sich seinen Teil denken. Ich war lediglich seine Sekretärin und das auch nur zu den Zeiten zwischen sieben bis siebzehn Uhr, der Rest ging mich nichts an und ganz wichtig: Ihn auch nicht!!! »Rotfuchs…«, knurrte er. Ich drehte mein Gesicht von ihm weg. Dezent schob er mit zwei Fingern es wieder in seine Richtung, das ich ihm in die Augen sah. »Mein Auto wurde nicht gestohlen«, log ich und wollte mich auf der Stelle für diese Lüge Ohrfeigen, weil wir beide die Wahrheit sehr gut kannte. Seine Augen fixierten mich und zum ersten Mal fiel mir auf, dass seine Augen gar nicht dunkelbraun waren. Sie wurden zur Iris heller, fast golden. Jedoch gefiel mir nicht, was ich darin sah, mein eigenes jämmerliches Spiegelbild. Also entschied ich mich für das erstbeste: Losreißen und davon stürmen. Denn das konnte ich ausgesprochen gut. Aber als ob er es gerochen hätte, stellte er sich mir in den Weg und passte mich im Flur ab. »Lass mich vorbei!«, forderte ich ihn auf, aber er machte sich nicht die Mühe, »Das ist Freiheitsberaubung.« »Und wenn schon. Ruf doch die Bullen an.« Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich griff nach meinem Mobiltelefon, wählte und er hatte es prompt in seine Hände. Sofort hechtete ich meinem Telefon nach, verhedderte mich und lag in seinen Armen. Ich spürte seinen Atem an meinem Ohr, worauf ich mich fix von ihm löste, zusätzlich von seinem Lachen angestachelt. Als ich sein grinsendes Gesicht sah, packte mich die eiskalte Wut und ich holte aus. Ehe mir bewusst war, was ich tat, hörte ich ihn aufstöhnen. Mich schleuderte es auf einen Stuhl, der sich im Flur befand, und er rieb sich mehrfach den Arm. »Gott, kannst du zuschlagen!«, fluchte er und zog sich das Hemd aus. Während er seinen Arm genauer studierte, lächelte mich ein blauer Fleck auf seiner Brust an. Meine Augen wanderten weiter zu seinem Arm, genau zu der Stelle, die ich erwischt hatte und schien sich auch schon rötlich zu färben. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen. »War ich das?«, fragte ich zaghaft. Leonardo widmete sich weiter seinem Arm, rieb ein weiteres Mal über die Stelle und beantwortete meine Frage brummend mit einem ‚Ja’. »Wow.« »Ich finde das gar nicht so ‚Wow’. Wie kann jemand, der so zierlich ist, so zuschlagen?« »Mein Bruder«, antwortete ich stolz. Irgendwie gönnte ich ihm diesen Fleck. Schade, dass die Schmerzen zu schwach waren. Leonardo hob auffordernd seine Augenbrauen und ich erklärte: »Er meinte immer, ich sollte lernen, wie man richtig zuschlägt, weil man glauben könnte, durch meine Tollpatschigkeit wäre ich ein leichtes Opfer.« Seine finstere Miene wandelte sich in ein ehrliches Lächeln. »Dein Bruder hat gar nicht so unrecht.« »Ach, wieso mich nehmen, wenn es doch noch Vollblut Blondinen gibt, die weit aus attraktiver aussehen«, brabbelte ich vor mir her und bemerkte erst sehr spät, ich hatte zuviel preisgegeben. Entsetzt biss ich mir auf die Lippen und starrte Mr. Mistkerl an. Seine Mundwinkel hoben sich noch weiter und das Bedürfnis, auf ihn ein weiteres Mal einzuschlagen, war unheimlich groß, dass ich es nur unterdrückte, da ich mich an dem Träger meiner Tasche festklammerte. »Eifersüchtig?« »Auf was? Auf dein Geld? Ja. Aber sonst, worauf sollte ich eifersüchtig sein?« Er beugte sich zu mir runter und ich wich reflexartig zurück, allerdings packte er mich geschwind am Arm und zog mich zu sich. Seine Lippen streiften mein Ohr, als er flüsterte: »Kann es sein, dass du mich magst?« Erschüttert starrte ich ihn an. Ich war baff und konnte für Minuten nichts sagen. Dann wurde ich unheimlich wütend. Das war so etwas von klar, solche Kerle waren nur Ich- bezogen. Dauernd dachten sie bloß an sich. Sie kamen niemals auf den Gedanken, dass man sie vielleicht abstoßend finden würde. Nein, alle Welt würde sie lieben. Dieses verdammte Ego… Meine Unterlippe zitterte. Mit einem Ruck riss ich mich los. »Das hättest du wohl gerne!«, fauchte ich lauter als gewollt, »Ihr seid doch alle gleich. Schon einmal daran gedacht, dass man euch vielleicht auch hassen könnte! Wenn ich eines weiß, dann ist es das, dass es das Letzte auf der Welt wäre, dass ich auch nur denken würde, dich, Abschaum, zu mögen.« Ohne darüber nachzudenken drängte ich mich an ihm vorbei und stürmte aus der Wohnung. Ich rannte den Flur entlang und nahm die Treppen, da mir der Aufzug zu lange dauern würde und ich ihm nicht noch weiter ausgesetzt sein wollte. Nicht einmal wagte ich es, mich nach ihm umzudrehen. Der Gedanke, er konnte mir nach Laufen, trieb mich unaufhörlich voran. Ich lief auf den Bürgersteig und wusste nicht annähernd, wo ich war, dennoch blieb ich nicht stehen. Irgendwann würde ich irgendwo hinkommen, wo ich mich auskannte. Zumindest hoffte ich das. »Ihn mögen… Pah!« Wütend kickte ich einen Stein weg. Als ob es jemals soweit dazukommen würde. Das war ein Unding der Unmöglichkeit. Er beleidigte mich ständig mit diesen Spitznamen und dann sollte ich ihn mögen? In was für einer Welt lebte der Kerl eigentlich! Verdattert blieb er im Flur stehen und starrte auf die offene Tür. Er hörte ihre Schritte, noch konnte er sie einholen, doch seine Beine weigerten sich. Er blieb wie angewurzelt in seinem Flur stehen und spielte pausenlos ihre Worte ab, dabei konnte er ihren Blick nicht vergessen, der eine deutliche Abscheu ihm gegenüber zeigte. Und aus einem unerklärlichen Grund zog sich sein Herz zusammen. Er wusste, wenn er ihr nun nachrennen würde, würde er sie packen und schütteln, bis er sie anders ansah. Bis ihr Blick ihn begehrte. Aber er wusste, dann würde sie eher Angst vor ihm bekommen und das war noch schlimmer, als dieser Blick jetzt. Entrüstet schlug er mit seiner Faust gegen die Wand und tat sich dabei mehr weh, als seinem Frust Dampf abzulassen. Er wusste, dass er nicht sehr nett zu ihr war, zu beginn. Er wollte sie auch verletzten, aber nun… Er wollte ihr die Situation erklären. Eigentlich mochte er sie, er war lediglich verletzt gewesen, darüber dass eine Frau ihn damals einen anderen Mann vorgezogen hatte. Mit einer kräftigen Handbewegung schlug er die Tür zu. Wenn sie seine Hilfe nicht wollte, würde er ihr nicht nachrennen. Er würde einen Fehler nicht noch einmal machen. Am Ende ließe er sich nur wieder darauf ein und dann entschied sich dieses Weib auch noch für einen anderen Mann. Zumal sie ihn schließlich verabscheute. Da wäre jede Mühe umsonst gewesen. Wieso sich anstrengen? Es bringt doch eh nichts… Wild tigerte er im Wohnzimmer auf und ab und blieb seufzend stehen.. Der Tag hatte längst begonnen und er musste ins Büro. Er hatte heute noch ein wichtiges Meeting. Er musste dorthin bedingt hin… Unbedingt… »Ach verdammt!«, knurrte er, schnappte sich seine Lederjacke und nahm die Verfolgung auf. Sollte das blöde Meeting ohne ihn stattfinden, er hatte Wichtigeres zu tun. Er musste seinem Rotfuchs in den Hintern treten. Sie sollte den Boden küssen, auf dem er lief. Am Ende hatte ich mich auf eine Bank niedergelassen. Ich wusste immer noch nicht, wo ich war oder wie ich zu mir nach Hause finden sollte. Ich war irgendwo in New York und wollte keinen fragen. So saß ich nun hier und beobachtete die Leute. In der Ferne erkannte ich den Eingang zu einer U-Bahnstation, allerdings war mir das Geld zuschade dafür. Laut meiner Uhr hätte ich ins Büro gemusst, da wäre ich jedoch Mr. Unmöglich begegnet und er war zurzeit einer der Menschen, die ich gar nicht sehen wollte. »Amanda!« Überrascht meinen Namen zu hören, sah ich auf und blickte in das lächelnde Gesicht von Roland. »Heute frei?«, fragte er, obwohl ich aus seinem besorgtem Blick erkannte, er hätte gerne etwas anderes gefragt. »Ja«, log ich und zwang mich das Lächeln zu erwidern. »Vielleicht Lust mitzukommen? Ich muss auf dem Bau etwas prüfen.« »Klar«, antwortete ich ruhig und war froh, mich für einen Moment nicht mit meinen Gedanken zu befassen. Die Woche war einfach eine Katastrophe und für jede Ablenkung – egal wie dämlich sie auch sein mag – war ich unheimlich dankbar. Wir erreichten ein Geländer, was durch einen riesigen Zaun abgesperrt wurde und dessen Herzstück ein riesiges Haus war. Schluckend blickte ich rauf. »Roland!«, begrüßten ihn einige Handwerker. Lautlos folgte ich ihm, in das Gebäude. Ich hörte es von allen Seiten bohren und hämmern. Auch wenn etliches noch mit Abdeckplanen ausgelegt war, ließ sich doch erkennen, dass wir uns in einer prächtigen Eingangshalle befanden. »Ist das dieses Bauprojekt?« Roland nickte und legte auf einen Tisch seine Unterlagen ab. Er deutete mit seinem Finger auf eine offene Skizze. »Wenn alles klappt, wird es im Frühjahr fertig sein.« Es sah wirklich sehr gut aus und wenn ich das Geld hätte, würde ich sofort einziehen. Das leise Surren eines Telefons ließ mich aufhorchen. Roland stellte sich etwas abseits, dass ich ihn kaum verstand. Angespannt spitzte ich meine Ohren, verstand jedoch nur Wortfetzen: »Ja… ist hier… sein muss… ihn hier…« Ärgerlich biss ich mir auf die Lippen. Ich war einfach zu neugierig, aber anderseits gehörte es sich nicht zu lauschen und so versuchte ich mich auf die Skizzen zu konzentrieren. Roland wandte sich lächelnd zu mir. »Magst du mitkommen. Ich muss oben, was prüfen.« ‚Oben?’, schrie ich entsetzte auf und schüttelte sehr zaghaft meinen Kopf. Es reichte schon, wenn eine Person von meiner Höhenangst wusste. »Ich warte lieber hier. Darf ich?« Ich deutete in Richtung eines Gangs und Roland zuckte flüchtig mit den Schultern. »Schau dich ruhig um. Bin gleich wieder da.« Er schenkte mir noch ein charmantes Lächeln, worauf mein Herz etwas schneller schlug und ich verlegend dem Flur widmete. Ich schlich von Tür zu Tür und sah überall hinein, vereinzelt winkten mir Handwerker zu. Der eine oder andere zwinkerte, worauf ich erschocken weiter ging, was man eher als flüchten beschreiben konnten. Am Ende hockte ich mich hin und strich mit dem Finger über den glatten Marmorboden. Es war ein angenehmes Gefühl, die Kühle zu spüren, als saugte sie alle Sorgen aus einem. Schade, dass es nicht wirklich passierte… »Wo ist sie?« Erschrocken schreckte ich auf, denn ich hatte niemals mit dieser Stimme hier gerechnet. Von Panik ergriffen suchte ich mit meinen Augen nach einem versteck und fand lediglich die Theke, die später die Rezeption sein würde. Fix sprang ich auf und flüchtete mich dorthin. Zusätzlich legte ich eine Plane über mich und hielt den Atem an. Ich hörte Schritte in dem Raum rennen. »Wo ist sie?« »Schrei nicht so«, brummte Roland, der ebenfalls den Raum betrat, »Sie war gerade noch hier. Hast du nicht ein Meeting?« »Ist eh nur belangloses Zeug.« »Sie gefällt dir und lässt dich nicht ran«, lachte Roland. Plötzlich hörte ich es krachen und hätte mich beinahe durch einen Schrei verraten. Rechtzeitig presste ich meine Hände gegen den Mund und unterdrückte meine Neugier nach ihnen zu linsen. »Hey! Beruhig dich! Ich hab keine Lust, alles neu renovieren zu lassen!« »Wo ist sie?«, wiederholte Leonardo seine Frage. »Sie läuft hier irgendwo rum. Oder vielleicht ist sie auch gegangen. Was hast du mit ihr gemacht? Sie sah fertig aus?« »Geht dich nichts an.« »Vielleicht schon.« »Was willst du damit sagen?« Mein Herz fing automatisch schneller an zu schlagen. Ich hörte es in meinen Ohren so laut schlagen, dass ich befürchtete, die beiden würden es hören. »Du weißt, was ich damit meine.« Etwas donnerte auf den Theken ein und ich zuckte zusammen. Gott sei dank, hatte ich die Plane über mich gezogen, sonst hätten sie mich spätestens jetzt entdeckt. Nicht auszumalen, was dann passierte… »Lass die Finger von ihr! Sie gehört mir!« »Meinst du nicht, sie hätte da noch ein Wörtchen mitzureden?« Schritte stampften von mir weg und waren irgendwann verklungen. Gespannt wartete ich, was passierte. Ich hätte gerne die Antwort von Leonardo gehört. Wenigstens hatte Roland ihm gekontert. Ihm! ‚Wie kann man nur so Ich- bezogen sein?’ »Du kannst jetzt rauskommen.« Ich schreckte auf und stieß mir den Kopf an der Theke. ‚Woher wusste er das?’, fragte ich mich und wusste, das wurde eine Beule geben. Die Plane hob sich und Rolands Kopf lugte von oben herab. »Ich habe deinen Schatten am Boden gesehen«, erklärte er und mein Blick landete direkt zu Boden. Tatsächlich sah jeder sofort meinen Schatten, der in die Halle kam, wo ich war. Ich hatte die Lampe neben mir gar nicht bemerkt, die meine Silhouette abzeichnete. ‚Ob er es auch gesehen hatte?’ Panik durchströmte meinen Körper. ‚Wenn er es gesehen hat, dann wird er…’ »Willst du nicht rauskommen?« Roland reichte mir eine Hand, die ich nur anstarrte. Der Mann hatte gerade Mr. Fürchterlich gestanden, dass er mich gern hatte und weit aus mehr als das. Wenn ich die Hand nun ergriff, würde ich dem zustimmen? Schließlich erhob ich mich ohne seine Hilfe aus meinem Versteck. »Ich habe ihn noch nie so hitzig gesehen«, fragend sah ich Roland an, »Leo. Meistens lässt er Arschloch Typen raushängen.« Ich zuckte mit den Schultern. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich mich langsam auf dem Heimweg machen musste. Mein Auto wurde zwar gefunden, erinnerte ich mich an das Gespräch mit Mr. Unmöglich, doch das war Kilometer weit von mir entfernt. »Soll ich dich nach Hause bringen?«, kam Roland mir zuvor, bevor ich mich verabschieden konnte. Ich nickte bloß und fand mich in den nächsten Minuten vor meiner Wohnung wieder. Ich winkte Roland noch nach, dann lief ich durch die Haustür, die wie immer offen stand. Ich machte mir ebenfalls nicht mehr die Mühe zu schließen. Manches Mal geschah es aus Reflex, dieses Mal jedoch, wollte ich lediglich in mein Bett. Ich war fertig mit der Welt. Am liebsten wollte ich die letzten Tage dieser Woche nur noch im Bett verbringen, und wir hatten erst Donnerstag. Ich schleifte mich die Stufen hoch und kramte nach meinem Schlüssel, als ich meine Tür offen erblickte. ‚Das konnte doch nicht – ’ Ich hechtete die restlichen Stufen rauf und stürmte in meine Wohnung. Alles sah unverändert aus, nichts lag auf dem Boden verteilt und nichts wurde gestohlen. Es gab ja auch nichts, außer meinen Laptop, den ich sicherheitshalber immer bei mir trug. Erleichtert stellte ich die Tasche auf der Couch ab und suchte das Schlafzimmer auf, da packte mich etwas von Hinten. Jemand legte eine schmierige Hand auf meinen Mund, ehe ich den Gedanken hatte zu schreien. Ich wehrte mich und holte zum Schlag aus. Doch der Treffer ließ mich nicht aus meiner Lage befreien, stattdessen schleuderte mich jemand auf das Bett und drückte mein Gesicht ins Kissen. Ich bekam kaum noch Luft. Ich musste mich wehre und brüllte in das Kissen, was bloß wie ein unterdrücktes Stöhnen klang. Etwas streifte meinen Hals, was sie wie eine ekelige Zunge anfühlte. Angewidert startete ich einen weiteren Versuch mich zu befreien, doch das Gewicht einer Person lag auf mir und ich konnte mich nicht mehr bewegen. ‚Warum ich!’ Ich kniff meine Augen zusammen und merkte, wie sich etwas, an meiner Hose zuschaffen machen. Weiterhin wandte ich mich in seinem Griff. So leicht wollte ich es dem Schwein nicht machen! Hingegen ließ langsam meine Kraft nach. Der Griff um meine Handgelenk wurde stärker und das Gewicht schwerer auf meinem Körper. Vor Schmerzen schrie ich auf. ‚Hasst Gott mich so sehr?’ Tränen rangen über meine Wangen und sickerten gleich ins Kissen. Ich hörte das Reißen von Stoff und spürte, dass mein Rücken freilag. Plötzlich donnerte es und das schwere Gewicht auf mir war verschwunden. Blitzschnell sprang ich auf, ohne mich umzusehen und rannte aus der Wohnung. Ich hörte Schritte hinter mehr her rennen. Vollkommen blind rannte ich weiter und merkte erst ein Stockwerk höher, dass ich nicht nach unten gelaufen war. Angetrieben von Angst lief ich weiter, stolperte und schlug mit dem Knie gegen die Kante einer Stufe, dennoch kroch ich weiter, bis die Tür des Dachbodens mich aufhielt. Ich zerrte an der Klinke, allerdings ließ sich die Tür nicht öffnen. Hinter mir hörte ich die Schritte immer näher kommen. Ich presste mich mit dem Rücken enger an das Holz und machte mich ganz klein. »Geh weg!«, schrie ich, aber das scherte die Person nicht. »Ich bin’s nur…«, sprach Leonardo leise und blieb auf der letzten Stufe stehen. Ich schlang die Arme um mich, während er sich stillschweigend zu mir setzte. Eine Weile sagte niemand etwas. Wir saßen nur so dar, bis er seinen Arm um mich legte und ich mich weinend an seinen Hals schmiss. Erst sehr langsam registrierte ich weitere Stimme, sowie das Geräusch von lauten Sirenen. Schritte rannten durch den Flur und brüllten sich unverständliches Zeug zu, am Ende widmete sich eine tiefe Männerstimme Leonardo zu: »Alles in Ordnung?« _____________________________________________________ Dieses Material wird von Jessica Monse urheberrechtlich geschützt. Jede Widerabschrift oder Vervielfältigung sind verboten und illegal. © Jessica Monse 2010 http://www.jessicamonse.de/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)