Upside Down von trinithy (Leben steht Kopf) ================================================================================ Kapitel 3: Sex sells -------------------- Kapitel 3- Sex sells „Hast du eigentlich keine Schule?“, versuchte Yami die Stille in seinem Wagen zu unterbrechen, als er mit Joey auf dem Beifahrersitz in Richtung seines Fotostudios und Ateliers brauste. Die einfache Tatsache, dass der Bunthaarige, wohl anders als von Joey erwartet, keinen netten, kleinen, möglichst knallbunten Singlewagen fuhr, sondern den blonden Teenager gerade in einem nachtschwarzen Sportcoupe durch die Gegend kutschierte, hatte Joey wohl aus der Bahn geworfen. Yami hatte eben neben seiner Schwäche für schöne Männer und ästhetische Kunst eben auch noch eine Schwäche für schnelle Autos und hohe PS Zahlen, egal ob er diese nun voll ausfahren konnte oder nicht. Umso mehr so ein Wagen unter der Haube hatte, umso glücklicher war der Bunthaarige, ihn fahren zu können. „Ich bin für den Rest dieser Woche freigestellt, da ich ohnehin die Schule wechseln müsste, wenn ich hier bleibe“, erklärte der Blonde und fügte dann etwas leiser, aber mit einem gut verständlichen, sarkastischen Unterton hinzu: „Außerdem meinen die, meine psychische Belastung sei ohnehin schon hoch genug.“ Er verkreuzte die Arme vor der Brust als Zeichen dafür, dass er keinerlei Interesse an weiteren Nachfragen hatte und so schenkte Yami wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit der Straße vor sich, als er an der nächsten Kreuzung rechts abbog. „Wenn die wüssten, in was für eine Gegend ich dich jetzt mitnehme“, murmelte er vor sich hin. Jede Erklärung, was er wohl gemeint haben könnte, erübrigte sich von alleine, denn schon fuhren sie gewissermaßen eine Allee entlang, doch anstelle von Bäumen säumten alle paar Meter leicht bekleidete Damen jeder Altergruppe und auch einige, in nicht wesentlich mehr Stoff gehüllte, junge Männer den Rand der Straße. „Ist das …?“ Joey machte große Augen und sah gleichermaßen entsetzt wie verwundert aus. Was um alles in der Welt machten sie bitteschön in so einem Teil der Stadt? „Ja, das ist der Straßenstrich. Ich glaub, die Polizei hat es aufgegeben, hier tagsüber zu patrouillieren, sie kommen eh nicht dagegen an.“ Mit einer schockierenden Gelassenheit erzählte Yami in einem Tonfall, in dem man übers Wetter reden konnte, aber doch nicht darüber. „Warum sind wir hier?“ Man konnte deutlich raushören, dass der Blonde geringfügig an den aufrichtigen Absichten des Fotografen zweifelte, besonders da dieser nicht wie innerlich erhofft einfach die Straße weiterfuhr, sondern mit einer kleinen Fernbedienung ein Garagentor öffnete und mit seinem Wagen geradewegs in diesen hübschen Betonplattenbau rein fuhr. „Ich hab das Haus hier gemietet für ein paar Fotosets. Die Räume hier drin sind riesig und die Miete ist weniger als ich für eine fünfmal kleinere Wohnung in einem besseren Viertel ausgeben würde.“ Er stellte den Wagen ab, und stieg aus. Das Licht hatte sich mittlerweile durch einen Bewegungsmelder von alleine angeschaltet und die Garagentür fuhr langsam von einem leise ratternden Motor angetrieben wieder runter. „Es zwingt dich ja keiner aus dem Fenster zu gucken, und von innen ist dieses Haus so gut wie jedes andere. Nur eben billiger!“ Es war nicht so, als hätte der Bunthaarige nicht auch ein kleines Ladenlokal in Dominos bester Einkaufsstraße gemietet, wo er die ganzen netten Familienfotos der ganzen Reichen und Möchtegernreichen machte, doch bei den Preisen, die dort verlangt wurden, war mehr als ein mickriges Studio nicht drin, schließlich wollte Yami ja auch noch an seiner Arbeit verdienen, und das tat er nicht zu knapp, dank seiner hohen Toleranzgrenze, was die Art seiner Umgebung anging. „Willst du Wurzeln hier schlagen oder kommst du mit?“, brummte Yami am anderen Ende der Garage. Dort stand er an einer unscheinbaren, aber mittlerweile geöffneten Tür, die direkt ins Erdgeschoss des Hauses führte. „Hm!“, knurrte der Blonde noch weniger begeistert als Antwort. Er hatte ja schon keinen Bock darauf gehabt, zu einem fremden Onkel in diese Stadt zu ziehen, aber jetzt auch noch bei diesem Exzentriker von Fotograf bleiben zu müssen, überschritt deutlich die Grenze dessen, was er bereit war, heute noch zu ertragen, was sich auch in seinem Tonfall sowie seiner Mimik niederschlug. Sobald sie aus der Garage raus waren, standen sie in einem Hausflur, der jeglicher Wohnlichkeit entsagte. Die Wände waren in kahler und kalter, nicht richtig verputzter Betonoptik, an der Decke hing eine lose Glühbirne als einzige Lichtquelle, und überhaupt wirkte alles so, wie es bereits von außen ausgesehen hatte. Heruntergekommen, modrig und überhaupt nicht einladend. „Kommt hier überhaupt jemand freiwillig hin?“, erkundigte sich Joey stänkernd und trottete aber brav hinter Yami her wie ein Küken hinter seiner Entenmama, während sein Blick an einem riesigen Schimmelfleck an einer Wand klebte. Aber anstatt zu antworten, schlug der Bunthaarige bloß die Tür vor sich, am Ende des Flurs auf und der Blonde konnte seinen Augen nicht trauen. Hier war nichts mehr von Moder und Dreck zu sehen. Das Zimmer war riesig und einige Merkmale an der Decke sowie ein paar Säulen, die mitunter mitten im Raum standen, verrieten, dass der Bunthaarige hier wohl sämtliche Wände hatte rausreißen lassen, bis eben auf jene Säulen, die unbedingt sein mussten, um die Statiker der Bauaufsicht zufrieden zu stellen. Zwar waren die Wände immer noch nicht tapeziert oder verputzt, doch einige große Gemälde, Poster und Lampen, die geradezu nach Designerware schrien, verliehen dem ganzen Ambiente eine Atmosphäre, die zwischen Fabrikgebäude, Kellerdisco und Single-Loft schwankte. Ein teures, schwarzes Ledersofa, ein Schreibtisch mit Glasplatte und einige in modernem, schwarz-weißem Muster gehaltene Teppiche sorgten für einen extremen Kontrast zu dem Raum im Rohbau. Im hinteren Teil entdeckte Joey schließlich das, was wohl Yamis eigentlicher Arbeitsplatz sein dürfte, denn er konnte starke Scheinwerfer sowie diese umgedrehten Regenschirme davor erkennen. Stative und Kameras, die anscheinend noch oder schon auf irgendetwas eingestellt waren, zumindest in den Grundzügen. „Sieht alles ziemlich teuer aus.“ Der Teenager ließ sich ungefragt auf der Couch nieder und deutete einmal im Raum rum, denn egal auf was er mit dem Finger hätte zeigen können, seine Aussage hätte zugetroffen. „Hast du keine Angst, dass es in dieser Gegend geklaut wird?“ „Nein. Erstens, sieht das Haus von außen aus, als gäbe es hier etwas zu holen?“ er wartete erst gar nicht auf eine Antwort „Zweitens haben die Fenster Sicherheitsglas, die Tür zusätzliche Schlösser und das ganze Haus eine Alarmanlage!“ Damit war für ihn die ganze Angelegenheit geklärt und keines weiteren Wortes mehr würdig. „Gleich kommen meine ersten Kunden, die das Shooting überwachen. Also setzt du dich stumm in eine Ecke, behältst deine Beißwerkzeuge schön zusammen und gibst keinen einzigen Mucks von dir!“ Yami baute sich bedrohlich – so bedrohlich, wie er es mit seinem einem Meter fünfundsechzig konnte – auf und fuchtelte wild mit dem Zeigefinger, wie es Gouvernanten im letzten Jahrhundert vielleicht noch gemacht hatten. In Sachen Erziehungsmaßnahmen war er anscheinend nicht ganz auf dem neuesten Stand, doch wer wollte es ihm verübeln? Er seufzte theatralisch und ließ sich auf seinen Schreibtischsessel – ein Stuhl war das schon nicht mehr – fallen. „Das Shooting ist für ein Hochglanzmagazin, das du dir eigentlich noch gar nicht kaufen dürftest, also hüte dich, irgendwem zu sagen, wie alt du bist!“ „Ich dachte, ich dürfte ohnehin nichts sagen!“, parierte Joey geschickt und grinste nicht zu knapp, als er merkte, dass Yami noch nach einer passenden Erwiderung suchte. Doch noch ehe weitere Worte durch die Luft fliegen konnten, ging eine Tür im hinteren Teil des Raumes auf, die Joey bisher nicht bemerkt hatte, und zwei Männer sowie eine hübsche, blonde Frau traten ein, mit nichts weiter bekleidet als hauchdünner, fast durchsichtiger Unterwäsche. „Da seid ihr ja schon, jetzt fehlt nur noch der Verleger, auf den sollten wir ja warten!“, begrüßte Yami die drei fröhlich und winkte sie zu sich. Offenbar schien er über ihr plötzliches Erscheinen, noch dazu in so einem Aufzug, weitaus weniger beeindruckt als Joey, dem fast die Augen aus dem Kopf fielen. In Wahrheit hatte der Bunthaarige sogar schon auf die drei Models gewartet. Allister, der größere der beiden Männer, mit den auffällig pink gefärbten Haaren, gehörte zu den Models, die Yami quasi schon als Stammkundschaft vor der Linse hatte, daher hatte er dem eigentlichen Kunststundenten einen Schlüssel für die Hintertür nachmachen lassen. So konnte er schon in die Umkleide gelangen, wenn Yami mal im Stau in der Innenstadt feststeckte und musste nicht in dieser miesen Gegend draußen warten. „Warum habt ihr alle kaum noch was an?“, ertönte Joeys Stimme leiser, aber keineswegs zögerlich, denn es war ihm egal, ob Yami ihm ein Redeverbot erteilt hatte oder nicht, solange er kein Schweigegelübde abgelegt hatte, würde ihn nichts daran hindern, immer dann etwas von sich zu geben, wenn er es für richtig befand. „Du hast es noch nicht kapiert, oder?“ Gereizt massierte sich Yami über die Schläfen, als pochte sein Kopf vor lauter Dummheit, die ihn umgab. Gleichzeitig wedelte er mit der anderen Hand in Richtung der drei Neuankömmlinge, sie sollten den blonden Giftzwerg erst gar nicht beachten. „Das wird ein Shooting für ein Erotikmagazin! Nachher werden alle noch weniger anhaben, mit Ausnahme meiner Wenigkeit, ich mach ja schließlich bloß die Fotos!“, damit erhob sich der Bunthaarige wieder und ging in den hinteren Teil des Raumes, um schon mal die letzten Feinheiten bezüglich Licht und Kamera einzustellen, bevor der Manager und der Verleger bald ankommen würden, um hier und da letzte Wünsche zu äußern. ~*~ Was bitte war denn das für ein Kurzauftritt gewesen? Einen Moment lang starrte Duke verdattert auf die Glastür, durch die Tristan eben in einer Hektik verschwunden war, dass man hätte meinen können, das Bistro würde brennen. Wirklich merkwürdig, normalerweise freute sich der Braunhaarige doch immer ihn zu sehen, so konnten sie persönlich mal wieder ein kleines Treffen verabreden und an ihren meist nächtlichen Treffen hatten sie beide immer ziemliche Freude. Doch heute hatte der Braunhaarige regelrecht gezwungen gewirkt, als er einen Satz der Begrüßung herausgepresst hatte. Wirklich sehr merkwürdig. „Alles in Ordnung?“, riss ihn die tiefe, brummende Stimme seines Gegenübers, eines ebenfalls braunhaarigen Mannes, aus seinen Gedanken. Duke schüttelte kurz den Kopf, als wollte er sich selber zurück in die Realität holen und nickte dann stumm als Antwort auf die Frage. „Ich nehme an, du kanntest den Typen gerade?“ Ein Paar durchdringende, braune Augen starrte ihn musternd an, während der Mann, dem sie gehörten, Valon Drake sein Name, an seinem Kaffee nippte. „Ja, entfernt. Ein Bekannter.“ Der Schwarzhaarige hob abwehrend die Hand, als wäre es eine Lästigkeit gewesen, dass Tristan ihn überhaupt angesprochen hatte. „Jetzt aber wieder zurück zu dir.“ Er legte ein sehr eindeutiges und verführerisches Lächeln auf. „Ich hoffe, du hast nach unserem kleinen Essen noch Hunger auf was mehr!“ Dass Duke nicht von Essen sprach, sondern von einer ganz anderen Art an Nachtisch, war sowohl seinem Tonfall zu entnehmen als seinem Gegenüber schon von Anfang an klar gewesen. Im Grunde hatte Valon die Einladung zum Mittagessen nur aus der Hoffnung auf Nachtisch angenommen. „Für den Rest des Tages sind keine Termine mehr angesetzt und das will schon was heißen!“, versuchte er Duke zu schmeicheln, um sich auch großer Bemühungen Dukes sicher zu sein. Immerhin war es für einen angehenden, immer berühmter und bekannter werdenden Rockstar, nicht gerade leicht, mal einen Tag ohne Termine zu finden. Doch für Duke tat er das natürlich, nicht uneigennützig, gerne, schließlich hatte der Schwarzhaarige die Werbekampagne für seine erste CD übernommen. Mit einem Platz in den Top Ten der Charts als Ergebnis. „Wenn ich es mir recht überlege, habe ich keinen Hunger mehr!“ Duke schob demonstrativ seinen Salatteller vor sich weg und signalisierte damit, dass er fertig war, was bei Valon, der ohnehin nicht mehr als einen Kaffee vor sich stehen hatte, ein breites Grinsen entlockte. Ohne ein weiteres Wort erhob sich der Schwarzhaarige und begab sich auf die Suche nach der Bedienung, damit er direkt zahlen konnte. Dass der Blick Valons dabei auf seinem, in eine enge Hose eingepacktem Hinterteil ruhte, befriedigte ihn ungemein, gab es ihm doch das Gefühl, begehrt zu werden. Nicht dass es Duke an Selbstvertrauen gemangelt hätte, sodass man es ihm beweisen musste, dass er begehrt wurde, nein, um diese Tatsache wusste er nur zu gut, aber er liebte es einfach, Aufmerksamkeit zu spüren. „Kommst du? Wir können zu mir fahren“, verkündete er schließlich, als ihre Rechnung beglichen war. Innerlich hoffend, dass Yami Joey wirklich mit zu sich genommen und ihn nicht alleine in seiner Wohnung gelassen hatte. Aber wenn das der Fall war, würde Yami den nächsten Morgen nicht mehr erleben und das wusste der Bunthaarige hoffentlich. „Das ist gut, ich wohn hier ja nur in einem Hotel, da kann man nicht so laut, wie man gerne will.“ Klang da etwa ein verstecktes Versprechen mit, dass dieser Nachtisch zu lauten Geräuschen anregen würde? Da war es wirklich ein Segen, dass in Dukes Apartment keinerlei Geräuschspegelbegrenzung eingehalten werden musste. Selbst wenn, es hätte den Schwarzhaarigen wahrscheinlich auch nicht davon abgehalten, hemmungslosen Sex in seinen eigenen vier Wänden zu haben. Duke schmunzelte, als er in seinen Wagen einstieg, da er sich an eine Anekdote aus seiner Studentenzeit erinnerte. Wie wohl jeder Studierende zu der Zeit hatte auch er in diesen massentierhaltungsähnlichen Verhältnissen in einem Käfig, genannt Studentenheim, gewohnt. Wände aus Papier, Schallisolierung nicht vorhanden und selbst die Leute zwei Stockwerke tiefer hörten noch alles mit, was über normale Gesprächslautstärke ging. Auf jeden Fall hatte er in dieser Umgebung, so war er eben, auch nicht auf seine liebste Freizeitbeschäftigung verzichten wollen und sich an einem Abend ganz besonders laut vergnügt, sodass er sich am nächsten Morgen so ziemlich vor dem gesamten Haus rechtfertigen musste, warum er sie um den Schlaf gebracht hatte. Was war seine Rechtfertigung gewesen? Er war mit Ohropax in den Ohren eingeschlafen beim Fernsehen und wohl im Schlaf versehentlich auf die Lautstärkeregelung gekommen, sodass man das nächtliche Erotikprogramm leider in voller Lautstärke verfolgen konnte. Eigentlich war es ein Scherz gewesen, doch er war erstaunt gewesen, wie viele ihm diese Geschichte wahrhaftig abgekauft hatten, trotz klaffender logischer Lücken. Erstens, er schaute bitteschön mit Ohropax Fernsehen? Zweitens, seit wann liefen Hardcore Pornos – so zumindest musste es geklungen haben – im Nachtfernsehen? Seit Duke da wohnt … Und letztens, warum hatte sich keiner gewundert, dass bei ihrem Gestöhne ja eindeutig keine Frauenstimme dabei gewesen war, wie es wohl bei einem Film im Fernsehen gewesen wäre? Fragen über Fragen, die sich doch keiner gestellt hatte, oder allen war es zu peinlich gewesen, weiter nachzuhaken. Ihm war es schon recht gewesen. „Da sind wir“, schnurrte Duke, als er seinen Wagen vor dem Haus parkte, in dem sich sein Apartment befand, in einer nicht gerade schlechten Gegend Dominos. Sie stiegen die Treppen hinauf, da spürte er schon Valons Hand gezielt auf seinem Hintern platziert, um diesen leicht zu kneten. „Ich hoffe, du bist niemand, der lange fackelt!“, knurrte er mit bereits vorfreudigem Unterton von hinten in Dukes Ohr, als dieser endlich die Tür aufgeschlossen hatte, und sie in die Wohnung eintraten. „Sehe ich etwa so aus?“, der Schwarzhaarige drehte sich bei diesen Worten um und leckte sich verführerisch über die Lippen, seine Mimik dabei mit einem fordernden Griff direkt in den Schritt seines Gegenübers unterstützend. Ein Keuchen erhallte in dem Raum und wandelte sich in leises Stöhnen, als Duke seinen Griff gelockert hatte und stattdessen sehr angetan gar nicht schnell genug den Gürtel öffnen konnte. ~*~ Joey saß mit hochrotem Kopf und Stielaugen auf einem Sessel, eigentlich recht weit weg vom Ort des Geschehens, doch da seine Augen bestens funktionierten, konnte er dennoch mehr sehen, als es Yami lieb war und als er sich hätte erträumen lassen, vor seinem achtzehnten Geburtstag zu Gesicht zu bekommen. Der bunthaarige Fotograf wirkte geschäftig und voll in seinem Element, als schwebte er in einer anderen Welt, als er die Kamera schenkte, hier und da Anweisungen zu Posen und Gesichtsausdrücken von sich gab und bei allem noch so viel Elan und Freude an der Arbeit an den Tag legte. Anders als Joey es sich irgendwie ausgemalt hatte, schien Yami vollkommen unbeeindruckt davon, dass sich zwei splitterfasernackte Männer in lasziven Posen vor seiner Linse räkelten und alles, was man sich nur vorstellen konnte, für phantasievolle Menschen andeuteten. Gut, dass die wirklich hübsche und perfekt geformte Frau bei dem Bunthaarigen wohl wenig Reaktion hervorrufen würde, war Joey ja direkt klar gewesen, aber dass Yami so gar nichts von all der Erotik vor der Kamera an sich heran ließ, sorgte dafür, dass der Blonde ihn deswegen ein klein wenig bewunderte. So sah Professionalität aus. Er selber hatte sich möglichst unbequem, mit – untypisch für ihn – überkreuzten Beinen hingesetzt, damit bei ihm nur ja nichts in Versuchung kam, nach mehr Platz zu streben. Aber es erwies sich schwerer als erwartet, diesen Plan einzuhalten, denn gewisse Körperteile suchten sich einfach Platz, egal ob der da war oder nicht, und wenn man dann die Beine gekreuzt hatte … Joey saß zumindest schneller wieder normal als gedacht. Sein zweiter Plan, einfach nicht hinzugucken, hatte auch bloß zwei Minuten gehalten, dann hatte seine Neugier wieder gesiegt und er starrte munter und fröhlich auf die drei engagierten Models, die sich verlockend auf einem Meer aus Kissen räkelten. Der dritte und wirklich letzte Plan, an etwas anderes zu denken, war noch mehr nach hinten losgegangen als alles andere bisher zuvor. Denn, wie sehr er sich auch angestrengt hatte, an die Schule und langweilige Hausaufgaben zu denken, er kam immer wieder gedanklich bei Mai an. Mai Valentine war seit vier Monaten seine feste Freundin, seine erste Freundin, die er je hatte, umso schlimmer kam es Joey vor, dass er die letzten Tage, als er vom Jugendamt durch die Gegend geschubst worden war, keinerlei Zeit hatte finden können, um sie anzurufen und ihr zu sagen, dass es ihm gut ging. Das würde er gleich heute Abend machen, da würde er Dukes Telefon blockieren, komme was wolle, und vielleicht konnte sie ihn ja, sollte er wirklich bei seinem Onkel bleiben müssen, mal besuchen kommen, denn so weit war Domino schließlich nicht entfernt von der Stadt, in der vorher das gestanden hatte, was die Leute sein Zuhause genannt hatten. So wirklich förderlich für seine Absicht waren die Gedanken an Mai allerdings nicht, denn anstatt sich innerlich abzukühlen, hatte er eher das Gefühl, seine Körpertemperatur stieg um mindestens zehn Grad an. Bei dem Gedanken, wie Mai wohl so ganz ohne jeglichen Hauch von Stoff aussah, oder wie es wohl aussehen mochte, wenn sie sich lasziv vor ihm räkelte, war an Ruhe und Abkühlung nicht einmal im Entferntesten zu denken. Vor allem, da er in dieser Hinsicht seiner Fantasie freien Lauf lassen konnte, denn bisher waren er und Mai nie so weit gekommen, dass er behaupten konnte, er wüsste, wie seine Freundin nackt aussah. Okay, im Bikini im Schwimmbad hatte er sie schon gesehen, aber das war etwas vollkommen anderes, denn da hatte ja nicht nur er hingeschaut, sondern das ganze Schwimmbad hatte sie so sehen können, also war es nichts Besonderes gewesen. „Danke, das war es für heute!“ holte ihn der laute Ausruf Yamis wieder in die Wirklichkeit zurück, der in die Hände klatschte und seine Kamera endlich aus der Hand legte. Die beiden Männer und die blonde Frau verschwanden mit einem Lächeln und einem netten Abschiedswort wieder dahin, wo sie hergekommen waren, also in die Umkleideräume. Erst jetzt fiel es Joey auf, dass die beiden Anzugträger, die bisher das ganze Shooting verfolgt hatten, wohl auch schon gegangen waren, offenbar hatten sie die Befolgung ihrer Vorgaben weitgehend überwacht und jetzt winkte der Feierabend. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm weiterhin, dass es schon spät am Tag war. Offenbar hatte dieses ganze Rumgepose und Fotogeknipse länger gedauert, als es ihm vorgekommen war. „Schlag keine Wurzeln, ich bring dich jetzt wieder zu Duke, dann kann ich die Bilder in Ruhe entwickeln, langsam sollte der wieder zu Hause sein!“ Es war offensichtlich, dass der Bunthaarige bei der Erwähnung ein wenig säuerlich war, schließlich hatte er sich seinen Tag auch anders vorgestellt. Auch wenn er zugeben musste, dass Joey ja doch ruhig und pflegeleicht auf seinem Sessel gesessen hatte, ohne Ärger zu machen. Yami schnappte nach einer Lederjacke und kramte gerade nach seinem Autoschlüssel, als seine Augen genau die Stelle fokussierten, die der blonde Teenager zwanghaft zu verbergen versuchte, was sich beim Aufstehen aber als schwierig erwies. „Sieh an, sieh an!“, ein diabolisches Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. Okay, es war unschwer zu sehen, dass dem Jungen das ganze schon peinlich genug war, der rote Kopf sprach Bände, doch er wäre nicht Yami, wenn er nicht aus reiner Genugtuung darauf herum hackte. „Sollten wir vielleicht noch irgendwo Eiswürfel kaufen?“, vergnügt pfeifend ließ er deinen Schlüssel um seinen Zeigefinger herum rotieren. „Pah!“, patzte Joey als Antwort. „Es reicht schon, wenn ich dich angucke, da löst sich das Problem von alleine.“ Noch ehe er fertig gesprochen hatte, wusste er, dass sein Mundwerk wieder einmal mit ihm durchgegangen war, denn augenblicklich gefror das heitere Lächeln auf den Lippen des Bunthaarigen und mit aus den Augen zuckenden Blitzen beugte er sich vor, um näher an Joeys Ohr zu sein. „Glaub nicht, dass du mich provozieren kannst. Jugendliche Großmäuler kenne ich nur zur Genüge, als dass ich auch nur einen Groschen auf das geben würde, was du von dir lässt!“ Es war weniger das, was er sagte, als die Art, wie er guckte, die Joey sagte, dass ein bisschen mehr Höflichkeit nicht das schlechteste gewesen wäre. „Und jetzt beweg dich, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!“ Eilig setzte sich Joey in Bewegung, hinter dem Fotografen herzukommen, denn dieser legte ein Tempo an den Tag, das an Rennerei grenzte. Genauso wie er ging, fuhr er auch den Rückweg entlang, dass der Blonde sich schon fast innerlich mitfreute, nirgends auf dem ganzen Weg an einem Blitzer oder einer Polizeistreife vorbeigekommen zu sein, denn dann hätte sich ihre Ankunft an Dukes Apartment, vor dem sie in diesem Moment vorfuhren, um einige Zeit verzögert. „Steig aus, ich komm nicht mit rein!“, verkündete Yami in immer noch angesäuertem Tonfall, als er die Handbremse anzog, den Motor aber laufen ließ. Hoffentlich würde er die nächsten Tage nicht schon wieder den Babysitter spielen müssen, und falls doch, so hatte er sich vorgenommen, eine kleine fiktive Geschäftsreise in seinen Terminplan zu quetschen und einfach ein paar Tage außerhalb von Dukes Reichweite verweilen. Da war es egal, dass Joey eigentlich brav gewesen war ohne Ärger zu machen, ein Kommentar und der Bunthaarige geriet ins Schmollen, fast wie ein kleines Kind, aber natürlich auf weitaus höherem Niveau, schließlich war er kein Kind mehr, schon länger nicht. „Dann tschüss ...“ Joey hatte die Tür noch nicht richtig geschlossen, da hörte er die Reifen des Wagens schon durchdrehen und mit Vollgas, zumindest legte der Geruch nach verbranntem Gummi das nahe, bog Yami um die nächstbeste Ecke. Welch erfolgreiche Bilanz für seinen ersten Tag, einen Freund seines Onkels hatte er schon davon überzeugt, ihn nicht zu mögen. Seufzend schritt Joey die paar Stufen zu Dukes Haustür hinauf, dabei kam ihm ein braunhaariger Mann entgegen, der ihn aber nicht beachtete, warum auch, es beruhte immerhin auf Gegenseitigkeit, denn mehr als einen flüchtigen Blick hatte Joey seinerseits ebenfalls nicht für den Mann übrig. Vielleicht wohnte er ein Stockwerk über Duke, immerhin war er ja wohl nicht der einzige, der in diesem großen Haus eine Wohnung hatte. Anstatt zu klingeln, entschied sich Joey fürs Klopfen, ohne jegliche Erklärung, was ihn genau dazu bewog, als auch schon von innen die Stimme seines Onkels schallte. „Hast du was vergessen, ich habe …“, doch dann hielt Duke mitten im Satz inne, als er sah, wer dort vor der Tür stand. Dem halb zugeknöpften Hemd und der offenen Hose nach zu urteilen, hatte er irgendwen erwartet, aber bestimmt nicht den blonden Teenager, der gerade zaghaft lächelnd vor ihm stand. Wortlos trat der Schwarzhaarige beiseite, um ihn eintreten zu lassen. Schnell richtete er seine Kleidung vollständig und machte sich dann daran, das Chaos, das sich jetzt vor Joeys Augen ausbreitete, zu beseitigen. Neben restlichen Klamottenstücken wie Gürtel, Socken oder einer Jacke, die eine Spur durch die ganze Wohnung bildeten, noch halbvollen Weingläsern und dem Blick auf ein durchgewühltes Bett, boten drei aufgerissene Kondompackungen den Höhepunkt der Unordnung. Wahnsinnig schwer zu erraten, welcher Beschäftigung der Schwarzhaarige wohl den ganzen Tag nachgekommen war. Ohne ein weiteres Wort schnappte Joey sich seinen Rucksack und verschwand damit ins Badezimmer, eine Dusche konnte er jetzt gut gebrauchen. Wie sein Onkel die Spuren einer wilden, schwulen Sexorgie beseitigte, musste er nun wirklich nicht mit ansehen. Himmel, er wollte hier weg, denn anscheinend war er hier ja auch kein gern gesehener Gast. + + + + + + + + Das war es leider schon wieder mit diesem Kapitel... Ich hoffe es hat euch gefallen, das nächste lade ich hoffentlich/ vermutlich nächste Woche hoch.... LG trinithy Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)