Jaded von Palmira ({MadaIta}) ================================================================================ Kapitel 3: Friday I'm In Love ----------------------------- Friday I’m In Love Untertitel: Verschneite Sentimentalität Ich konnte das hier nicht beenden, bevor ich kein richtiges Bild von Izuna hatte – sinnlos, wie man sehen wird. Heute wurde das Lied von The Cure ‚Friday I’m In Love’ aus 1991 verwurstet. Enjoy! Madara konnte es nicht leiden, wenn man ihn am Samstagmorgen weckte. Er war so oder so kein fröhlicher Morgenmensch, aber am Samstag wurde es persönlich. Und deshalb war es Körperverletzung, ihn gegen halb sieben seiner Ruhe zu berauben. Träge wälzte er sich herum und suchte nach den Resten seines diffusen Traums von Schnee und Christmas Carols. Itachi sah das nicht so eng. Madara erinnerte sich vage, dass er eine fünftägige Studienreise irgendwohin machen wollte – so genau hatte Madara da nicht zugehört – und dazu musste er heute los. Und wo war da die Notwendigkeit, deshalb den Haushalt aufzuwecken? Itachi sagte irgendetwas von Frühstück. Dabei konnte man zu dieser gottlosen Zeit noch nicht essen, geschweige denn aufmerksam sein. Deshalb vergrub Madara grollend das Gesicht im Kissen und bekundete damit seine Ablehnung eines Frühstücks. Er war wach genug, um nicht übergangslos wieder einschlafen zu können, und doch nicht so wach, um geistig irgendetwas aufzunehmen. Wie kam Itachi schon auf so eine blöde Idee? Wollte er sichergehen, dass Madara in seiner Abwesenheit nicht vergaß, wo der Kühlschrank stand?! Nett. Madara ließ den Rest der Worte an sich vorbeirauschen. Wenn es gewichtige Veränderungen gab, zum Beispiel dass der Tauchsieder weg war, merkte er das schon früh genug und würde sich dann darüber aufregen. Vielleicht rief er auch mal an. Wo auch immer Itachi gerade hinzufahren beabsichtigte. Nicht zufrieden mit dem gewährten Maß an Beachtung, knuffte Itachi ihn in die Rippen. Es war ein ziemlich fester Knuff, der ihm ein ärgerliches Brummen von Madara eintrug. „Was denn?!“ Itachi war offensichtlich nicht gekränkt, dass man ihm nicht zugehört hatte. Er zuckte mit den Schultern und verließ das Zimmer, wobei er die Tür leise hinter sich zuzog. Madara schlief bereits, als Itachi hinzufügte: „Ich dachte, du bringst mich zum Flughafen.“ Saturday, wait And Sunday always comes too late Es schneite immer noch. Madara hasste das Gefühl von schmelzenden Flocken auf seinem Gesicht, ähnlich wie heiße, taube Küsse. Da hatte man schon ein sturmfreies Wochenende, und dann so was. Und das Schneetreiben wurde heftiger und legte den Verkehr lahm. Das hieß, dass er gegen Nachmittag eine umständliche Route durch die Einkaufsstraße nehmen musste. In der Rush Hour nie eine gute Idee, und natürlich war er nicht der einzige mit diesem Plan. Es war glitschig und brechend voll, und da erreichte man weder mit Kraft noch mit Charakter etwas. Wie ein Dinosaurier in einer Teergrube, dachte Madara sarkastisch. Das einzige wirkungsvolle Hilfsmittel war ein Kinderwagen, und so einen hatte er nun wirklich nicht. Aber das war noch nicht das ganze Übel. Es war die Zeit des kommerziellen Advents, und Madara hasste Weihnachten. Er hatte nicht mal die üblichen Gründe, die man so anführen konnte, von wegen Scheinheiligkeit und verzerrter Botschaften des Fests. Er war auch nicht religiös. Er mochte es nur nicht. Eigentlich mochte er gar keine Familienfeste. Als er mit Itachi zusammengezogen war, nach dem Ende der Schule, hatten sie einige Übereinkünfte getroffen. Itachi hatte dabei praxisorientierte Dinge angeordnet, dass er in Ruhe lernen konnte und zu welchen Zeiten der schlafen wollte, damit er sein Studium vorantreiben konnte. Wenn diese Richtlinien nicht eingehalten worden waren, so hatte er es zumindest ins vierte Jahr geschafft und erfreute sich dieser blöden Bildungsfahrt. Madaras Bedingungen waren ganz anderer Natur. Er konzentrierte sich damit nicht auf die Zukunft oder die Welt außerhalb – die Bedingungen dafür legte er genau da fest und nicht in seinen eigenen vier Wänden. Hier eine grobe Zusammenfassung von dem, was Madara mit Folienstift auf die Kacheln in der Küche gekritzelt hatte: 1. Wenn geredet werden muss, dann nicht mit mir. Meinetwegen mit einem Therapeuten oder einer Zimmerpflanze, aber nicht mit mir. Das bezog sich nur auf ernsthafte, tiefgründige Gespräche – sicher musste man irgendwann mal kommunizieren, doch der schwere Stoff hatte wegzubleiben. 2. Keine Fotos. Weder von mir noch von sonst wem, weder an der Wand noch auf den Möbeln. Meinetwegen in der untersten Bettschublade. Daran war nichts paranoid oder egozentrisch, aus seiner Sicht. Madara verabscheute Fotos, die ihn hohl angrinsten oder anstarrten. Wenn man so sentimental war, dann ohne ihn. 3. Keine Dekoration außerhalb des eigenen Zimmers. Itachi und seine verdammte Kalligraphie, das hässliche Geschmiere machte Madara ganz kirre. Selbst wenn sie Sex in Itachis Zimmer hatten, sorgte er dafür, dass er die Teile nicht sah, da hörte sich wirklich alles auf. 4. Keine Haushaltspläne. Das war sonst wie in einer Umerziehungsanstalt. Itachi hatte sich inzwischen damit abgefunden, ewig hinterher zu räumen. 5. Keine Volksfeste in dieser Wohnung. Und da war der entscheidende Paragraph. Ob das nun St. Patrick’s Day war oder Pfingsten, was als religiöses Fest quasi dasselbe wie ein Volksfest war, wie Madara fand, völlig schnuppe, es blieb draußen. So viel dazu. Der Folienstift, mit dem sie beide ihre Regeln aufgeschrieben hatte – Itachi hatte das albern gefunden und wenige Tage später entfernt – war wasserfest gewesen. Madaras Regeln standen immer noch da, allerdings hatten die Dämpfe und Dünste, die zwangsweise in einer Küche entstanden, die Schrift ausgebleicht. Man konnte sie eigentlich nur noch erahnen. Madara wusste, warum er gerade jetzt daran dachte. Aber er verschob es hartnäckig nach hinten, genau wie er sich nun durch die Menschenmassen schob, weg von allen ‚Jingle Bells’ und lachenden, fetten Männern in roten Uniformen und fusselnden Wattebärten. I don't care if Monday's blue Tuesday's grey and Wednesday too Thursday I don't care about you It's Friday I'm in love Er hätte fragen sollen. Klar, Madara hatte eindeutig festgelegt, dass sie keine tiefschürfenden Gespräche führen sollten. Aber das hieß ja nicht, dass man es nicht mal versuchte! Itachi akzeptierte die Dinge immer so, wie sie waren. Nur nicht, wenn ihm dadurch Nachteile entstanden. Und es war ja kein Nachteil, nichts über einen anderen Menschen zu wissen. Madara wusste zum Beispiel nichts über die sieben Milliarden und die paar Zerquetschten, die die Weltbevölkerung darstellten. Bloß wohnte er ja auch nicht mit denen zusammen! Es ärgerte ihn. Und auch deshalb hielt er sich größtenteils von den Personen fern, die er durch Itachi kennen gelernt hatte. So konnte es ja nie kommen. „Ach du Schande...“ Die Route durch die Fußgängerzone barg wirklich unangenehme Überraschungen. Sonntag war eh ein blöder Tag, um dort entlangzugehen, doch Madara hatte ja keine Wahl. Außerdem konnte er dort auf dem Rückweg von der Arbeit Einkäufe erledigen, und mit genug Inbrunst blendete er dabei die Weihnachtsmänner aus. Und kaum hatte man sich mit einem Problem arrangiert, kam das Nächste. „Huhu, Maddy, hm!“ Madara hätte einfach so tun können, als hätte er es nicht gehört. Oder umdrehen und weitergehen, er kannte keine Irren. Leider war Deidara nicht nur irre, sondern auch schnell und hatte ihn am Arm ergriffen. Wenn ihn wer mit dem sah... „Was ist das...?“ Deidara grinste ihn an. Er hatte sein Haar nach hinten frisiert und dünne Zöpfe eingeflochten. Lange schwarze Striche aus Tinte fügten sich zu aufgemalten Tätowierungen, und sein skurriles Indianerkostüm erweckte in Madara den Wunsch, sofort das Kriegsbeil auszugraben. „Sasori und ich machen Werbung für die Spielhalle, in der wir an Konans Geburtstag waren, hm. Willst du ein Videospiel kaufen, hm?“ Madara überging die Frage einfach. Nein, er wollte kein Videospiel, er wusste auch so, dass er gut war. Konsolenspiele waren etwas so... Familiäres. „Und deshalb hast du deine indioamerikanischen Wurzeln entdeckt.“ Madara wurde das Gefühl nicht los, dass etwas an diesem Kostüm nicht stimmte. Er war nicht spießig, aber trugen Männer wirklich neuerdings Boleros und rote Halbschuhe? Und war Deidara nicht kalt? Probeweise spähte er an dem Blonden vorbei. Sasori hatte es nicht so schlimm getroffen, er trug lediglich einen zu langen Mantel mit zu vielen Schnallen und unterhielt sich mit ernster Miene mit einer um das Wohl ihrer Kinder besorgten Mutter. „Nein, deshalb machen wir Cosplay, hm. Eigentlich wollte Tobi uns helfen, aber er kann nicht, und dabei hätte er sich die Haare blondiert und Johnnys Part übernommen, hat er versprochen, hm.“ Seit wann gab es irgendetwas, das Tobi Deidara verweigerte? Selbst, wenn es so lächerlich war wie Haare blondieren, um sich zu verkleiden... Darauf ging Madara lieber gar nicht ein. Er hatte keine Lust, sich mit Deidara zu unterhalten, auch dann nicht, wenn sie nicht in dieser Einkaufsstraße gestanden hätten und Deidara normal gekleidet gewesen wäre. „Johnny, aha.“, murmelte er, und Deidara nickte wohlwollend, wie man einem Kleinkind zunickt, das endlich ein simples Wort begriffen hat. „Ja, wir machen Werbung für Shadow Hearts 3, hm. Sasori ist Killer und ich bin Shania, und wenn Tobi-“ „Du bist eine Frau?“ Offensichtlich ja, doch Deidara hörte gar nicht hin. Er drehte sich zu ‚Killer’ Sasori um, der das Gespräch mit der Mutter beendet hatte und nun die Tastatur seines Handys bearbeitete. Sein Gesicht zeigte einen konzentrierten, fast lebhaften Ausdruck, der bei ihm ungewöhnlich war. „Er tut es schon wieder, hm.“, stellte ‚Shania’ Deidara missmutig fest. Madara wollte es wirklich nicht wissen, nur kam er auch nicht drum herum. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Deidara stand ihm im Weg. „Er schreibt SMS – die gaaanze Zeit, hm. Man könnte meinen, Orochimaru und er entwickeln eine Hassliebe mit ihrem ständigen Bombardement, das ist wie bei dir und...“ Madaras Aufmerksamkeit schweifte wieder ab, sodass er den Rest des Satzes nicht mitbekam. Ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für eine Studienreise, so kurz vor Weihnachten. Wahrscheinlich gab es kaum einen anderen Termin, und nun war der Verkehr mit Heimkehrern überlastet und dazu der Schnee... „...weißt du, hm?“ Deidara hatte sein Selbstgespräch beendet. Eine Gruppe junger Mädchen versuchte sich dazu durchzuringen, ihn anzusprechen und ein Foto machen zu dürfen. Spätestens bei der Dokumentation wollte Madara nicht mehr dabei sein. „Nein.“ Deidara furchte befremdet die Stirn. Eine Eisbrecherin der Mädchengruppe näherte sich inzwischen von hinten. „Du hast nicht mit Itachi telefoniert, hm?“ „Es ist erst Sonntag.“ Das Mädchen nahm Deidara schüchtern, aber energisch in Beschlag und drängte ihn ab. Madara nahm die Gelegenheit zur Flucht wahr, wobei ihm auch gleich Deidaras Reaktion erspart blieb. Als könnte an einem einzigen Tag so viel passieren, und Itachi gab allenfalls Tatsachenberichte über... über... das eben, was da so war. Außerdem, siehe Punkt 1, hatte er Itachis Handynummer nicht. Monday you can fall apart Tuesday, Wednesday break my heart Oh, Thursday doesn't even start It's Friday I'm in love Madara mochte auch keine Handys. Sie funktionierten immer dann nicht, wenn man sie brauchte, und wenn man sie nicht brauchte, störten sie. Sie waren unnötig teuer, und wenn man unbedingt Pingpong spielen wollte, konnte man auch Tennisbälle an die Wand werfen. Madara war in Itachis Abwesenheit nicht unterbeschäftigt. Er hatte zu arbeiten, und dann musste er noch die ganze Wohnung in Unordnung bringen und tausend andere Dinge tun, die Itachi sonst unterband. In solchen Momenten fiel einem erst wieder auf, wie sehr man sich zusammenreißen musste, wenn man mit jemandem zusammenlebte. Aber zur Weihnachtszeit fühlte sich das seltsam an. Diese besinnliche Stimmung war überall, selbst bei Atheisten oder religiösen Freaks wie Hidan. Madara kam darauf, dass es an den Süßigkeiten liegen musste – irgendwann wurde man schwach und aß etwas in der Art, und sofort war man infiziert. Sogar ihn hatte es erwischt, und dabei sahen Lebkuchen so klein und unschuldig aus... Es dauerte bis Mittwoch, aber dann hatte es ihn. Madara bedachte den Tannenzweig auf der Fensterbank ständig mit finsteren Blicken, doch er wollte ihn da haben. Er hatte ihn sogar in eine Vase gestellt und ihm Wasser gegeben. Er kompensierte nichts. I don't care if Monday's black Tuesday, Wednesday - heart attack Thursday, never looking back It's Friday I'm in love Itachi hätte sich ja auch melden können, aber das tat er nicht. Und es war nicht so, als hätten sie hier kein Telefon, so altmodisch konnte man sein. Wie der verfluchte Tannenzweig, der sein ganzes Aroma überall verbreitete. Demnächst würde Madara vermutlich noch den Drang verspüren, Lametta dranzuhängen, das dann für das nächste Jahr im Teppich fest hing. Zum besseren Verständnis: diese unverkennbar schlechte Laune hatte er in der Adventszeit immer. Momentan konnte er sie nicht mal an jemandem auslassen, was es noch schlimmer machte. Und was es zweitens noch schlimmer machte... Draußen war dieser lästige Schnee, den er so hasste und bei dessen Anblick man schon frieren musste. Der Schneefall hatte sich immer noch nicht gelegt, war sogar stärker geworden. Die Bürgersteige waren eine einzige, matschige Rutschpartie, und ein Fortkommen beanspruchte Mengen an Zeit und Geduld, die jedem Normalsterblichen mehr abverlangten, als er eigentlich erübrigen konnte. Und nicht zu vergessen: die U-Bahn war bei diesem Wetter ein echtes Erlebnis. Noch überfüllter als sonst und noch glitschiger als die Bürgersteige, weil man nicht so weitsichtig sein konnte, die Bahnsteige zu streuen, wenn man schon wusste, dass die gesamten Passagiere ihren Schnee dort verteilten und Fliesen sich in dem Fall nicht besonders gut treten ließen. Madara achtete sorgfältig darauf, dass er nicht in der Nähe von Menschen war, die gleich ausrutschten und ihn eventuell mitrissen. Und deshalb zog er auch blitzschnell seinen Arm weg, als jemand danach griff und daraufhin nur Luft in der Hand hatte. Noch jemand, der den U-Bahnsteig mit seinem Hosenboden trocknete – manche Menschen waren einfach sozial. Konan wollte aber offenbar nicht sozial sein. Sie saß mitten in einer Pfütze aus schmutzigem Schmelzwasser, Streuasche und dem unverkennbaren, schmierigen Belag eines öffentlichen Untergrunds und funkelte Madara mit einem Blick an, der jemanden zu Stein erstarren lassen konnte. „Wenn du klug bist... hilfst du mir jetzt sofort hoch.“ Madara war nicht unbedingt angetan von der Vorstellung, dass sie ihn dann womöglich mit in diese Brühe zog, deshalb hielt er sich sicherheitshalber an einem Fahrkartenautomat fest, bevor er die junge Frau wieder auf die Beine zog. Bräunliches Wasser durchnässte nun die Kehrseite ihrer unglücklicherweise weißen Hose. Konans Finger krallten sich in seinen Oberarm. Wie so viele andere war sie nervlich am Ende, das sah auch Madara, der von Frauen nicht viel Ahnung hatte (von Männern hatte er auch nicht so viel – das waren Instinkte). „Möchtest du mich nach Hause bringen.“ Das war keine Frage. Es war allerdings auch kein Befehl – es war die Übermittlung der Botschaft, dass dieser Tag sie zu sehr geschafft hatte, um in diesem Aufzug alleine in einer überfüllten U-Bahn zu fahren und vermutlich noch öfter hinzufallen. Diese Theorie wurde bestätigt von kleinen Zeichen auf Konans Gesicht: den zusammengepressten Lippen, dem leicht geröteten Halsbereich, wo sie sich frustriert gekratzt haben musste, und dem teilweise verschmierten Lidschatten. Madara brummte etwas, was vermutlich als Einwilligung durchging. Er hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen. Da war nichts, was ihn interessierte. Gut, Itachi konnte bisweilen enorm uninteressant sein, aber wenigstens war er selbst dann lebendig. Und dieser Tannenzweig... roch bloß nach Tanne. Konan tupfte ihre Hose mit einem Taschentuch ab, und Madara sparte sich aus Rücksicht ausnahmsweise den Kommentar, den sie zweifellos noch oft genug zu hören bekommen würde. Hinsetzen war momentan sowieso ausgeschlossen. Eigentlich rechnete er damit, dass Konan ihn wissen ließ, was ihr heute alles über die Leber gelaufen war. Nicht, dass sie der Typ war, der andere mit seinen Sorgen belud, das tat sie nie. Doch man erwartete einfach, dass andere irgendetwas loswerden wollten, wenn sie mit den Nerven fertig waren. Konan quetschte sich ächzend in ein Abteil und benutzte Madara als Zugmaschine, um zumindest in die Nähe eines Haltegriffs zu kommen. Womit man automatisch in der Nähe von den Passagieren war, die beim Anfahren nicht durch den Waggon segelten und einen dabei mitrissen. Konan schwieg düster, die Hand immer noch in Madaras Armbeuge. Mit der anderen umklammerte sie eine Handtasche, die vorhin mit in der Pfütze gelandet war und nun monoton tropfte. „Wenn du Pein siehst, sag ihm, dass ich wütend auf ihn bin.“ Madara verdrehte schwungvoll die Augen. „Ärger im Paradies.“ Konan kniff ihn in den Ellbogen, als die U-Bahn anfuhr. Inzwischen waren auch ihre Hosenbeine durchzogen von braunen Linien, wo das dreckige Wasser heruntergeflossen war, und nun mündete es in ihre Stiefel. „Solltest du je erfolgreich mit jemandem zusammenleben wollen, sei rücksichtsvoll.“ „Danke für den Tipp.“ Konan kniff ihn noch mal, und Madara seufzte. Woraufhin sie ihn gleich wieder kniff. „Rücksichtsvoll. Was sagt das dir?“ „Dass ich dich fragen soll, was er ausgefressen hat.“ Konan wandte den Kopf zu einem halbwüchsigen Jungen, der sie angrinste, und starrte ihn so lange an, bis er wegschauen musste. „Nein. Du sollst dir einfach merken, dass man niemals, niemals einen ganzen Tag lang genau das tun und sagen soll, was man meint.“ Konan war keine Wahrheitsliebhaberin, das fand man schnell heraus. Eigentlich kannte Madara niemanden, mit Ausnahme von Hashirama, der das mit der Aufrichtigkeit so ganz genau nahm. Selbst Itachi war nur ehrlich, wenn es ihm passte. Aber warum das plötzlich ein Grund war, zum Lügen aufzurufen... „Du siehst so aus, als müsste man dich daran erinnern.“ Madara ignorierte die Bemerkung schlichtweg. Es schien fast, als wüsste Konan, was vorgefallen war, auch wenn das sehr unwahrscheinlich war. Vermutlich konnte sie es sich nur zusammenreimen. „Du sollst ja keine Begeisterung heucheln. Du sollst es bloß tun.“ Na bitte, sie las seine Gedanken. Madara wurde das zunehmend unheimlich. Gott, es war Samstag morgen gewesen – er hatte Samstags frei. Er wollte da nicht frühstücken, wenn er nicht mal wach war, und Konan versuchte, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden. Was nutzte es, wenn er im Halbschlaf unter dem Küchentisch lag?! „Manchmal ist das tröstlich.“ Madara war beinahe wieder bei seiner Gedankenlesungstheorie, bis ihm auffiel, dass Konans Blick längst nicht mehr auf ihn gerichtet war. Sie stierte ins Gedrängel des Waggons und dachte zweifellos an den Fauxpas, den Pein begangen hatte, ob bewusst oder unbewusst. Sie würde erwarten, dass er dafür blutete. Und wenn schon, wer brauchte Trost? Monday you can hold your head Tuesday, Wednesday stay in bed Or Thursday watch the walls instead It's Friday I'm in love Es war Freitag. Itachi hätte wieder da sein müssen, schon am Vormittag. Aus irgendeinem Grund war er das aber nicht – wahrscheinlich machte das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Dieses verrückte Schneetreiben blockierte den Flugverkehr zu gewissen Teilen, was in diesem Monat natürlich traurig für die Familien war. Madara hatte ohnehin nichts mehr von Itachi gehört. Er war nicht wirklich besorgt – so eine Nacht am Flughafen brachte keinen um, und es war sowieso erst Vormittag. Doch er war unruhig, auf eine gewisse Weise. Etwas nagte an ihm, von dem er wusste, dass es nichts mit Konan und ihrer Predigt über Rücksicht auf Mitbewohner zu tun hatte. Es war diese verdammte Weihnachtszeit, die ihm in die Glieder kroch wie Muskelkater. Sie machte sich bei jeder Bewegung bemerkbar, verpasste ihm einen Stich zur rechten Zeit und ging ihm nie ganz aus dem Kopf. Das war jedes Jahr so – er hatte es nur nie so richtig gemerkt, weil es immer etwas gegeben hatte, mit dem er sich beschäftigte. Wetter und die Umstände von Itachis Studienreise hatten es diesmal unvermittelt so gedreht, dass er diese Ablenkung nicht hatte und gezwungen war, darauf einzugehen. Das war nicht wie Muskelkater. Es ging nicht weg, wenn man nicht irgendetwas tat. Und gegen Abend war Madara zermürbt genug, um etwas zu tun. Er holte das Telefon und stellte es auf den Couchtisch. Ohne die heilende Einwirkung von Itachis Ordnungssinn war er übersäht mit Zeitschriften, Krümeln, runden Kaffeetassenabdrücken und Verpackungsmüll, und kurz ließ Madara sich von diesem Chaos einnehmen. Itachi würde wütend sein, wenn er diese Verwüstung sah. Oder wenn ihm auffiel, dass Madara seine Kalligraphiedrucke abgehängt und weggeschmissen hatte. Zaghaft umfasste seine Hand den Hörer wie etwas Zerbrechliches. Das Freizeichen erschien mit einem Mal unerträglich laut und dröhnend. Sein Ringfinger bewegte sich über die Tasten und tippte eine Nummer ein, die er auswendig konnte. Madara hatte unbestreitbar schöne Hände, doch jetzt wirkten sie einfach angespannt und nervös. Sie wurden sogar feucht vor Schweiß. Die Verbindung wurde aufgebaut, es klingelte. Madaras Nägel kratzten über die Tastatur des Apparats. „Hi?“ Niemand meldete sich so, wirklich. Das klang dämlich. Madaras Mund war mit einem Mal trocken, und er konnte keinen Ton hervorbringen. Endlich schaffte er es, seine Stimme wiederzufinden. „Ich wollte nur mal wieder deine Stimme hören.“ Madara presste den Daumen auf die Halterung des Hörers. Sofort wurde die Verbindung wieder getrennt, und er ließ den Hörer aus seiner schlaffen Hand fallen. Mit einem tiefen Ausatmen sank er ins Polster des Sofas. Nur ein Satz, ein einziges Wort, aber er hatte Izuna seit fünf Jahren nicht mehr abgerufen. Saturday wait And Sunday always comes too late But Friday never hesitate... Als es endlich an der Tür klingelte, war nachts um halb zwölf. Madara hatte noch nicht geschlafen – wie sollte er auch, er war immer noch aufgekratzt und draußen tobte die Mutter aller Schneestürme. Da fand man keine Ruhe. Und trotzdem hatte Itachi ja wohl einen Schlüssel. In einem enormen Ausbruch menschlicher Nächstenliebe bequemte Madara sich dennoch von seinem Platz auf der Couch, wo er bis vorhin eine Talkshow geschaut hatte, und öffnete die Tür. Und wurde konfrontiert mit dem jämmerlichsten Anblick, den Itachi Uchiha bisher je geboten hatte. Es war ja nicht... dass seine Miene das hergab. Er hatte diesen Schneematsch überall, als wäre ein Auto zu schnell an ihm vorbeigefahren und hätte ihn bespritzt, vermutlich war das so passiert. Und er war ordentlich durchgefroren. Sein Gepäck war irgendwo, jedenfalls nicht hier. Unter seinen schwarzen Augen lagen tiefe Schatten, dabei war sein Gesicht so stoisch wie immer. Lediglich auf eine festgeeiste Art. Es war, als hätte man Konans nervliche Erschöpfung, die Madara am Mittwoch gesehen hatte, verdreifacht und wäre noch mal mit einer Dampframme drübergerollt. Madara war nicht rührselig, aber das ging selbst ihm an die Nieren. Wortlos ließ er Itachi rein. And as sleek as a shriek Spinning round and round Itachis Mantel war tatsächlich nass und dreckig, zudem mit Ölspritzern. Sein Haar war eisverkrustet und seine Finger kalt und gerötet. Er hatte noch kein einziges Wort gesagt und bewegte sich steif und ungelenk. Es bereitete ihm sogar Schwierigkeiten, seine Schuhe auf zu bekommen. Das Chaos in der Wohnung nahm er offenbar nicht zur Kenntnis, genau wie alles Andere auch. Madara half ihm auf, als er mit seinen Schuhen fertig war. Ein böses déjà-vu, trotzdem versetzte es ihm einen kleinen Stich. Itachis Hand war eiskalt. Madara seufzte übertrieben und fing an, sie zwischen seinen zu rubbeln. „Sag jetzt bloß nichts.“, warnte er Itachi vor. Es war eine Maßnahme gegen spöttische Bemerkungen, allerdings starrte Itachi eh schweigend auf seine klammen Finger, die erst langsam ins Leben zurückkehrten. „Kalt.“, krächzte er, und Madara schnaubte. Doch da war wieder dieser elende Anblick... Es war, als würde man ein Hundewelpen im Regen stehen lassen, und dabei hatte Itachi noch nie Ähnlichkeit mit einem Hundewelpen besessen. Und als wüsste er das (konnte in dieser Woche denn jeder neuerdings Madaras Gedanken lesen, das war ja lachhaft), durchbohrte Itachi ihn nun mit seinen von Grund auf erschöpften Augen. „Hunger.“ Diesmal seufzte Madara nur noch. „Klar.“ Dressed up to the eyes It's a wonderful surprise To see your shoes and your spirits rise Itachi hatte anscheinend wirklich Hunger, aber er schien keinen Appetit zu haben. Eine Situation, die Madara nicht neu war, wenn auch nicht von Itachi persönlich. Es war verrückt, resümierte er, als er die Sachen in den ewig unsicheren Küchenschrank zurückstopfte und darin herumwühlte. Er war so leicht zu erweichen, weil er Izuna angerufen hatte. Es hatte in ihm diese spezielle Saite zum Klingen gebracht, von der er erst nun begriff, dass sie für Zuneigung reserviert war. Er hatte einige Tage weitgehend allein verbracht, und das kurz vor Weihnachten. Letztes Jahr war ihm kaum aufgefallen, dass er sich nach etwas sehnte, weil Itachi unbewusst die Stelle seines kleinen Bruders in Madaras Herz eingenommen hatte. Auf eine ganz andere Weise, doch das machte in diesem Fall keinen Unterschied. Es ging ja nicht um das, was sie miteinander taten, sondern wie viel der Rücksicht, die laut Konan so wichtig war, Madara zollte und in welchem Maß ihn die Anwesenheit des anderen besänftigte. Itachi gab nicht an, was genau er essen wollte, deshalb blieb das Madara überlassen. Um Viertel vor zwölf fiel ihm nichts Besseres ein, als Glühwein aufzuwärmen. Hatte er den wirklich gekauft? Und da Itachi Süßes mochte, würde er Kekse wohl vertragen. Madara fragte nicht, was vorgefallen war. Das hatte er bei Konan auch nicht getan, und es war nicht zu übersehen, dass Itachi nichts erzählen wollte. Es war wahrscheinlich relativ katastrophal gelaufen am Flughafen, und ausnahmsweise stocherte Madara nicht darin herum – er wollte nicht, dass Itachi womöglich in Tränen ausbrach. Übermüdete Menschen neigten dazu, und sei es nur, um andere von sich fernzuhalten. Always take a big bite It's such a gorgeous sight To see you eat in the middle of the night You can never get enough Enough of this stuff Itachi schüttelte seine Apathie nicht so schnell ab, doch sie war etwas weniger starr. Madara leistete ihm erstaunlich geduldig Gesellschaft, bis es Samstag wurde. Sein freier Tag hatte somit gerade begonnen, und das tat er in der Küche... Mitten in der Nacht. Unvermittelt stand Itachi auf und verließ den Raum. Madara hörte, wie er seine Zimmertür öffnete, und kniff die Augen zusammen. War Itachi aufmerksam genug, um seine hässlichen Poster zu vermissen? „Madara...“ Offensichtlich ja. Überraschend war, dass Itachi nicht sofort zurückkehrte und ihm seiner Laune entsprechend noch eine scheuerte, was er hin und wieder gern tat, wenn er sicher gehen wollte, dass Madara etwas davon hatte, ihn zu verärgern. Sprungfedern ächzten, als sich jemand in eine Matratze fallen ließ. Madara kannte dieses Quietschen, und dass er es jetzt hörte, machte ihn nur bedingt glücklich. Er sprang auf und folgte Itachi mit raschen Schritten. „Das ist mein Bett.“, bemerkte er vorwurfsvoll. Itachi gönnte ihm keinen Blick und streckte sich ungerührt auf dem ohnehin zerknüllten Laken aus. Sein inzwischen getautes Haar hinterließ nasse Flecken auf dem Kopfkissen. „Bilder weg, Bett weg.“, brummte er schläfrig. Madara erwog, ihn einfach herauszuheben – Itachi war so schwer wie jeder junge Mann seiner Statur, doch Madara war kräftig, wenn er seine Revieransprüche verteidigte – und entschied sich dagegen. Gar nicht mal wegen dieses Hundewelpen-Blicks, Itachis Augen waren fast geschlossen. Es war... es war eben Samstag, aber es fühlte sich noch an wie Freitag. Wie jemanden zu vermissen, ob das nun Izuna war oder Itachi. Und er konnte nicht den Samstag beginnen, wenn er sich so fühlte. „Rück mal.“ Itachis Augen öffneten sich um einen kleinen Spalt. „Bilder?“ „Weggeschmissen.“ „Arsch.“ „Rück trotzdem. Das schuldest du mir.“ Itachi funkelte ihn ungnädig an. Madara forderte Schulden immer sehr schnell ein, bevor man eine Chance hatte, sie zu vergessen oder abzuwiegeln. Grummelnd rutschte er ein Stück zur Seite. Das machte es in einem Bett, das für eine Person gedacht war, nicht unbedingt leichter, allerdings konnte Itachi zumindest nicht rausfallen, er hatte die Wandseite. Madara schaltete das Licht aus und quetschte sich daneben. Keiner von ihnen hatte sich umgezogen, und das forderte seinen Tribut. Vor allem, da Madara aus seinem Herzen keine Mördergrube machte. „Puh! Du stinkst.“ „Flughafen.“ Das war die einzige Erklärung, zu der Itachi im Bezug auf diese Studienfahrt jemals bereit sein würde. Zum Glück war der Tannenzweig da, um das auf wundersame Weise zu kaschieren. Nach dem obligatorischen Drängeln und Schieben zu Anfang hatten sich beide arrangiert. Dennoch konnte Madara nicht schlafen, und daran war weder der Gestank vom abgestandener Luft Schuld, der an Itachi haftete, noch die Zeit noch irgendetwas von außerhalb. „Du hast nicht angerufen.“ Itachi zupfte an dem Kissen herum und zog es Madara schließlich weg. Er hatte fast vergessen, wie unglaublich egoistisch dieser Kerl sein konnte, wenn man mit ihm ein Bett teilte. „Schnee.“ „Orochimaru hatte auch Kontakt mit Sasori.“ „Teuer.“ „Du wolltest einfach nicht.“ Itachis immer noch kühle Finger berührten unter der Decke Madaras Handgelenk, wie eine Beschwichtigung. „Kannst nicht als einziger asozial sein.“ Der erste richtige Satz, und dann gleich etwas so Reizendes. Madara lachte leise auf und holte sich sein Kissen zurück, woraufhin Itachi das Handgelenk des anderen lediglich unter seinen Kopf schob, sozusagen als Ersatz. „Du warst die ganze Zeit eingeschnappt?“ „Nacht.“, knurrte Itachi endgültig, ließ es aber zu, dass Madara die Arme um seinen Torso verschränkte. Nach verhältnismäßig langer Zeit kein Sex... Das war schon wieder eine Schuld, zumindest in Madaras Augen. Damit war klar, was sie an Heiligabend tun würden. „Ich mache dir morgen Frühstück.“, verkündete Madara stolz und impulsiv. „Toll.“ Itachi klang nicht begeistert, andererseits ebenso wenig so gereizt, wie er es sein müsste, wenn man ihn ständig vom Einschlafen abhielt. Er küsste Madaras Brustbein, weil das das einzige war, wo er ohne Verrenkungen drankam, und ließ zu, dass ihn die rebellischen Stachelsträhnen pieksten. „Schläfst du?“, fragte er nach einer Weile. Madara antwortete nicht, was das nicht bestätigen musste, doch das war Itachi egal. Sollte er es eben hören. „Du hast mir gefehlt.“ Madaras Grinsen war beinahe akustisch. „Ja.“ Womit er natürlich meinte, dass er schon schlief. Am nächsten Morgen schrubbte Itachi die Richtlinien mit Glasreiniger von den Küchenkacheln. Throwing out your frown And just smiling at the sound It's Friday I'm in love fin Müde. Nacht. Das lädt jetzt indirekt dazu ein, einen OS über Heiligabend zu schreiben… Vielleicht mache ich das noch und schiebe ihn dann dazwischen. Momentan ist mir das einfach zu pervers – es ist September! Das hatte jetzt wieder recht wenig Action und mehr moralischen Zeigefinger. Aber wenigstens wird das im nächsten OS ganz anders sein! :D sun Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)