Schicksalsschläge von Silmarille (von Leben und Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 1: Gebrochene schwingen - Mariamo ----------------------------------------- Er hob die Hand vor die Augen und seufzte. Noch mehr Blut. Wie lange saß er schon hier zusammengekauert in dieser Ecke? Dem Stand der Sonne nach waren es nun Stunden, aber er wusste noch nicht, wie man aus den Gestirnen las. Warum hassten sie ihn so? Er hatte doch niemandem etwas getan? Gut, er hatte schwarzes Haar und kein Braunes wie die anderen, aber seine Eltern hatten doch gesagt, dass sollte egal sein. Der Junge schloss die Augen und zog die Knie an um diese mit den Armen zu umgreifen. Stunde um Stunde saß er da und weinte lautlos. Der Mond stand bereits hoch am Himmel, als sich etwas zu ihm gesellte. Ein räudiger kleiner Hund schleppte sich in die Gasse um vor den Augen des einsamen jungen zu sterben. „Armes Ding“ murmelte der Junge und strich über das Fell des Hundes. Doch als etwas von seinem Blut den Hund berührte, geschah etwas Seltsames. Mariamo beobachtete halb erschrocken, halb fasziniert, wie eine grünlich schwarze Aura den Hund umhüllte. Sie waberte leckte nach allein Seiten und tötete, was sie berührte. Auch Mari wurde getroffen, doch er starb nicht. Nein, es war eher als legte ihm jemand eine Hand auf die Wange. Ein wohliges Kribbeln gepaart mit einem kalten Schauder erfüllte das Kind. Der Hund erhob sich wieder und sah aus kalten toten Augen zu Mari. //Ich habe leben geschaffen// dachte Mari und sah erstaunt auf den Hund. Dieser war definitiv tot gewesen und jetzt stand er wieder. „Das muss ich Mama und Papa zeigen!“ Er sprang auf, hob den Hund hoch und rannte nach Hause zum Palast. Doch als er seinen Eltern erzählte, was geschehen war, passierte etwas, was Mari völlig verwirrte. Statt stolz und freundlich zu sein, starrte sein Vater ihn an, als sei er ein Monster und seine Mutter lief weinend und schreiend aus dem Saal. Von diesem Tage an wurde es noch schlimmer. Mari trainierte seine Fertigkeiten weiter immer in der festen Überzeugung er würde etwas Gutes tun, wenn er Tote wieder ins Leben holte. Doch nun waren es nicht nur andere Kinder, die ihn jagten, ihn schlugen und blutend liegen lassen. Auch immer mehr Erwachsene begannen den Jungen als das zu behandeln, was sie in ihm sahen: Ein Verbrecher, ein Totenbeschwörer, ein Monster… Selbst seine Eltern schotteten sich immer mehr von Mari ab. Er war nun ein junger Erwachsener, kein Kind mehr. Der Einzige, mit dem er reden konnte, der ihn nicht schlug oder misshandelte war sein kleiner Bruder. Der Augenstern seiner Eltern. Anfangs war Mari zornig auf seinen Bruder Karan gewesen doch das hatte sich bald gelegt… Diese Nacht jedoch sollte alles ändern. Mari wurde gegen Mittwacht geweckt von dem metallischen Klirren stählerner Rüstungen. Er sprang auf und lief hinaus auf den Wehrgang. Lange schon waren die Menschen auf dem Kontinent unterwegs doch nun zogen sie gegen die alt eingesessenen. Die, welche sie für die Unsterblichen hielten. Mari sah sich um und lief wieder rein, er wollte die Wächter und seine Eltern wecken, doch keiner glaubte ihm. Keiner hörte auf die Worte eines Mannes, der die Traditionen nicht schätzte. Was sollte Mari also tun? Er konnte sie doch nicht einfach so weiterschlafen lassen. Er rannte wieder hinaus, konzentrierte sich und schnitt in seinen Arm. Fast ein Liter blut war nötig um ein kleines Heer zu beschwören. Wenigstens bis Sonnenaufgang musste er sie zurück schlagen. Er tat sein bestes. Alles was in seiner Macht stand um jene zu verteidigen, die ihn wie Dreck behandelten. Doch es brachte ihm nichts. Selbst seine toten Soldaten wurden zurück geschlagen. Mari kämpfte verbissen, es waren so viele. Ein Schwert durchbrach seine Deckung und bohrte sich in seinen Rumpf. Durch den Schleier aus Schmerz und Blut, sah er die Tore aufgehen. Sie kamen. Letztlich kamen sie doch. Dann hörte er den Schrei. eine kindliche Stimme, die seinen Namen rief. Sein Bruder. Mari lächelte. Letztlich hatte er seinem Volke doch gedient. „Entschuldige… Karan…“ mit diesen Worten auf den Lippen brach er auf dem Schlachtfeld zusammen. Ein Meer aus Dunkelheit und Schmerz hielt ihn gefangen. Warf ihn wie einen Spielball hin und her. Unendlich lange. Eine Ewigkeit folgte der nächsten. Dunkle Stimmen waren um ihn, drangen mit unverständlichen Worten auf ihn ein. Er verstand es nicht. Was war geschehen? War er tot? Ja, das musste es sein. Die Klinge, die ihn durchbohrt hatte, musste ihn getötet haben. Doch warum dann diese Schmerzen? Man hatte ihm immer gesagt, Tote hätten keine Schmerzen mehr. Hatte man ihn belogen? So wie er so oft belogen worden war? Immer tiefer zog ihn die Schwärze hinab, die Schmerzen wurden stärker. Mari schrie, doch über seine Lippen kam kein Laut. Niemand würde ihn hören. In dieser Hölle war er stumm in seinen Qualen und der Pein, die ihn immer weiter vereinnahmten, seine Seele zu zerreißen suchten. Doch dann wich die Dunkelheit und die Schmerzen verebbten etwas. Jemand rief nach ihm. Er spürte eine tiefe Wärme und war versucht ihr nach zu geben. Doch was wenn auch dies ein Trug war? Wenn diese Wärme Maris Ende bedeutete? Dennoch… trotz seiner Bedenken gab er der Wärme und der lockenden Stimme nach und folgte ihr ins Licht hinein. Er spürte eine Hand durch sein Haar streichen, spürte wie Tränen auf seine Brust tropften. Eine Brust die sich nicht hob und senkte, in der das Herz nicht schlug. Mari hörte, wie jemand seinen Namen wisperte und ihn anflehte wieder zu erwachen, zurück zu kehren aus dem Schattenreich. Er wollte der Stimme folgen, doch es ging nicht. Mari war dem Sog der Finsternis entkommen, doch nun musste er etwas noch schwierigeres vollbringen: Er musste sein Herz zum Schlagen zwingen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit begann es wieder seine Arbeit zu leisten. Mari holte Luft wie ein Ertrinkender und hustete. Er hatte Schmerzen. Wieder Schmerzen. Doch dies war keine seelische, körperlose Pein. Dies war körperlicher Schmerz. Der Schmerz einer Stichwunde, die ihn umgebracht hatte. Er war verwirrt. Warum atmete er wieder? Er war tot gewesen! Was hatte ihn zurück geholt. Wieder diese Stimme. Diesmal aber waren da noch mehr Stimmen. Zwei… Sie waren so bekannt. Er versuchte die Worte zu verstehen, zu begreifen, was sie sagten. „Wir hätten ihm glauben sollen, Seres…“ sprach jemand. Eine Frau. „Und was hätte das gebracht, Tara?“ erwiderte Seres. „Er würde nicht hier liegen!“ Mari versuchte sich zu erinnern. Woher kannte er diese Namen? Seres… Tara… Dann fiel es ihm ein. Langsam öffnete er seine Augen und gewahrte weit über sich die dunkle Decke eines Tempelgewölbes. Ein Ort an den man Tote und sterbende brachte. Er wandte den Kopf zur Seite und sah zwei Gestalten, die nur langsam scharfe Konturen annahmen. Ein kräftiger Mann und eine Schlanke Frau. Mari leckte sich über die spröden Lippen und holte leise Luft, ehe er sprach: „Mutter… Vater…“ Sofort wirbelten die beiden herum und starrten ihn an. „Ihr Götter, Seres! Er lebt!“ Tara sah Mari halb erschrocken halb erleichtert an. „Aber wie ist das möglich? Er hat nicht geatmet, sein Herz stand still!“ Seres sah seinen Sohn mit undeutbarem Blick an. Dann schüttelte er den Kopf, wandte sich um und ging hinaus. Er schien wenig erfreut über diese neuen Entwicklungen zu sein. Mari begriff es noch nicht, aber er sollte seinen Vater nie wieder mit jenem warmen Lächeln, das er als Mari klein gewesen war oft gezeigt hatte, sehen. Es dauerte, bis er so weit genesen war, dass er aufstehen und wieder trainieren konnte. Doch ab nun stand er ständig unter Bewachung. Dann eines Tages wurde er früh geweckt. Schwer bewaffnet standen Wachen um ihn herum, die Pieken im Anschlag, den Blick wachsam auf den jungen Mann gerichtet. Wortlos wurde er abgeführt und vor seinen Vater gebracht, welcher ihn mit erschreckender Kälte ansah und eine Weile einfach schwieg. Der Platz neben Seres Tsi-reveon, Herrscher der Freder, war leer. Maris Mutter war nicht anwesend. Dafür hatte sich der gesamte Adel hier versammelt. Mari sah sich verwirrt um. Warum starrten ihn alle so an? Was hatte das ganze hier zu bedeuten? Doch ehe er die Frage laut äußern konnte, bedeutete sein Vater ihm mit einer harschen Bewegung still zu sein. „Mariamo Tsi-reveon!“ erhob er die Stimme und stand dabei auf „Du sollst nun erfahren welches Urteil ich mit meinen Beratern über dich, Totenbeschwörer, gefällt habe.“ Er ließ sich wieder nieder und Mari glaubte eine Spur Bedauern in den Augen des Herrschers zu erkennen. „Du wirst diesen Ort verlassen und nie zurück zu deinem Volke kommen. Solltest du es doch versuchen, so wird dich der Tod erwarten.“ Mari erschrak. Verbannung? „A-aber Vater!“ „SCHWEIG! Dieses Urteil ist endgültig!“ Er schloss die Augen „Führt ihn raus.“ Mari stolperte nun vor den Wachen her. Er war vollkommen verwirrt. Er hatte sein Leben für sein Volk gegeben und nun wurde er verbannt? Aus dem Augenwinkel sah er wie sein Bruder zu ihm lief aber auf halbem Wege von einer Wache zurückgehalten wurde. Tränen glitzerten in den Augen des Jungen wie auch in denen des Nekromanten //Kar… vergiss es, Kurzer… Vergiss mich, mein Bruder…// Mari ging hängenden Kopfes weiter die Straßen entlang, welche ihm nun unendlich kalt und einsam erschienen obschon fast alle Einwohner zusahen wie er Richtung Stadttor gebracht wurde. Zum Teil konnte man ehrliches Mitgefühl und Unverständnis über das Urteil in ihren Blicken erkennen. Ein letztes Mal sah Mari zurück auf sein zu Hause. Die Mauern des Schlosses sahen so düster und abweisend aus wie nie zuvor. Ihm war nie aufgefallen wie weit es doch von den Toren der Stadt entfernt lag… Maris Weg hatte ihn nun – über ein Jahrhundert nach seiner Verbannung – in eine kleine Grafschaft verschlagen. Sein Volk war den Menschen unterlegen gewesen und in die Berge geflohen, hatte irgendwo dort eine unterirdische Stadt errichtet, deren Eingang man nur fand, wenn man wusste, wo er genau lag. Mari wusste es, doch er erinnerte sich auch noch an die Worte seines Vaters. Und obschon die Einsamkeit schwer auf ihm lastete, wagte er nicht sich gegen den Herrscher auf zu lehnen. Sichernd sah er sich um, ehe er in eine Gasse verschwand und dann auf einen verborgenen Hof trat. „Say!“ hauchte er leise. „Say, bist du da?“ „Ja.“ Aus dem Schatten eines Hauses trat eine zierliche Frau. Ihr Haar viel wie flüssiges Gold über ihre Schultern, ihre blauen Augen waren kristallklar wie ein See voll Quellwasser. Mari hatte sie vor einigen Monaten hier im Wald getroffen, als sie von Banditen bedroht worden war. Sein Herz hatte so laut geklopft, dass er geglaubt hatte, es würde ihm aus der Brust springen. Doch noch mussten sie sich im Geheimen treffen. Sie war die Tochter eines Grafen, er ein gesetzloser Verbannter. Auch wenn er sie gerettet hatte, ihr Vater würde ihre Liebe nie anerkennen. Mari trat auf sie zu und legte die Arme um sie „Die Stunden ohne dicht werden immer länger und unerträglicher, mein Herz“ raunte er leise und küsste sie auf die Stirn. Say nickte. „Aber wir können es nicht öffentlich tun… Vater würde-„ er legte den Finger auf ihre Lippen. „Dein Vater wird nichts tun. Ich werde noch heute um deine Hand anhalten“ meinte er leise und strich über ihre Wange. „Ich bin vom Blute ein Prinz und nur du weißt von der Verbannung.“ Sie sah ihn lange an, ehe sie nickte. Gemeinsam mit ihm ging sie zur Villa des Grafen. Mari sah sich um. Es dauerte ehe man ihn vorließ. Der alte Mann wirkte hart und kühl, als er den Kämpen vor sich musterte „Wer seid Ihr?“ „Mari Tsi-reveon, Sohn von Seres Tsi-reveon, König der Baumspringer.“ erwiderte Mari und erntete sogleich einen starren bösen Blick. „So? Ein Baumspringer seid Ihr also? Wollt Ihr uns aus unserem Dorf treiben und das Land besetzen, wie einst?“ Mari verneinte. „Nein, Herr.“ er winkte Say zu sich heran „Alles wonach es mich begehrt, ist die hand Eurer lieblichen Tochter.“ Der Graf beugte sich vor und wollte ihm ablehnen, doch Say fiel ihm ins Wort. Sie flehte ihn an. Erklärte, sie liebe Mari und sie wolle nicht ohne ihn sein. So lange bis der Graf letztlich nach gab. Die nun folgenden Jahre waren eine Zeit in der Mari endlich glücklich sein durfte. Seine Frau schenkte ihm zwei Töchter: Arya und Kira. Sie waren nun sieben und fünf Jahre alt. Mari liebte sie. Er hätte nicht gedacht, dass ihm in seinem Leben einmal dieses Glück beschert sein würde. An einem Frühjahrsmorgen verabschiedete er sich von Frau und Kindern, nahm seine Schwerter, Pfeil und Bogen und ging tiefer in die Berge auf die Jagd. Einige Schüsse hatten bereits ihre Ziele verfehlt, da nahm er einen Berghirsch aufs Korn. Mari duckte sich hinter die Felsen und legte an. Es war bereits Nachmittag. Die Sonne sank. Dies war seine letzte Chance auf einen erfolgreichen Abschluss der Jagd. Dann hörte er es. Wildes Fauchen und die Schreie einer Frau und zweier Kinder. Sofort ließ Mari den Bogen fallen, sprang auf und hastete los. So schnell seine Beine ihn trugen, kletterte er über Felsen und durch Spalten, bis er ein Tal erreichte. Say ging hier gerne mit den Mädchen Pilze sammeln. Doch was sich Mari nun bot, ließ sein Herz stehen bleiben. Ein Rudel Berglöwen hatte sie eingekreist. Say war schon tot. Zwei Raubkatzen hatten Arya gepackt und zerrten an ihr, zerrissen das Mädchen vor Augen ihres Vaters. Mari schüttelte den Kopf, zog seine Schwerter und griff die Tiere an. Wenigstens kira musste er retten. Er wusste nicht wie lange der Kampf dauerte. Letztlich waren die Tiere – welche noch lebten – fort und Mari stand allein auf blutigem Feld. Er ließ die Schwerter fallen und rannte zu seiner Jüngsten. „Kira… Kira hörst du mich?“ Das Mädchen öffnete die Augen und sah ihren Vater müde an. Doch sie brachte kein Wort heraus. Mari sah sie an und weinte. Er blickte an ihrem Körper hinab. Nein… Kira war dem Tode geweiht. Niemand konnte ihr mehr helfen. Ihr Bauch war aufgerissen. Diese Wunde konnte sie nicht überleben. Mari schluckte. Er konnte sie verbinden, konnte versuchen ihr zu helfen, aber es würde nur dazu führen, dass sie nach Tagen unendlichen Leids doch starb. „Hab keine Angst, Kira… es ist bald vorbei… Es wird gleich nicht mehr weh tun.“ murmelte er leise und griff seinen Dolch. Sein Blick verschwamm von den Tränen, die seine Augen benetzten. Eine letzte Sache, mehr konnte er für die Tochter nicht mehr tun. Er setzte den Dolch an ihre Brust und küsste die Kleine noch einmal auf die Stirn. „Ich liebe dich, meine Kleine… Es tut mir leid.“ Damit stach er zu. Der kleine Körper bäumte sich noch einmal kurz auf, dann erschlaffte er. Mari drückte das tote Kind an sich und weinte bis es dunkel wurde. erst dann raffte er sich auf und begann mit dem Schwert das Erdreich zu lockern um drei Gräber aus zu heben. Scheinbar sollte ihm in diesem Leben kein Glück vergönnt sein… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)