Sorrow and Pain von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Not sure ------------------- Uruha blinzelte ein paarmal verwirrt, ehe sich sein Blick wieder fokussierte und er Miyavi richtig anschauen konnte. Der andere sah ihn ehrlich besorgt an und half ihm dann auch, die Aspirin mithilfe des Wassers aufzulösen und hinunter zu würgen. Dann durfte er sich wieder nach hinten lehnen und schloss die Augen. Auf Miyavis Frage hin zuckte er einmal kurz zusammen und biss sich auf die Unterlippe. Diese Frage war berechtigt. Wer war Aoi? Wieso war ihm dieser Name plötzlich in den Sinn gekommen? Was war hier los? "Ich... Ich weiß nicht.", antwortete er wahrheitsgemäß und sah ihn wieder an. "Ist ja nicht schlimm." Miyavi wusste ja, dass sich sein Gegenüber eigentlich an nichts erinnern konnte. Das hatte er ihm auch am Telefon schon gesagt und er hatte auch kein Problem damit. Irgendwann würde sich der junge Mann schon noch an seine Vergangenheit erinnern. Da war er sich sicher. Aber dieser Aoi musste schon eine größere Bedeutung in dem Leben des anderen spielen. Darüber würde er nachher noch mit Kai sprechen, wenn dieser wieder zurückkam und sie sich wieder ablösten. Allerdings würde das ja noch eine Weile dauern. "Am besten du versuchst noch etwas zu schlafen. Dann wirkt die Aspirin auch besser. Ich bin hier und pass auf dich auf. Dir kann also nichts passieren, hai?" Uruha nickte leicht und drehte sich auf die Seite. In dieser Stellung zog er die Beine eng an seinen Oberkörper und schlang die Arme darum. Embryostellung. So fühlte er sich gleich viel beschützter und zitterte auch nicht mehr so stark. Obwohl er wusste, dass Miyavi bei ihm war und aufpasste, hatte er immer noch Angst. Angst vor dem Unbekannten. Angst davor, einzuschlafen und zu träumen. "Arigatou....", nuschelte er leise und schloss die Augen. Binnen weniger Minuten war er auch schon eingeschlafen. Immer wieder tauchten die beiden Gestalten in seinen Träumen auf und immer wieder fing der schwarzhaarige Achtzehnjährige an zu weinen, während der Mann ihn anschrie. In einer Ecke kauerte noch eine kleinere Gestalt, die Uruha allerdings nicht erkennen konnte. Die Zeit verging ziemlich schnell und auch er hatte wirklich keine Lust, schon wieder länger zu machen. Immer wieder war sein Blick zur Uhr gehuscht und er betete, dass er schnell Feierabend hatte. Irgendwie machte er sich doch Gedanken um seinen Patienten. Auch wenn Miyavi wirklich ein toller Kerl war, so wusste man manchmal nicht, was in ihm vorging. Und er hoffte doch inständig, dass der Größere sich auch seinem Alter entsprechend benommen hatte. Aber seine Bedenken wurden sofort weggespült, als er seine Wohnung betrat und er Miyavi auf seinem Sofa schlafend vorfand. Sein erster Gang führte ihn allerdings ins Schlafzimmer, wo er den Schlafenden auch gleich erblickte. Er schlief zwar unruhig, aber er schlief und so zog er die Tür leise ran und ging zu seinem Freund. "Hey, Miya. Alles okay?" Sanft ruckelte er ihm an der Schulter, um ihn zu wecken. Grummelnd öffnete er ein Auge nach dem anderen und blickte Kai verständnislos an. Was machte der denn bitte in seiner Wohnung? Dann erst fiel ihm wieder ein, dass er in Kais Wohnung war und auf Uruha aufgepasst hatte. Vorsichtig rappelte er sich wieder auf und fuhr sich gähnend durchs Haar. "Hai. Bei mir schon. Bei Ruha eher weniger...", er stand auf und streckte sich. "Er hat plötzlich angefangen zu wimmern und irgendwas von einem Aoi oder so gefaselt und dann ist er ohnmächtig geworden. Hab den Notarzt gerufen, der konnte aber nix feststellen und meinte nur, er braucht ne Aspirin. Seitdem schläft er." "Mmmmh... Das klingt nicht wirklich toll. Aber sonst ist alles soweit okay? Du siehst ziemlich müde aus. Bist du dir sicher, dass du das jeden Abend machen möchtest? Ich will dich damit nicht belasten, aber er möchte auch nicht alleine sein und ich lass ihn auch ungern alleine.", meinte er und setzte sich zu ihm. "Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Ich kann ihn ja schlecht die ganze Zeit alleine lassen. Und schon gar nicht in einer fremden Umgebung. Er hat sicher Angst vor mir.", seufzte er. Er würde ihm doch so gerne helfen. "Wer dieser Aoi wohl ist?" Seufzend ließ er sich neben seinem alten Kumpel nieder und legte ihm einen Arm um, zog ihn an seine Brust und strich ihm über den Rücken. Wenn Kai so nachdenklich war, machte er sich wirklich Sorgen. "Hey, da hast du dir aber echt ein Problemkind geangelt, alle Achtung. Das kann auch echt nur dir passieren. Was ist denn, wenn er dir wegstirbt? Ich meine, du hast mir selbst gesagt, dass er schwer verletzt war und es vielleicht immer noch ist. Ich hab vorhin auch gesehen, wie er Blut gehustet hat, das ist ganz und gar nicht lustig. Was machst du dann, Kai? Du hast dir da wirklich viel Arbeit aufgehalst.", er fuhr sich durchs Haar. "Und ich weiß selbst nicht, wer dieser Aoi ist. Ich hab ihm vorhin meine Gitarre gegeben, damit er mal ein bisschen was zu tun hat und siehe da, der Kerl kann super spielen. Der muss also schon mal gespielt haben, kann sich nur nicht erinnern. Und dann ist er halt zusammengebrochen und hat von diesem Aoi geredet. Meinst du, er hat sich an was erinnert?" Ein schwerer Seufzer verließ seine Lippen. "Hai, du hast ja Recht. Aber ich will ihn nicht im Stich lassen. Außerdem hat er doch im Moment niemanden, der ihm hilft außer uns. Und wenn er sich wieder erinnern kann, dann hat es doch auch einen Vorteil. Vielleicht haben wir dann einen Freund mehr." So wirklich glaubte er auch nicht an seine Worte, aber was sollte er denn sonst machen. Uruha war krank und hatte zudem auch Gedächtnisverlust erlitten. So würde er ihn niemals wegschicken. Und er war nicht wirklich so angsteinflößend, wie Ruki behauptete. Eigentlich schien er ein sehr umgänglicher Mensch zu sein. "Morgen Früh werd ich mal meine Ärztin anrufen, ob sie sich ihn mal anschauen könnte. Der Notarzt gestern war nicht wirklich hilfreich." Er seufzte leise und wuschelte seinem Freund durch die Haare, ehe er zur Garderobe ging und seine Jacke überzog. Dann schlich er auf leisen Sohlen in das Zimmer, in welchem Uruha friedlich schlief, strich ihm vorsichtig über die Wange, schnappte sich seine Gitarre und schlich zu Kai zurück. Dem gab er einen fetten Schmatzer auf die Wange und klopfte ihm grinsend auf den Rücken. "Tu, was du nicht lassen kannst und mach dir keine Sorgen. Ich will dir und ihm gerne helfen, also komm ich ab heute jeden Abend vorbei und kümmere mich um ihn. Bis morgen dann, Kai!" Und schon war er verschwunden. Seufzend starrte er seinem Freund noch hinterher, als dieser schon längst verschwunden war. Wenigstens auf ihn konnte er zählen. Gut, Ruki war einfach nur vorsichtig, was so etwas anbelangte. Aber trotzdem hätte er sich von seinem Freund etwas mehr Unterstützung erwartet. Trotzdem konnte er an Rukis Auffassung nichts ändern. War ja auch egal. Vielleicht würden sie ja doch irgendwann mal richtige Freunde werden Ruki und Uruha. Wäre wirklich nicht schlecht. Doch jetzt musste dem Armen erst mal geholfen werden. Ganz leise öffnete er die Tür und betrat das Schlafzimmer. Er wollte noch mal genau schauen, wie es denn seinem Freund ging und legte ihm sanft eine Hand auf die Stirn. Fieber schien er keines zu haben und er schien auch, ruhig zu schlafen. Gut, dann konnte er jetzt schnell duschen gehen und würde sich dann ebenfalls schlafen legen. Morgen hatte er viel vor und musste ausgeruht sein. "Oyasumi nasai, Uruha-san.", wünschte er ihm und verschwand dann im Bad. Uruha schlief derweil wieder friedlich vor sich hin. Ohne jegliche Alpträume oder sonstiges, was ihn von einem erholsamen Schlaf abhalten konnte. Er lag da zusammengerollt auf dem Bett, die Arme um ein Kissen geschlungen und friedlich ein und aus atmend. Von Kais vorsichtigen Berührungen bekam er nichts mit, ebenso wenig davon, dass er die Dusche anstellte und das Wasser laut begann, zu rauschen. Er schlief einfach durch. Dann jedoch wurde er davon wach, dass er Kai im Bad herumwerkeln hörte und blinzelte müde. Er gähnte leise und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Nanu? Was war denn nun passiert? War nicht eben noch Miyavi da gewesen? "Ano... Hallo?", rief er leise und wartete, bis ihm jemand antwortete. Vielleicht war Kai ja auch schon da. Kai hörte ihn nicht, denn er war gerade dabei, sich abzutrocknen. Und wieder stieß er sich den Kopf an dieser dämlichen Halterung vor dem Spiegel. Kami-sama. Er sollte da wohl wirklich mal was machen. Wenn er so weitermachte, würde er vermutlich noch Uruha wecken. Dass er das schon geschafft hatte, wusste er nicht und so werkelte er munter weiter, putzte sich die Zähne, kämmte sich die nassen Zotteln und schlüpfte in ein Shirt und eine Boxer. Schnell noch einen Blick in den Spiegel und dann war er bettfertig. Mit einem zufriedenen Lächeln kam er ins Schlafzimmer und wollte sich Decke und Kissen holen, damit er es auf dem Sofa im Wohnzimmer etwas bequemer hatte. Müde rieb er sich weiter die Augen, als er dann endlich hörte, wie eine der zahlreichen Türen geöffnet wurde und jemand ins Zimmer tapste. Uruha horchte auf und öffnete seine müden Augen wieder. Da war Kai, der anscheinend noch nicht bemerkt hatte, dass er wach war und der sich mit einem zufriedenen Lächeln seine Bettdecke und ein Kissen schnappte und anscheinend damit wieder abhauen wollte. Doch das wollte Uruha nicht zulassen. Nicht wieder alleine sein. "Kai...?", fragte er leise und hoffte, dass er ihn nicht erschreckte. "Ano... Kannst du nicht hier schlafen? Bitte... Ich will nicht unbedingt alleine sein und... Wenn schon, dann gehe natürlich ich ins Wohnzimmer. Es ist dein Bett..." Erschrocken fiepte er auf. Hatte er doch eben noch gedacht, dass Uruha schlief, so wurde er jetzt eines Besseren belehrt. Seufzend hielt er sich die Hand an die Brust. "Mann, hast du mich erschreckt.", kicherte er und versuchte seinen enormen Herzschlag wieder zu normalisieren. Dann schaute er zu ihm auf das Bett und erkannte, dass Uruha das ziemlich ernst zu meinen schien. Einmal tief durchatmen. "Okay, ich lass dich nicht alleine, aber komm nicht auf die Idee, dass du auf dem Sofa schläfst. Das kannst du dir abschminken. Verstanden?" Und schon legte er sich samt Decke und Kissen ins Bett und kuschelte sich in die weichen Kissen. Zufrieden seufzte er. "Morgen müssen wir früh aufstehen. Ich möchte, dass dich jemand richtig untersucht, damit du wieder richtig gesund wirst. Okay? Also schlaf jetzt schön und erhol dich. Oyasumi nasai, Uruha." Na toll. Was sollte das denn jetzt? Er war doch schon so oft in den wenigen Stunden, in denen er bei Kai war, untersucht worden. Viel zu oft für seinen Geschmack. So langsam reichte es doch auch mal oder? Man musste es ja nicht gleich übertreiben. Aber er wollte es Kai auch nicht unnötig schwer mit ihm machen und so nickte er nur leicht. Musste wohl sein. Und er wollte Kai keine Schwierigkeiten machen. Na ja... Jedenfalls nicht mehr als ohnehin schon. Das war ja nun wirklich nicht nötig. "Oyasumi nasai... Kai-San..." Wenige Augenblicke später war er wieder eingeschlafen und erwachte auch nicht bis zum nächsten Morgen. Nur gut, dass er sich den Wecker doch noch gestellt hatte. Sonst hätten sie glatt verpennt. Aber so tragisch wäre es nicht gewesen. Zumindest bei Uruha nicht. Der brauchte ja eh nichts weiter zu machen, als im Bett zu liegen. Er selbst musste sich darum kümmern, dass er seine Ärztin hierher bekam und sie ihn untersuchen würde. Und da begann schon die erste Hürde. Er war nicht sehr oft bei ihr, denn eigentlich war er nie krank oder kaum. Trotzdem wollte er es versuchen. Also sprang er schnell aus dem Bett und huschte ins Wohnzimmer. Sofort wählte er ihre Nummer. Ungeduldig wartete er ab und wurde dann doch mit ihr direkt verbunden. Uruha wachte erst auf, als er etwas neben sich ruckeln merkte und dann die Tür zufallen hörte. Er grummelte und vergrub sein Gesicht im Kissen. Na toll. Konnte Kai denn nicht mal etwas leiser sein? Ging das wirklich nicht? Oh Mann... Jetzt war er wach und würde sicherlich nicht mehr einschlafen können. Wo wollte Kai denn eigentlich so plötzlich hin? Dann fiel es ihm wieder ein und er stöhnte auf. Nein. Bitte keinen Arzt... Im Wohnzimmer hatte Kai die Ärztin an der Strippe und bestellte sie zu sich. Keine halbe Stunde später stand sie vor der Tür. Er war froh, dass seine Ärztin sich so schnell bereit erklärt hatte, sich Uruha mal genau anzuschauen. Und er hatte sogar mit ihr vereinbart, dass sie die Rechnung über ihn laufen lassen würde. Besser konnte es doch gar nicht mehr kommen. Und dieses Mal würde er auf eine intensive Untersuchung bestehen. Es konnte ja nicht sein, dass er Blut hustete und keiner der anderen Ärzte sich darum scherte. "Was meinen Sie? Wie steht es um ihn? Ich meine, er hustet ab und an Blut und das kommt mir doch recht seltsam vor. Ich mach mir Sorgen um ihn.", sprach er mit ihr, während sie ihn weiter untersuchte. Die Ärztin steckte gerade ihr Stethoskop zurück in ihren Koffer und rückte ihre Brille zurecht. Sie war eine kleine untersetzte Frau mit strengem Blick, jedoch ziemlich umgänglich, wenn man sie nicht ärgerte. Und da Kai fast noch nie bei ihr gewesen war, hatte er auch noch nie die Gelegenheit, ihn zu ärgern. Also lächelte sie ihn leicht an und seufzte dann. "Er hat eine Rippenfraktur. Ein Rippensplitter hat sich oberhalb in den linken Lungenflügel gebohrt und verursachte dadurch das Bluten in der Lunge. Der Notarzt scheint das aber schon alles gerichtet zu haben und es ist nicht weiter lebensgefährlich. Die Lunge verheilt von alleine und die Rippen auch. Ich hab ihm einen Druckverband um den Brustkorb gebunden, damit die Rippen stabil bleiben. Den wechseln Sie bitte jeden Abend aus, ja? Ach... Und kümmern Sie sich drum, dass er was isst. Der Junge leidet unter akuter Mangelernährung. Ich schätze ihn etwa auf mindestens 1,75 m und er wiegt höchstens 50 kg. Machen Sie da mal was. Bis demnächst." Und schon war auch sie verschwunden und Uruha saß mit nacktem Oberkörper und nur mit dem Verband oben rum bekleidet auf dem Bett. Erleichtert ließ er sich auf dem Boden vor dem Bett sinken und fuhr sich mit beiden Händen durch das schwarze zerzauste Haar. Gut, also würde es ihm bestimmt bald wieder besser gehen. Lächelnd hob er den Kopf und schaute Uruha tief in die Augen. Irgendwie hatte er wirklich ein hübsches Gesicht, stellte er fest. Das war ihm bisher noch nicht aufgefallen. Aber es stimmte. Er hatte ihn auch noch nie so ausgiebig betrachtet. "Wie geht´s dir? War es so schlimm? Oder war sie erträglich?", grinste er. Irgendwie musste er ihn ja ein wenig aufmuntern, denn sehr glücklich sah sein Gegenüber nicht aus. "Pfh... Sie hat mich nicht umgebracht, das ist wahr... Trotzdem hasse ich Ärzte. Die sind immer so übertrieben freundlich. Das kann ich gar nicht leiden... Auch, wenn sie es nur nett meinen." Er seufzte und kratzte sich an der Schulter. Es behagte ihm auch gar nicht, dass Kai ihn jetzt so unverhohlen anstarrte und musterte. Das konnte er gar nicht leiden. Beschämt senkte er den Blick und nuschelte leise: "Ano... Kann ich dein Oberteil wieder anziehen?" Der Schwarzhaarige setzte sich im Schneidersitz hin und stützte seinen Kopf mit seinen Händen auf den Knien ab. Ein breites Lächeln zierte sein Gesicht und noch immer schaute er ihn einfach an. "Weißt du... Eigentlich bist du echt nen netter Kerl. Hast ein hübsches Gesicht und schaust total knuffig aus, wenn du so verlegen bist. Und Miyavi hat mir auch erzählt, dass du total toll Gitarre spielst. Er war echt beeindruckt.", brabbelte er einfach drauf los. Auf die Frage Uruhas reagierte er gar nicht. Stattdessen stand er auf und ging zu seinem Kleiderschrank. Schnell streifte er sein olles Shirt ab und warf es auf den Stuhl neben sich. Dann fischte er zwei Shirts raus und hielt sich eines nach dem anderen vor die nackte Brust. "Welches findest du besser? Das oder das?" Wäre dies ein Anime, dann würde Uruha jetzt droppen. Was sollte das denn jetzt bitteschön? Hatte der jetzt ein Rad ab oder so? Er schaute knuffig, wenn ihm was peinlich war und er hatte ein total hübsches Gesicht? Und jetzt fragte er ihn auch noch, welches Shirt ihm denn nun besser stand. Hallo? "Ich... Ich weiß nicht so genau, ich mein...", er schluckte kurz, als er Kais Oberkörper war. Dünn, aber die Oberarme doch schon leicht muskulös und ein leichtes Sixpack war auch zu erkennen. "Ano... Ich find das blaue besser..." "Yeah! Dacht ich´s mir doch." Und schon hielt er Uruha das andere hin. Es war nämlich wirklich nicht seine Farbe. Violett passte einfach nicht zu ihm, aber Uruha schien das bestimmt zu stehen. "Probier das mal. Ich glaub, die Farbe steht dir besser als mir.", grinste er und stand nun mit freiem Oberkörper direkt neben dem Bett. "Ich schenk es dir, wenn es dir gefällt. Und damit hast du schon mal wieder etwas nur für dich. Was meinst du? Is das okay?" Irgendwie war seine Stimmung gerade wieder etwas besser geworden. Das waren wirklich tolle Nachrichten, die die Ärztin ihnen dort überbracht hatte. Da durfte er doch mal etwas ausgelassener sein. Schnell schlüpfte er nun in sein Shirt. "Hast du vielleicht Lust, heute mal ein bisschen was zu unternehmen? Nur im Bett liegen, is bestimmt ziemlich öde. Außerdem hab ich heute erst später Schicht. Da können wir ein bisschen die Stadt unsicher machen." Mit schiefgelegtem Kopf blickte er auf das violette Shirt und musterte es eine Weile. Irgendwie wirkte diese Farbe ziemlich ansprechend auf ihn und so zog er es ohne Murren an. Langsam stand er auf und tapste vorsichtig zum Spiegel hinüber und betrachtete sich darin. Zufrieden nickte er. "Ich glaube... Violett ist meine Lieblingsfarbe." Es war nur so dahergesagt, aber irgendetwas in ihm sagte ihm, dass es stimmte. Dann drehte er sich wieder zu Kai herum und versuchte sich an einem Lächeln. "Stadt klingt gut, aber... Ich sehe absolut fürchterlich aus. Ich erschrecke doch sicherlich alle Leute auf der Straße und das will ich nicht." Seufzend sah er wieder in den Spiegel. "Ich sehe furchtbar aus..." Okay, da musste er ihm wirklich irgendwie zustimmen. So ganz ausgehfertig sah er nicht aus. Aber das konnte man doch ändern. "Ich hab eine Idee." Ja und auch die würde er einfach in die Tat umsetzen. Vorsichtig schritt er auf Uruha zu. "Darf ich mal kurz?", fragte er und stellte sich auf Zehenspitzen, damit er auch wirklich an den Verband kam. "Ich will mir das mal angucken. Und wenn das okay ist, dann werden wir mit dir mal noch zum Friseur gehen. Kannst dir eine Frisur aussuchen und dann machen wir dich wieder fit. Was hältst du davon?" Also er war von der Idee begeistert. Ganz langsam löste er den Verband und erschrak etwas. Seine Haare waren am Hinterkopf völlig mit getrocknetem Blut verklebt. Da mussten sie wirklich etwas tun. Uruha zischte leise und kniff die Augen zusammen. Der Verband hatte an seinen Haaren geklebt und somit ziemlich gezogen, als Kai vorsichtig versuchte, ihn zu lösen. Er seufzte auf und schloss die Augen. Kais leisem Ausruf nach zu urteilen sah er wirklich schrecklich aus. Das war´s dann wohl mit der neuen Frisur. Würde er wohl ewig mit diesen langen Zotteln rumlaufen müssen. "Ano... Geht wohl nicht mit dem Friseur oder? Na ja... Muss ja auch nicht sein. Bin schon froh, wenn ich was zum Anziehen habe." "Ey." Er zwickte ihm leicht in die Seite. "Ich hab nicht gesagt, dass wir den Friseur abessen können. Es sieht nur ziemlich verklebt aus. Das sollten wir vorher rauswaschen, sonst fällt uns die Frisöse noch vom Stuhl, wenn sie das sieht.", scherzte er und ließ den verschmierten Verband zu Boden sinken. Es sah schon ziemlich heftig aus, aber so, wie es schien, war es alles getrocknetes Blut, so dass die Wunde wohl schon zu war. Wenigstens etwas. Jetzt würde er ihm nur vorsichtig alles rauswaschen müssen. "Komm, ich helf dir beim Haare waschen. Und dann machen wir uns für den Stadtausflug fertig." Und schon zog er ihn vorsichtig mit sich ins Badezimmer. Uruha schluckte hart, als Kai ihn ins Badezimmer zog und die Tür hinter sich schloss. Er fühlte sich ziemlich unwohl und sah sich kurz um. Lange Zeit blieb ihm jedoch nicht, da Kai ihn anwies, sein Shirt wieder auszuziehen, damit es nicht nass wurde und sich vor die Badewanne zu knien. Uruha tat, wie ihm geheißen und hockte wenig später mit über die Wanne gebeugtem Oberkörper da und schloss die Augen. "Aber... Sei bitte vorsichtig, ja? Das tut sicherlich weh..." "Hai, ich bin wirklich ganz vorsichtig.", versprach er ihm und drehte das warme Wasser langsam auf. Er hielt eine Hand darunter, um zu testen, dass es auch ja nicht zu kalt oder zu heiß war. Das würde er nicht wollen und Uruha würde das sicher noch mehr Schmerzen zufügen, als er ohnehin schon hatte. Behutsam fuhr er mit dem Duschkopf über den Kopf des anderen und strich nur ganz leicht mit den Fingern über sein Haar. Sofort färbte sich das Wasser rot und Uruhas Haare kamen langsam wieder in ihrer normalen Farbe zum Vorschein. Eines allerdings war sicher, eine Farbveränderung würde er heute definitiv nicht zulassen. Dafür sah die Verletzung doch etwas dolle groß aus, die da zum Vorschein kam. "Mann, die haben dich aber mächtig zugerichtet.", wisperte er und es tat ihm unglaublich leid, dass es überhaupt zu so etwas gekommen war. Uruhas Finger krallten sich so fest an den Badewannenrand, dass die Knöchel weiß hervortraten und seine Fingerspitzen sich rot färbten. Vorsichtig öffnete er ein Auge und beobachtete, wie sich das blutrote Wasser im Abfluss verflüchtigte und schluckte. Das war alles sein Blut, was in seinen Haaren geklebt hatte? Hilfe... Was war bloß passiert? So eine Kopfwunde bekam man doch nur, wenn man auf den Hinterkopf mit einem schweren Gegenstand geschlagen wurde. Vielleicht mit einem Baseballschläger? "Itai...", murmelte er leise und durfte sich nun endlich wieder aufrichten. Kai begann nun vorsichtig, seine Haare zu trocknen und wenig später durfte Uruha sich auch wieder richtig anziehen. Er besah sich um Spiegel und stellte zufrieden fest, dass er jetzt wenigstens ein bisschen besser aussah. Seine kastanienbraunen Haare hatten einen schönen Glanz, nur leider hatten sie Spliss und waren anscheinend schon länger nicht mehr geschnitten worden. "Na komm... Dann lass uns mal los." Kai nickte zustimmend. Jetzt würden sie ihm erst mal wieder eine schöne Frisur zaubern lassen. Darauf freute er sich schon. So würde man Uruha halt wieder erkennen. Hoffte er zumindest. Er wusste ja nicht, wie der andere vorher ausgesehen hatte oder sich anzog. Das mussten sie alles erst mal wieder in Erinnerung rufen. Aber dazu brauchten sie Zeit und irgendwie fühlte er sich wirklich wohl in der Nähe des Größeren. "Dann lass uns mal. Der Frisör macht für uns sicher keine Überstunden.", grinste er und zog Uruha auch sofort mit sich. Sofort wurde Uruha mit Kai mitgezogen und wimmerte leise auf. Der andere war aber auch übermütig. Er war bis eben noch bettlägerig gewesen, wie sollte er denn da so schnell schon Kai hinterher wetzen können? Das ging einfach auch nicht. Und so löste er sich von Kais Hand und hakte sich bei ihm unter. So würde ihm das Laufen sichtlich erleichtert werden. "Immer langsam, ja? Du hast doch sicherlich ein Auto oder? Können wir nicht damit fahren, bitte? Ich schaff das noch nicht..." Ein Auto? Ups. Daran hatte er wirklich nicht gedacht. Und zu seinem Bedauern besaß er auch keines. Zumindest noch nicht. Derzeit konnte er sich noch keines leisten. Er sparte lediglich dafür. "Ano... ich hab kein Auto. Gomen. Das konnte ich mir bisher noch nicht leisten.", meinte er kleinlaut. Und schon ging er ein paar Schritte langsamer. Er musste Uruha ja nicht gleich so sehr in Anspruch nehmen. "Reicht es, wenn wir den Bus oder die Bahn nehmen? Dann sind wir auch recht schnell im Stadtzentrum angekommen." Na toll. Auto fiel also schon mal weg. Also blieb dann ja nur die Bahn oder der Bus. Aber er besaß keine Busfahrkarte, da würde also nur die Bahn klappen. Das sagte er Kai auch und zusammen, Uruha bei Kai untergehakt, gingen sie langsam nebeneinander her die Straßen entlang. Er seufzte leise und sah sich um. Nichts von alledem kam ihm bekannt vor. Nichts. Wirklich rein gar nichts. Es war, als hätte er vorher in einer anderen Stadt gelebt. Sie kamen vor dem Friseurladen an und Kai geleitete Uruha hinein. Er sah sich um und schluckte. Auch hier Fehlanzeige. Er erinnerte sich an nichts. "Hey, Kai-chan!", wurden sie auch schon begrüßt. "Was treibt dich denn hierher?", fragte eine aufgeregte Frauenstimme und kam auch schon auf sie zugestürmt. "Konnichi wa, Yukiko-san." Er war hier Stammgast. Allerdings nicht zum Haare scheiden. Das nicht. Er war derjenige, der den Damen immer das Essen brachte, dass sie bei ihm im Restaurant bestellten. Und er kannte sie alle sehr gut. "Ich hätte da einen Freund, dem du die Haare schneiden solltest. Aber du musst vorsichtig sein. Er hat am Hinterkopf eine große Wunde. Man hat ihn zusammengeschlagen und einfach liegen lassen. Würdest du ihm helfen?", fragte er und legte gekonnt einen unglaublich süßen Dackelblick auf. Uruha spürte, wie er innerlich ein Stückchen kleiner wurde und versteckte sich so gut es ging hinter Kai. Der Blick, mit dem diese Frau ihn ansah, gefiel ihm gar nicht. Sehr erschrocken blickte die Frau ihn aus großen Augen an, musterte ihn und sah dann wieder zu Kai. "Wie? Zusammengeschlagen? Das gibt es ja wohl nicht. Das sollte man anzeigen, Kai-Chan! Also wirklich... Sowas mag ich ja gar nicht leiden, solche Menschen gehören ins Gefängnis!", fiepte sie mit ihrer hellen Stimme und zog Uruha sogleich mit sich zu einem der Stühle. Dort setzte sie ihn drauf und schob sogleich ein Tischchen mit Haarscheren, Bürsten, einem Föhn und Klammern und zahlreichen Lockenwicklern heran und zog Kai auch gleich neben sich. "So. Was genau soll ich denn machen, Süßer? Färben? Schneiden? Nur die Spitzen oder gleich ganz neue Frisur?" Kai grinste. "Das musst du ihn schon selber fragen. Ich werd mich hüten, etwas über seinen Kopf hinweg zu entscheiden. Schließlich muss er ja damit rumlaufen und nicht ich. Aber..." Er deutete auf Uruhas Hinterkopf und zeigte ihr vorsichtig die Stelle, die er vorhin gerade vom Blutrest befreit hatte. "Ich glaube nicht, dass wir färben sollten. Das wäre wirklich nicht gut. Aber sonst kannst du gerne tun, was er von dir möchte. Machst du das?", fragte er wieder und schaute sie zuckersüß an. Er sah nicht, dass Uruha ihm im Spiegel dabei beobachtete. Uruha schluckte, als Kai diesen supersüßen Blick auflegte und sah sofort weg. Seine Wangen färbten sich puterrot und er blickte zu Boden. Die Friseurin schickte Kai weg, der sich dann in eine Ecke auf die Wartestühle setzte und eine Zeitung las und widmete sich dann ganz ihrem Kunden. "So, Schätzchen. Was soll´s sein?" "Ano...", Uruha beschrieb ihr, wie er es gerne hätte und lächelte sie dann leicht an. "Okay, Süßer. Dann legen wir mal los, was? Kai wird staunen, weil ich aus dir einen richtigen Märchenprinzen machen werde. Du wirst schon sehen." Und somit fing sie professionell mit ihrer Arbeit an und Uruha beobachtete unauffällig Kai dabei, wie er mit übereinandergeschlagenen Beinen da saß und las. Nicht ein einziges Mal hob er den Blick. Er wusste, dass es dazu keinen Grund gab. Er vertraute Yukiko voll und ganz. Sie wusste immer, was sie tat. Und so widmete er sich intensiv seiner Zeitschrift. "Gefällt er dir?", fragte Yukiko dann mal ganz frech, als sie mal wieder einen von Uruhas unauffälligen Blicken zu Kai hinüber erhaschte. "Kannst es ruhig zugeben. Kai ist auch ein ganz lieber. Aber... ich muss dich enttäuschen. Soweit ich weiß, steht er auf die weibliche Gesellschaft." Während sie ihn fröhlich vor sich hin schnatternd frisierte und da mal etwas wegschnitt und dann dort wieder, widmete sich der Schwarzhaarige noch immer seiner Zeitschrift. Er bekam gar nicht mit, wie sie seinem neuen Freund gerade die neue Frisur zeigte und ihn dann von dem großen Umhang befreite. "So fertig." Uruha wäre am liebsten sofort im Erdboden versunken. Wo war das nächste Loch, wenn man es brauchte? Das durfte ja jetzt wohl nicht wahr sein. Hatte sie ihn etwa gerade wirklich gefragt, ob er Kai attraktiv finden würde? War das ihr Ernst? Uruha wurde knallrot und sah sofort zu Boden. So langsam wurde ihm mulmig. War er etwa... Homosexuell? Stand er auf das eigene Geschlecht? Er wusste ja nichts mehr über sich, es könnte also wirklich sein. Oh Gott! Das war so peinlich... Endlich war er fertig und tapste unbeholfen wie ein Welpe zu Kai hinüber und stellte sich vor ihn. Leise räusperte er sich und sah sofort wieder zu Boden. Er wollte Kai nicht ansehen, schon allein deswegen nicht, da er immer noch knallrot war. "Bin fertig..." Etwas abwesend schaute er auf. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Uruha schon vor ihm stand. Erst als er sich räusperte und ihn ansprach, wurde er sich dessen bewusst. "Hey!" Sofort sprang er auf und schmiss die Zeitung auf den Tisch. Bewundernd betrachtete er ihn von allen Seiten. "Das sieht fantastisch aus. Es steht dir ausgezeichnet, Uruha?" Und schon konnte er nicht mehr an sich halten und umarmte den anderen herzlich. "Siehst du? Und jetzt können wir ein bisschen in der Stadt bummeln. Was meinst du?" Jetzt freute er sich doch gleich noch mehr. Uruha sah wirklich fast wie ein anderer Mensch aus. Was eine Frisur so alles ausmachen konnte? Aber es gefiel ihm. "Was bekommst du denn Yukiko-san?", fragte er und kam auch schon auf die junge Frau zu. Diese grinste breit. "Ein Mittagessen von dir, mein Junge." Immer noch puterrot im Gesicht wurde er von Kai umarmt, traute sich jedoch nicht, die Umarmung jetzt zu erwidern und beließ es deswegen bei einem kleinen Lächeln. Immer noch drehten sich seine Gedanken um das, was ihn die Frau eben gefragt hatte. Fand er Kai wirklich hübsch? Diese Frage konnte er schon mal mit Ja beantworten. Kai war wirklich ein sehr hübscher Mann. Fand er ihn vielleicht sogar schon attraktiv? Das konnte er einfach noch nicht so genau sagen und blickte deswegen auch stur weiter nach unten. Er wollte nicht, dass Kai einen falschen Eindruck von ihm bekam, wenn er ihn so auffällig musterte. Zusammen gingen sie aus dem Laden und Uruha seufzte leise. "Ano... Und wo gehen wir jetzt hin?" Der Schwarzhaarige bedankte sich nochmals aufrichtig bei der netten Frau und verließ dann mit Uruha den Laden. Gute Frage. "Lass uns ein paar Klamotten für dich besorgen. In meine passt du ja schlecht rein.", lachte er und hakte sich dieses Mal bei ihm unter. "Aber du siehst echt toll aus so. Und? Gefälltst du dir wenigstens auch ein bisschen?", fragte er neugierig, während sie langsamen Schrittes weiter in die Stadt hinein gingen. Kai wusste schon, wo er ihn hinführen konnte und auch würde. Dort würden sie nämlich garantiert fündig werden und es war auch nicht so, dass der Laden ungemein teuer war. Eher im unteren Durchschnitt, so dass sich jeder etwas leisten konnte. "Hai. Natürlich gefällt es mir, ich hab es mir doch selbst ausgesucht. Und wenn es dir gefällt, dann bin ich ja gleich doppelt so zufrieden." Er seufzte leise und lehnte sich ein bisschen an den anderen. Er brauchte gerade sowieso eine Stütze, da würde es Kai vielleicht nicht so sehr auffallen, dass er sich fast schon an ihn kuschelte. Uruha überlegte immer noch stark über die Worte der Frau und bemerkte gar nicht, wie er sich näher an Kai schmiegte. Zusammen betraten sie den Laden und Uruha sah sich um. Die Klamotten hier sahen auch wirklich hübsch aus, nur hatte er kein Geld und wusste somit nicht, wie er jetzt etwas Neues bezahlen sollte. Kai konnte er damit unmöglich belasten. "Ano... Ist vielleicht doch keine so gute Idee... Ich kann es nicht bezahlen." Es fühlte sich seltsam an, wenn Uruha sich so an ihn schmiegte. Gut, er brauchte eine Stütze und die würde er ihm jawohl nicht verwehren. Dafür hatte er viel zu viel Herz. Allerdings fühlte es sich wirklich komisch an. Na ja, darüber musste er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. "So, da wären wir dann also und nun such dir mal ein paar Sachen raus. Damit können wir dich wenigstens einkleiden. Und immer in den selben Klamotten lass ich dich bestimmt nicht rumlaufen. Und keine Widerrede.", unterbrach er den anderen, als dieser erneut zu Protesten ansetzen wollte. "Mindestens zwei Hosen und vier Shirts. Vorher setz ich keinen Schritt vor diese Tür.", forderte er. Uruha seufzte tief. Mann... Konnte der Kerl es denn nicht mal gut sein lassen? Wenn er nicht wollte, dann wollte er nicht und am wenigsten wollte er Kai Umstände machen und ihm das Geld aus der Tasche ziehen. Das hatte er echt nicht vor. Aber anscheinend bestand er darauf und würde sich davon auch nicht abbringen lassen. Also Augen zu und durch. "Okay... Mach ich. Eher kurze Sachen? Ist ja Sommer...", nuschelte er verlegen und deutete auf die Shirts und kurzen Hosen. "Davon welche?" Kai schüttelte den Kopf und grinste frech. "Das musst du dir schon aussuchen. Ich werd mich hüten, über deinen Kopf hinweg sowas zu entscheiden. Also such dir das aus, was dir gefällt und dann ab in die Umkleide mit dir." Und schon schob er Uruha weiter in den Laden. Der Kerl konnte einen aber auch echt in den Wahnsinn treiben. Er machte ihm keine Umstände. Für ihn war das mal ein wenig Abwechslung und es machte ihm schon Spaß, mit dem anderen unterwegs zu sein. "Und jetzt kein einziges Wort mehr von irgendwelchen Umständen. Du machst keine. Also los." Leicht mürrisch trottete er hinter dem anderen her in den Laden hinein, die Hände in die Hosentaschen vergraben und leise vor sich hinnuschelnd. Kai wollte also nichts über seinen Kopf hinweg entscheiden? Warum entschied er dann, dass er so unbedingt eine neue Frisur und neue Klamotten brauchte? War ja irgendwie widersprüchlich. Seufzend ging er auf die Ständer zu, durchsuchte sie und hatte binnen weniger Minuten zwei schöne kurze Hosen und vier Shirts herausgesucht, das eine natürlich violett, das andere blau, das andere fliederfarben und das andere weinrot. Damit in den Arme drehte er sich zu Kai um und sah ihn fragend an. "Soll ich die mal anprobieren?" "Nein, du sollst sie essen.", witzelte er. "Natürlich sollst du die anprobieren, du Witzbold." Irgendwie war das schon verdammt witzig. Uruha schaffte es irgendwie, in andauernd zum Lachen zu bringen. Er stellte sich manchmal an wie der erste Mensch. "Manchmal bist du echt komisch." Dennoch freute er sich, dass er ihm wenigstens etwas helfen konnte und wenn es nur durch solch kleine Gesten war. Er sah zu, wie der Größere in der Umkleidekabine verschwand und wartete ab, bis dieser sich bemerkbar machte. "Und? Wie sieht´s aus, junger Mann?", kicherte er und wartete, dass Uruha sich ihm zeigte. Jetzt war seine Laune erst recht miserabel. Fing der Kleinere jetzt auch noch an, sich über ihn lustig zu machen? Das war ja so unfair. Nur, weil er mal fragte, was er machen sollte? Hätte ja auch sein können, dass er sich zu teuere Sachen ausgesucht hatte und Kai meinte, er solle sie lieber wieder weglegen und sich neue suchen. Deswegen hatte er gefragt. Aber nein, Kai musste das ja in den falschen Hals bekommen und sich über ihn lustig machen. Herzlichen Dank auch. Nun stand er in der Umkleidekabine und zog sich eine der Hosen an. Sie ging ihm knapp bis über die Knie und zeigte ziemlich viel Bein. Das trug man ja auch schließlich im Hochsommer. Dazu zog er sich das violette Shirt an und präsentierte sich so Kai. "Und? Kann ich das anziehen?" Freudig klatschte er in die Hände. "Hai, das steht dir ausgezeichnet. Lila is wohl wirklich deine Farbe. Passt perfekt. Da kann ich wirklich nichts gegen sagen.", grinste er und kam ein paar Schritte näher. Wenn, dann wollte er ihn schon rings rum mustern und so drehte er ihn kurzerhand einmal um seine Achse und musterte ihn von oben bis unten. Dann drückte er ihn einmal kurz und lächelte ihn abermals so zuckersüß an, wie er es bei der jungen Frau im Frisörsalon gemacht hatte. "Das ist schon mal gekauft. Oder was meinst du?" Hilfe. Er verstand immer noch nicht, wie dieser Kerl auch immer so überfreundlich sein konnte. Und jetzt musterte er ihn schon wieder so auffällig und umarmte ihn sogar. Sie kannten sich gerade mal einen Tag. Das war doch nicht mehr normal. Hm... Vielleicht für diesen Kerl schon. Sein Kumpel war da ja auch nicht besser und der Giftzwerg das genaue Gegenteil. Als Kai dann jedoch plötzlich wieder dieses zuckersüße Lächeln aufsetzte und ihn direkt ansah, konnte er nicht anders und wurde sofort feuerrot. Fahrig nickte er und eilte zurück in die Umkleidekabine. Die nächste Hose war noch kürzer und dazu trug er das weinrote Shirt. Immer noch knallrot im Gesicht kam er wieder zu Kai zurück. Und wieder konnte nichts anderes sagen, als dass sein Gegenüber wirklich klasse aussah. Allerdings machte ihn etwas stutzig. Uruha sah wirklich toll aus, aber er musste wirklich wieder etwas zulegen. Sonst würden sie ihn nachher noch für magersüchtig oder so halten. "Das sieht super aus. Kann ich echt nichts gegen sagen, aber..." Er seufzte und musterte abermals die schlanken langen Beine. Dass er dabei ein kleines bisschen starrte, fiel ihm gar nicht auf. Aber er fand Uruha wirklich sehr attraktiv. Moment mal! Attraktiv?! Innerlich schüttelte er den Kopf und versuchte, zum ursprünglichen Thema zurück zu kommen. "Du musst wieder ordentlich essen. Es sieht ja so aus, als würde ich dich hungern lassen.", scherzte er. "Was hältst du von nem Becher Kaffee bei Starbucks? Und dann können wir ja irgendwo zu Mittag essen. Hai?" Irgendwie war ihm gerade mal wieder unwohl. Was schaute er ihn denn so an? Er sah an sich hinab und musterte sich ebenfalls selbst. Seine langen dünnen Beine sahen wirklich etwas knochig aus. Fand Kai ihn etwa abstoßend? Sah er ihn deshalb so an? Er seufzte schwer und als Kai dann auch noch meinte, er müsse mal etwas essen, wurde er in dieser Vermutung auch noch bestärkt. Jedoch versuchte er, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und lächelte leicht. "Das wäre lieb, aber... Ach, schon gut. Dann lass uns eben einen Kaffee trinken gehen. Und wo kann man hier was Gutes zum Mittag kriegen? Ich hab wirklich Hunger. Irgendwie fühlt sich mein Magen an, als hätte ich seit Tagen nichts mehr gegessen." Wer weiß... Vielleicht stimmte das ja sogar. "Aber vorher probierst du mal noch die anderen beiden Shirts. Dann haben wir wenigstens ein paar Klamotten für dich, die dir passen." Und so schob er den anderen wieder in die Kabine und lehnte sich daneben gegen die Wand. "Worauf hast du denn Hunger?", fragte er durch den Vorhang hindurch. "Hier gibt es ne Menge toller Restaurants und Schnellimbisse. Kannst dir also gerne etwas aussuchen. Ich bin für alles offen." Er konnte Uruha schon verstehen. Er machte wirklich den Eindruck, als hätte er schon ewig nichts mehr zu sich genommen. Deshalb hatte er wohl auch so stark abgenommen. Und er würde jetzt zusehen, dass er wenigstens wieder ein paar Kilos zunahm. Und schon stand er wieder in der Umkleidekabine und musste die Sachen anprobieren und Kai zeigen. Nachdem er das auch getan hatte, schnappte sich Kai gleich die Tüte und ehe Uruha protestieren konnte, hatte Kai alles bezahlt und beide schlenderten nun die Straßen entlang. Uruha hatte die Tüte mit den Sachen fest an seine Brust gepresst, als fürchtete er, man würde sie ihm wieder wegnehmen und starrte auf den Boden. Er seufzte leise. "Ano... Weiß nicht so genau. Auf irgendwas Deftiges jedenfalls. Eto... Hamburger oder so. Hab wirklich tierischen Hunger." Zum Beweis knurrte sein Magen einmal sehr laut und Uruha wurde rot, starrte noch weiter auf den Boden. "Da hörst du´s..." Lauthals lachte er los und legte ihm freundschaftlich einen Arm um seine Schulter. Wieder zwickte er ihm in die Seite und lächelte ihn an. "Das war auch nicht zu überhören, mein Lieber.", kicherte er. "Was hältst du von McDonalds? Das geht schnell und eigentlich mag das jeder." Er selbst war schon Stammkunde dort und ihm schmeckte dort auch wirklich alles. Und er war eigentlich davon überzeugt, dass auch sein Freund das mögen würde. "Dann lass uns mal gemütlich ein bisschen Fast Food schnabbulieren und danach sehen wir weiter. Okay?" Uruha nickte leicht und starrte Kai leicht aus den Augenwinkeln heraus an. Der andere hatte seinen Arm um ihn gelegt und schnatterte fröhlich drauflos und zeigte immer wieder auf Geschäfte. Uruha jedoch hörte ihm gar nicht zu und sah ihn die ganze Zeit einfach nur an. Der Arm um seine Schulter fühlte sich muskulös an. Woher das wohl kam? Der Rest von Kais Körper sah ja nicht gerade wirklich stark aus. Woher dann diese Kraft in den Armen? Leicht lehnte sich Uruha wieder an ihn und hoffte, dass Kai nichts dagegen haben würde. Kurze Zeit später betraten sie das McDonald's und setzten sich. Uruha sah ihn fragend an. "Und... Was darf ich mir bestellen?" Gespannt schaute er ihn an. Dann legte er den Kopf schief und sah in dieses Mal fragend an. "Uruha?" Irgendwie wollte er mal klarstellen, dass er ihn nicht ständig solche Fragen stellen sollte. Er hatte doch schließlich eine eigene Identität und ein eigenes Leben. Also konnte er auch mal selbst entscheiden und sich nicht immer nur auf ihn stützen. Auch wenn ihm das wirklich nichts ausmachte. Kai beugte sich über den Tisch und stützte seinen Kopf mit den Händen auf der harten Holzplatte ab. Und wieder lächelte er. "Warum fragst du mich eigentlich immer so was?" "Ano... Weil ich nicht wirklich weiß, was ich machen soll. Du kennst dich hier viel besser aus als ich, ich weiß gar nichts mehr und weiß eigentlich noch nicht mal, welche Stadt das hier ist.", er seufzte schwer. "Und du bezahlst doch schließlich alles für mich. Da ist es doch normal, wenn ich vorher frage, was ich mir denn bestellen darf. Oder etwa nicht?" Noch einmal seufzte er tief, ehe er sich die Menüs ansah und dann auf etwas tippte. "Ich... Kann ich den Chickenburger mit Pommes und eine Cola haben?" Kai seufzte. Eigentlich hatte er ja Recht, aber dennoch gefiel ihm das nicht, dass er dachte, er wäre so abhängig von ihm. Das hatte er auch gar nicht vor. Irgendwie musste er es schaffen, dass Uruha ein wenig aus sich rauskam. Einfach mal machte, wozu er Lust hatte und sich nicht immer von ihm mitziehen ließ. "Bestell dir ruhig, was du möchtest. Ich lad dich ein und dann ist gut. Und ich will so eine Frage vorerst nicht wieder hören, verstanden?", forderte er von ihm. Und das wäre wenigstens schon mal ein Anfang. "Und außerdem sind wir Freunde, also glaub nicht, dass ich das nicht gerne tun würde." Verdattert starrte er Kai an. "Freunde? Du... Du willst wirklich mit mir befreundet sein? Wieso?", fragte er ganz frei heraus und blickte ihn verdattert an. "Wir kennen uns doch noch gar nicht richtig. Gerade mal einen Tag, also... Wieso willst du mit mir befreundet sein? Verstehe ich nicht... Aber denk bitte nicht, dass ich nicht auch mit dir befreundet sein will. Das will ich nämlich wirklich gern. Ich freue mich, wenn ich dein Freund sein darf." Und zum ersten Mal schenkte er ihm ein aufrichtiges, niedliches Lächeln. "Wieso sollten wir keine Freunde sein?", fragte er etwas merkwürdig dreinschauend. Er mochte ihn schon irgendwie und was sprach denn gegen eine Freundschaft zwischen ihnen? Eigentlich doch nichts oder? "Ano... Ich mag dich einfach und würd es toll finden, wenn wir befreundet wären. Is wirklich schön, wenn ich mit dir unterwegs bin. Hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß.", meinte er. "So und nun lass uns erst mal was essen. Ich verhunger gleich. Danach können wir ja weiterreden, wenn du magst. Aber ehe du mir hier vom Stuhl fällst und dein Magen das ganze Lokal zusammenknurrt, verschieben wir die Unterhaltung lieber, was?" Genau in diesem Moment knurrte sein Magen wieder lautstark und ein fetter Mann, welcher neben ihnen mindestens zehn Burger in sich hineinspachtelte, blickte ihn verwirrt an und Uruha wurde rot. Wie peinlich. Böser Magen. Ganz, ganz böser Magen. Da kam auch schon jemand, der ihnen das Gewünschte vorbeibrachte und Uruha leckte sich über die Lippen. Ein leckerer Duft stieg ihm in die Nase und er schloss für einen Moment die Augen. Dann nahm er den Chickenburger in die Hand und biss andächtig hinein. Es war ihm, als hätte er noch nie etwas Leckereres gegessen und so biss er noch einmal herzhaft zu und ein glücklicher Ausdruck legte sich auf seine Lippen. Zufrieden lächelnd beobachtete er sein Gegenüber. Dieser schien sich mächtig über einen einfach Chickenburger zu freuen. Wieso konnte er sich nicht erklären, aber es machte Spaß, ihn dabei zu beobachten, wie er ihn herzhaft einen Bissen nach dem anderen verschlang. "Schmeckt´s?", fragte er. Er selbst hatte noch nicht einen Happen probiert, sondern einfach nur den anderen beim Essen beobachtet. Das war wirklich ein lustiger Anblick. Dann nahm auch er sich seinen Burger und biss ordentlich hinein. Wenn es Uruha wirklich so sehr schmeckte, dann würde er jetzt öfter mal mit ihm herkommen. Was funktionierte besser als Fast Food, um jemanden ein paar Kilos auf die Rippen zu verschaffen? Ihm fiel jedenfalls nichts ein. Und so aßen sie beide genüsslich ihre Portion weg und lehnten sich dann zufrieden in ihre Stühle. "Das war mal wieder lecker.", kommentierte er sein leeres Tablett. "Haaai^~!", lächelte er langgezogen und legte sich seine Hände auf seinen Bauch, um langsam darüber zu streicheln. "Das war wirklich absolut lecker. Können wir hier nicht öfters mal hingehen? Ano... Natürlich nur, wenn du da nichts gegen hast..." Er schlürfte noch den letzten Rest Cola aus seinem Pappbecher und legte den Becher dann an seine Lippen und den Kopf in den Nacken, um an den kleinen Eiswürfel zu kommen, der ihm nun in den Mund rutschte. Zufrieden lutschte er daran herum und sah Kai an. "Wo wollen wir denn jetzt hin? Hast du eine Idee?" Oh Gott! Irgendwie war der Anblick, wie er da den Eiswürfel aus dem Becher angelte, verdammt anziehend, so dass er den Blick irgendwie nicht abwenden konnte. Er musste blinzeln und schluckte. "Ano..." Dann schaute er zur Uhr und seufzte. "Ich hab nicht mehr viel Zeit. Meine Schicht beginnt bald und ich muss mich vorher noch frisch machen und umziehen." Es tat ihm leid, dass er den schönen Tag mit dem anderen jetzt schon beenden musste, aber Arbeit war eben Arbeit und die durfte er nun mal nicht schwänzen. Die war verdammt wichtig. "Genug Ausflug für dich heute. Du musst wieder ins Bett und ich zur Arbeit. Miya kommt nachher auch gleich und kümmert sich dann wieder um dich, hai?" Und so erhob er sich und räumte ihre Tabletts in den dafür vorgesehenen Schrank rein. Deprimiert blickte er nun auf den Tisch, der nun ziemlich vollgekrümelt aussah und blinzelte ein paar mal. Ohne, dass er es bemerkt hatte, hatten sich in seinen Augen kleine Tränen gebildet, welche nun ans Tageslicht kommen wollten. Doch Uruha ließ dies nicht zu und blinzelte sie schnell weg. Er fand es wirklich sehr schade, dass Kai jetzt einfach weg musste. Dann wäre er wieder mit Miyavi alleine. Auch, wenn das Paradiesvögelchen ein lustiger Kerl war, irgendwie kam er sich so alleine vor ohne Kai. Lag wohl daran, dass er es war, der ihm zu Anfang geholfen hatte. "Hai...", murmelte er enttäuscht und zusammen gingen sie zurück zu Kais Wohnung. Uruha schwieg den ganzen Weg über. Kai bemerkte schon, dass irgendetwas nicht stimmte. Gut, gesprächig war der andere nun wirklich nicht gewesen. Das war von Anfang an so gewesen, aber das hier war irgendwie anders. Vor seiner Tür blieb er stehen und schaute den anderen tief in die Augen. "Was ist los mit dir?", fragte er ihn direkt. "Ist dir nicht gut? Du bist so ruhig. Hab ich was falsch gemacht?", wollte er wissen und schloss die Tür auf, um Uruha herein zu bitten und die Tür hinter ihnen wieder zu schließen. "Hat es mit Miyavi zu tun? Willst du nicht, dass er dir Gesellschaft leistet? Oder woran liegt es?" Er nahm dem anderen die Tüte mit den neuen Sachen ab und trug sie ins Schlafzimmer. Er schüttelte schnell die Kissen und die Decke aus und lüftete kurz. Dann zog er sich das Shirt und die Hose aus und tapste nur auf Socken durch den Raum. Er suchte seine Klamotten zusammen. Irgendwie war ihm gerade wirklich zum Heulen zumute. Er wollte nicht von Kai alleine gelassen werden. Alles, nur nicht das. Miyavi war wirklich ein netter Kerl, aber zu ihm hatte er einfach momentan nicht diese... 'Bindung', wenn man es denn schon so nennen konnte. Kai war im Moment einfach etwas Besonderes für ihn. Jemand, der ihm Halt geben konnte. Er stand nun ziemlich verloren im Flur und hielt sich die Hand vor den Kopf, lehnte an der Wand und schloss die Augen. Ihm war gerade mal wieder nicht so besonders. Da bemerkte er auch nicht, wie Kai nur noch auf Socken und in Boxer durch die Wohnung dackelte. Viel zu sehr war er gerade wieder mit sich selbst beschäftigt. Er hatte endlich jemanden, der ihm Halt geben konnte, eine Bezugsperson... Hatte er so jemanden auch schon vorher gehabt? Er versuchte, sich zu erinnern. Hatte es jemanden gegeben, der immer für ihn da gewesen war? Plötzlich durchzuckte seinen Kopf wieder ein furchtbarer Schmerz und er sank auf die Knie. Er sah ein lachendes Gesicht vor sich. Das Gesicht war wieder verschwommen, nur die schwarzen Haare waren zu erkennen und er wimmerte leise. Wieder war das Lachen zu hören und er sah, wie der Schwarzhaarige einen kleineren Jungen in die Arme nahm. "Aoi...", murmelte er leise und bekam gar nicht mit, dass er nun schräg an der Wand lehnte. Verdutzt hielt er inne und starrte den im Flur stehenden Uruha perplex an. Irgendwie sah das gerade danach aus, als ginge es ihm nicht gut. Aber was hatte er? Schnell kam er auf ihn zu und packte ihn an den Schultern. Sanft zog er ihn in die Arme und streichelte ihm über den Rücken. "Hey, ganz ruhig. Was ist los? Geht es dir nicht gut?", fragte er besorgt und versuchte ihn, ganz vorsichtig mit sich zu ziehen und ihn so wieder ins Bett legen zu können. Behutsam legte er ihn dann wieder auf die weiche Matratze. "Was ist los? Du siehst so blass aus. Brauchst du was? Tut dir was weh?" So wirklich bekam er nicht mit, wie Kai ihn vorsichtig ins Schlafzimmer zog und ihn auf die weiche Matratze bettete. Sein Kopf dröhnte und nur langsam wurde seine Sicht wieder klarer. Verwirrt blinzelte er Kai an, dann schloss er noch mal kurz die Augen und biss sich auf die Unterlippe. "Hai... Alles okay. Mir war gerade bloß schwindlig. Mach... Mach dir keine Sorgen, hai?" Er versuchte sich an einem Lächeln, was allerdings gründlich scheiterte und drehte sein Gesicht dann von Kai weg. "Gomen..." "Uruha...", seufzte er und strich ihm sanft ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Du musst mir schon sagen, wenn es dir nicht gut geht und... so wirklich glaube ich dir nicht, dass alles in Ordnung ist. Du siehst blass aus und das macht mir Sorgen. Ich will doch, dass du wieder gesund wirst und dich wieder daran erinnerst, wer du warst und wer du bist." So besorgt hatte er noch nie mit jemandem gesprochen. Aber es lag ihm wirklich viel daran, dass der andere sich wieder fand und auch seine Vergangenheit wieder entdeckte. Ohne Vergangenheit gab es nun mal keine Erinnerungen und so etwas war doch wichtig. Er setzte sich zu ihm an den Bettrand und strich ihm liebevoll über die Wangen. "Wenn dich etwas bedrückt, dann sag es ruhig. Ich bin für dich da, hai?" Nun lag er auf der Seite und hielt die Augen geschlossen. Er wusste doch selbst, dass es ihm nicht gut geht, das wusste er auch schon selbst. Aber er konnte Kai doch auch nicht volljammern. Das wäre doch eigentlich total unhöflich gewesen. Aber... Er spürte, wie ihm eine heiße Träne die Wange hinunterlief und er hickste auf. "Ich... Ich habe jetzt schon zweimal eine Vision von einem Jungen gehabt. Einem Schwarzhaarigen. Irgendwie kommt er mir bekannt vor und ich weiß, dass er Aoi heißt... Aber ich kann sein Gesicht nie erkennen und ich habe Angst, dass ich ihn wirklich kenne. Was, wenn er meine Familie ist? Wenn ich mich nie wieder wirklich an ihn erinnern kann? Ich will meine Familie nicht verlieren... Vielleicht ist er auch nur ein guter Freund, aber er ist mir wichtig... Das spüre ich..." Immer mehr Tränen liefen seine Wangen hinab. "Hey." Kai beugte sich über ihn und drehte sein Gesicht vorsichtig zu sich. So konnte er ihm wenigstens ins Gesicht schauen. Liebevoll wischte er ihm die Tränen von den Wangen. "Mach dir nicht so viele Gedanken. Es braucht Zeit, bis du dich wieder an alles erinnerst. Und dann werde ich dir helfen, deine Familie und deine Freunde zu finden. Das versprech ich dir. Und so lange kannst du mich ja erst mal als deinen Freund ansehen. Ich freue mich wirklich, wenn ich dir helfen kann. Und mach dir wegen alles andere keine Sorgen. Wir schaffen das schon." Jetzt lächelte er ihn sanft an und hoffte, dass er ihn so etwas beruhigen konnte. "Wir werden deine Vergangenheit schon zurückholen, aber unter Zwang wird das nichts. Dann ist es für dich viel schwerer. Lass dir Zeit. Sie rennt dir nicht weg. Okay?" Geräuschvoll zog er die Nase hoch und schniefte noch ein paar mal. Immer wieder liefen ihm die Tränen aus den Augenwinkeln und er hickste leise vor sich hin. Kai war wirklich so lieb... So verdammt lieb und er wusste gar nicht, womit er das verdient hatte. Womit? Womit hatte er so einen wunderbaren Freund verdient, der für ihn da war? Vorsichtig richtete er sich auf und schlang die Arme um Kais Nacken. Er drückte seinen Körper an ihn und zitterte leicht. Er wollte ihn nicht loslassen. Nicht jetzt. "Bitte lass mich nicht auch alleine..." So schnell konnte er gar nicht gucken, wie Uruha ihn mit einem Mal umarmte und sich fest an ihn drückte. Erst war er erschrocken, doch dann legte sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen und er erwiderte die Umarmung. "Iie... Du brauchst keine Angst haben. Ich bin immer für dich da. Das versprech ich dir. Ich lass dich nicht alleine. Du bist doch mein Freund." Freundschaftlich streichelte er ihm über den Rücken. "Sscht...", machte er und wollte so, dass er aufhörte, zu zittern. Er sollte sich beruhigen, denn seine Worte waren ernst gemeint. Doch da klingelte es auch schon an der Tür. Das musste Miyavi sein. Und so langsam musste er sich wirklich fertig machen. Noch immer hatte er es nicht geschafft, sich umzuziehen. Gut, seine Hose hatte er wenigstens schon an, aber bis zum Shirt war er noch nicht gekommen. "Ich komme!", rief er in Richtung Tür und versuchte, sich von Uruha zu lösen. Sofort schüttelte er den Kopf, als Kai sich von ihm lösen und zur Tür gehen wollte. Nein. Nicht jetzt. Er brauchte Kai momentan, da würde er ihn nicht loslassen. Er wollte ihn nicht loslassen. Immer noch spukten diese Gesichter und dieses Lachen in seinem Kopf herum und zahlreiche Tränen verließen wieder seine Augen und blitzten an seinen Wangen auf. Es tat ihm furchtbar weh, zu wissen, dass es irgendjemanden da draußen gab, der ihn vermisste, der ihm etwas bedeutete und den er so einfach vergessen hatte. "Lass mich jetzt nicht alleine...", hickste er und klammerte sich mit aller Kraft an Kai fest, ließ ihn nicht los. Was sollte er denn machen? Es tat ihm furchtbar weh, den anderen so zu sehen. So hilflos und einfach tief verletzt. Und er kam sich so verdammt hilflos vor. Er wusste einfach nicht, was er tun sollte. "Warte, Uruha. Ich bin wirklich gleich wieder da. Versprochen." Erneut versuchte er, sich von ihm zu lösen. "Geht gleich los, Miya!", rief er wieder zur Tür. Doch Uruha schien, ihn einfach nicht gehen lassen zu wollen. "Uruha..", seufzte er und hob sein Kinn, damit er ihm ins Gesicht schauen konnte. "Ich bin wirklich gleich wieder da. Okay?", versuchte er es erneut und hoffte, dass er ihn wenigstens bis zur Tür gehen lassen würde, um Miyavi hereinzulassen. Wieder schüttelte er nur den Kopf und krallte sich wieder fester an Kai heran. Seine Finger krallten sich in Kais Oberarme und sein Gesicht drückte sich in dessen Halsbeuge, während weitere tausend Tränen seine Wangen hinabrannen und Kais Haut langsam feucht wurde. Doch ändern konnte er daran nichts. Auch, wenn es vielleicht Miyavi gegenüber gemein war, er wollte ihn nicht hier haben, sondern Kai. Er konnte sich nicht wirklich erklären, wieso... Jedoch wusste er, dass irgendetwas an Kai besonders war. Irgendetwas war an Kai, was ihn für Uruha so wichtig machte. "Bitte...", hickste er. Etwas verlegen seufzte er. Es war wirklich süß, dass er ausgerechnet ihn hier haben wollte, aber er musste doch zur Arbeit und es war nicht fair, wenn sie Miyavi jetzt einfach so eiskalt da stehen lassen würden. Und es viel ihm auch nicht wirklich etwas ein. Wobei... Wenn Uruha ihn schon nicht loslassen wollte, dann würde er ihn einfach mitnehmen. Und wirklich schwer war er ja nicht. Das wusste er ja auch. Schneller als dem anderen wohl lieb war, hatte er ihn einfach gepackt und hochgehoben. "Gomen, Uruha, aber ich kann Miyavi nicht einfach so vor der Tür stehen lassen. Musst du halt mitkommen.", grinste er und tapste zur Tür, um diese lächelnd zu öffnen. "Hi, Miya. Schön, dass du da bist." Der Größere antwortete erst gar nicht, sondern deutete nur auf das Anhängsel, das um Kais Hals hing und sich an ihn klammerte. Uruha keuchte leise auf, als Kai ihn so unvermittelt hochhob und ihn einfach zur Tür trug. Ach herrje. Das hatte er ja nun gar nicht erwartet. Er hatte eigentlich vermutet, dass Kai Miyavi wegschicken würde, aber doch nicht, dass er mit ihm im Arm zur Tür gehen würde. Mann, war das jetzt peinlich... Schnell klammerte er sich noch ein Stückchen fester an Kai und schlang seine Beine um dessen Hüfte, um besseren Halt zu finden. Miyavi währenddessen starrte die beiden einfach nur an und zeigte immer noch auf Uruha. "Was...?" Kai grinste verlegen. "Erklär ich dir später. Komm erst mal rein. Muss ja nicht jeder mitbekommen.", meinte er und zog den anderen am Ärmel in seine Wohnung, um sie hinter ihm wieder zu schließen. "Was macht ihr da?", war die erste Frage, die der Größte von ihnen von sich gab. Keine Begrüßung. Nichts. Es kam ihm einfach suspekt vor, dass sich da ein erwachsener Mann an einen anderen klammerte. Und wenn das mal nichts zu heißen hatte. Jetzt grinste er. "Aber, Kai-chan. Fällst du jetzt schon über kleine wehrlose Männer her, die in deinem Bett liegen und gesund werden sollen? Du bist aber ein ganz schlimmer Krankenpfleger.", lachte er. Allerdings kassierte er dafür auch gleich eine Kopfnuss des Schwarzhaarigen. "Es sind nicht alle so pervers wie du.", grummelte er. "Wer sagt denn, dass ich so was machen würde?", grinste Miyavi und pokte Uruha in die Seite. "Hey, Kleiner. Was hängst du denn da so rum? Spielst du Klammeräffchen oder was? Kann ich auch mitmachen?" "Ich bin nicht klein...", hickste Uruha und sah Miyavi aus geschwollenen und rotgeweinten Augen an. Dieser wich sofort zurück und ließ sich zusammen mit Kai, der Uruha so auf seinen Schoß setzte, auf das Sofa und schluckte. "Was ist passiert, huh? Wieso weint Ruha so? Und wieso trägst du ihn und... Und wieso hast du kein Shirt an?" "Immer mal langsam mit den jungen Pferden.", versuchte er, Miyavi erst mal wieder runterzukriegen. "Kann ich dich um einen Gefallen bitten?", fragte er ihn auch gleich. Denn er hatte das Gefühl, dass er so heute bestimmt nicht zur Arbeit gehen konnte. "Ich weiß, dass das viel verlangt ist, aber könntest du heute bitte die ganze Zeit bei ihm bleiben? Es geht ihm nicht so gut und ich glaube... er hat wirklich Angst, alleine zu sein. Wäre das machbar?" Er sah seinen Freund aus bittenden Augen an. Es fiel ihm schwer, andere um einen solchen Gefallen zu bitten. Doch etwas anderes wusste er im Moment auch nicht wirklich. "Bitte, Miya." Miyavi jedoch wollte gar nicht langsam machen. Er war viel zu neugierig und obwohl er Uruha noch nicht lange kannte, so machte er sich schon Sorgen um den Kleineren. Vorsichtig strich er ihm durch die Haare und seufzte leise. Dann nickte er Kai zu und lächelte sanft. "Natürlich. Ich bleibe hier bei ihm, bis du wieder da bist und ich werde auch ganz sicher nicht einschlafen. Das verspreche ich dir. Hoch und heilig. Heiliges Miyavi-Ehrenwort.", er grinste leicht. "Jetzt aber endlich mal raus mit der Sprache. Was ist hier los? Ich kann es nicht mit ansehen, wie der Kleine weint." Dafür bekam er von Uruha nur ein leises Grummeln zu hören, da er sein Gesicht immer noch in Kais Halsbeuge versteckte. Der Schwarzhaarige streichelte ihm beruhigend über den Rücken. "Na ja, eigentlich hatten wir heute ne Menge erlebt. Die Ärztin von mir war hier und meinte, dass er nur Blut husten würde, weil sich ein Rippensplitter in die Lunge gebohrt und sie eben leicht verletzt hatte. Aber es würde wieder verheilen. Wir müssen jeden Abend den Druckverband um seinen Oberkörper erneuern. Das würde ich aber machen, wenn ich wieder zurück bin. Dann waren wir beim Frisör und wie du siehst, sieht er wirklich süß aus damit.", lachte er und bekam wieder ein Grummeln zu hören. Miyavi konnte allerdings nicht sehen, wie Uruha nun mit der neuen Frisur aussah. Aber das würde er ja schon noch. "Ein paar Klamotten haben wir auch für ihn organisiert. Dann haben wir mal deftig bei McDonalds reingehauen und mussten dann leider wieder nach Hause. Und irgendwie..." Jetzt wurde er etwas traurig. "Seit dem geht es ihm nicht so gut. Ich glaube, er erinnert sich zwar, dass es jemanden gibt, der ihm wichtig ist, aber er kann sich weder an seine Gesicht noch an die Beziehung zu ihm erinnern. Er kennt nur den Namen." "Lass mich raten... Es ist dieser Aoi, stimmt´s? Den hat er ja gestern auch schon erwähnt, als ich bei ihm war und er diesen fürchterlichen Alptraum gehabt hatte.", Miyavi kratzte sich kurz am Hinterkopf und lehnte sich nach hinten. "Irgendwie muss man doch rausfinden können, ob es jemanden gibt, der hier Aoi in der Gegend heißt oder? So viele wird es doch sicherlich nicht geben. Aber was, wenn das nur ein Spitzname ist? Wie wir uns alle nur mit unseren Spitznamen anreden? Dann wird das echt schwierig..." Er hörte Uruha leise aufschluchzen und strich ihm sanft über den zitternden Rücken. "Hey... Nicht weinen... Wir finden schon raus, wer dieser Aoi ist. Versprochen." Nun schlang er die Arme gänzlich um den bebenden Körper und drückte ihn fest an sich. Er konnte einfach nicht mit ansehen, wie er hier so wimmernd auf seinem Schoß saß und sie über ihn redeten, als wäre er gar nicht anwesend. "Uruha...", flüsterte er ihm leise zu, so dass Miyavi es nicht hören konnte. "Ich werde alles tun, damit du genauso lächelst wie vorhin. Das steht dir nämlich viel besser." Dann stand er auf und wollte sich von dem Größeren lösen. "Lässt du mich gehen? Miyavi bleibt bei dir, bis ich wieder da bin. Das hat er versprochen und ich weiß, dass man sich auf ihn verlassen kann. Nicht böse sein, hai?" Noch einmal strich er ihm über den Rücken und wuschelte ihm durchs Haar, bevor er ihn einfach an Miyavi übergeben wollte. Eigentlich hatte er versucht, sich noch weiter an Kai zu klammern, doch dessen liebevolle Worte und das Versprechen Miyavis, auf ihn aufzupassen, ließen ihn etwas ruhiger werden. Nur in Zeitlupe löste er sich endlich von Kais Hals und wurde nun von Miyavi an der Hüfte gepackt und auf dessen Schoß gezogen. Irgendwie war es ihm peinlich, so herumgereicht zu werden, doch er hatte auch Angst, alleine zu sein und klammerte sich nun deswegen auch regelrecht an Miyavi. Dieser grinste Kai an, hob einen Daumen und zwinkerte. "Bis nachher dann, Kai-Chan. Ich pass schon auf." "Und wehe, du machst ihm Angst. Dann kannst du was erleben.", warnte er ihn noch. Dann huschte er ins Schlafzimmer und zog sich ein frisches Shirt an. Schnell stand er wieder neben ihnen und beugte sich vor, um Uruha einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange zu geben. "Sei schön lieb und wenn er dir zu nervig wird, schmeiß ihn einfach raus. Das kennt er auch von mir schon. Also nicht zimperlich sein mit ihm.", zwinkerte er Uruha zu. Von Miyavi erntete er dafür nur ein tiefes Murren, das ihn allerdings völlig kalt ließ, weil er das schon kannte. "Ich bin so gegen zwei wieder da. Und lasst die Wohnung heile.", rief er aus dem Flur, als er in seine Schuhe schlüpfte und nach seinem Schlüssel angelte. "Bis nachher!" Und schon fiel die Tür leise ins Schloss und Kai war weg. Kai war weg und Uruha zitterte wieder etwas mehr. Ihm war unwohl so ganz alleine mit Miyavi. Sehr unwohl sogar. Er wusste, dass er ihm nichts antun würde, das hatte er Kai ja auch versprochen, aber irgendwie war ihm trotzdem mulmig zumute. "Miyavi...", fragte er leise und hob den Kopf etwas an, um ihn auf dessen Schulter abzulegen. "Hältst du mich für einen Irren? Wenn ja... Dann kann ich dich verstehen. Ich hab Visionen, werd öfters ohnmächtig und fang dann einfach an zu weinen wie ein Kleinkind. Ich... Ich verstehe mich selbst nicht mehr..." Er schluchzte leise auf und vergrub sein Gesicht wieder in Miyavis Halsbeuge. Etwas verwirrt schaute er ihn an. "Wie kommst du auf die Idee, dass ich dich für einen Irren halten würde?", fragte er erschrocken. Dann grinste er. "Die meisten halten mich eher für einen Irren.", lachte er. Dann wurde er wieder ernster. "Weißt du... Ich glaube, das ist völlig normal, dass man nach so einem Erlebnis nicht ganz so ist, wie man es sonst wäre. Aber schau mal. Alles für dich ist ungewohnt und fremd. Das ist eine natürliche Reaktion." So wortgewandt und psychologisch kannte er sich zwar nicht, aber vielleicht half es ja, dem wimmernden jungen Mann in seinen Armen wieder etwas Hoffnung und Zuversicht zu geben. "Also wenn hier einer irre ist, dann ist das wohl Kai.", kicherte er. "Bist du dir sicher? Ich meine... Ich will nicht, dass mich irgendjemand für einen Psychopathen hält. Ruki hat das schon so oft zu mir gesagt und meinte, ich würde vielleicht während der Nacht Kai ausrauben oder abstechen... Das würde ich doch niemals tun! Ich verstehe nicht, warum man mir sowas unterstellt...", er hickste auf und klammerte sich noch mehr an Miyavi, welcher ihn an sich drückte und beruhigend streichelte. "Wieso ist Kai denn irre?" Jetzt sah er ihn ehrlich interessiert an. "Ach, Ruki is ein kleiner Giftzwerg... Schlechtwetterzwerg trifft´s eher.", lachte er. "Der hat das irgendwie im Blut und ist allem gegenüber ziemlich misstrauisch. Mach dir deshalb keinen Kopf." Freundlich wuschelte er ihm durchs Haar und seufzte dann. "Willst du das wirklich wissen? Ich meine... Ihr kennt euch kaum und dann willst du wirklich etwas von ihm wissen?", fragte er. Doch eine Antwort wartete er eh nicht ab. "Is auch nicht wichtig. Dir kann ich´s ja bestimmt sagen, aber nimm dir das nicht so zu Herzen, ja?" Er holte tief Luft. "Kai is voll der Workaholic und nichts bringt ihn von seinen Zielen ab. Er hat für alles und jeden ein Ohr und kann andere Menschen einfach nicht leiden sehen." Er machte eine Pause. "Das klingt völlig normal oder? Ist es eigentlich auch, aber bei Kai ist das so eine Sache. Er klemmt sich überall hinter und bleibt selbst dabei auf der Strecke." Er seufzte. "Er hat vor einiger Zeit seine Drums verkauft, weil er jemandem helfen wollte. Dabei hat der ihn nur ausgenutzt. Jetzt hat er seine heißgeliebten Drums nicht mehr." Ihm tat es echt leid. Er hatte ihm sogar schon versprochen, dass er sie ihm wiederbeschaffen wollte, doch Kai hatte sich strikt geweigert, das anzunehmen. "Deshalb hat es mich gewundert, dass er dich ohne Weiteres bei sich aufgenommen hat." Uruha hatte schweigend zugehört und biss sich nun hart auf die Unterlippe. Wie? Ein so liebenswürdiger Mensch wie Kai war so hinterhältig hintergangen worden? Einfach so, ohne ersichtlichen Grund? Das... Das war so verdammt unfair. Und dann war ihm auch noch etwas Wichtiges abgenommen worden. Seine Drums? Kai spielte? Unwillkürlich musste er an Kais starke Arme denken und wirkte leicht verträumt. Hatte er deswegen so muskulöse Oberarme? Könnte natürlich möglich sein. "Ano... Und das lässt du dir einfach so verbieten? Wenn ich könnte, würde ich ihm seine Drums sofort wiederbeschaffen. Weißt du denn, wer das gewesen ist?" Miyavi lachte. "Gomen, aber glaub mir, das würde ich sicher bereuen, wenn ich etwas hinter seinem Rücken machen würde. Da wird er zum Tier. Und mit dem mag ich nicht noch einmal Bekanntschaft machen. Das würde ich nicht überleben." Ja, Uruha würde noch so einiges von dem Schwarzhaarigen erfahren, was er jetzt noch nicht wissen konnte. Sie mussten sich erst richtig kennenlernen, bevor der andere seinem neuen Mitbewohner wohl davon erzählen würde. "Ich hab es mit Ruki schon versucht, rauszubekommen, aber kannst du vergessen. Die Drums sind weg. Wie vom Erdboden verschluckt und keiner weiß, wie das passieren konnte. Deshalb is Kai auch etwas niedergeschlagen. Ab und an nehm ich ihn mit ins Studio, damit er mal wieder etwas spielen kann, aber man merkt ihm schon an, dass es ihm fehlt." Er seufzte und lehnte sich wieder zurück an die Lehne. "Er ist so ein verdammt netter Kerl. Manchmal frag ich mich, wie er das alles schafft." "Ano... Seid ihr euch da sicher? Kann man da nicht noch weitersuchen? Es muss doch irgendwo sein. Ganz weg ist es sicherlich nicht. Irgendjemand muss es ihm doch abgenommen haben und genau eben dieser Kerl wird es dann auch noch irgendwo haben und wenn nicht, weiß er mit Sicherheit, wo er es hingebracht hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es irgendwo ist. Man muss nur gründlich suchen, dann geht das schon." Er versuchte sich an einem zaghaften Lächeln und als Miyavi sich nach hinten lehnte, wurde er automatisch mitgezogen und lag schon fast an dessen Brust. Er gähnte kurz und rieb sich über die Augen. Es war ein anstrengender Tag gewesen. "Das kann schon sein. Aber mit Kai sollte man es sich lieber nicht verscherzen. Glaub mir, das würden wir bereuen. Und deshalb haben wir es dann auch gelassen. Zumindest wenn Kai dabei ist. Ruki, Reita und ich suchen allerdings immer noch. Nur bisher blieb jeder Versuch erfolglos." Mehr konnte er dazu auch nicht sagen. Wenn er gekonnt hätte, dann hätte er seinem Freund schon ein neues Drumset gekauft, aber so wie er Kai kannte, hätte er das nicht angenommen und ihm prompt wieder vor die Nase gestellt. Kai war einfach nicht der Typ, der ohne Grund etwas annahm. "Bist du müde? Willst du ins Bett?", fragte er den anderen. "Oder magst du mal auf einer Gitarre spielen? Hab dir eine ältere von mir mitgebracht. Die kannst du erst mal behalten. Dann kannst du jeden Tag ein bisschen drauf spielen, wenn du Lust hast." Und vielleicht würde ihm das helfen, sich wieder an etwas zu erinnern. Uruha seufzte leise und schloss die Augen. Irgendwie schien Kai echt ein schwieriger Typ zu sein. Von außen her total süß und lieb, aber wenn man ihn besser kannte, dann anscheinend auch ziemlich starrsinnig und dickköpfig und ließ sich auch nicht gerne was sagen. Schwieriger Typ, wirklich. Hoffentlich würde er sich niemals mit ihm streiten. Das würde er nicht aushalten. Bei Kai fühlte er sich so anders als bei anderen. Total anders. Es war merkwürdig... "Hai, ich bin müde. Ich würde gerne ins Bett, aber... Dann bist du nicht bei mir und das will ich nicht. Ich will nicht alleine sein. Bitte...", dann blickte er ihn groß an. "Du... Du hast eine Gitarre für mich mitgebracht? Für mich ganz alleine?" Miyavi grinste ihn an. "Hai, nur für dich. Scheinst ja schon so deine Erfahrung mit einer Gitarre zu haben. Und sie wird bei dir sicher in guten Händen sein. Irgendwann kannst du sie mir ja dann zurückgeben. Bis dahin passt du gut auf sie auf, ja?" Und abermals wuschelte er ihm durch die Haare. "Dann werd ich dich mal ins Bett bringen. Und keine Sorge, ich bleib solange bei dir, bis Kai wieder da ist. Der scheint ja eh einen Narren an dir gefressen zu haben. Länger würde er mich eh nicht hier lassen. Glaub mir.", lachte er. "Na, komm, ab ins Bett mit dir." Dauernd wuschelte Miyavi ihm durch seine neue Frisur und das mochte er gar nicht. Da fühlte er sich irgendwie wie ein Kleinkind. Aber er wollte sich nicht wie ein Kleinkind fühlen, sondern wie ein erwachsener Mann behandelt werden. Auch, wenn er momentan sehr schnell zu weinen anfing und schutzbedürftig war, so war er jedoch ein Mann von mindestens 20 Jahren, wenn nicht sogar noch etwas älter. Dennoch kuschelte er sich an Miyavi heran und sah ihn dann an. "Danke, dass du bei mir bleibst. Ich hab irgendwie Angst alleine... Klingt zwar blöd, ist aber so... Danke..." "Kein Problem, Kleiner." Und schon stand er auf und stellte Uruha wieder auf seine eigenen Füße. Schnell griff er nach seiner Hand und zog ein einfach mit sich. "Wenn du nämlich noch nicht im Bett bist, wenn Kai nach Hause kommt, dann krieg ich eh mächtigen Ärger. Da ist er immer wie eine besorgte Mutter. Keine Ahnung, warum er so ist, aber irgendwie ist es ja auch nicht normal für nen Mann, aber ich find´s schon irgendwie süß." Das musste er zugeben. Kai hatte irgendwas an sich, was Leute immer schnell in seinen Bann zog. "Eins sag ich dir...", sprach er, als er Uruha ins Bett verfrachtete und ihn zudeckte. Dann legte er sich daneben und schaute ihn lächelnd an. "Kai ist ein Freund fürs Leben. Manchmal wüsste ich echt nicht, was ich ohne den Kerl tun würde.", gab er offen zu. "Nenn mich nicht Kleiner, ja? Ich bin größer als Kai... Okay, kleiner als du, aber trotzdem. Für einen Japaner bin ich ja wohl groß oder etwa nicht?", leicht grinsend stellte er sich auf die Zehenspitzen, um wenigstens annähernd so groß zu sein wie Miyavi. Dann wurde er jedoch auch schon gepackt und mitgeschleift, dann aufs Bett verfrachtet, zugedeckt und angegrinst. Ganz schön viel auf einmal. Dann spürte er, wie sich Miyavi neben ihn legte und drehte sich zur Seite, damit er ihn ansehen konnte. "Ich mag Kai auch gerne... Ich kenne ihn noch kaum, aber irgendetwas hat er an sich, was ich wirklich gern hab." Daraufhin schmunzelte der Größere. "Das sagen viele. Und ich weiß, was du meinst. Für mich ist er wie ein großer Bruder, auch wenn er nicht wirklich viel älter is als ich. Trotzdem kümmert er sich auch um meine Probleme, wenn ich zu ihm komme. Er ist eben eine gute Seele. Deshalb ärgert es mich ja auch so, dass er sich manchmal für solche Leute einsetzt, die ihn dann hinterher so hintergehen." Er ballte eine Hand zur Faust und streckte sie in die Luft. "Ich hoffe, er findet bald mal einen Menschen, der ihn wirklich zu schätzen weiß und dem auch er sich mal anvertrauen kann. Er ist wirklich immer für andere da, aber um sich selbst kümmert er sich nicht. Er schluckt einfach alles und lässt es nicht wieder raus. Das kann auch mal böse enden.", seufzte er. Irgendwie erzählte er ganz schön viel von seinem Freund. Ob er das überhaupt durfte? "Ano... Sag ihm aber nicht, dass ich dir das alles erzählt hab. Hai?" Uruha legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Das Paradiesvögelchen war wirklich ziemlich redselig. Durfte er ihm das überhaupt alles erzählen? Er wollte nicht, dass Miyavi ihm irgendwelche Geheimnisse von Kai anvertraute, wenn der nicht wollte, dass Miyavi sie ihm erzählte. Er wollte Kai auf keinen Fall verärgern. Dafür hatte er ihn schon viel zu lieb gewonnen. Und sie waren Freunde. Das hatte Kai ihm ja auch schon gesagt. Vielleicht war es dann ja doch nicht allzu schlimm, wenn er das von Kai wusste. Er hoffte es zumindest. "Natürlich sag ich ihm nichts. Meine Lippen sind versiegelt, du kannst mir da wirklich vertrauen. Wenn du nicht willst, dass ich irgendwas sage, dann sag ich auch nichts. Ich verspreche es.", er gähnte kurz und drehte sich auf die Seite, dann blickte er Miyavi an und wurde leicht rot. "Sag mal... Kannst du mich vielleicht in den Arm nehmen? Ich will nicht ganz alleine liegen und... Also nur, wenn du willst, ich meine..." Irgendwie war der andere wirklich süß. Man konnte kaum glauben, dass hier ein erwachsener junger Mann von ca. 20 Jahren neben ihm lag und ihn wie ein kleines Kind darum bat, ihn in den Arm zu nehmen. "Du bist echt süß, weißt du das?", grinste er. "Und nein, es stört mich nicht. Ich kuschel auch ganz gerne mal.", meinte er nur und legte dann einen Arm um den anderen. "Sag mal? Magst du Kai eigentlich? Ich meine... so richtig?" Er wollte schon gerne wissen, warum sich der andere vorhin so dermaßen an seinen Freund geklammert hatte und ihn scheinbar auch nur widerwillig wieder losließ. "Das soll jetzt nicht heißen, dass du dich in ihn verlieben sollst. Keine Bange. Soweit ich weiß, steht er auch nicht auf Männer." Er machte eine kurze Pause. "Okay, so oft hab ich ihn auch noch nicht mit einem Mädel gesehen, aber mit Kerlen noch gar nicht." "Ich bin nicht süß, ich... Ich hab einfach nur Angst alleine. Ich weiß, dass ich eigentlich kein Recht habe, dich zu fragen, ob du mich in den Arm nehmen kannst, aber momentan brauch ich das einfach.", dann jedoch wurde er auch schon in Miyavis Arme gezogen und durfte sein Gesicht an die Brust des anderen kuscheln. "Danke..." Er wollte gerade die Augen schließen und versuchen, einzuschlafen, als Miyavi ihn fragte, ob er Kai mögen würde. Sofort wurde er wieder rot und zuckte leicht zusammen. Was sollte er denn jetzt dazu sagen? "Ano... Weiß nicht so genau... Ich weiß ja nicht mal, ob ich früher auf Männer gestanden habe oder nicht... Ich fühl mich nur in Kais Nähe so merkwürdig... So wohl... Und ich finde ihn schon wirklich hübsch....", wieso sagte er ihm das denn alles? "Aber... Wenn er Männer eh nicht mag... Schlag ich mir das aus dem Kopf..." Miyavi zwickte ihm leicht in die Seite. "Na hör mal. Bist du ne Memme oder ein Kerl?", murrte er. "Wenn du ihn wirklich magst, solltest du dich nicht gleich wegen so etwas zurückziehen. Man weiß ja nie, ob sich da nicht doch etwas tut.", meinte er und zog ihn wieder an sich. "Kai ist wirklich ein Unikat und du solltest ihn dir nicht durch die Lappen gehen lassen, wenn du dich schon für ihn interessierst. Außerdem glaube ich, dass du es schaffen könntest, sein Herz zu erobern." Jetzt schüttelte er den Kopf. "Iie... Ich bin mir sicher, dass du das kannst. Und ich muss sagen, dass mir der Gedanke irgendwie sogar gefällt.", lachte er. Vielleicht war dieser junge Mann hier in seinen Armen wirklich in der Lage, auch mal Kais Gefühle zu Tage zu fördern. Das konnte dem Schwarzhaarigen doch sicher mal gut tun. "Aber denk nicht so viel darüber nach. Schlaf lieber ein bisschen. Wir wollen doch, dass du wieder gesund wirst." "Meinst du denn, dass ich das wirklich schaffen könnte? Wenn du sogar schon sagst, dass er Frauen eigentlich eher attraktiv findet als Männer, dann glaub ich eher nicht, dass er mich hübsch findet. Ich bin keine Frau...", er seufzte leise, schmiegte sein Gesicht wieder zurück an Miyavis Brust und schloss die Augen. Es brachte nichts, sich jetzt noch Gedanken darum zu machen. Wenn der richtige Zeitpunkt da wäre, würde sich schon etwas tun. Da war er sich sicher. "Oyasumi nasai, Miyavi-San...", murmelte er leise und war wenige Augenblicke später eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)