Sorrow and Pain von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Aoi? --------------- Wohlig seufzend genoss er die warme Dusche. Es ließ ihn auch erst mal vergessen, dass er heute wohl mit einem fetten Kater leben musste. Die warmen Tropfen benetzten seinen Körper und bahnten sich ihren Weg über die weiche Haut. Genießerisch streckte er den Kopf nach oben und schloss die Augen. Unter der Dusche konnte er unglaublich gut entspannen. Nach knapp zehn Minuten unter laufendem Wasser drehte er den Hahn dann doch wieder zu und stieg aus der Kabine. Schnell trocknete er sich ab und legte sich das Handtuch um. Irgendwie hatte er in den letzten Tagen noch immer nicht gelernt, dass er seine Sachen lieber mit ins Badezimmer nehmen sollte. Und so musste er doch wieder nur mit dem Handtuch aus dem Badezimmer in seines tapsen. "Gomen ne...", entschuldigte er sich sofort. Doch dann stockte ihm der Atem. Warum saß Uruha jetzt so deprimiert auf dem Bett und starrte auf die Wand? Sein Blick folgte dem Uruhas. Doch er konnte da nichts entdecken, was irgendwie interessant sein könnte. Und so setzte er sich kurzerhand neben Uruha aufs Bett. "Hey, Ru-chan. Was ist los? Du siehst so traurig aus?" Uruha hickste leise auf und wischte sich die Tränen von den Wangen. Er war enttäuscht. Einfach nur so wahnsinnig enttäuscht, dass Kai ihren Kuss einfach so vergessen hatte. Wie sollte er denn jetzt weitermachen? Einfach so tun, als wäre nichts gewesen? Das ging doch nicht. Er konnte so etwas Wichtiges doch nicht einfach so vergessen. Mit rotgeweinten Augen sah er ihn an und fauchte leise. "Natürlich bin ich traurig! Du hast was Wichtiges vergessen! Weißt du, was du mir damit antust? Wieso hast du das bloß gestern gemacht? Anscheinend hat es dir gar nichts bedeutet! Willst du wissen, was du gemacht hast? Huh? Das hier!" Und schon legte er seine Lippen auf Kais und küsste ihn. Mal sehen, wie er darauf jetzt reagieren würde. Wie versteinert starrte er ihn an, während Uruha ihn küsste. Sein gesamter Körper versteifte sich und alle Muskeln waren angespannt. Sein Gesicht lief rot an und sofort griff er nach Uruhas Schultern und drückte ihn von sich weg. Mit geweiteten Augen schaute er ihn an. Sein Herz raste und scheinbar sein gesamtes Blut befand sich gerade in seinem Gesicht. Ihm war irgendwie heiß. "Uruha...", stotterte er. "Wie...wieso tust du das?" Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Körper zitterte und seine Augen verrieten, dass er wirklich nicht wusste, was er davon halten sollte. "Wieso ich das tue? Wieso?", er lachte freudlos auf und erhob sich. Er deutete anklagend auf Kai und nun liefen die Tränen wieder seine Wangen hinab. "Weil du mich gestern Abend auch geküsst hast und das sogar ohne richtige Aufforderung! Ich hab gedacht, dir hat es was bedeutet! Aber nein, wir waren ja betrunken, es war ein Unfall! Toll, ganz klasse! Es ist ja auch egal, wie ich mich fühle! Das ist allen egal!" Wutschnaubend und verzweifelt schlug er die Tür hinter sich zu und flüchtete ins Wohnzimmer. Dort warf er sich auf das Sofa und schluchzte in die Kissen. Hätte er gekonnt, so hätte er sich jetzt eine ordentliche Abreibung verpasst. Uruha schien wirklich sauer und verdammt enttäuscht von ihm zu sein. Was hatte er bloß wieder angestellt? Dann hallten die Worte Uruhas in seinem Kopf wider. Trocken schluckte er. Er hatte bitte was getan?! Er hatte Uruha geküsst? Man sah förmlich, wie seine grauen Zellen begannen, auf Hochtouren zu arbeiten. Jetzt wollte er wirklich wissen, ob er das getan hatte. Aber es fiel ihm wirklich nichts ein. Wieso auch sollte er den anderen küssen? Sie waren Freunde und dazu noch Männer. Ein Mann durfte keinen anderen Mann küssen. Das war doch... Doch irgendwie... Noch immer spürte er die weichen Lippen des anderen auf seinen und sein Finger glitt über seinen Mund. Es war ein vertrautes Gefühl gewesen. So, als hätte er ihn wirklich schon einmal geküsst. Und irgendwie... fühlte es sich auch nicht wirklich falsch an. Uruha lag schluchzend auf dem Sofa und weinte in die Kissen. Seine Schultern bebten und er konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Wenn es nach Kai ginge, dann hätte es diesen Kuss also nie gegeben. Kai gab sich ja nicht einmal Mühe, sich daran zu erinnern. Toll. Hätte er sich ja auch gleich denken können. Sie waren beide Männer und Männer durften sich nicht küssen. Natürlich nicht. Aber Uruha wusste ja mittlerweile, dass er schwul war und fand daran eigentlich gar nichts Schlimmes. Nur Kai fand die Vorstellung, einen anderen Mann zu küssen, bestimmt eklig und widerlich. Schluchzend stand Uruha wieder auf und tapste zurück zu Kai. In der Tür blieb er stehen und sah Kai aus rotgeweinten Augen an. "Können wir wieder zu dir nach Hause fahren?" "Uruha..." Er war noch völlig in Gedanken versunken, als der andere wieder ins Zimmer kam und ihn aus geröteten Augen ansah. Uruha wollte scheinbar nach Hause. Und irgendwie konnte er das auch verstehen. Er hatte wohl gerade ziemlichen Bockmist gebaut. Sein Gegenüber hatte das wirklich ziemlich mitgenommen. Zögerlich streckte er die Hand nach ihm aus und hoffte, dass Uruha ihn verstehen würde. Er wollte sich entschuldigen und... er hatte Uruha auch versprochen, dass er mit ihm reden würde. Vielleicht war es jetzt ja an der Zeit, darüber zu sprechen und ihn wissen zu lassen, was er für Sorgen und Ängste hatte. Uruha sah auf die ihm dargebotene Hand und schluckte hart. Nanu? Was sollte das denn jetzt? Eigentlich wollte er jetzt sauer auf Kai sein, aber dessen verschüchterter und bittender Blick ließen bei ihm mal wieder alle Barrieren zu Bruch gehen und so nahm er die Hand an und wurde sogleich zu Kai aufs Bett gezogen. Nun saßen sie beide nebeneinander und Uruha blickte ihn aus traurigen Augen an. "Und? Was willst du mir sagen? Dass du mich eklig findest?" Er war froh, dass der Andere seine Hand annahm und zog ihn zu sich aufs Bett. Nun saßen sie nebeneinander und er verschluckte sich fast an seiner eigenen Spucke, als Uruha ihm das sagte. Er sollte was? Er sollte Uruha eklig finden? Sofort legte er eine Hand auf Uruhas Mund und schaute ihn grimmig an. "Spinnst du oder was? Wie kommst du auf diese bescheuerte Idee?" Seine Stimme klang ernst und es war auch ernst gemeint. "Glaubst du allen Ernstes, ich würde dich eklig finden?" Dann drehte er den Kopf weg und ließ Uruha wieder los. "Wenn du glaubst, ich würde so über dich denken, dann bitte. Ich hindere dich bestimmt nicht daran. Aber es ist nicht so. Ganz und gar nicht. Es ist eher so, dass es genau das Gegenteil ist." Seine Worte wurden immer leiser. "Aber... Du fandest den Kuss doch eben sicherlich widerlich oder? Sonst hättest du doch nicht so geguckt. Ich hab deinen Blick doch gesehen. Willst du mir etwa sagen, dass er dir gefallen hat? Aber..." Er wusste gar nicht, was er darauf jetzt sagen sollte. Kai fand nicht, dass er eklig war? Eher genau das Gegenteil? Aber... Was sollte das denn heißen, das Gegenteil? Was sollte er denn jetzt bitte schön wieder davon halten? Irgendwie verstand er in letzter Zeit nur noch Bahnhof. "Kai... Sprich Klartext, ja? Du verletzt mich mit deinem Verhalten.“ Kai schluckte. Irgendwie hatte er das auch schon bemerkt. Egal, was er tat oder sagte, irgendwie hatte er immer genau das Falsche getan. Dennoch senkte er den Blick und spielte nervös an seinen Fingern. "Ano... Weißt du, es... es gab da mal jemanden, den ich wirklich gemocht habe... Okay, mehr als gemocht habe und..." Warum fing er jetzt damit an? Wieso musste er jetzt gerade das erwähnen? Er hatte es doch schon so weit verdrängt gehabt. Es soweit in der hintersten Ecke seiner Gedanken vergraben, dass er es nie wieder zutage fördern wollte. Doch... Wenn er Uruha nicht verlieren wollte, würde er mit ihm darüber reden müssen. Ihm sagen müssen, warum er sich so merkwürdig verhielt. Jetzt schaute er auf und direkt in Uruhas Augen. In seinen eigenen konnte man erkennen, dass er traurig war und enttäuscht zugleich. Doch es war nicht Uruha, der ihn enttäuschte. Eher er selbst und die Person, der er zum ersten Mal in seinem Leben so sehr vertraut hatte. So langsam wurde er ungeduldig. Endlich hatte er Kai soweit, dass dieser endlich mal mit ihm über sich sprach und jetzt redete er nicht weiter. Was war bloß mit diesem Kerl los? Wenn er nicht mit ihm über sowas reden wollte, dann sollte er es auch lassen und ihn nicht noch neugieriger machen. Was sollte das denn auch schon heißen? Kai hatte jemanden gehabt, den er sehr gern gehabt hatte. Toll. Und wen? Und wieso sagte er ihm das? Das ging ihn doch eigentlich gar nichts an. Aber er wartete ab und sagte gar nichts. Vielleicht würde Kai ja gleich mit der Sprache rausrücken und dann wäre alles geklärt. Das hoffte er jedenfalls... Doch Kai schwieg und hob nur einen Arm, um eine seiner Hände an Uruhas Wange zu legen und sie sanft zu streicheln. "Ich habe Angst davor, es abermals soweit kommen zu lassen und dann wieder den Menschen zu verlieren, der mir so viel bedeutet.", flüsterte er und lehnte seinen Kopf gegen Uruhas Brust. "Weißt du, irgendwie hab ich immer ein komisches Gefühl, wenn du bei mir bist. Und ich trau mich nicht, dir so nahe zu sein. Ich weiß auch nicht warum. Aber es ist wirklich so." Eine Hand krallte sich in Uruhas Shirt und hielt sich einfach fest. "Ich hab dich verdammt gern und ich will nicht, dass ich dir weh tue... Das möchte ich nicht noch einmal durchmachen. Bitte..." Langsam glaubte Uruha wirklich, den Verstand zu verlieren. Wie jetzt, nochmal von vorne. Er musste erst mal seine Gedanken sammeln. Also... Kai fühlte sich merkwürdig, wenn er in seiner Nähe war. Okay... Er traute sich nicht, Uruha nahe zu kommen. Okay... Und er wollte ihm nicht wehtun. Auch okay... Aber er tat genau das. Dieses Verhalten tat Uruha mehr als nur weh und ließ ihn verzweifeln. Er wollte Kai doch nahe sein und bei ihm bleiben, aber wenn Kai dies nicht zulassen wollte, konnte er auch nichts weiter machen, als abzuwarten. Vorsichtig streichelte er Kai über das Haar und schob ihn von sich weg, um ihm in die Augen sehen zu können. Er lächelte leicht. "Ich will dir so unheimlich gerne ganz nahe sein, Kai... Aber wenn du das nicht willst, dann sag es mir bitte und ich verschwinde endlich aus deinem Leben. Vielleicht geht es dir dann wieder besser. Also sag mir, was du willst. Ich kann nicht in dir lesen wie in einem Buch. Also weiß ich auch nicht, was du willst. Ich will dir gerne nahe sein, Kai... Bitte..." Und wieder liefen ihm die Tränen hinab, doch diesmal unternahm er nichts gegen sie und ließ ihnen freien Lauf. Ruckartig krallte er sich noch mehr an ihm fest. Jetzt hatte er erst recht Angst. Uruha wollte aus seinem Leben verschwinden? Nein. Das wollte er sicher nicht. Uruha war zu einem Teil seines Lebens geworden. Stück für Stück hatte er sich in sein Leben geschlichen und nun wollte er ihn auch nie wieder hergeben. Niemals wieder. Nun konnte auch er nicht mehr an sich halten und Tränen suchten sich ihren Weg über seine Wangen. Sein Körper bebte. "Iie...", bat er. Nein. Uruha sollte nicht weg gehen. Nie mehr sollte er weggehen. Er gehörte doch hierher. Er sollte bleiben. "Du darfst nicht einfach gehen. Nie mehr...", stammelte er. "Aber, Kai... Wenn ich hierbleibe, geht es dir doch von Tag zu Tag schlechter. Du machst dir um alles Sorgen und kümmerst dich nur noch um mich. Das ist auch nicht gut und du vernachlässigst so deine Freunde. Miyavi ist viel wichtiger als ich, also solltest du mehr Zeit mit ihm verbringen." Er lächelte leicht und küsste ihn auf die Stirn, ehe er die geküsste Stelle leicht streichelte und aufstand. Schnell hatte er all seine Sachen zusammengepackt und hielt nun den Koffer in der Hand. "Kannst du mich wieder nach Kanagawa bringen? Ich werde mir eine Arbeit suchen und dann ein neues Leben anfangen. Das Alte ist mir ja sowieso geraubt worden. Ich kann nicht mehr zurück und dir bringe ich nur Unglück." Er ging zur Tür und öffnete sie. "Ich warte am Auto auf dich." Und schon war er verschwunden. "Warte!", rief er ihm noch hinterher, doch Uruha ging einfach weiter und war dann auch schon verschwunden. Sofort sackte er auf dem Bett zusammen und noch mehr Tränen traten hervor. Warum? Warum machte er auch immer alles falsch? Nie schaffte er es, die Menschen glücklich zu machen, die er so verdammt gern hatte. Alles in seinem Leben lief schief. Konnte er denn gar nichts? Uruha würde ihn nun auch verlassen. Das hatte er eben selbst gesagt. Er sollte ihn nur noch nach Hause fahren und dann... Ja, was dann? Uruha würde vermutlich aus seinem Leben verschwinden. Einfach so wie er in jenem aufgetaucht war, würde er sich jetzt auch wieder davon machen. Was hatte es da noch für einen Sinn? Uruha war ihm so verdammt wichtig geworden. "Uruha...", wimmerte er. Irgendwie sah er so langsam keinen Sinn mehr in seinem Leben. Alle Menschen, die er liebte, wandten sich von ihm ab. Einer nach dem anderen. Uruha lehnte an dem schwarzen Auto Kais und schaute in den Himmel. Er war klar und blau, keine einzige Wolke war zu sehen und eine laue Brise ging. Uruhas Haare verwehten im Wind leicht und hangen ihm im Gesicht, doch es störte ihn nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich selbst zu bemitleiden. Was hatte er schon vom Leben? Nichts, rein gar nichts. Seine Vergangenheit war ausgelöscht worden und anscheinend suchte auch niemand nach ihm. Niemand vermisste ihn. Und nun hatte er auch Kai verloren. Der Mensch, der im Moment das Wichtigste für ihn war. Was sollte er denn jetzt bloß machen? Er würde seine Worte wohl wahrmachen müssen und Kai verlassen, um ein eigenes Leben führen zu können. Es machte ihn wirklich sehr traurig, aber anders ging es nicht. Er tat Kai einfach nicht gut. Wenn man vom Teufel dachte... Da kam Kai auch schon und beide setzten sich ins Auto. Uruha bemerkte, dass Kai geweint haben musste, doch er sagte dazu nichts. Es würde alles nur noch schlimmer machen, wenn er jetzt versuchen würde, ihn zu trösten. Die gesamte Fahrt über schwiegen sie. Und Kai starrte wie gebannt auf den Verkehr. Allerdings fiel es ihm sichtlich schwer, denn noch immer kreisten die Gedanken um jene Person, die neben ihm saß und sich vermutlich das letzte Mal in seiner Nähe aufhielt. Wenn er genau darüber nachdachte, war es vielleicht auch das Beste für Uruha. Er jedenfalls schien den Anderen durch sein Verhalten andauernd zu verletzen. Und das wollte er nicht. Uruha sollte glücklich werden und das konnte er ihm wohl nicht geben. Obwohl er es sich so sehr wünschte. Sie waren gerade drei Stunden unterwegs, als Kai einfach in einen Feldweg abbog und anhielt. Er konnte einfach nicht mehr. Der Schwarzhaarige stellte den Motor aus, krallte sich ans Lenkrad und legte den Kopf darauf. Uruha war während der Fahrt eingeschlafen. Immer wieder träumte er von Kai, wie er weinend auf dem Bett saß und so war der Schlaf auch nicht gerade erholsam gewesen. Alles in allem erwachte er drei Stunden nach Beginn der Fahrt plötzlich, als Kai auf einmal den Wagen anhielt und abrupt stehenblieb. Davon erwachte Uruha und sah sich verschlafen um. Jetzt verstand er gar nichts mehr. "Nani? Was ist denn, Kai? Musst du mal? Dann beeil dich, okay? Ich will ganz schnell nach Hause und meine restlichen Sachen holen... Dann bist du mich los.", nuschelte er leise. Bei diesen Worten zuckte er zusammen. Uruha wollte also wirklich weg. Das hatte er ihm eben schon wieder gesagt. Er konnte es einfach nicht glauben. Erst trat er so unverhofft in sein Leben und stellte sein Innerstes Kopf und nun... nun würde er einfach wieder abhauen. Einfach so. Warum? "Warum?", fragte er. Seine Stimme war heiser und es klang eher wie ein Krächzen. Aber das lag daran, dass er stark gegen seine inneren Gefühle kämpfte. Er wollte nicht schon wieder weinen. Hatte er das nicht damals schon oft genug getan? Jetzt würde er es wieder tun und konnte nichts dagegen unternehmen. Er hatte es wohl einfach nicht verdient, mit einem Menschen zusammen zu sein, der ihn so liebte, wie er war. Scheinbar musste er sich verstellen, doch das wollte er nicht. Er wollte er sein. "Warum?", wiederholte er leise und schlug mit der Faust auf das Lenkrad. Entsetzt sah er mit an, wie Kai immer wieder auf das Lenkrad einschlug und auch immer wieder wie eine Mantra das Wörtchen 'Warum' aufsagte. Anscheinend war er ziemlich verzweifelt. Jetzt war es an Uruha, nach dem Warum zu fragen. Er verstand es nicht. Wollte Kai etwa gar nicht, dass er ging? Wenn ja, warum sagte er es ihm dann nicht einfach? Er wollte endlich Klarheit haben! Es war nicht fair von Kai, ihn so lange zappeln zu lassen und ihm nichts zu erklären. "Kai... Soll ich gehen, ja oder nein? Wenn nicht, dann bleibe ich natürlich hier... Ich will, dass es dir gut geht, verstehst du? Und wenn du meinst, dass es dir ohne mich besser geht, dann gehe ich auch. Das musst du entscheiden. Also bitte. Sag es mir endlich..." Er lehnte sich soweit zu Kai hinüber, dass er sich ein wenig an ihn kuscheln konnte und sah ihn an. "Was willst du?" "Bleib...", war alles, was er sagte. Nur dieses eine Wörtchen und es kam ohne das geringste Zögern und wie aus der Pistole geschossen. Er musste nicht lange nachdenken. Wenn Uruha ihm die Wahl ließ, dann gab es wirklich nur eine einzige Antwort darauf und die hieß ‚bleiben'. Ja, Uruha sollte bleiben. Und wenn möglich für immer. Er war für ihn so verdammt wichtig geworden, dass er sich ein Leben ohne ihn einfach nicht mehr vorstellen konnte. Die zwei Wochen ohne ihn waren grausam und das hatte nicht nur er zu spüren bekommen. Seine ganze Familie hatte dies bemerkt und scheinbar auch Miyavi. Der hätte Uruha wohl sonst auch nicht einfach zu ihm gebracht. Erleichtert atmete Uruha auf und schmiegte sich jetzt richtig fest an Kai heran. Das war ja gerade nochmal gut gegangen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie jetzt nicht miteinander gesprochen hätten. Dann wäre Uruha wirklich weggegangen und er hätte Kai nie wiedergesehen. Nie. Er war so unbeschreiblich glücklich, dass er anfing zu weinen und sich ganz nah an Kai drückte. "Ich hab dich lieb und es tut mir leid, wie ich mich benommen habe. Wirklich. Ganz arg doll tut`s mir leid. Ich mach`s nie wieder, ja? Verzeihst du mir?", fragte er und sah Kai wieder tief in die Augen. Sofort ließ er das Lenkrad los und drehte sich zur Seite. Jetzt krallte er sich in Uruhas Shirt und wollte ihn nicht mehr loslassen. Nein, nie mehr. Und plötzlich dachte er daran, dass er sich vielleicht doch... Konnte es sein, dass er sich... Aber war das wirklich möglich? Hatte er sich vielleicht wirklich in Uruha...? Egal. Darüber würde er sich später noch Gedanken machen können. "Uruha? Versprichst du mir etwas?", fragte er mit heiserer Stimme. "Hai. Ich verspreche dir alles, was du willst. Wirklich alles, egal was es ist. Ich will, dass du glücklich wirst." Er lächelte schwach und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Eigentlich durfte er das ja jetzt nicht mehr, aber einmal hatte er das noch tun wollen. Wenn Kai aber was dagegen hatte, dann sollte er das sagen. Uruha wurde leicht rot. Ihm war jetzt klar geworden, wie sehr er Kai mochte. Zu sehr schon fast. Hatte er sich vielleicht in Kai verliebt? Ein ganz kleines bisschen? Jetzt schaute er auf und man sah, dass tausende von Tränen sein Gesicht benetzten. Seine Augen waren rotgeschollen und seine Sicht verschwommen. Dennoch wollte er ihm ins Gesicht sehen, wenn er ihn darum bat. "Versprich mir, dass du immer bei mir bleibst, hai?", nuschelte er und legte sofort seinen Kopf wieder an Uruhas Schulter. Er sollte nicht sehen, wie mies er sich gerade fühlte. Er würde Uruha so einfach an sich binden. Aber was dachte Uruha darüber? Er war doch ein freier Mensch. Und es gab wirklich noch nie jemanden, den er um einen solchen Gefallen gebeten hatte. "Du bist der wichtigste Mensch für mich geworden." "Hai. Ich verspreche dir, dass ich bei dir bleibe, wenn du mich auch nie alleine lässt, ja? Das wäre wirklich lieb und würde mir sehr viel bedeuten. Du bist ebenfalls der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden. Ich kann es mir nicht erklären, aber es ist so. Ich hab dich unwahrscheinlich lieb. Glaub mir das. Ich hab dich wirklich lieb." Und wieder gab er ihm ein kleines Küsschen und setzte sich dann wieder richtig hin. Er sah zu Kai hinüber und grinste. "Fahren wir jetzt nach Hause?" Mit dem Ärmel wischte er sich die letzten Spuren der Tränen weg und setzte sich ebenfalls richtig hin. Noch einmal atmete er tief durch und startete wieder den Motor. Jetzt würde es nach Hause gehen. In ihre Wohnung. Bei dem Gedanken schlich sich ein süßes Lächeln auf sein Gesicht und er musste zu Uruha hinüber schauen. "Dann lass uns mal nach Hause fahren. In unser Zuhause.", wisperte er und fuhr los. Die letzten Stunden vergingen wie im Flug und sie trafen noch vor der Dämmerung in Kanagawa ein. Endlich wieder in Kanagawa. Uruha hatte diese Stadt wirklich vermisst, obwohl sie vielleicht gar nicht seine Heimatstadt war. Doch solange er bei Kai war, war sie es und er würde noch sehr lange bei ihm bleiben, das hatte er sich geschworen. Sie standen gerade an einer Ampel und Kai wartete ungeduldig darauf, dass es wieder grün wurde, während Uruha aus dem Fenster sah und sich müde die Augen rieb. Er beobachtete die Passanten, die den Bürgersteig auf und ab gingen. Sie alle hatten eine Familie, die auf sie wartete. Nur er nicht. Das machte ihn irgendwie eifersüchtig. Plötzlich fiel ihm ein junger Mann ins Auge. Er war in einen schwarzen Mantel gehüllt und stand an der Ampel angelehnt. Er hatte rabenschwarzes Haar und war ziemlich bleich. Uruha musterte den jungen Mann, der zwei oder drei Jahre älter als er sein musste. Irgendwoher kannte er ihn doch... Doch der Mann drehte sich um und ging die Straße hinab. Dabei konnte Uruha für einen kurzen Augenblick in die Augen des Mannes sehen und plötzlich durchzuckte ihn ein gewaltiger Kopfschmerz. Er wimmerte auf, krümmte sich nach vorne und hielt sich den Kopf. Ihm kamen wieder die Bilder des schwarzhaarigen Jungen in den Sinn, welcher auf dem Boden hockte und einen kleineren Jungen in Armen hielt. Er schien ihn vor einem riesigen bulligen Mann beschützen zu wollen, welcher wutschnaubend vor ihnen stand und zum Schlag ausholte. Uruha wimmerte auf. "Itai...", winselte er. Kai achtete nur auf die Ampel, dass diese endlich auf grün umschaltete. Als sie es dann auch tat, hörte er nur einen Schmerzenslaut von Uruha und stockte. Schnell griff er mit der freien Hand nach Uruha und drückte dessen Hand. "Hey, alles in Ordnung?" Bei diesem dichten Verkehr konnte er unmöglich einfach anhalten und so konnte er einfach nur weiterfahren und Uruhas Hand halten. Er hoffte sehr, dass es ihm gut ging und er nicht allzu große Schmerzen hatte. So schnell er konnte, fuhr er durch die Straßen, bis er schließlich vor seinem Wohnblock ankam. Sofort stellte er den Motor aus und schnallte sich ab. Vorsichtig beugte er sich zu Uruha hinüber. "Ru-chan?" Uruhas Kopf schien vor Schmerzen explodieren zu wollen. Es tat furchtbar weh und diese Bilder ließen ihn einfach nicht los. Wieso hatte der Blick in die Augen dieses Mannes gereicht, um verschüttete Erinnerungen in ihm wachzurütteln? Wer war dieser Mann? Was hatte er hier zu suchen? Fragen über Fragen, die Uruha sich nicht selbst beantworten konnte. Er hoffte, dass diese Höllenfahrt bald vorbei sein würde. Je näher sie Kais Haus kamen, desto schwächer wurden die Kopfschmerzen, bis sie schließlich ganz verschwanden, als Kai anhielt. Jedoch war er vollkommen benommen und vor seinen Augen tanzten schwarze Schlieren und bunte Punkte. Als er seinen Namen hörte, nuschelte er ein leises "Kai-Chan..." Seine Zunge schien an seinem Gaumen zu kleben. "Komm." Uruha sah irgendwie blass aus und es schien ihm, wirklich nicht gut zu gehen. Das hieß für den Größeren, dass Kai ihn jetzt einfach mal ins Bett stecken würde. Noch einmal hatte er keine Lust darauf, dass der andere solche Schmerzen empfand, wie es gerade eben der Fall gewesen war. Hastig rannte er ums Auto, als er ausgestiegen war und öffnete die Beifahrertür. Vorsichtig half er seinem Freund aus dem Auto und zog ihn in die Höhe. "Alles okay? Du siehst nicht gut aus.", meinte er nur. Er ließ Uruha kurz stehen und holte dann ihre Koffer aus dem Wagen. Dann machten sie sich auf den Weg zum Fahrstuhl. Uruha würde er jetzt bestimmt keine Treppen steigen lassen. Uruha musste sich bei Kai einhaken, während sie langsam zu den Fahrstühlen gingen. Ihm war schwindlig und schlecht. Was war das eben bloß gewesen? Er verstand es einfach nicht. Wieso konnte ein einzelner Blick von einem ihm völlig fremden Mann so etwas in ihm auslösen? Diese Schmerzen waren gewaltig gewesen. So etwas hatte er noch nie gespürt. Sie kamen in Kais Wohnung an und Uruha wurde sofort ins Bett gesteckt. Er blickte Kai aus müde Augen an und hielt ihn an der Hand fest und zog ihn neben sich aufs Bett. "Kai? Ich... Da war eben so ein seltsamer Mann... Ich glaube, ich kenne ihn und dann hatte ich wieder eine Vision... Was ist das bloß?" Der Schwarzhaarige setzte sich zu ihm auf das Bett und strich ihm liebevoll über die Stirn. Angespannt lauschte er den Worten des Anderen und versuchte, zu verstehen, was das zu bedeuten hatte. Doch so langsam dämmerte es ihm. Vor ein paar Wochen hatte Uruha den Namen 'Aoi' erwähnt. Ob das vielleicht dieser Aoi gewesen war? Vielleicht kannte Uruha ihn und hatte deshalb diese Vision, als er ihn gesehen hatte. Ein sanftes Lächeln schenkte er dem Anderen. "Ich weiß nicht. Aber es kann sein, dass dieser Mann, den du da gesehen hast, etwas mit deiner Vergangenheit zu tun haben könnte. Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht." "Aoi?", murmelte er leise und schloss die Augen. "Das... Das könnte natürlich sein. Ich habe in letzter Zeit auch öfters von einem Aoi geträumt. Ich würde wirklich zu gerne wissen, ob er es wirklich ist und was er mit mir zu tun hat. Er sah so... So traurig aus... Und was ich seltsam finde... Er sieht mir irgendwie ähnlich. Ich kann es mir auch nur einbilden, aber es ist wirklich so." Er seufzte und kuschelte sich eng an Kais Seite heran und blickte zu ihm hinauf. "Ich würde ihn zu gerne nochmal sehen und mit ihm sprechen..." Kai nickte nur. Dass die Wahrscheinlichkeit, diesen Aoi demnächst wiederzutreffen, hier in Kanagawa ziemlich gering war, ließ er erst einmal völlig außer Acht. Sie würden das schon irgendwie hinbekommen. Aber da Kai ihn nicht gesehen hatte und auch nicht genau wusste, wen von den vielen Passanten Uruha meinte, konnte er auch nicht auf eigene Faust losgehen und ihn suchen. Sie würden sich auf das Schicksal oder den Zufall verlassen müssen. Leider. "Ruh dich erst einmal aus. Morgen werden wir dann mal schauen und in der Stadt ein paar Recherchen anstellen. Vielleicht kann uns dort jemand weiterhelfen oder wir begegnen ihm vielleicht. Aber darüber solltest du dir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Du brauchst Ruhe." Er hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. "Schlaf ein wenig, ich pack die Koffer aus und komm dann zu dir." Seufzend legte er sich auf die Seite und knabberte nervös an seinem Daumennagelbett herum. Was, wenn Kai Unrecht hatte und sie Aoi nicht finden würden? Kanagawa war schließlich eine große Stadt und da gerade denjenigen zu finden, den sie suchten, war schon fast ein Ding der Unmöglichkeit. Aber sie würden es wenigstens versuchen. Das hatte Kai ihm versprochen. Und wenn sie sich Mühe geben würden, dann würde das auch klappen. Er musste nur dran glauben. Während Kai Koffer auspackte, wartete Uruha ungeduldig auf Kai. Er war müde und wollte schlafen. Seufzend räumte er die Koffer aus. In Gedanken allerdings war er schon wieder ganz woanders. Er machte sich schon ein wenig Sorgen. Was wäre, wenn es wirklich dieser Aoi war? Oder wenn er es vielleicht doch nicht war und Uruha sich einfach nur getäuscht hatte? Was würde passieren, wenn sie ihn finden würden? Was, wenn Uruha sich wieder an alles erinnern würde? Was würde dann passieren? Würde Uruha dann doch weggehen? Würde er ihn einfach vergessen, wie er jetzt seine Vergangenheit vergessen hatte? War er dann überhaupt noch wichtig für den Anderen? Eigentlich waren das ziemlich egoistische Gedanken, die er da hatte. Aber waren sie nicht eigentlich auch normal? Er hatte doch bloß Angst um seinen Freund. Er wollte ihn beschützen und immer für ihn da sein? Und wenn... Er musste ihm helfen, egal zu welchem Preis. Wenn Uruha sich wieder erinnern würde, dann könnte er womöglich wieder ein normales Leben führen und hätte wieder eine Familie. Da musste er sich nicht noch dazwischen drängen. "Kai? Kommst du jetzt wieder ins Bett? Ich will schlafen und morgen stehen wir ganz früh auf, damit wir auch schnell in die Stadt kommen können, ja? Ich will unbedingt nach Aoi suchen. Ich hab irgendwie im Gefühl, dass wir ihn finden werden. Ich hoffe es zumindest sehr stark.", redete er auf Kai ein, welcher vor dem Schrank hockte und die Klamotten wieder einsortierte. "Ich bin aufgeregt..." Er lächelte und ließ sich in die Kissen sinken. Endlich war Kai dann mit auspacken fertig und Uruha konnte sich im Bett an den Anderen kuscheln. Er drückte ihm noch einen Nachtkuss auf die Wange, ehe er die Augen schloss. "Oyasumi.", und es dauerte nicht lange, da war er auch schon eingeschlafen. Kai hingegen lag noch ziemlich lange wach. Seine Gedanken beschäftigten sich nun schon seit Stunden nur mit diesem einen Thema. Dabei sollte er doch alles Mögliche daransetzten, dass Uruha sich wieder erinnerte. Und was tat er? Innerlich hoffte er, dass es soweit nicht kommen würde. Für ihn würde es dann vermutlich wieder heißen, dass er alleine war. Seufzend schloss er die Augen und schlief ein. Allerdings träumte er nicht wirklich und sein Schlaf war alles andere als ruhig. Irgendwie nahm ihn das alles gerade ziemlich mit. Nur konnte er sich nicht erklären, warum das so war. Uruha schlief sehr gut in dieser Nacht. Innerlich freute er sich sehr darauf, endlich Aoi zu treffen und vielleicht mehr über seine Vergangenheit zu erfahren. Endlich. Darauf wartete er nun schon seit Wochen und vielleicht war heute dieser besondere Tag gekommen. Uruha erwachte schon sehr früh. Diesmal war er hellwach und ohne auf Kai zu achten, rannte er sofort ins Badezimmer, zog sich aus und duschte sich gründlich. Dann frisierte er seine Haare ein wenig und schminkte sich. Als er mit seinem Äußeren zufrieden war, tapste er ins Zimmer zurück und zog sich ein lilafarbenes Shirt und eine seiner kurzen Hosen an und setzte sich zu Kai ans Bett. Vorsichtig rüttelte er an ihm. "Hey. Aufwachen. Wir wollen los." Mürrisch öffnete er ein Auge, doch dann schnappte er sich eines der Kissen und zog es sich über den Kopf. Er wollte doch jetzt noch nicht aufstehen. Das war doch noch viel zu früh. "Uruha.", maulte er. "Musst du jetzt schon so verdammt munter sein? Es ist doch noch nicht mal acht Uhr oder?" Er hatte selbst nicht auf die Uhr gesehen, aber sein Gefühl sagte ihm, dass es eindeutig zu früh war, um jetzt schon aus dem Bett zu krauchen und nach draußen zu gehen. "Lass mich schlafen.", brummte er weiter. Doch Uruha schien nicht aufgeben zu wollen und versuchte nochmal sein Glück. Aber nicht mit Kai. Hastig griff er ein Kissen und pfefferte es dem Größeren direkt ins Gesicht. Als dieser ihn dann entsetzt ansah, als er das Kissen von seinem Kopf nahm, musste er breit grinsen. "Siehst du? Du hast noch kein Reaktionsvermögen. Also ist es noch viel zu früh." Prompt schnappte er sich Uruha Handgelenk und zog ihn frech neben sich. Er legte sich halb auf ihn, damit er auch gar nicht auf die Idee kam, einfach abzuhauen. Musste er sich am frühen Morgen schon so etwas gefallen lassen? Nein, musste er nicht! Das war echt zu viel. Erst wurde er mit Kissen bombardiert und jetzt lag er halb unter Kai und wurde einfach festgehalten, und das, obwohl er so gerne gleich in die Stadt wollte. Das war hundsgemein von Kai und so dachte er gar nicht im Traum daran, Kai jetzt in Ruhe zu lassen. Auch, wenn er jetzt nicht auf eigene Faust irgendwo hin konnte, er würde Kai schon noch dazu kriegen, endlich aufzustehen. "Kai? Was ist, wenn Aoi gerade jetzt in der Stadt ist und vielleicht Brötchen kauft oder so? Dann verpassen wir ihn und dann bin ich die nächsten Wochen nur noch unglücklich, willst du das? Huh? Das ist gemein von dir, also steh jetzt endlich auf." Und so redete er putzmunter immer weiter auf Kai ein und dachte nicht im Traum daran, Kai jetzt schlafen zu lassen, oh nein. Irgendwann wurde es ihm zu viel und er hielt Uruha einfach den Mund zu. "Irgendwann schenk ich dir mal ne Tüte mit Punkten und Kommas. Ist ja nicht zum Aushalten.", lachte er. Aber er dachte nicht im Geringsten daran, jetzt schon aufzustehen. Nichts da. "Welcher Idiot ist um diese Uhrzeit schon auf den Beinen und kauft Brötchen?", fragte er ihn. "Das kann wirklich nicht dein Ernst sein, oder?" Langsam nahm er die Hand wieder von Uruhas Mund und legte seinen Kopf zurück ins Kissen. Uruha sollte nicht denken, dass er sich so schnell geschlagen geben würde. Nichts da. Er wollte einfach noch im Bett bleiben und ein wenig schlafen. War das zu viel verlangt? Eine Weile grummelte er gegen Kais Hand, bis dieser ihn wieder entließ und scheinbar weiterschlafen wollte. Aber nicht mit ihm. Uruha wollte jetzt sofort in die Stadt und da würde er Kai auch nicht alleine hier lassen. Kai musste mit und ihm beistehen. Jetzt sah Uruha nur noch eine Chance. Er schwang ein Bein über Kai und setzte sich so auf dessen Schoß. Dann hob er die Hände, führte sie unter Kais Arme und kitzelte ihn gründlich durch. Aha! Anscheinend hatte er eine von Kais Schwachstellen gefunden. Kais Lachen erfüllte den ganzen Raum. "Kommst du jetzt mit?" "Uwah!", fiepte er auf, als Uruha sich erst auf seinen Schoß setzte und ihn dann auch noch kackfrech durch kitzelte. Sich windend kämpfte er dagegen an. Das war ja mal sowas von unfair, was er hier mit ihm machte. Lachend warf er den Kopf von einer Seite zur anderen. Woher wusste der andere so genau, dass er kitzlig war. Und Kai war verdammt kitzlig. Doch er ließ Uruha keine Chance. Nein. Er wollte jetzt definitiv noch nicht aufstehen und daran würde ihn auch kein kitzel wütiger Uruha hindern. Nie im Leben. Mit einem Ruck packte er ihn und warf ihn um. Jetzt würde er den Spieß einfach mal umdrehen und Uruha ordentlich durch kitzeln. Mal sehen, was der davon hielt, so dermaßen gefoltert zu werden. Ach, Mist. Jetzt hatte er schon mal Kais Schwachstelle herausgefunden und konnte sie nicht gegen ihn verwenden, da Kai ihn einfach so herumgeworfen hatte und nun ihn durch kitzelte. Lachend wandte er sich unter Kai und kicherte immer wieder hell auf, wenn Kai über seinen Bauch kitzelte. Da war er nämlich am kitzligsten. "Kai~!", winselte er und hielt sich vor Lachen den Bauch und versuchte, sich ein wenig zu schützen. "Hör auf! Ich ergebe mich! Ich kann nicht mehr!" Ha! Das war doch mal ein Erfolg auf ganzer Linie. Uruha gab sich also geschlagen? Wunderbar. Dann konnte er ja jetzt wenigstens noch liegen bleiben und ein wenig dösen. Nach der Kitzelattacke würde er eh nicht mehr einschlafen können. Dazu hatte er schon viel zu viel gelacht und sein Bauch schmerzte auch schon leicht davon. Und so ließ er von ihm ab und legte sich wieder neben ihn. Zufrieden kuschelte er sich wieder in seine Decke und vergrub das Gesicht tief im weichen Kissen. Seufzend schloss er die Augen und genoss es. Er hatte sein Bett schon irgendwie in den vergangenen Wochen vermisst. Jetzt hatte er es ja wieder. "Und jetzt leg dich noch ein wenig hin. Es ist viel zu früh." Vollkommen außer Atem lag er nun da und atmete schwer. Gott, sein Bauch tat ziemlich weh und er hatte einen Lachkater. Seufzend kuschelte er sich an Kai heran und schloss die Augen. Na gut. Kai würde sich eh nicht davon abhalten lassen, noch ein wenig zu schlafen. Obwohl er es ziemlich schade fand. Wenn er wegen ihm Aoi verpasste, dann würde das für Kai ein böses Ende nehmen, oh ja. Und so blieben sie noch etwa eine Stunde im Bett. Uruha jedoch konnte nicht mehr schlafen und erwartete sehnsüchtig den Augenblick, bis Kai wieder erwachen würde. So richtig schlafen konnte er nicht mehr. Dafür hatte Uruha ihn einfach zu brutal durch gekitzelt. Nur noch dösend lag er neben ihm und kuschelte sich in die weichen Laken. Es war wirklich schön. Doch er machte sich noch immer einen Kopf darum, wie es weitergehen würde, wenn sie diesen Aoi, oder wie der hieß, wirklich ausfindig machen würden. Was würde dann passieren? Allerdings gönnte er Uruha auch sein Glück. Gähnend und sich streckend öffnete er die Augen. Er räkelte sich ausgiebig, bevor er Uruha ins Gesicht sah. Unwillkürlich wurde er rot. Hatte Uruha ihn etwa die ganze Zeit beobachtet? Endlich machte Kai die Augen auf und sofort überzog dessen Wangen ein leichter Rotschimmer. Nanu? Was war denn nun los? Ach, war ja nun auch egal. Kai war wach und das war es, was zählte. Uruha saß sofort kerzengerade im Bett und zog Kai die Decke weg. Er grinste ihn an und stand auf, um sich vor dem großen Spiegel seine Frisur nochmal zu richten. "Kai? Nun steh bitte auch endlich auf, du Schlafmütze. Ich will jetzt endlich in die Stadt. Jetzt ist es fast neun und ich hab Angst, dass wir Aoi verpassen. Nun steh bitte endlich auf!" Wie ein kleines Kind nörgelnd stand er vor Kai und sah ihn aus großen Kulleraugen an. Der Schwarzhaarige hatte sich leicht aufgesetzt und stützte sich mit den Unterarmen von der Matratze ab. Sein Blick wanderte über das Bett und direkt zu Uruha, der direkt vor ihm stand und ihn mit angedeuteten Kulleraugen ansah. Er seufzte. "Du kannst einem echt den letzten Nerv rauben.", murrte er. Dass er hier halbnackt auf dem Bett lag und Uruha ihm auch noch die Decke geklaut hatte, war ihm schon etwas unangenehm, aber der Größere schien ja eh nichts anderes im Kopf zu haben, als diesen komischen Aoi. Grummelig erhob er sich und fuhr sich mit beiden Händen durch das schwarze ziemlich zerzauste Haar. Auf nackten Füßen tapste er an dem Größeren vorbei. "Jetzt is der Urlaub wohl endgültig vorbei.", brummte er und verschwand im Badezimmer. Begeistert klatschte er in die Hände. Endlich war Kai soweit, ins Bad zu dackeln und sich fertig zu machen. Wunderbar. Einfach nur klasse. Dann konnte es ja bald auf die Suche gehen. Und Uruha war sich sicher, dass sie fündig werden würden. Er freute sich schon so und hibbelte ganz aufgeregt durch den Raum. Als er es dann nicht mehr aushielt, tapste er in die Küche und machte erst mal einen starken Kaffee. Den würde er Kai vorsetzen und trinken lassen, damit er auch richtig wach wurde. Schnell huschte er mit der heißen Tasse ins Schlafzimmer und wartete darauf, dass Kai zurückkommen würde. Etwas munterer kam er aus dem Badezimmer, da wurde ihm auch schon in der Tür zum Schlafzimmer eine Tasse Kaffee in die Hand gedrückt. Verwirrt blinzelte er Uruha an. "Was is das?", fragte er im ersten Moment. Doch dann stieg ihm der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase und seine Frage wurde ohne Worte beantwortet. Er wollte gerade ansetzen und einen Schluck trinken, als ihm Uruhas Blick auffiel. Dieser starrte ihn irgendwie merkwürdig an. Stirnrunzelnd legte er den Kopf schief. "Nani?", fragte er geistreich. Doch eigentlich hätte er sich die Frage auch selbst beantworten können. Es wurde nämlich doch ziemlich kühl unten herum. Kai hatte sein Handtuch verloren, als Uruha ihm die Tasse in die Hand gedrückt hatte. Wie genau er das geschafft hatte, wusste er nicht. Als Kai ins Schlafzimmer kam, reichte Uruha ihm sofort die Tasse und lächelte ihn zuckersüß an. Kai nahm die Tasse auch und trank einige Schlucke, doch dabei löste sich das Handtuch und Kai stand bald ganz nackt vor Uruha. Dieser schrak zurück und hielt sich die Hand vor den Mund. Oh je. Armer Kai. Uruha spürte, wie ihm heiß wurde und sein Magen anfing zu kribbeln. Oh nein. Oh nein, bitte nicht. "Ano... Ich...", stammelte er. "Ich warte draußen!" Und schon war er nach draußen verschwunden und ließ Kai alleine da stehen. Verdattert schaute er dem anderen nach. Was war denn nun los? Hatte er etwas verbrochen? Er hatte doch nur ein bisschen Kaffee getrunken und nichts weiter. War das denn so entsetzlich? Doch dann merkte er was Phase war und blickte an sich herunter. Sofort wurde er hochrot. Kami-sama! Das war jetzt nicht wirklich passiert oder? Er stand nicht in seinem Schlafzimmer so, wie Gott ihn schuf und trank genüsslich eine Tasse Kaffee. Oder doch? Scheinbar, denn genau so kam das Ganze jetzt rüber. Kein Wunder, dass Uruha die Flucht ergriffen hatte. Eilig stellte er die Tasse beiseite und suchte sich passenden Klamotten raus. Schnell war er angezogen und trat noch immer rot im Gesicht ins Wohnzimmer, wo Uruha am Fenster stand und scheinbar sehnsüchtig nach draußen schaute. Uruha hatte sich auf die Fensterbank gesetzt und die Stirn ans Glas gelehnt. Er wollte unbedingt nach draußen und mit suchen anfangen. Aber immer wieder kam ihm Kais nackter Körper in den Sinn und er wurde feuerrot. Na toll. Dabei wollte er sich unbedingt nur auf Aoi konzentrieren und das konnte er jetzt nicht. Er zog die Beine an den Körper und schaffte es, nicht vom Fensterbrett zu fallen. Das war das erste Mal, dass er es gut fand, so dünn und schmal zu sein. Dann bemerkte er Kai und setzte ein schüchternes Lächeln auf. "Können wir los?" Kai nickte und trat näher an Uruha. Auch er schaute nun aus dem Fenster und seufzte schwer. "Weißt du... Ich find es schön, dass du hier bist und..." Er machte eine Pause und legte eine Hand an die Scheibe. "Auch wenn das vielleicht egoistisch klingt, aber... irgendwie hab ich Angst, dass wir diesen Aoi wirklich wiederfinden. Keine Ahnung, wieso." Es erschreckte ihn schon, dass er das so offen sagen konnte. Aber er hatte Uruha ja versprochen, dass er mit ihm über sein Innerstes reden würde. Und da sollte er schon wissen, wie er sich im Moment fühlte. Doch bevor Uruha näher darüber nachdenken konnte, schnappte er sich seine Hand und zog ihn vom Fensterbrett. "Dann lass uns mal los. Da draußen wartet ein Aoi auf dich." Uruha wurde vom Fensterbrett gezogen und sah Kai freudestrahlend an, als er Aoi erwähnte. Er nickte heftig und hibbelte ein wenig herum. Dass Kai gesagt hatte, er habe Angst, Aoi zu finden, realisierte er gar nicht. Er war gerade viel zu sehr damit beschäftigt, sich auszumalen, wie Aoi wohl war und in welcher Beziehung sie zueinander standen. Das war einfach viel zu aufregend. Also zog er Kai hinter sich her und die Straßen entlang. Die Augen behielt er wie ein Adler offen und späte in alle Winkel und Gassen. Ein bisschen mulmig war ihm schon, als Uruha ihn so aufgeregt durch die Straßen Kanagawas zog und ständig nach rechts und links Ausschau zu halten schien. Ihm gefiel das hier ganz und gar nicht. Er fühlte sich einfach unwohl. Konnte Uruha nicht doch lieber alleine nach ihm suchen? Musste er ihm das auch noch antun? Scheinbar hatte der Größere eh nicht realisiert, was er ihm vorhin gesagt hatte. Okay, er war bestimmt einfach nur aufgeregt. Uruha zog Kai einfach so hin und her, kreuz und quer durch die Stadt und schaute wirklich in jedes Geschäft hinein. Nur leider war nirgends eine Spur von Aoi. Nachdem sie nun wirklich schon eineinhalb Stunden durch die Stadt gelaufen waren und Aoi noch nicht gefunden hatten, blieb Uruha ruckartig stehen und senkte den Blick. In seinen Augen standen die Tränen und er schniefte. "Er ist nicht da..." Liebevoll legte er einen Arm um die Schultern des Anderen. "Lass den Kopf nicht hängen, Ru-chan. Wir sind doch noch gar nicht lange unterwegs und haben ja auch noch ein bisschen Zeit. Also lass uns einfach weitersuchen. Vielleicht ist er ja auch um die nächste Ecke. Das kann man doch alles nicht wissen." Irgendwie musste er ihn doch aufbauen. Und so war er es, der nun die Hand des Anderen packte und ihn wieder mit sich zog. Wenn Uruha diesen Aoi finden wollte, dann würde er solange mit ihm suchen, bis sie ihn gefunden hatten. Und wenn es den ganzen Tag dauern würde. Uruha sollte doch endlich auch mal Glück haben. Kaum, dass er ihn um die nächste Ecke zog, lief er auch schon in jemanden hinein. Uruha seufzte leise und wischte sich die Tränen ab. Das war alles so ungerecht. Wieso konnte er nicht auch mal Glück haben und Aoi finden? Kami-Sama... Wenn es ihn dort oben gab, dann sollte er ihm bitte diesen einen Wunsch erfüllen und er würde ihn auch nie wieder um etwas bitten. Aber nein. Anscheinend hatte er ja nie Glück. Als sie um die nächste Ecke bogen, konnte Uruha nicht mal bis drei zählen, da liefen sie schon in jemanden rein und alle drei landeten auf dem Hosenboden. Uruha jammerte leise und rieb sich das Steißbein. Dann blickte er hoch und wollte sich gerade bei demjenigen entschuldigen, den sie da gerade umgerannt hatten, als ihm das Wort im Halse stecken blieb. Ein schlanker Körper, schwarzer Mantel, rabenschwarzes Haar und bleiche Haut. Nein... Das konnte doch nicht... Ein Fiepen verließ Uruhas Kehle und er lenkte somit die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich, der ihn mit großen Augen anstarrte. Kai rieb sich das Hinterteil und stand dann auf. Er wollte gerade Uruha die Hand reichen und ihn auf die Beine ziehen, da wurde ihm das schon abgenommen. Vor ihm stand ein junger Mann mit nachtschwarzen Haaren. In seiner Lippe hatte er ein Piercing und er hielt Uruha die Hand hin. Kai schluckte. Irgendwie sah der Kerl genauso überrascht aus, wie sie und auch Uruha schien den Blick von dem Typen nicht abwenden zu können. "Kouyou?", kam es mit tiefer Stimme von dem schwarzhaarigen jungen Mann, der noch immer verdattert auf den anderen sah. Noch ehe sie´s sich versahen, hockte der andere auch schon auf dem Boden und zog Uruha unwillkürlich in seine Arme. "Kou!" Vollkommen perplex lag Uruha nun in den Armen des schwarzhaarigen Mannes und starrte mit weit aufgerissenen Augen an die gegenüberliegende Hauswand. Nein... War es wirklich wahr? War das dieser Aoi, den er so sehnsüchtig gesucht hatte? Anscheinend, wieso auch sonst sollte er ihn auch in den Arm nehmen. Nur... Wer war Kouyou? War das etwa... Sein richtiger Name? Sein Körper begann, heftig zu zittern und er drückte sich ganz nah an den Körper des anderen. "A-Aoi?", fragte er heiser und krallte seine Finger in das Hemd des Mannes vor ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)