Irgendwo in dieser Welt von Flordelis ================================================================================ Kapitel 19: Trivial ------------------- Ich weiß heute nicht mehr, wie lange es dauerte, bis ich schließlich wieder auf meiner Station ankam, aber mein Magen knurrte bereits lautstark, immerhin hatte ich kein Frühstück bekommen. Bis auf Jatzieta schien die Station verweist, also fand wohl gerade irgendeine Therapie statt. Mir war aber egal, welche das möglicherweise sein könnte, ich wünschte mir nur, dass Narukana bald zurückkommen würde, damit ich ihr eine Krücke über den Kopf ziehen konnte. Vielleicht waren aber auch alle nur auf ihren Zimmern, warum auch immer. „Das sieht aber nicht gut aus~“, kommentierte Jatzieta. Welch tolle Bemerkung, dabei hatte ich erwartet, dass ich wie Claudia Schiffer aussehe. Ha ha~ Manchmal fragte ich mich, warum diese Frau überhaupt eingestellt worden war. „Ist mir bewusst“, erwiderte ich nur trocken. „Ähm, wegen meinen Tabletten...“ Wegen dem Vorfall war ich noch gar nicht dazu gekommen, sie zu nehmen, doch mit Jatzietas Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Peinlich berührt sah sie ein wenig zur Seite. „Was ist los?“ War ich in der Zwischenzeit etwa rausgeworfen worden? Jatzieta räusperte sich. „Also~ Weißt du, unsere kleine Narukana hat deine Tabletten gegen Smarties ausgetauscht, als ich nicht hingesehen habe.“ Ich war so überrascht von dieser Neuigkeit, dass ich nicht einmal wütend werden konnte. „Äh... was?“ „Also, das war so“, ereiferte Jatzieta sich sofort, das zu erklären. „Alle waren beim Morgensport und ich war nur schnell unterwegs, um etwas auf der geschützten Station nachzusehen und als ich wiederkam, hatte Narukana bereits all deine Tabletten für diese Woche gegen Smarties ausgetauscht.“ Fassungslos sah ich die Schwester an. War ich hier wirklich in einem Krankenhaus? Ich kam mir eher wie in einer Irrenanstalt vor, in der sogar die Ärzte und das Pflegepersonal verrückt waren. „Kriege ich dann neue Tabletten?“ „Das ist nicht ganz so einfach~“, bemerkte Jatzieta nach kurzem Zögern. Was war hier schon einfach? „Aber morgen kriegst du wieder welche, versprochen“, fügte sie hastig hinzu. Wäre Zetsu nicht gewesen, wäre ich wohl spätestens an dieser Stelle aufgebrochen, um ein anderes Krankenhaus aufzusuchen. „Und was habt ihr mit den Smarties gemacht?“ Ich wollte sie zwar nicht essen, aber Narukana immerhin gern ins Gesicht schleudern – oder ihr in den Hals stopfen, je nachdem was mir besser gefiel, sobald wir uns trafen. „Gegessen~ Zetsu fand sie sehr gut~“ Ich konnte nicht einmal wütend sein, immerhin mochte ich keine Süßigkeiten und sie waren dann ja zumindest Zetsu zugute gekommen. „Toll...“ „Oh, tut mir Leid, Liebes, aber Zetsu meinte, du magst keine Süßigkeiten.“ Hatte ich ihm das mal erzählt? Ich versuchte, mich daran zu erinnern, doch es fiel mir beim besten Willen nicht mehr ein. Im Laufe meiner Anwesenheit hatte ich ihm so viel erzählt, dass auch diese Information dabei gewesen sein könnte. Und er hatte es sich gemerkt, awwww~ Nein, Moment! Verdammt, warum war es so schwer, damit aufzuhören? „Falls ich gebraucht werde, ich bin im Gruppenraum“, erklärte ich, fuhr herum und humpelte mit meinen Krücken davon. Im Gruppenraum setzte ich mich auf einen der Sessel und lehnte mich zurück. Der Weg hierher war erstaunlich anstrengend gewesen, sogar ohne Gepäck, nächstes Mal würde ich mich doch lieber von Sorluska abholen lassen. Allerdings hoffte ich auch, dass es kein nächstes Mal geben würde. Doch bevor ich richtig in meine Gedanken abdriften konnte, wirbelte Satsuki, gefolgt von Nozomu und Zetsu herein. „Da bist du ja wieder~“ Also doch keine Therapie. Nun, es war Mittwoch, ich glaube, da gab es um die Zeit keinerlei Therapie. Aber wie auch immer. Ich sah die drei an. Satsuki strahlte über das ganze Gesicht, während die anderen beiden mich recht neutral ansahen, Zetsu lächelte nicht einmal, obwohl er meine Smarties gegessen hatte. Manchmal war er echt ein Idiot... zu dumm, dass ich selbst das anziehend an ihm fand. „Warst du bei Bel-Bel?“, fragte Satsuki mich. Irritiert blickte ich sie an. Da sie keine Anstalten machte, ihre Frage weiter zu erläutern, blickte ich zu Zetsu, der nun tatsächlich schmunzelte. „Bel-Bel ist Dr. Beliar Hanto. Ein leicht griesgrämiger Arzt, der was gegen Emos hat.“ Es klang eindeutig nach dem Kerl, der mich behandelt hatte. Ich glaube sogar, dass ich das in seinem Grummeln rausgehört hatte. „Ja, das war er. Aber warum-?“ „Nur Satsuki darf ihn Bel-Bel nennen“, erklärte Zetsu weiter. „Ich glaube, er mag sie...“ Sie lachte. „Ach was~ Er hat eher Angst vor mir.“ Noch ein Lachen, das mir zeigte, dass sie den Satz nicht ernst meinte. Aber ich konnte mir ohnehin nicht vorstellen, dass jemand wie dieser Arzt Angst vor ihr haben würde. Allerdings konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass jemand wie er Satsuki mögen würde. Andererseits fand er vielleicht ihre positive Art so interessant, er selbst schien ja keine zu besitzen. „Ist die Verletzung schlimm?“, fragte Zetsu, der ehrlich besorgt zu sein schien. „Du hast vorher ziemlich viel geblutet.“ „Es geht schon“, antwortete ich. Mein Blick ging zu Nozomu, auf dessen Gesicht ein Schmunzeln erschien. Ich konnte sehen, dass er etwas sagen wollte und schon öffnete er seinen Mund: „Du siehst aus wie Bella Swan am Ende von Twilight.“ „Du hast es auch gelesen?“, fragte ich schockiert. Selbst Zetsu sah seinen besten Freund überrascht an. Der störte sich allerdings nicht an unseren Blicken, sondern hob nur die Schultern. „Ich hab den Film gesehen.“ Er blickte mich spöttisch an. „Immerhin besser als das Buch zu lesen.“ Ich gab ihm ungern recht, aber es stimmte: Das Buch war die schlimmste Zeitverschwendung meines Lebens gewesen. Nun gut, nicht, dass ich bislang etwas Sinnvolles in meinem Leben getan hätte, von daher galt wohl jedes Buch, das ich las, als Zeitverschwendung. „Ihr seid beide schräg“, urteilte Zetsu. „Wie kann man etwas über glitzernde Vampire lesen oder ansehen? Die einzige Gelegenheit, bei der Vampire glitzern dürfen, ist, wenn sie wie bei Blade zu glühender Asche zerfallen.“ Nozomu lachte durch die Nase. „Sagt mir gerade derjenige, der seine Freizeit mit dem Lesen von anspruchslosen Comics und Manga verbringt.“ „Mein Leben ist anstrengend genug“, wehrte Zetsu ab. „Da muss ich nicht noch extra anstrengende Literatur lesen.“ Oh, wie gern hätte ich ihn an dieser Stelle gefragt, warum sein Leben so anstrengend war. Doch mit Nozomu und Satsuki in der Nähe, traute ich mich nicht. „Also ich mag Twilight“, bemerkte Satsuki. Warum wunderte mich das nur nicht? Bestimmt war sie auch einer der kreischenden Fans bei der Filmpremiere und eine begeisterte Forenschreiberin, die unzählige Satzzeichen verwendete, um ihren Punkt klarzumachen. ... Verdammt, woher wusste ich solche Dinge nur? „Es ist so romantisch~“, fuhr sie fort. „Was ist romantisch an einer griechischen Statue mit Stalkerqualitäten?“, fragte Zetsu. „Ich wette, wenn ich mich nachts in das Schlafzimmer eines Mädchen schleichen und sie dort beobachten würde, wäre die bestimmt nicht begeistert.“ Satsuki lachte amüsiert. „Ach was, du siehst gut aus, dir würden Mädchen alles vergeben.“ Es war das erste Mal, dass ich sah, wie sich Nozomus Blick in etwas anderes änderte als seine genervte Fassade. Allerdings konnte ich das nicht genauer betrachten, weil ich genau wie er und Zetsu damit beschäftigt war, Satsuki schockiert anzusehen. Fragend erwiderte sie unsere Blicke, besonders meinen, da sie anscheinend gehofft hatte, ich würde sie in dem Punkt unterstützen. „Satsuki...“, begann Nozomu vorsichtig. „Du solltest vielleicht weniger Zeit auf dieser seltsamen Internetseite verbringen. Das bekommt dir nicht.“ Zetsu nickte zustimmend. „Oder du lässt dich gleich hier einweisen. Realitätsverlust findet Dr. Salles immer besonders spannend.“ Ob es hier schon öfter solche Fälle gab? Ich verzog mein Gesicht. Ich neigte oft dazu, zu denken, dass etwas nicht existierte, bevor ich es nicht kannte. Immer, wenn ich etwas über diese Station erfuhr, das vor meiner Zeit hier geschehen war, spürte ich dieses seltsame Gefühl in meinem Inneren. Mein Magen zog sich zusammen, allein schon bei dem Gedanken, dass alles ohne mich schon existiert hatte und auch weiter bestehen würde, wenn ich nicht mehr hier war. Niemand brauchte mich hier, genau genommen war ich nur ein Störfaktor in dem geregelten Ablauf... Ob sich einer der anderen auch so fühlte? „Bestimmt nicht!“, erwiderte Satsuki sofort. Ich zuckte zusammen und sah sie erstaunt an. Allerdings blickte sie nicht mich an, sondern fixierte Zetsu. „Eher geht die Welt unter als dass ich darauf verzichte, abends in meinem eigenen Bett einzuschlafen.“ „Oh, wenn du dein Bett hier mit Nozomu teilen würdest...“, feixte der Silberhaarige, doch bevor er aussprechen konnte, bekam er einen Rippenstoß von seinem besten Freund. „Au, schon gut...“ Ich erinnerte mich, dass Satsuki in den Braunhaarigen verliebt war, was Zetsu anscheinend genau wusste. Da Nozomu ihn unterbrochen hatte, wusste er das möglicherweise auch. Vielleicht teilten wir beide denselben Plan, die Person zu vergessen, in die wir uns verliebt hatten. Oh Gott, das machte ihn mir sogar fast sympathisch. Nein, besser ich dachte an etwas anderes. „Wo ist denn Narukana?“ Ja, das war viel besser. Ich konnte bereits spüren, wie die Wut wieder in mir aufstieg. Nicht nur, dass ich wegen ihr jetzt an Krücken laufen musste, nein, sie tauschte meine Medikamente auch gegen Süßigkeiten ein! Ich legte zwar nicht sonderlich viel Wert auf meine Drogen, aber es ging mir ums Prinzip! Sie konnte sich nicht einfach derart in mein Leben einmischen. Zur Antwort deutete Zetsu auf den Gang hinaus. Schnaubend machte ich mich bereit, sie zu empfangen. Tatsächlich dauerte es keine zwei Sekunden, bis sie endlich in der Tür auftauchte. Schockiert sah sie mich an. „Du bist ja immer noch da. Hat mein Gläserner Fuß-Skill etwa nicht gewirkt?“ „Was für ein...?“ Ich sah Zetsu an, der allerdings den Kopf schüttelte. „Frag lieber nicht.“ Narukana schien unsere Unterhaltung nicht zu interessieren, sie schnaubte. „Ich werde dir zeigen, was es heißt, mit der Hexe zusammenzuarbeiten, die meine Macht versiegelt hat!“ Ich hatte nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wovon sie da sprach. Gut, das mit dem Siegel hatten die anderen mir bereits erzählt, aber ich kannte nicht mal eine Hexe, wie sollte ich da mit der zusammenarbeiten? „Oh, bitte nicht...“, murmelte Zetsu. Narukana ließ mir keine Zeit zum Nachhaken, was er meinte. Das nächste, woran ich mich erinnerte, war ein heftiger Schmerz, der durch meinen Körper zuckte. Ich lag auf dem Boden und wehrte mich instinktiv gegen Narukanas Schläge, bevor ich überhaupt gemerkt hatte, dass sie mich schlug. „G-geh runter von mir!“ Ich versuchte, sie von mir zu stoßen, doch sie war überraschend stark und ließ sich von meinen schwachen Abwehrversuchen nicht beeindrucken. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, warum mir niemand half, aber als ich einen Blick durch Narukanas dichte Mähne auf den Rest des Raumes erhaschen konnte, stellte ich fest, dass außer uns niemand mehr da war. Klasse... tolle Mitpatienten und FSJlerin. In einem weiteren Versuch, sie wieder loszuwerden, packte ich Narukana an den Schultern und ließ mein Gesicht damit vollkommen ungeschützt. Sie nutzte die Gelegenheit, um mir mit ihren Fingernägeln über die Wange zu fahren. Ein starkes Brennen folgte dieser Handlung. Mit einem heftigen Ruck warf ich Narukana von mir herunter, sie landete direkt neben mir auf dem Boden, wo sie leise fluchend versuchte, sich wieder aufzurichten, bevor ich es schaffte. Allerdings war ich schneller – doch statt einfach aufzustehen und wegzuhumpeln, beugte ich mich über sie, um ihr einen heftigen Schlag zu verpassen. Doch etwas ließ mich innehalten. Ich spürte einen stechenden Blick in meinem Rücken, der mir einen kalten Schauer durch den Körper jagte. Das konnte nicht Jatzieta sein und mit Sicherheit auch sonst niemand von den anderen Patienten. Nur zögerlich wandte ich mich um, obwohl ich das Schlimmste befürchtete. Doch die Person, die ich da sah, wirkte ganz und gar nicht wie das Befürchtete – auf Narukana allerdings wohl schon. Erschrocken sog sie die Luft ein. „Die Hexe...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)