Ritrovare von abgemeldet (Eine NaruSasu-FF) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ritrovare „Naruto, Naruto! Hilfst du mir, Feenflügel zu basteln?“ Angesprochener drehte sich zu dem kleinen Mädchen um, das ihn erwartungsvoll anblickte. „Tut mir leid, Moegi, aber ich hab grad keine Zeit… ich hab Iruka versprochen, ihm beim Aufräumen zu helfen.“ Moegi zog einen Schmollmund. „Aber ich brauch sie ganz dringend. Bitte, bitte, bitte!“ Der Blonde seufzte. Ihm fiel es wirklich schwer, den Kindern hier etwas abzuschlagen, aber was gemacht werden musste… Tsunade, die Leiterin des Horts, musste natürlich genau dann in den Urlaub fahren, wenn eine große herbsttypische Grippewelle fast die Hälfte der Erzieher ans Bett fesselte. Darunter Kakashi, ihren Stellvertreter – obwohl man sich bei diesem Kerl nie wirklich sicher sein konnte, wann er simulierte. Naruto musste nur an die Zeit zurückdenken, als er selbst noch jeden Nachmittag nach der Schule hier verbracht hatte, und an die vielen ach-so-glaubwürdigen Ausreden, die er selbst schon als Siebenjähriger durchschauen konnte… Nein, Kakashi konnte man definitiv nicht immer glauben. Aber eigentlich besaß er genug Rückgrat, um seine gestressten Kollegen in einer solchen Notsituation nicht im Stich zu lassen. Wie auch immer… Jedenfalls brauchte Iruka jede Hilfe, die er kriegen konnte, um den Hort einigermaßen am Laufen zu halten. Man konnte die Kinder ja nicht einfach nach der Schule unbeaufsichtigt auf die Straße setzten. „Wofür brauchst du denn die Flügel so dringend?“, fragte er Moegi. „Morgen kommt nämlich Sakura, vielleicht kannst du sie fragen?“ „Sakura kommt?“, erwiderte die Kleine mit strahlenden Augen. „Oh ja! Sie war schon so lange nicht mehr hier…“ Naruto musste lächeln. Es war schön zu wissen, dass Sakura und er, obwohl sie meistens nur in den Ferien hier arbeiteten - und dann auch nur manchmal- bei den Kindern so beliebt waren. „Jo.“, ertönte eine andere Stimme, die er sofort als Konohamaru identifizierte, ohne auch nur seinen Kopf in die Richtung drehen zu müssen. Er hatte Recht, stellte er einen Augenblick später fest, eindeutig Konohamaru und sein Freund, beide aus Moegis Klasse – wie hieß der andere doch gleich? – ach ja, Udon. Wie die Nudeln. Naruto mochte persönlich ja Ramen lieber … aber das tat jetzt nichts zur Sache. „Hast du Zeit, Boss?“, fragte Konohamaru prompt. Der Junge nannte ihn aus irgendeinem Grund immer so. Iruka hatte ihm mal erklärt, dass der Kleine ihn als Vorbild ansah. Ziemlich lustig, das ganze… „Zeit? Wofür denn?“, entgegnete der Blondhaarige. „Ich möchte eine Gips-Maske basteln.“ Noch bevor Naruto darauf antworten konnte, kam Moegi ihm dazwischen. „Er hat keine Zeit. Wenn er Zeit hätte, würde er auch zuerst mir helfen, weil ich eher gefragt habe, stimmt‘s?“ „Ähm…“ Naruto zog eine Augenbraue hoch. „Darf ich fragen, warum ihr beiden plötzlich so aufs Basteln versessen seid?“ „Ganz einfach: Morgen ist Halloween.“, antwortete ihm eine andere Stimme, die ihn herumwirbeln ließ. „Iruka!“ Iruka war Narutos absoluter Lieblingserzieher gewesen – und auch noch heute hatten die beiden eine ziemlich enge Beziehung -im platonischen Sinne, versteht sich. Wahrscheinlich war das auch einer der Gründe, warum es den Blonden so oft in den Hort zurückverschlug. „Wärt ihr drei so lieb und würdet mich mit Naruto einen Augenblick alleine lassen? Wir müssen was besprechen.“, richtete der braunhaarige Mann sich an die drei Kleinen. Diese murrten zwar, verließen aber brav nacheinander den Raum. Allerdings nicht ehe Konohamaru ein „Aber wenn du wieder Zeit hast, Boss, meldest du dich bei uns“ kundgetan hatte. „Gefragt wie immer.“, kommentierte Iruka. „Ach, immer wenn ich dich sehe, kann ich nicht anders, als mich zu wundern, wie erwachsen du doch geworden bist. Dabei scheint es doch erst gestern gewesen zu sein, als du selbst noch als kleiner Racker hier durch die Zimmer gerannt bist und Unruhe gestiftet hast…“ Naruto verdrehte die Augen. „Du schwafelst schon wieder. Wolltest du nicht was?“ „Da will man dich mal loben, und schon machst du es wieder zunichte.“, beschwerte sich der braunhaarige Erzieher. „Und eigentlich wollte ich dir sagen, dass du für heute Schluss machen kannst. Die meisten Kinder sind schon nach Hause gegangen, den Rest bekommen wir auch alleine hin.“ Der Blonde runzelte die Stirn. „Sicher? Ich hätte auch kein Problem damit, noch eine Weile hier zu bleiben…“ „Naruto“, meinte Iruka seufzend. „Das ist dein letztes Schuljahr. Ich möchte nicht, dass du deine Ferien damit verbringst, in deinem alten Hort auszuhelfen. Ich hätte dich heute Morgen auch gar nicht angerufen, wenn es nicht so verdammt knapp ausgesehen hätte.“ „Aber das ist doch überhaupt kein Problem, hier ein wenig zu helfen.“, erwiderte Naruto, gleichzeitig amüsiert und ein bisschen genervt von Irukas Bemutterungsversuch. „Zuhause würde ich doch auch nichts Sinnvolles machen. Außerdem kommt Sakura morgen auch, obwohl sie im letzten Schuljahr ist.“ Iruka seufzte nochmals. „Sie ist ja auch genauso stur wie du. Hör mal, geh einfach nach Hause oder triff dich mit Freunden. Es ist so ein schönes Wetter draußen.“ Naruto grinste. „Wenn du schon mit dem Wetter anfängst, müssen dir wirklich die Argumente ausgehen.“ „Naruto!“, meinte Iruka warnend. „Ja ja, ich geh ja schon.“, entgegnete der Blonde und hob beide Hände hoch. „Ich muss sowieso gucken, ob es einen Hinweis zu meinem entflogenen Vögelchen gibt.“ „Sasuke? Ist er immer noch nicht wieder da?“, fragte Iruka besorgt. „Nein, noch nicht“, erwiderte Naruto unglücklich. „Dabei sind jetzt schon drei Tage vergangen, seit er weg ist…“ ~*~ Seine Wohnung war natürlich genauso leer, wie er sie verlassen hatte. Auch der Briefkasten enthielt nichts außer der üblichen Werbung und einer Postkarte aus Spanien, die Kiba ihm geschickt hatte. Der Junge hatte das Glück, zusammen mit Hinata und ihrer Familie die Ferien im Warmen verbringen zu dürfen. In Narutos Heimatstadt konnte man jetzt zwar die Färbung des Herbstlaubes mit ansehen, aber es war doch schon recht kühl… Ein bisschen deprimiert, dass fast wieder ein Tag verstrichen war, ohne dass es einen Anhaltspunkt gab, wo Sasuke sein könnte, suchte Naruto nach seiner Brieftasche und machte sich auf den Weg zum nächsten Supermarkt, um Süßigkeiten einzukaufen. Wenn am nächsten Tag Halloween war, sollte er besser etwas anderes als Instant-Nudelsuppe im Schrank haben. Denn die würde er nur ungern weggeben… ~*~ Es war Halloween, Fest der Geister und Skelette, Hexen und Kürbisse, und Naruto saß zuhause auf der Couch und langweilte sich. Seine Hauptbeschäftigung bestand darin, aufzustehen, wenn… Die Tür klingelte. Wie jetzt zum Beispiel. Mittlerweile konnte er Ino fast verstehen, die ihm vor ein paar Stunden berichtet hatte, heute ins Kino zu gehen, um der Klingelei zu entkommen. Warum schmiss eigentlich keiner seiner Freunde zur Feier des Tages eine Halloween-Party? Richtig, die meisten waren sowieso verreist und die anderen waren entweder zu faul oder hielten Halloween für kindisch. Hmpf. Also hatte er versucht, sich für die Kinderchen zu freuen, die feiern durften. War ja nichts dagegen einzuwenden, den Abend von anderen Leuten ein bisschen schöner zu machen. Anfangs hatte er ja noch gute Laune gehabt, und breit lächelnd die Kostüme bewundert, aber irgendwann verlor das Ganze seine Faszination und wurde nervig. Konnte auch daran liegen, dass Narutos Nerven überstrapaziert waren, weil es immer noch keine Spur von Sasuke gab… Vier Tage. So lange war er nun schon weg. Langsam gab Naruto die Hoffnung auf, dass er ihn je wieder sehen würde… und das wäre schrecklich. Er hatte sich nun schon so an ihn gewöhnt, dass es richtig wehtat, wenn er daran dachte, nie wieder in seine schwarzen Augen blicken zu dürfen… Obwohl es sonst nicht seine Art war, stieß er einen tiefen Seufzer aus. Er schloss andere viel zu leicht viel zu sehr ins Herz. Also war er selbst schuld, oder? Sich ein paar der restlichen Süßigkeiten schnappend – schließlich hatte er keine Lust, zu riskieren, am nächsten Tag seinen Briefkasten von Rasierschaum oder seine Türklinke von Zahnpasta befreien zu müssen – trottete Naruto also zur Tür und öffnete sie, in Erwartung des gewohnten „Süßes oder Saures“. Da sah man mal, wie man sich irren konnte. Vor der Tür befanden sich nämlich keineswegs verkleidete Kinder, sondern… „Sasuke!“ Freudestrahlend riss Naruto die Tür so weit wie möglich auf und trat nach vorne. Der Schwarzhaarige im Eingangsbereich seiner Wohnung hob eine Augenbraue. „Ich wusste gar nicht, dass du mich vermisst hast.“ „Ich mein‘ ja auch nicht dich, sondern den Vogel, du Depp!“ Nach all den Zetteln, die er geschrieben hatte, nachdem sein geliebter Nymphensittich ausgerissen war, endlich, endlich war er- Moment! „Sasuke?“, fragte der verwirrte Blonde die Person, die den Käfig samt Sittich in der Hand hatte. „Stell dir vor, Idiot. Warum hat dein Vogel meinen Namen?“ Einen Augenblick lang starrte Naruto die Person vor sich an. Das war doch jetzt nicht wahr, oder? Von allen Personen, die seinen Sittich hätte finden können… Naruto klappte die Kinnlade herunter. „Was denkst du dir nur? Hier plötzlich aufzutauchen.“, grummelte Naruto vor sich hin, während er den Vogel, der in einer Art Mini-Käfig untergebracht war, zu seinem alten Heim zurückbrachte. „Also echt… nach den zwei Jahren, die wir uns nicht gesehen haben. Hättest du dir auch sparen können.“ Naruto versicherte sich diesmal doppelt und dreifach, dass die Käfigtür geschlossen war. Der Schrecken von der letzten Ausreißaktion saß ihm noch zu tief in den Knochen. „Dir ist schon klar, dass man die Tiere eigentlich nicht einzeln halten sollte? Und ich dachte, spätestens mit 18 würde dein Intelligenzquotient wenigstens den eines Durchschnittsmenschen erreichen.“, meinte Sasuke, nett wie immer und das vorher Gesagte komplett ignorierend. Vielleicht wäre es ganz günstig, an dieser Stelle zu erwähnen, dass die beiden eine Art Feindfreundschaft pflegten. Oder besser gesagt: Gepflegt hatten. War schon eine Weile her, dass sie sich über den Weg gelaufen waren. Das änderte aber nichts an ihren Kommunikationsregeln: In alle Sätze so viele Beleidigungen wie möglich einbauen. „Halt die Klappe, Bastard.“, erwiderte Naruto pflichtgemäß. „Der hier ist mir zugeflogen, und bis ich mir den nächsten leisten kann, wird noch eine Weile vergehen.“ Sasuke verdrehte die Augen. „Pff… na dann, viel Glück. Und schreib bitte das nächste Mal, wenn das Vieh dir ausreist, deinen Namen neben die Adresse. Hätte mir einiges an Rumgefrage bei deinen Nachbarn gespart.“ Naruto zog einen Schmollmund. Hatte er wirklich vergessen, das dazu zu schreiben? Und wenn schon, das war noch lange kein Grund, seinen geliebten Sasuke ein Vieh zu nennen. Er beobachtete den Sittich, wie er die Gitterstäbe entlang kletterte und sich auf die Schaukel setzte. Dort plusterte er sich zu einem dicken Fluffball auf –ein Anblick, bei dem Naruto das Herz aufging. Vieh, pah! „Hör nicht auf den komischen Typen da, du bist der hübscheste Vogel auf der ganzen Welt. Und endlich bist du wieder bei mir…“ Das Zuschlagen einer Tür ließ Naruto herumfahren. Ein Rundumblick durch den Raum machte ihm klar, dass der menschliche Sasuke soeben getürmt war. „Hey, jetzt warte doch mal!“, rief er ihm leicht angepisst nach, und öffnete die Tür wieder, um dem Schwarzhaarigen nachzurennen. Im Eingangsbereich seiner Wohnung holte er ihn ein und hielt ihn auch gleich am Handgelenk fest. „Wenn du schon mal hier bist, bleib wenigstens zum Tee… oder was auch immer du trinken willst.“ Sasuke schaute ihn skeptisch an. „Idiot. Hast du dich nicht grad eben noch beschwert, dass ich hier bin?“ Auf Narutos Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. „Du weißt doch, wie das ist. Na los, mach’s dir schon auf der Couch bequem.“ Mit diesen Worten machte er sich pfeifend auf den Weg zur Küche. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, dass Sasuke seiner Anweisung Folge leistete. Hah. Unerwarteter Besuch zu Halloween – aber wer war er, das Ganze nicht positiv zu nutzen? Viel besser, als sich über Langeweile zu beschweren, war es auf jeden Fall. Und nein, er hatte den anderen nicht vermisst. Nicht ein kleines bisschen… „Sooo… wie ist es dir denn die letzten Jahre ergangen?“, erkundigte sich Naruto, als er fünf Minuten später mit zwei Teetassen in den Händen ins Wohnzimmer zurückkehrte. Da hatte er doch extra noch abwaschen müssen… was tat man nicht alles für seinen Besuch? „Mir geht’s ja total super.“, fuhr er selbst fort, als er gefühlte fünf Minuten später immer noch keine Antwort erhalten hatte. „Sakura und den anderen auch. Iruka sowieso… den seh‘ ich noch ziemlich oft, helfe nämlich im Hort aus. Das hättest du bestimmt nicht gedacht, ne? Tja, ich bin auch dazu fähig, ‚Verantwortung zu übernehmen‘. Kakashi hat gerade die Grippe erwischt… aber sonst geht’s ihm eigentlich auch gut. Wie ist deine neue Schule so? Gibt es noch mehr unfreundliche, stinkreiche Bastarde?“ Sasuke sandte ihm einen Blick und griff wortlos nach einer Tasse. Dann, mit aller Gemächlichkeit, roch er erst am Inhalt und probierte anschließend einen winzigen Schluck. „Mein Gott, ich hab’s schon nicht vergiftet.“, grummelte Naruto und verdrehte die Augen. „Hn,“, erwiderte Sasuke und nahm einen kaum merklich größeren Schluck. Also echt, dieser Typ… Narutos Augen wanderten von den nun feucht-glänzenden Lippen über die helle Haut zu den perfekt frisierten rabenschwarzen Haaren. War ja klar, dass er in den zwei Jahren nicht hässlicher geworden war. Ob er mittlerweile eine Freundin hatte? Oder einen Freund? Der Blonde gab ein Schnauben von sich. „Hast du zufälligerweise vor, irgendwann auf meine Frage zu antworten?“ Sein Gegenüber hob eine Augenbraue. „Bisher noch nicht, nein.“ „Du!“, beschwerte sich Naruto lauthals, während er von seinem Sessel aufstand und einen Finger auf Sasuke richtete. Einen Augenblick später erstarrte er so, wie er war, nur, um noch einen Moment später lachend in seine Sitzposition zurücksank. „Wie ich sehe, hast du dich nicht wirklich verändert.“, meinte er, als er sich einigermaßen beruhigt hatte, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Kann man von dir nicht behaupten. Du bist eindeutig noch idiotischer geworden.“ „Aw, Sasuke, ich weiß doch, dass du mich deswegen so sehr magst.“ Bei dieser Aussage flackerte ein nicht zu deutender Ausdruck über das Gesicht des Schwarzhaarigen. ‚Volltreffer‘, quietschte Narutos innere Stimme. Er wollte sich gerade gemütlich und zufrieden zurücklehnen, als Sasuke unwirsch aufstand, seine leere Tasse auf den Tisch stellte, und sich seine Jacke schnappte, die er über die Sofalehne gehängt hatte. „Ich geh dann mal wieder.“ „Was?“, erwiderte Naruto, sofort in höchste Alarmbereitschaft versetzt. „Ich bin für eine Tasse Tee geblieben, oder?“, meinte Sasuke und bewegte sich Richtung Tür. „Das ist doch nicht dein Ernst, oder?“ Da er keine Antwort erhielt, sprang Naruto erneut von seinem Sessel auf und rannte Sasuke hinterher. Bei ihm angekommen packte er ihn am Arm und wirbelte ihn zu sich herum. „Sag mal, wenn du irgendein Problem hast, dann sag es wenigstens, und hau nicht einfach so ab.“ Als Sasuke darauf nur versuchte, seinen Arm abzuschütteln, fügte er in einem wenig gemütlichen Tonfall hinzu, „Aber weglaufen ist immer der einfachste Weg, nicht wahr?“ „Ich laufe nicht weg!“, zischte der Schwarzhaarige. „Ich hab nur verdammt mal keine Lust auf dein Gelaber. Du bist nämlich auch nicht besser, du tust so, als hätte sich gar nichts zwischen uns verändert. Das ist für dich der einfachste Weg. Und nur zu Info: Du kotzt mich an!“ Naruto blinzelte verdutzt. „Hey, hey, hey, jetzt mach mal halbl-“ „Halt! Die! Klappe!“ So unwirsch wie es nur ging schüttelte Sasuke Narutos Hand ab und schritt wieder Richtung Tür. Reflexartig stürzte der Blonde ihm nach, stolperte allerdings in der Eile – wie sollte es auch anders sein? – über seine eigenen Füße und riss sie beide zu Boden. Nach ein paar kurzen Schrecksekunden, in denen sie beide betäubt in der Position verharrten, in der sie aufgekommen waren, versuchte sich Sasuke von Narutos Gewicht zu befreien. Der Blonde half ihm, indem er sein Gewicht auf seine aufgestützten Arme verlagerte, so dass der Schwarzhaarige sich auf den Rücken drehen konnte. In dem Augenblick, in dem er das allerdings geschafft hatte, pinnte der Blonde ihn wieder zurück auf den Fußboden. „Du bleibst jetzt hier, bis wir das geklärt haben.“ „Und was genau gibt es deiner Meinung nach zu klären?“, erwiderte Sasuke. Der Schwarzhaarige machte keine wirklichen Anstalten, sich zu befreien, versendete aber einen seiner giftigsten Blicke. Nicht, dass das Naruto irgendwie störte. „Ach, ich weiß auch nicht… vielleicht, warum du nicht vernünftig mit mir reden willst?“ „Ach, ich weiß auch nicht… vielleicht, weil ich Besseres zu tun habe?“, imitierte ihn der Uchiha. Naruto legte die Stirn in Falten. „Zum Beispiel?“ „Das geht dich nichts an. Und jetzt geh von mir runter.“ „Wieso sollte ich?“ Eine von Narutos Händen, die vorher Sasukes rechtes Handgelenk festgehalten hatte, strich dem Schwarzhaarigen bedächtig eine Strähne aus dem Gesicht. „Eigentlich gefällt mir diese Position sogar sehr gut…“ Sasukes Erwiderung war natürlich ein promptes „Idiot, hör auf mit dem Mist“, gewürzt mit einem gefährlichen Unterton und unterstrichen von einem weiteren giftigen Blick. Das verlor aber an Bedeutung angesichts des leichten Rotschimmers, der seine Wangen zierte. Naruto blieben allerdings keine drei Sekunden, um diesen Anblick zu bewundern, weil dann ein nicht gerade schmerzfreier Zusammenstoß zwischen Sasukes Knie und seinem Bauch stattfand. Einen Schmerzenslaut ausstoßend taumelte er zurück und plumpste ein paar Meter weiter auf den Fußboden. Während seine eine Hand wie zur eigenen Beruhigung über die schmerzende Stelle am Bauch rieb, raufte er sich mit den anderen die Haare. „Sasuke.“ Sein Tonfall war weder von Wut durchtränkt– wie vielleicht zu erwarten gewesen war – noch hatte sie den üblichen neckenden Unterton. „Was erwartest du denn von mir, Sasuke?“ Angesprochener starrte die gegenüber liegende Wand an, ohne sich zu rühren. Er hatte sich mittlerweile aufgesetzt, so dass sie theoretisch auf einer Augenhöhe waren. Dazu kam noch, dass er seinen typischen stoischen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, bei dem man nur erahnen konnte, was er gerade dachte. „Soll ich mich vielleicht entschuldigen?“, fuhr der Blondhaarige fort, entschlossen und verzweifelt gleichzeitig. „Ich seh nämlich keinen Grund, mich zu entschuldigen. Was passiert ist, ist halt passiert. Und wenn du nicht urplötzlich die Schule gewechselt hättest, hätte sich das zwischen uns bestimmt wieder eingerenkt.“ „Ich hab keine Ahnung, wovon du redest.“, erwiderte Sasuke fast gelassen. Die Art und Weise, wie sich seine Finger im Stoff seiner Jeans festkrallten, sagte aber was ganz anderes über seine Verfassung aus. „Du weißt genau, was ich meine.“, entgegnete Naruto, immer noch im gleichen Tonfall. „Und okay, vielleicht hätte ich dich nicht ohne Vorwarnung küssen sollen, aber du sahst an diesem Abend einfach nur… toll aus… und es ist so über mich gekommen. Du hättest ja auch was tun können, wenn es dir nicht gepasst hätte-“ „Ich hätte ja auch was tun können?“, unterbrach Sasuke ihn. „Wie denn bitte, wenn du mich erst mit einem unerwarteten Kuss in einen vollkommen berechtigten Schockzustand versetzt und dann einfach so abhaust?“ Der Blonde verzog das Gesicht und kratzte sich - beinahe verlegen - an der Wange. „Okay, das… aber-“ „Außerdem hab ich ja versucht, dich danach zu erreichen, aber du hast ja auf keinen einzigen Telefonanruf reagiert und mir verdammt noch mal nicht die Tür aufgemacht.“ „Ich wollte nur verhindern, von dir eine reingehauen zu bekommen! Oder schlimmer noch, gesagt zu bekommen, was für ein Freak ich doch bin! Und siehst du, ich hatte doch recht: Wenn du jetzt immer noch sauer bist, obwohl das ganze zwei Jahre her ist, wie soll es dann direkt danach gewesen sein?“ Sasuke nahm jetzt das erste Mal in dieser Unterhaltung seinen Blick von der Wand, um Naruto mit einer Mischung aus Unglauben und Wut anzusehen. „Ich wusste ja, dass du ein Idiot bist, aber seit wann bist du feige?“ „Das hat nichts mit Feigheit zu tun.“, verteidigte sich Naruto. „Ich brauchte nur Zeit, um… um… mich selbst zu verstehen! Coming Outs funktionieren nicht vom einen Tag auf den anderen. Außerdem hast du kein Recht, sowas zu sagen! Ich hab mich für zwei Wochen verkrochen, du hast dich die nächsten zwei Jahre nicht mehr blicken lassen!“ „Das ist ja wohl das idiotischste, was ich heute von dir gehört habe!“, erwiderte Sasuke. „Als ob ich deinetwegen die Schule gewechselt habe.“ Naruto verzog das Gesicht. Okay, Treffer versenkt… Er wusste, dass Sasukes Schulwechsel unabhängig von den restlichen Geschehnissen abgelaufen war, aber er hatte sich damals so hintergangen gefühlt, als er das nächste Schuljahr die Klasse betreten hatte und den Schwarzhaarigen nirgendwo entdecken konnte. Dass er es überhaupt so spät erfahren hatte… hätte er es nicht als Erster wissen sollen? Schließlich war er derjenige gewesen, den man für Sasukes Verhältnisse am ehesten als Freund bezeichnen konnte. „Du hättest mir vorher Bescheid sagen sollen. Wir hätten trotzdem in Kontakt bleiben können, verdammt noch mal. Wenn du mir Bescheid gesagt hättest, hätte ich mich nicht so gefühlt, als ob du mich loshaben willst!“ Sasuke schnaubte. „Selber schuld.“ „Was?“, empörte sich Naruto. Das war doch jetzt wohl die Höhe! Warum sollte er daran schuld sein, dass Sasuke seinen Mund nicht aufbekommen hatte? „Ist so.“, meinte Sasuke in einem genervten Tonfall. „Ich wollte dir ja davon erzählen. Aber wie denn, bitte schön, wenn du mir nicht zuhören willst?“ Oh… also das… war ja… „Oh“, wiederholte Naruto noch mal laut. „Steck dir dein ’oh‘ sonst wo hin.“ Und mit diesen Worten verabschiedete sich Sasuke von seiner sitzenden Position und ging in Ruhe zu seinen Schuhen, die er ebenso gemächlich anzog. Naruto beobachtete das Ganze, ohne es wirklich zu registrieren, noch viel zu abgelenkt von der Erkenntnis, die ihm gerade gekommen war. Als es in seinem Kopf endlich >Klick< machte, hatte Sasuke sich schon seine Jacke übergezogen und war auf dem Weg zur Wohnungstür. „Hey!“, beschwerte er sich sogleich und stand hektisch auf. Der Angesprochene schickte ihm einen Blick der Sorte „Was denn jetzt noch?“, blieb aber trotzdem stehen. „Ist es dir denn komplett egal, dass wir uns wegen so etwas nicht mehr sehen?“, fragte Naruto, nachdem er direkt vor Sasuke stand. „Du könntest uns ja wenigstens eine zweite Chance geben.“ Der Schwarzhaarige hob eine Augenbraue. „Und wie soll das deiner Meinung nach aussehen?“ Ein verschmitztes Grinsen bildete sich auf dem Gesicht des Blonden- „So.“- und er lehnte sich vor, um ihre Lippen aufeinander zu legen. Er konnte seinen eigenen Herzschlag in seinen Ohren pochen hören, als er sich wieder von Sasuke löste – der im übrigen auch nicht sehr viel gefasster aussah, als Naruto sich fühlte, und sein gestottertes „W-was?“ grenzte schon an ein Wunder. Uchihas stotterten schließlich nie. Schon allein dafür hatte sich die Aktion gelohnt. „Diesmal laufe ich nicht weg.“, versprach Naruto und beobachtete den Schwarzhaarigen genau. Sie hatten zwar über den Kuss-Vorfall an sich gesprochen, aber Sasuke hatte nie eine Wertung abgegeben – und was Sasuke davon hielt, war wohl das Wichtigste, wenn es darum ging, ob sie weiterhin noch Kontakt hatten oder nicht. Selbst wenn Sasuke das ganze anscheinend so schnell wie möglich vergessen, Naruto nie wiedersehen und alles in die hinterste Ecke seines Bewusstseins schieben wollte – der Blonde wusste, dass das für sie beide keine Lösung war. Hier war Konfrontation gefragt. Auch wenn das bedeutete, dass sich seine Nerven bis zum Zerreißen spannten und er vor lauter Aufregung die Luft anhielt. Je mehr Zeit verging, in der Sasuke ihn weder schlug noch sonstwie zu Gewalt griff, um sich zu rächen, ein zweites Mal geküsst worden zu sein, desto höher stiegen Narutos Hoffnungen. Letztendlich war Sasukes erste Reaktion (nach dem dumm aus der Wäsche gucken) dann doch ein harter Schlag auf Narutos Kopf und ein gemurmeltes „Usuratonkachi“. „Nenn mich nicht so!“, beschwerte er sich automatisch und hielt sich die schmerzende Stelle. „Außerdem, was hab ich denn getan?“ Okay, die Frage war zugegebenermaßen überflüssig. Sasuke antwortete trotzdem, augenverdrehend. „ Nichts Besonderes. Du hast nur mal wieder etwas so Hirnrissiges getan, worauf eine vernünftige Person nie kommen würde.“ Der Blonde überlegte einen Augenblick. „Hirnrissig im Sinne von absolut genial oder total daneben?“ „… ich würde zu Letzterem tendieren.“ Andere Menschen würden dieses Verhalten vielleicht als Ablehnung deuten, aber nach jahrelanger Sasuke-Beobachtung stellte Naruto nur folgende Dinge fest: Sasuke machte keine Anstalten mehr, aus dem Raum zu stürmen und hatte diesen gewissen Unterton in der Stimme, der seine Beleidigungen nicht verletzend klingen ließ, sondern eher… wie… Naruto blinzelte. Dann breitete sich allmählich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus und er fiel dem Schwarzhaarigen um den Hals. „Du hast ja wirklich nichts gegen das Küssen!“ Sasuke murrte halbherzig. „Das hab ich nicht gesagt!“ „Was bin ich für ein Idiot.“, fuhr Naruto fort. „… das kann ich nicht abstreiten.“, meinte der Schwarzhaarige. „Hätte ich vor zwei Jahren keine Panikattacke bekommen und darauf geachtet, was du fühlst, hätten wir jetzt schon so lange zusammen sein können. Den ganzen Sex, den wir verpasst haben- AU, Sasuke!“ Der Schwarzhaarige gab ihm einen Blick, einen Rotschimmer auf den Wangen und die Faust erhoben. „Könntest du solche Dinge bitte nur denken?“ „Aw…“ Naruto, immer noch übers ganze Gesicht strahlend, packte Sasuke an der Hand und zog ihn ohne irgendwelche Widersprüche zu erhalten wieder in Richtung seines Wohnzimmers. „Du bist so knuffig, Sasuke, wenn dir was peinlich ist. Und du gehörst nur mir, mir, mir.“ Wenn es möglich war, verstärkte sich die Rotfärbung auf den Wangen des anderen. „D- du sollst nicht- Und wer sagt denn, dass ich dir gehöre?“ „Ich natürlich!“, erwiderte Naruto, während er sich theatralisch auf sein Sofa plumpsen ließ, Sasuke auf sich drauf ziehend. „Als dein neuer offizieller Freund.“ „Und hast du wenigstens eine Sekunde daran gedacht, mich zu fragen, ob ich damit einverstanden bin?“, meinte der Schwarzhaarige, während er sich Narutos Hände schnappt und festhielt, um sie daran zu hindern, sich weiter an seinen Klamotten zu vergreifen. „Öhm…“ Naruto setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf und blickte Sasuke von unten aus seinen blauen Augen an. „Hast du Lust, heute hier zu übernachten? Sind ja eh Ferien…“ Sasuke seufzte genervt. „Naruto!“ „Was denn?“, entgegnete dieser und lächelte verschmitzt. „Du beantwortest mir jetzt sofort drei Fragen.“ Der Blonde blinzelte. „Wenn du dann hier übernachtest…?“ „Eins.“, fuhr Sasuke fort. „Ist dir bewusst, dass wir uns zwei Jahre nicht mehr gesehen haben und ich schon in einer Beziehung sein könnte?“ „Bist du?“, fragte Naruto vorsichtig. „Bin ich nicht. Was ist mit dir?“ „Hast du einen Knall? Ich würde doch nicht mit dir anbändeln, wenn ich einen Freund hätte. War das zwei?“, antwortete der Blonde. Sasuke nickte, zögerte einen Moment und fragte dann: „Okay, drei: Wie viel Erfahrung hast du schon mit anderen Jungen gesammelt?“ Naruto schloss für einen Augenblick die Augen und knabberte an seiner Unterlippe. Ob es sinnvoll war, Sasuke die Wahrheit zu sagen? Besser als ihn anzulügen. „Ich habe dich zweimal geküsst.“ „Und?“, hakte der Schwarzhaarige nach. „Nichts weiter.“, gab Naruto zu. „Also?“ „Was also?“ „Bleibst du?“ Sasuke senkte seine Augenlider auf Halbmast. Eine gefühlte halbe Stunde geschah nichts. Dann hörte man ein leises „Meinetwegen.“ ~*~ So kam es, dass am nächsten Morgen ein äußerst gut gelaunter Naruto seinem Nymphensittich neue Körner in den Fressnapf füllte, während Sasuke noch im Bett lag. In Narutos Bett, wohlgemerkt. Wo sie die Nacht zusammen verbracht hatten und nebeneinander aufgewacht waren, in den Armen des anderen.... Okay, das mit dem ‚nebeneinander aufwachen‘ war nicht ganz so romantisch verlaufen. („Oh Gott, mach, dass das Vieh seine Klappte hält“, hatte der Schwarzhaarige gestöhnt und sich so weit wie möglich unter das Kopfkissen gequetscht, als sie gegen sieben Uhr von munterem Zwitschern geweckt worden waren. Naruto hatte die Augen empört zu Schlitzen verzogen. „Auch wenn du mein Freund bist: Nenn ihn noch einmal Vieh und du kriegst kein Frühstück.“) Sittich-Sasuke durfte auf jeden Fall nach viel zu langer Zeit mal wieder in Narutos Wohnung frühstücken, und der Blonde konnte sein Glück kaum fassen. Liebevoll beäugte er das Vögelchen mit den grauen Federn und den schwarzen Augen. „Weißt du… irgendwann verrate ich ihm vielleicht mal, warum ich dich nach ihm benannt habe. Wenn ich Glück habe, läuft er wieder rot an.“ Ein Vibrieren in seiner Tasche lenkte brachte ihn von seinen schönen Gedanken wieder in die Realität zurück. Er überlegte schon, wegen der gemeinen Unterbrechung seiner Tagträume den Anrufer zu versetzen, aber als er ‚Iruka‘ auf dem Display las, nahm er trotzdem ab. „Was gibt’s denn?“ Sein ehemaliger Erzieher berichtete ihm erfreut, dass Kakashi wieder genesen war und, da Tsunade in drei Tagen aus dem Urlaub zurückkehren würde, der Personalmangel ab sofort der Vergangenheit angehörte und Naruto sich darum keine Sorgen mehr machen brauchte. „Und wie sieht’s bei dir aus? Sasuke wieder da?“ Narutos Blick schwenkte erst zum Vogelkäfig, dann zur geschlossenen Schlafzimmertür. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ja, stell dir das mal vor. “ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)