Irgendwo in dieser Welt von Flordelis ================================================================================ Kapitel 13: Nein ---------------- Ich weiß immer noch nicht, was ich von diesem Krankenhaus erwartet hatte. Eine Wunderheilung vielleicht? Oder möglicherweise war ich nur hergekommen, um meinen Eltern zu entfliehen. Im Endeffekt wusste ich selbst nicht mehr, ob das eine gute Idee gewesen war. Die Depressionsgruppe um zehn Uhr bestand aus Subaru, Nozomu, Zetsu (was auch sonst) und mir. Ich setzte mich extra weit weg von Zetsu, nur um mich dabei zu erwischen, wie ich immer wieder zu ihm hinübersah. Er war also doch wegen Depressionen hier? Danach sah er gar nicht aus, egal wie ich es betrachtete. Sein Verhalten war seltsam, ja, aber es gab seltsamere Jugendliche und die waren auch nicht hier. Die Gruppe wurde von Cynard Asturions geleitet, einem gutaussehenden Mann mit langem dunkelblondem Haar. Eigentlich sah er nicht sonderlich nach einem Therapeuten aus und sein Name klang auch nicht danach (wobei ich mir selbst nicht sicher war, wie ein echter Therapeut auszusehen oder zu heißen hatte). Cynard saß auf der anderen Seite des Tisches und lächelte uns sanft an. Seltsamerweise störte mich das bei ihm aber nicht. Ansonsten hatte ich immer das Bedürfnis, jemandem eigenmächtig dieses Lächeln wegzuwischen – aber bei Cynard nicht. Sein Blick richtete sich auf mich. „Du bist neu hier, nicht?“ Ich nickte wortlos. Vorstellen war aber auch nicht notwendig, denn er fuhr direkt fort: „Dann bist du mit Sicherheit Leana Vartanian. Wie gefällt es dir hier?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Es geht.“ Er lachte leise. „Das dachte ich mir. Willst du uns erzählen, warum du hier bist?“ „Wenn Sie so fragen: Nein.“ Nozomu seufzte, aber Zetsu lachte ebenfalls, während Subaru mich nur hilflos ansah. Cynard neigte den Kopf. „Nun, du musst auch nicht. Aber diese Gruppe kann dir nur helfen, wenn du freiwillig darüber redest.“ „Wie viele Leute haben Sie schon geheilt?“ Meine Frage schien ihn aus dem Konzept zu bringen, aber er fing sich erstaunlich schnell wieder. „Ich bin nicht für die Heilung der Patienten zuständig. Jeder Patient muss sich selbst heilen.“ „Esoteriker?“, erwiderte ich. Cynard seufzte und vermerkte etwas auf seinem Klemmbrett. Ich versuchte, einen Blick darauf zu erhaschen, doch er hob das Brett hoch, so dass ich nichts mehr sehen konnte. Schließlich räusperte er sich und sah zu Subaru, der neben mir saß. „Und wie geht es dir?“ Der Braunhaarige hob die Schultern. „Die Albträume haben nachgelassen.“ „Das ist doch eine schöne Nachricht.“ Ich sah Subaru fragend an. Depressionen verursachten doch normalerweise keine Albträume, oder? Ich kannte nur Schlaflosigkeit als Symptom. Aber möglicherweise ließ mich da mein Wissen auch im Stich. Subaru lächelte verhalten. Er wirkte weitaus weniger gelassen und fröhlich als außerhalb dieser Gruppe. „Aber dafür scheinen die Träume selbst intensiver zu werden.“ „Willst du hier darüber reden?“, fragte Cynard fürsorglich. „Nun... Ich kann immer noch die knirschenden Bremsen hören und auch Shou sehen, wie er...“ Subaru verstummte wieder, ich konnte sehen, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten, bevor er hastig den Blick senkte. Es war das erste Mal, dass ich die Trauer eines anderen Menschen regelrecht fühlen konnte. Doch ich verstand immer noch nicht, was bei ihm geschehen war oder wer dieser Shou war. Ob Baila vielleicht etwas wusste? Cynard machte eine weitere Notiz auf seinem Klemmbrett. Nach einem kurzen Blick auf Subaru, wandte er sich Nozomu zu. „Wie geht es dir inzwischen?“ „Besser“, antwortete der Gefragte. „Ich habe keine Albträume mehr, außer wenn ich von der Schule träume. Und Professor Cworcs meinte, dass ich demnächst auch am RAT teilnehmen könnte.“ Ich erinnerte mich an Professor Cworcs, den steifen, grünhaarigen Brillenträger, der diese Station leitete. Mit ihm hatte ich damals mein Vorgespräch, bevor ich hierher gekommen war. RAT stand meines Wissens für Realitäts Anpassungs Training. Es beinhaltete die stundenweise Rückkehr in die Realität außerhalb des Krankenhauses. Wenngleich ich mir nicht vorstellen konnte, dass das irgendwie sinnvoll war. Aber wer war ich schon, um das zu beurteilen? Cynard lächelte. „Das klingt wirklich gut, Nozomu. Du und Zetsu seid schon lange hier, oder?“ Beide nickten zustimmend, wenngleich Zetsu dabei immer noch ungebremst lächelte, als ob er bereits damit auf die Welt gekommen wäre. Bevor Cynard weitermachen konnte, schaltete ich mich ein: „Warum habt ihr alle Albträume? Ist das eine Grundvoraussetzung, Depressionen zu haben?“ „Na ja, wenn ich nur so tun würde als ob“, antwortete Nozomu, „würde ich natürlich auch keine Albträume haben.“ „Denkst du ich bin zum Spaß hier oder was!?“, fauchte ich. „Dir würde ich es zutrauen“, erwiderte er. Ich wollte auffahren, doch Subaru drückte mich wieder auf meinen Stuhl zurück. „Bitte nicht, Leana. Nozomu meint es nicht so.“ Diesmal schluckte ich meine scharfe Reaktion runter. Ich wusste nicht, was Subaru alles mitgemacht hatte, doch ich war mir sicher, dass es besser war ihn nicht auch noch in meinen Streit mit Nozomu reinzuziehen, wenn er eigentlich nur schlichten wollte. Ich schnitt Nozomu eine Grimasse, bevor ich mich wieder abwandte. Er schnaubte wütend. Cynard schüttelte seinen Kopf, bevor er eine weitere Notiz vermerkte und dann wieder mich ansah. „Albträume sind nicht zwingend eine Grundvoraussetzung, aber hin und wieder kommen sie vor, wenn der Patient überhaupt zum Schlafen kommt.“ „Und dann kommt es gleich zweimal vor?“, fragte ich skeptisch. „Das ist eben eine Ausnahmesituation.“ Ohne weitere Worte wandte er sich Zetsu zu. Vermutlich konnte er mich nicht leiden, aber nachdem wie ich mit ihm gesprochen hatte, wunderte mich das nicht mehr. Es störte mich aber auch nicht weiter. Immerhin war ich nicht in die Klinik gekommen, um mir Freunde zu sammeln. „Wie sieht es bei dir aus, Zetsu?“, fragte Cynard. Der Silberhaarige lächelte leicht, aber diesmal war es kein... liebenswertes, so wie es sonst war. Es wirkte traurig und verbittert – das erste, was wirklich den Eindruck entstehen ließ, dass er hierher gehörte. „Ich lebe noch“, antwortete er schließlich. „Und bin immer noch hier eingesperrt.“ Es klang bedauernd, sein trauriges Lächeln unterstrich es auch noch. Ich fragte mich, warum Zetsu wohl nicht fähig war, die Klinik einfach wieder zu verlassen. Vielleicht war er noch minderjährig und seine Eltern stimmten einer Entlassung nicht zu. Allerdings wusste ich gar nichts über seine Eltern. Warum nur hatte ich ihn nicht vorher gefragt? Eigentlich hatte ich ihn gar nichts gefragt, außer warum er hier war. Er dagegen wusste inzwischen alles über mich und meine Vergangenheit. Fehlte nur noch, dass ich ihm die Namen all meiner ehemaligen Fantasiefreunde aufgezählt hätte. „Willst du mehr darüber erzählen?“, fragte Cynard. „Nein“, war die knappe Antwort. „Nachmacher“, brummte ich leise. Die anderen lachten als Antwort, weswegen ich mich fragend umsah. Subaru fasste sich als erstes wieder, um es mir zu erklären: „Zetsu sagt das immer, schon bevor du hier warst.“ „Oh...“ Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätten den Raum verlassen, nur um den schmunzelnden Gesichtern zu entgehen, die mich auszulachen schienen. Wie konnte ich nur davon ausgehen, dass er mir etwas nachmacht? War ja klar, dass er es zuerst so gemacht hat. Erneut notierte Cynard etwas. Nach einem Blick auf seine Uhr stellte er seufzend fest, dass die Stunde bereits vorbei war. Ich konnte es kaum fassen, mir schienen gerade einmal ein paar Minuten vergangen zu sein. Cynard verabschiedete sich lächelnd von uns und verließ den Raum. Ich wartete nicht lange, sondern sprang direkt auf und lief ebenfalls hinaus, bevor Nozomu noch etwas sagen konnte. Bis zum Mittagessen war noch Zeit – und ich würde diese in meinem Zimmer verbringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)