Aesthetics and Identity von Lichtregen (Ichigo x Ishida) ================================================================================ Kapitel 3: Stupidity -------------------- Hallo zusammen! Es ist jetzt schon mehr als drei Jahre her, seitdem ich das letzte Mal diese One-Shot-Sammlung aktualisiert habe, also eine lange Zeit. Ich hoffe dennoch, dass ihr das Pairing immer noch mögt und diesen One-Shot somit noch lesen möchtet. Mit der Anzahl der Wörter bin ich wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen, aber das sollte doch wohl kein Hindernis sein. ;) Mit diesem One-Shot wird die Trilogie beendet sein. Ich habe mich desweiteren an einem Double-Drabble (genau 200 Wörter) versucht, das ebenfalls in den nächsten Tagen hochgeladen wird. Nun wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen! :) Eure Lichtregen ほとばしるこの想い 生きる道、生きる意味 hotobashiru kono omoi ikiru michi, ikiru imi This emotion flows out the path of living, the meaning of living. „Sensei… Sensei! Kurosaki-sensei!“ „Was?“, erwiderte Ichigo genervt und ruppiger, als er es beabsichtigt hatte. Davon ließ sich seine Helferin jedoch nicht einschüchtern, kannte sie sein besonders in letzter Zeit noch reizbareres Temperament schließlich zur Genüge. „Sensei, Sie bandagieren gerade den Mund des Patienten“, stellte sie mit ruhiger und geduldiger Stimme fest, als ob sie dies einem Kind erklären müsse. „Ja, und?“ Ichigo betrachtete sein Werk und verstand nicht, wo sie das Problem sah. Der Verband saß doch einwandfrei! „Der Junge hat eine Platzwunde an der Schläfe und der Verband hindert ihn am Atmen!“ „Oh…“ Ichigos Augen weiteten sich verwundert, als sehe er den Patienten gerade zum ersten Mal. Das erklärte zumindest auch den immer größer werdenden roten Fleck auf dem Laken, über den er sich schon gewundert hatte. „Entschuldigung“, fuhr er verwirrt fort, kratzte sich dabei verlegen am Hinterkopf, löste die Bandagen schnell von ihrem falschen Platz und versorgte die blutende Verletzung. „Gut, das war’s.“ Mit einem letzten Handgriff befestigte Ichigo das Ende des Verbands und drehte sich zu der Schwester um, die ihn besorgt ansah. „Ist alles in Ordnung, Sensei? Sie sehen erschöpft aus“, fragte sie vorsichtig, doch Ichigo schüttelte nur den Kopf. „Ja, alles okay… Danke für…“, setzte Ichigo an, doch im selben Moment hatte er schon vergessen, wofür er sich gerade bedanken wollte. Seine Konzentration war heute schlichtweg katastrophal. „Ich brauche nur eine Tasse Kaffee.“ Sie schien zwar nicht davon überzeugt zu sein, dass es ihm wirklich gut ging, doch sie wusste auch, dass es in solchen Momenten besser war, ihn in Ruhe zu lassen. „Ich trage Sie dann für die Pause ein“, lächelte sie. „Danke… bis später“, beendete Ichigo das Gespräch mit einem anerkennenden Kopfnicken in ihre Richtung und begab sich auf den Weg zur Cafeteria. „Verdammt!“ Wütend schlug Ichigo, sobald er außer Sichtweite war, mit der Faust gegen die Wand. Was war nur los mit ihm? Er konnte sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren, machte Fehler am laufenden Band und war so müde, dass er bezweifelte, noch so lange wach bleiben zu können, um den Aufenthaltsraum zu erreichen. Obwohl, im Grunde wusste er genau, wer an seiner miserablen Laune und Verfassung die Schuld trug. Immerhin waren es die Gedanken an ihn, die ihn ablenkten, und der Streit mit ihm, der seine Stimmung in den Keller riss und dafür sorgte, dass er auf der Couch schlafen oder es zumindest versuchen musste, was ihm eine ruhelose Nacht nach der anderen bescherte. Und das alles nur, weil der andere so stur, eingebildet, besserwisserisch und der größte Feigling unter der Sonne war. Denn mutig war er nur auf dem Schlachtfeld, nicht jedoch, sobald es um etwas Persönliches ging. Ichigo hatte ja gewusst, dass eine Beziehung mit Ishida, Jahrgangsbestem, stolzem Quincy und renommiertestem Chirurg in diesem Krankenhaus, nicht einfach und bestimmt nicht langweilig sein würde. Doch, verdammt nochmal, warum musste er gerade in dieser Hinsicht Recht behalten? Immerhin waren bereits fünf Jahre seit dem schicksalhaften Tag am Fluss vergangen und vieles hatte sich geändert. Warum nicht auch das? Ichigo konnte wirklich nicht behaupten, dass der andere es ihm am Anfang leicht gemacht hätte. Ishida war ihm in den ersten Wochen nach ihrem Kuss strikt aus dem Weg gegangen und hatte seinen Alltag so geschickt umgestellt, dass sie sich nicht einmal in ihrer gemeinsamen Wohnung begegnet waren. Um endlich eine Konfrontation und Klärung der Situation herbeizuführen, hatte Ichigo schließlich zu drastischen Mitteln greifen müssen, Ishida somit im Badezimmer eingeschlossen und ihn nur unter der Bedingung einer Aussprache aus seinem nassen Gefängnis entlassen. Bis heute konnte sich Ichigo allerdings den Verlauf dieses Abends nicht erklären, während dessen sie nach nunmehr vier Monaten und einem hitzigen Wortgefecht einschließlich körperlicher Auseinandersetzung schlussendlich nackt auf dem Sofa gelandet waren. Aus einem weiteren für ihn unerfindlichen Grund waren damit die Diskussion und das Versteckspiel Ishidas beendet, sodass Ichigo geglaubt hatte, von diesem Zeitpunkt an könne alles nur noch besser laufen. Welchem Irrtum er dabei unterlag, hatte sich jedoch bereits im unmittelbaren Anschluss offenbart, denn seine Befürchtungen, die ihn schon seit ihrem Schulabschluss unentwegt beschäftigten und von einer Beziehung mit Ishida abgehalten hatten, hatten sich nun bewahrheitet. Zwar zeigten sich ihre Freunde, die trotz ihres bemüht normalen Verhaltens schon nach kurzer Zeit eine Veränderung bemerkt hatten und schlussendlich dahinter gekommen waren, allesamt tolerant oder gar erfreut – ein mysteriöser Geldwechsel von Renji zu einer strahlenden Rukia beschäftigte Ichigo bis heute –, aber wie würden ihre Familien, Kollegen oder gar Fremde reagieren, sollten sie davon erfahren, dass Ichigo und Ishida eine etwas andere Art der Lebensgemeinschaft führten? Ichigo schnaubte. Auch wenn dies zu Beginn eine seiner größten Bedenken gewesen war, ging ihm die Diskussion darüber nach fünf Jahren nur noch auf die Nerven. Er hasste diese Heimlichtuerei desto mehr, je länger Ishida darauf bestand und je stärker es ihr Verhältnis zueinander belastete und vergiftete. Warum sollte es nicht auch der Rest der Welt erfahren, was sie waren oder wie sie lebten? Was sollte es andere überhaupt angehen? Ichigo verstand es einfach nicht und es war ihm auch herzlich egal. Er hatte nichts zu verbergen oder wofür er sich zu schämen brauchte, genauso wenig wie Ishida. Deshalb konnte er schlichtweg nicht nachvollziehen, wieso der andere immer noch auf derartige Diskretion beharrte, wo ihn ansonsten die Meinung anderer so viel interessierte wie Inoues Brüste. Ishida wollte oder konnte anscheinend nicht begreifen, dass es Ichigo wichtig war, sein Leben nicht nur im Verborgenen zu führen, sondern sich auch in der Öffentlichkeit wie jeder andere frei bewegen zu können. Somit war er als „die gesellschaftlichen Normen ignorierender Idiot“ auf das Sofa verbannt worden und das nun schon seit drei Wochen. Nicht, dass er diese Schlafstätte nicht schon des Öfteren hätte aufsuchen müssen, da Ishida ihn aus dem gemeinsamen Bett geschmissen hatte… Aber meistens hatte der Quincy ihm am nächsten Morgen oder gar noch in der Nacht verziehen, sodass der Streit schnell vergessen war. Nicht jedoch dieses Mal… Zwar gerieten sie immer noch so regelmäßig wie in ihrer Jugend aneinander, stritten, beleidigten und versöhnten sich wieder. Allerdings hatten seit ebendiesem Tag am Fluss ihre Auseinandersetzungen ein anderes Gepräge bekommen, sodass sie auf eine tiefere, persönlichere Ebene getragen wurden und Rücksicht auf den anderen und seine Gefühle stets ein unterbewusster Faktor war. Die Leichtigkeit ihrer Jugend war ihnen verloren gegangen… Wenn man es so betrachtete, hatte er im Endeffekt nichts als Ärger mit Ishida… Und trotzdem kam er einfach nicht von ihm los. Ishida war ein großer, wenn nicht sogar der wichtigste Teil seines Lebens geworden und so sehr er ihm in manchen Momenten auch auf die Nerven ging, er würde ihn und seine Eigenarten mehr vermissen, als er im Stande war zuzugeben. Sie ergänzten sich zu gut, waren zu gegensätzlich und sich doch gleichzeitig so ähnlich und einander ebenbürtig, dass sich Ichigo unmöglich ein Leben ohne den Quincy vorstellen konnte… oder wollte. Diese Tatsache erschien ihm, wann immer er darüber nachdachte, so abstrus, unlogisch und einfach nur dumm, doch das waren sie wohl gerade, ihre Empfindungen füreinander: Töricht, einfältig und gegen jede Regel… und doch waren sie existent. Ja, dachte Ichigo, es war dumm, Ishida Uryuu zu lieben und von ihm geliebt zu werden, aber so war es nun einmal. Die Zeit des Leugnens und Verdrängens war ohnehin schon lange vorbei und hatte zu keinem anderen Ergebnis geführt, als dass sie sich mehr und mehr darin verstrickt und sich damit hatten abfinden müssen. Es war absurd, aber wenn er eines aufgegeben hatte, dann war es, den Verlauf seines Lebens verstehen zu wollen. Doch gerade deshalb und weil Ichigo wusste, dass Ishida ebenfalls so dachte, auch wenn er es noch nie zur Sprache gebracht hatte, war das Verhalten des anderen für ihn unverständlich. 生き残るだけじゃ意味はない ikinokoru dakejya imi wa nai There is no meaning by surviving alone. Ohne es zu merken, hatten ihn seine Schritte automatisch zum Aufenthaltsraum geführt, vor dem er nun wohl schon eine Weile stand, da er die fragenden Blicke und das Tuscheln der Passanten in seinem Rücken spürte. Zwar machte Ichigo das Gerede der Leute nichts aus - sollten sie sich doch den Mund über ihn zerreißen -, aber dass er erneut wegen Ishida und ihrer blöden Auseinandersetzung alles um sich herum vergessen und jegliche Aufmerksamkeit verloren hatte, verstimmte ihn enorm. Er konnte es sich immerhin nicht leisten, unaufmerksam zu sein, weder als Arzt in der Notaufnahme noch als Shinigami! „Verdammter Idiot“, knurrte Ichigo daraufhin grimmig, während er endlich in die Cafeteria und damit den Augen der Öffentlichkeit entfloh. „Ich würde es durchaus sehr schätzen, wenn dein bekanntermaßen mangelndes Taktgefühl zumindest insofern ausgeprägt wäre, dass sich die von dir adressierte Person nicht in Hörweite deiner schimpflichen Äußerungen befindet, Kurosaki.“ „I-Ishida!“ Ichigo fuhr erschrocken herum, sichtlich ertappt, aber auch irritiert. „Allerdings“, entgegnete der Quincy, nicht ohne Ichigos schuldhaften Gesichtsausdruck zu bemerken und mit kühlem Blick aus seinen eisblauen Augen, die von einer modernen, ovalen Brille eingerahmt wurden, zu erwidern. „Was… Was machst du hier?“, versuchte Ichigo von seiner vorigen Aussage abzulenken. „Was für ein Anliegen sollte ein Chirurg, der schon zwölf Stunden am Stück im Dienst ist, wohl im Aufenthaltsraum haben, Kurosaki? Aber um deine offensichtlich der Ablenkung dienende Frage zu beantworten: Ich beabsichtige, mir eine Pause zu nehmen, anscheinend wie du“, konterte Ishida ohne jegliche Gefühlsregung in der Stimme. „Ich habe es gar nicht nötig, von irgendetwas abzulenken, Ishida. Woher willst du auch wissen, dass ich gerade dich meinte? Es laufen schließlich noch genug andere Idioten hier rum!“, verteidigte sich Ichigo, auch wenn er wusste, dass es ebenso sinnlos war, Ishida anzulügen, wie Rukia das Zeichnen beibringen zu wollen. Er war für den Quincy so offen wie eines seiner verdammten Bücher! Trotzdem konnte er nicht anders, als Widerworte zu geben, nicht bei Ishida. Denn ganz gleich in welchem Belang, er schien ihn jederzeit, in allem, was er tat, zu bestimmen und somit zu durchschauen. Ein weiterer Grund, Ishida den Laufpass zu geben, aber… „Andere Idioten, wie nett“, meinte Ishida. „Auch wenn du es vorhin womöglich nicht getan hast – was ich erwiesenermaßen sehr stark in Zweifel ziehe –, hast du mich spätestens jetzt beleidigt.“ „Ich habe nichts gesagt, was ich dir gegenüber nicht eh schon gesagt habe“, erwiderte Ichigo, mehr und mehr gereizt und sowohl wütend als auch ohnmächtig darüber, dass sie es erneut nicht schafften, eine normale Unterhaltung zu führen. Dies entsprach zwar der Natur ihrer Beziehung zueinander, aber das momentan nahezu feindselige Verhalten des anderen strapazierte nicht nur seine Beherrschung, sondern trieb auch einen Keil zwischen sie, der, wie Ichigo befürchtete, das Ende von allem bedeuten könnte. Ichigo schluckte schwer. Soweit durfte es auf keinen Fall kommen, koste es, was es wolle. Denn auch, wenn er sich sicher war, dass es Ishida nach einer Trennung wie auch zuvor schaffen würde, sein Leben ohne ihn weiterzuführen und seine Emotionen und Erinnerungen zu verdrängen, war er sich genauso bewusst, dass er selbst dazu nicht imstande wäre, er ohne Ishida nicht als derjenige weiterleben könnte, der er jetzt war, die Einsamkeit und der Schmerz ihn innerlich zerstören würden. Ichigos Augen ruhten auf Ishida, der ihn ebenfalls musterte, jedoch mit undurchschau-barem Gesichtsausdruck, ehe er die kurze Stille brach. „Eben drum“, entgegnete der Quincy schließlich. Ichigo meinte, kurz einen betrübten Schimmer in Ishidas Augen wahrzunehmen, doch dieser war ebenso schnell hinter der gefühllosen Maske verschwunden, wie er gekommen war. Ichigo war verwirrt. „Was soll das nun wieder heißen?“ „Wie du soeben richtig bemerkt hast, gibt es nichts, was du mir gegenüber nicht schon geäußert hättest. Ich sehe also keinerlei Notwendigkeit, diese Unterhaltung fortzuführen“, erwiderte Ishida, wandte sich von Ichigo ab und schritt an ihm vorbei Richtung Wasserkocher. „Und wenn du gestattest, würde ich mir jetzt gerne einen Tee zubereiten, anstatt dieses sinnlose Gespräch aufrechtzuerhalten.“ „Nein!“, widersprach Ichigo lautstark, ergriff das Handgelenk des Quincy und hinderte ihn somit an einer weiteren Bewegung. „Nein?“, fragte Ishida, dessen kühle Tiefen Ichigo zu durchdringen schienen. „Du hast nicht das Recht, mich festzuhalten, Kurosaki.“ „Und ob ich das habe, Ishida!“, entgegnete Ichigo vehement, verstärkte noch den Griff um das Handgelenk des anderen. „Seit Tagen gehst du mir aus dem Weg, lässt mich auf der Couch schlafen und siehst mich ständig mit diesem… diesem kalten Blick an, als ob du…“ Ichigo stockte, wusste nicht, wie er das ausdrücken konnte, was er sagen wollte, ohne so erbärmlich zu klingen, wie er sich fühlte. „… als ob du mich verabscheuen würdest“, beendete er schließlich seinen Satz. Noch mehr, als es überhaupt auszusprechen, fürchtete er allerdings Ishidas Antwort… „Lass mich los, Kurosaki“, zischte Ishida indessen nur, versuchte vergeblich, seine Hand mit einem Ruck aus Ichigos schraubstockartigem Griff zu lösen, woraufhin seine Augenlider kurz zuckten. „Nein, du hörst mir jetzt zu, Ishida! Ich weiß echt nicht, was momentan mit dir… was mit uns los ist. Sag mir, was ich falsch gemacht habe, ich habe echt keinen blassen Schimmer!“ Ichigo wusste, dass er verzweifelt klang, aber das scherte ihn nicht… zumindest nicht, wenn Ishida ihn immer noch mit diesem gleichgültigen Blick bedachte, der ihn das Schlimmste befürchten ließ. „Denn wenn ich dir zu viel bin und du das mit uns nicht mehr willst, dann sag’s mir besser gleich!“ Die Sekunden vergingen und jede einzelne von ihnen ließ einen Teil in ihm sterben. Es war die schlimmste Qual, die ihm jemals zugefügt worden war, zu fühlen, wie sein Innerstes zerriss und sein Herz mit jedem Schlag wie Glas zersplitterte. Ichigo wartete auf die Antwort, hoffte, dass sein Gegenüber seine Lippen öffnen und etwas, irgendetwas sagen würde. Doch Ishida schwieg, wich Ichigos eindringlichem Blick aber nicht aus. „Okay, ich verstehe…“, murmelte Ichigo daraufhin und entließ Ishidas Hand aus seiner. Er war wie betäubt, nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Das war es also. Ishida hatte keine Gefüh– „Hör auf zu denken, Kurosaki, deine Gedanken sind falsch“, unterbrach Ishida, dessen Augen mit einem Mal eine Spur ihrer Härte verloren hatten, letztlich doch die Stille. „Aber…“, setzte Ichigo, sichtlich irritiert von Ishidas plötzlicher Aussage, an, doch der Quincy schnitt ihm erneut das Wort ab. „Du weißt, dass es nicht so ist… Ichigo.“ Es war, als lösten sich mit Aussprache seines Vornamens alle Angst, Sorge und Wut in Luft auf, als fiele der schwere Stein von seiner Brust, sodass er wieder befreit atmen konnte. Ishida verwendete absolut niemals seinen Vornamen in der Öffentlichkeit. Sie hatten vereinbart, sich außerhalb ihrer vor Außenstehenden sicheren Wohnung stets mit Nachnamen anzureden, wie sie es aus ihrer Jugend gewohnt waren. Selbst zuhause lebte diese Gewohnheit weiter, sodass sie lediglich in besonderen Momenten zu ihren Vornamen griffen. Dass Ishida ihn hier und jetzt dennoch auf diese Weise ansprach, machte Ichigo somit mehr Hoffnung und Mut, als es die gegenwärtige Situation sonst zuließe. Ichigo nickte deshalb nur stumm. Natürlich wusste er, dass ihre Beziehung auch für Ishida ein schwerer Schritt gewesen war, und schämte sich dafür, dass er an dessen Gefühlen gezweifelt hatte… auch wenn es der andere stets gut verstand, Ichigo zu verunsichern und durch sein Verhalten Zweifel aufkommen zu lassen… Ichigo machte erneut einen Schritt auf Ishida zu, streckte seine Hand nach der des anderen aus. „Uryuu… Es tut mir leid, dass –“ „Nicht hier, Kurosaki“, wies Ishida ihn ab und zog seine Hand außer Reichweite. „Warum nicht?“, fragte Ichigo zurück, legte eine Spur Verärgerung in seine Stimme, um seine Enttäuschung zu überspielen. „Ich dachte, ich hätte mich letztens klar genug ausgedrückt, dass selbst du es verstehen kannst“, entgegnete Ishida, dessen Gesichtszüge sich erneut verhärteten. „Tu ich aber nicht!“, rief Ichigo, dessen Augenbrauen sich erbost zusammenzogen. „Egal, welche Gründe du dagegen vorbringst, finde ich, dass wir uns schon lange genug verstecken! Fünf Jahre, Ishida! Fünf Jahre, in denen wir verbergen, wer wir wirklich sind, während andere auf der Straße tun und lassen, was sie wollen! Nicht, dass wir es ihnen nachmachen müssen, aber… Verdammt, Ishida, nicht einmal unsere Familien wissen, dass wir zusammen sind!“ „Was auch so bleiben soll“, stellte Ishida unumstößlich klar. „Aber warum?“, wiederholte Ichigo seine Frage, wobei er nicht verhindern konnte, dass leichte Verzweiflung in seinen Worten mitschwang. „Ich raff’s einfach nicht!“ „Muss ich dir das ernsthaft noch einmal erläutern, Kurosaki?“, erwiderte Ishida genervt, jedoch aufgeschlossener als noch ein paar Minuten zuvor. Offensichtlich lag dem Quincy doch noch etwas an ihm, sonst würde er sich um eine Gegenfrage gar nicht erst bemühen. Ichigo sah ihn mit erwartungsvollen Augen an, nickte. „Gut“, seufzte Ishida. „Ich erkläre es dir ein letztes Mal und ganz langsam, damit du dir meine Ausführungen endlich einprägen kannst und ich es nicht irgendwann noch einmal erörtern muss.“ „Mmh“, brummte Ichigo zustimmend. „Also…“ Ishida räusperte sich, während er elegant mit dem linken Mittelfinger seine ovale Brille auf die Nasenwurzel schob. „Erstens können wir uns in der Öffentlichkeit nicht als Paar zeigen, weil wir zwei Männer sind und damit homosexuell. Offiziell anerkannt und gebilligt sind allerdings nur Beziehungen zwischen Mann und Frau. Unsere Gesellschaft geht in der Hinsicht ziemlich ambivalente Wege, da auf der einen Seite in der Unterhaltungsbranche und den Lovehotels gleichgeschlechtliche Beziehungen thematisiert, gar zelebriert oder zumindest akzeptiert werden, es auf der anderen Seite aber immer noch verpönt ist, sich nach außen hin von der Masse abzugrenzen und durch einen „andersartigen“ Lebensstil aufzufallen. Wer sich diesem Grundsatz widersetzt, wird in der Öffentlichkeit ausgegrenzt, verliert sein gesellschaftliches Ansehen, seine Erwerbstätigkeit oder jede Chance auf beruflichen Aufstieg, schlimmstenfalls seine Freunde, Familie und schließlich sein Leben. Berühmte Beispiele gibt es für letzteres genug. Wir müssen uns somit, wie sehr es uns auch missfallen oder ungerecht vorkommen sollte, anpassen, um unser bisheriges Leben nicht aufgeben zu müssen.“ „Tse, ich pfeife auf das, was die Gesellschaft will!“, schnaubte Ichigo. „Hätte ich mich je darum geschert, hätte ich mir die Haare schwarz gefärbt.“ „Nun, mir ist klar, dass du in vielerlei Hinsicht den Normen der Allgemeinheit widersprichst, aber ich sehe das anders.“ „Na und? Ishida, wirklich, was kümmert es uns, was die Leute denken oder machen? Und wer sagt überhaupt, dass es bei uns so weit kommen muss? Hör auf, immer den Teufel an die Wand zu malen.“ „Ich beleuchte lediglich alle Facetten eines Problems und verschließe meine Augen nicht vor der Wahrheit, nur weil sie mir missfällt. Immerhin ist auch bei uns die prozentuale Wahrscheinlichkeit hoch, dass…“ Ein unerwartetes, quietschendes Geräusch unterbrach Ishidas Worte, ließ ihn innehalten. Er folgte Ichigos Blick, sah die geöffnete Tür, sah die Person, die ihre Hand noch erhoben hatte, um gegen den Türrahmen zu klopfen. Unmerklich versteifte sich sein ganzer Körper, wobei er jedoch bemüht war, sich seine Anspannung äußerlich nicht anmerken zu lassen. „Sugiyama-san?“, fragte Ishida stattdessen mit einem höflichen Lächeln und bedeutete mit einer Handbewegung, dass es der in der Tür stehenden Schwester gestattet war zu reden. „Ähm, es tut mir leid, dass ich Sie stören muss, Ishida-sensei, Kurosaki-sensei, aber…“ Verlegen senkte sie den Kopf, malte mit ihrem Fuß einen imaginären Kreis auf den Boden. „Seien Sie unbesorgt, Sugiyama-san. Es gab keine Konversation, die Sie durch Ihr Erscheinen hätten beeinträchtigen können“, versicherte Ishida ihr, woraufhin Ichigo widersprechend aufschnaubte, sich vor der Schwester jedoch einen bissigen Kommentar verkniff. „Oh…“, äußerte die Schwester schüchtern, blickte dabei kurz von ihrem unsichtbaren Kunstwerk auf. „Also… dann… ich meine, der Grund, warum ich Sie aufsuche, ist, dass…“ Peinlich berührt verstummte sie, während sich der rote Schimmer auf ihren Wangen umso stärker verdunkelte, wann immer sich ihre und Ishidas Blicke kreuzten. 魂に誓ったこと tamashii ni chikatta koto What I swore to my soul. Nervosität breitete sich in seinem Innern aus, die Ishida dadurch zu kaschieren versuchte, indem er seine Brille zurechtrückte und somit seine Augen für wenige Sekunden hinter den reflektierenden Gläsern verschwanden. Wie lange stand diese Schwester schon in der Tür? Hatte sie etwa ihre Auseinandersetzung mitbekommen? Wenn sie gehört hatte, worüber Ichigo und er geredet hatten, konnte sie einfach nicht umhin, weitere Schlussfolgerungen zu ziehen. Ishidas Gedanken rasten, während er die Frau misstrauisch beobachtete und nach Reaktionen Ausschau hielt, die ihre Gedanken verrieten. Hatte sie wirklich etwas gehört, das nicht für ihre Ohren bestimmt war? Indizien dafür waren ihr offensichtlich beschämtes Verhalten und ihr Erröten, die darauf hindeuten konnten, dass es ihr unangenehm war, das Geheimnis der beiden Ärzte aufgedeckt zu haben. Zudem war – Ishida verfluchte sich innerlich für diese Fahrlässigkeit – die Tür des Aufenthaltsraums während ihrer gesamten Diskussion nicht gänzlich geschlossen, sondern bloß angelehnt gewesen, was es einem Passanten ermöglichen würde, unbemerkt die Konversation mithören zu können. Ishida wollte jedoch zugleich nicht so weit gehen und der Schwester unterstellen, dass sie sie heimlich und bewusst belauscht hatte. Ohnehin hatte Sugiyama-san in letzter Zeit vermehrt ein seltsames Verhalten an den Tag gelegt, wann immer er ihr über den Weg gelaufen und zu dieser Beobachtung im Stande gewesen war, sodass ihre Reaktion auch andere Ursachen haben konnte. Nachdenklich zog Ishida die Augenbrauen zusammen, während sein Blick von der Schwester zu Ichigo wanderte. Ichigo, der verbissen die Lippen aufeinander presste, dem im Gegensatz zu ihm seine Anspannung offen im Gesicht stand. Aber was sollte er noch lange überlegen? Sein Entschluss stand schon lange fest. Denn ganz gleich, was Sugiyama-san tatsächlich vernommen haben mochte, war die gesamte Situation nicht ungefährlich und konnte vehemente Konsequenzen nach sich ziehen, wenn er dem nicht zuvorkam und seinen Verdacht nicht hundertprozentig fallen lassen konnte. Schließlich wusste Ishida nur zu gut um die Risiken, die ihre Beziehung mit sich brachte, um die Gefahren, die seit nunmehr fünf Jahren drohten… allerdings nicht für ihn, sondern für Ichigo. Ishida hatte letztlich nichts zu verlieren, Ichigo hingegen alles. Sollte ihr Geheimnis öffentlich und er infolgedessen als Chirurg gekündigt werden, würde Ishida eine neue Stelle in einer fremden Stadt annehmen, wo ihn keiner kannte. Sollte sich sein Vater aufgrund dessen, was er war, von ihm abwenden, würde sich ihr Verhältnis zueinander im Vergleich zu den Jahren zuvor ebenfalls nicht großartig verändern. Und sollten auch Ichigo und er getrennte Wege gehen… dann würde er es hinnehmen. An sein eigenes Glück hatte er ohnehin nie geglaubt, weshalb er Ichigos Annäherungsversuche stets abgewiesen und ihm zum Schluss sogar wochenlang aus dem Weg gegangen war. Natürlich wollte er das, was er mit Ichigo hatte, nicht aufgeben müssen, aber er würde ihn ziehen lassen, wenn dies zu dessen Besten war. Nein, um sich selbst machte sich Ishida keine Sorgen. Zwar wäre ein Neuanfang mit einigen Änderungen und Einbußen verbunden, aber er würde weiterleben als Ishida Uryuu, renommierter Chirurg und Quincy. Ichigo hingegen würde es zerstören. Im Gegensatz zu ihm würde er, sollte er seine Arbeit verlieren, nicht fortziehen, sondern bleiben, um seine Freunde in Karakura weiterhin beschützen zu können. Sollten seine Familie und andere Menschen Kenntnis von Ichigos Beziehung mit ihm erhalten, bestünde zudem die Gefahr, dass sein Vater und seine Schwestern ihn nicht mehr akzeptierten und andere Leute in seinem Umfeld oder auch auf der Straße ihn mit abstoßenden Blicken bedenken würden. Um seinetwillen war es Ishida somit gleichgültig, ob sie ihre Beziehung öffentlich lebten oder nicht. Was er allerdings niemals sehen wollte, war die Enttäuschung und Kränkung in Ichigos Gesicht angesichts der Reaktionen anderer, sei es derer seiner engsten Verwandten oder Fremder. Denn auch wenn Ichigo jedem glaubhaft zu machen versuchte, dass ihm die Meinung anderer egal sei, kannte Ishida ihn gut genug, um zu wissen, dass dem nicht so war. Ichigo liebte die Menschen, liebte ihre Anerkennung, ihre Freundschaft und ihre Werte, sodass er sie stets verteidigte, sich in Kämpfen für sie aufopferte, ganz gleich für wen. Würden ihn die Menschen folglich missachten, ausstoßen, gar verabscheuen, würde Kurosaki Ichigo, Notarzt, Shinigami sowie jedermanns Freund, durch dieses Exil emotional getötet, zu einer lediglich äußerlich lebendigen Hülle ohne jegliche Lebensfreude werden. Doch dies würde Ishida nicht zulassen. Bereits zu Beginn hatte er gewusst, dass, wenn er sich auf Ichigo einlassen würde, seine einzige weitere Aufgabe darin zu bestehen hatte, ihre Beziehung geheim zu halten. Deshalb verweigerte er Ichigo jeglichen Körperkontakt oder Anzeichen von Zuneigung in der Öffentlichkeit… um ihn zu schützen. Da sich Ichigo jedoch selbst nicht über diese emotionale Abhängigkeit bewusst war und Ishida sich nicht in der Position oder der Verpflichtung sah, ihn darüber aufzuklären, da eine solche Offenbarung aus seiner Sicht dem Shinigami nur schaden konnte, hatte er bisher Stillschweigen bewahrt, sich selbst damit jedoch seines ausschlaggebendsten Arguments beraubt. Selbstredend war er sich auch darüber im Klaren, dass er Ichigo mit seinem unterkühlten und abweisenden Verhalten verletzte. Sein Plan, Ichigo durch Sanktionen und Ignoranz von seinem Wunsch abzubringen, war jedoch, je öfter er auf solche Mittel hatte zurückgreifen müssen, in letzter Zeit fruchtlos geblieben, schien Ichigo vielmehr anzustacheln und schlussendlich derart zu kränken, dass er ihre Beziehung in Frage stellte. Diese Wirkung hatte er beileibe nicht beabsichtigt, aber es ging nicht anders, um die Wahrheit für sich behalten zu können und somit seinen eigenen Stolz zu wahren. Deshalb nahm er all dies hin, konnte nichts seinen Entschluss ins Wanken bringen, solange er zumindest dieses eine Geheimnis, seinen verletzlichsten Punkt vor Ichigo bewahren konnte... Seine größte Schwäche war Ichigo selbst. „Nun, was ist der Grund Ihres Besuchs, Sugiyama-san?“, erkundigte sich Ishida schließlich, um sich durch ihre Reaktion Gewissheit über ihren Kenntnisstand zu verschaffen, und kam ihr folglich damit entgegen, die unangenehme Stille zu brechen. „Oh, ja… Ishida-sensei, ich…“, stammelte sie verlegen, den Kopf, den sie zuvor gen Boden gerichtet hatte, nun erhoben, ehe sie sich endlich fasste. „Ich soll Ihnen vom Direktor ausrichten, dass er Sie nach Ihrer Pause zu sprechen wünscht“, brachte sie schließlich hervor, senkte jedoch erneut errötet den Kopf, als sie, kaum hörbar, noch hinzufügte: „Es ist mir eine große Ehre, für Sie arbeiten zu dürfen, Ishida-sensei… Sie… Sie sind wirklich ein… ausgezeichneter Arzt… und… ja, ich… ich freue mich jeden Tag auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.“ Ishida sah aus den Augenwinkeln, dass Ichigo, der seit dem Erscheinen der Schwester wenig interessiert an ihrem Anliegen schien, aufhorchte und die Frau scharf musterte, woraufhin er ihm einen finsteren Blick zuwarf, den Ishida allerdings nicht zu deuten vermochte. Statt darüber oder über das kleinlaute Kompliment der Schwester jedoch näher zu reflektieren, nickte Ishida nur. Seiner Einschätzung nach rührte die Verlegenheit der jungen Schwester augenscheinlich daher, dass ihr eine wichtige Aufgabe übertragen worden war und sie zu deren Ausführung die Pause zweier ihr vorgesetzten Ärzte hatte stören müssen. Dass ihr Blick entweder auf ihre Füße oder ihn und nicht ein einziges Mal auf Ichigo gerichtet war, sprach zudem dafür, dass Ichigo und somit Details über ihre Unterhaltung nicht Ursache ihres Verhaltens waren. Sie hatte also nichts mitbekommen. Gut. „Vielen Dank für die Nachricht und Ihre Anerkennung meiner Arbeit, Sugiyama-san. Richten Sie ihm bitte aus, dass ich in zehn Minuten in seinem Büro sein werde.“ Die Schwester lächelte scheu, verbeugte sich nach kurzem Zögern, da sie womöglich weitere Anweisungen erwartete, noch kurz vor ihnen und entschwand dann so leise, wie sie gekommen war, durch die Tür, die hinter ihr ins Schloss fiel. 分かり合う時さえ持てない wakari au toki sae mottenai We even have no time to understand each other. „Hältst du mich eigentlich für blöd?“, blaffte Ichigo, sobald die Schwester außer Hörweite war. „Grundsätzlich würde ich diese offensichtlich rhetorische Frage wohl bejahen, aber angesichts der Tatsache, dass du sie tatsächlich ernst zu meinen scheinst, muss ich meine Aussage womöglich doch revidie–“ „Verarsch mich jetzt nicht, Ishida!“, fuhr Ichigo, dessen dunkle Augen zornig funkelten, ihm dazwischen. „Was ist dein Problem, Kurosaki?“, entgegnete der Quincy scharf und erwiderte den Blick ebenso finster. „Du fragst wirklich, was mein Problem ist?!“, wiederholte er wütend gestikulierend. „Meinst du, ich wäre blind oder so doof, nicht zu sehen, dass diese Schwester in dich verknallt ist und du ihr auch noch positive Signale zurücksendest?“ „Meine Worte und Gesten waren lediglich Ausdruck von Höflichkeit, Kurosaki, was dir ja augenscheinlich ein Fremdwort ist“, konterte Ishida harsch, konnte Ichigos plötzlichen Ärger nicht verstehen. „Nur Höflichkeit, ja?“, äffte Ichigo zurück. „Das sah in meinen und offensichtlich auch in ihren Augen aber ganz anders aus.“ „Willst du mir damit etwa unterstellen, ich würde heimliche Avancen gegenüber Schwester Sugiyama hegen, dich hinter deinem Rücken hintergehen und das ausgerechnet mit einer Frau, nur weil ich meinen Untergebenen Respekt entgegenbringe?“ Ein kurzes spöttisches Lachen verließ Ishidas Lippen. „Du machst dich lächerlich, Kurosaki.“ „Ist das so? Ich finde, meine Annahme ist durchaus berechtigt, wenn man bedenkt, wie sehr du mich in letzter Zeit meidest und wie lange du mich jetzt schon auf dem Sofa schlafen lässt!“, erläuterte Ichigo, der nach einer kurzen Pause zu einer weiteren Schlussfolgerung kam. „Vielleicht ist das ja auch der wahre Grund und das mit der Heimlichtuerei in der Öffentlichkeit nur ein Vorwand, um mich trotz allem noch warm zu halten.“ „Du…“ „Schon gut, Ishida“, schnitt Ichigo dem anderen das Wort ab. „Spar dir deine Ausrede…“ Wütend über sich selbst und verletzt wandte sich Ichigo von dem Quincy ab, ließ ihn in der Mitte des Raumes stehen, während er sich der Kaffeemaschine widmete. Wieso tat Ishida ihm das an? Er wusste ja, dass sie beide Probleme hatten, aber dass sich Ishida anscheinend schon nach Alternativen umsah, hätte er am allerwenigsten erwartet. Würde er den Verlauf der Situation objektiv und neutral betrachten, hätte er zwar feststellen müssen, dass seine Beschuldigungen auf unsicherer Grundlage und eigentlich bloßen Mutmaßungen beruhten. Im Moment war er jedoch zu keinem einzigen rationalen Gedanken fähig, spielte sich vor seinem inneren Auge doch immer wieder die Szene der errötenden Schwester und des lächelnden Ishida ab, die sich zärtlich anschauten, aufeinander zugingen und sich schließlich küssten. Ein kleiner Funken seines Verstands schrie, dass er überreagierte und sich etwas einbildete, aber dieser Gedanke war, sobald er Ishidas erste Interaktion mit dieser Frau gesehen hatte, im Keim erstickt worden. Ishida hatte ihm schon des Öfteren eifersüchtiges Verhalten vorgeworfen, ihn aber beschwichtigen können. Doch so sehr er sich auch dagegen sträubte und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, hatte Ichigo es nie abstellen können. Wann immer Ishida gegenüber einer anderen Person – ganz gleich ob Mann oder Frau – „höflich“ war, schaltete sich sein Gehirn automatisch aus, machte er Äußerungen, die er bei Verstand besser unterlassen hätte, und in seinem Kopf wiederholte sich immer und immer wieder nur ein Gedanke: Die fremde Person aus Ishidas Umkreis zu eliminieren. Als ihm Ishida gegenüber dieses Vorhaben einmal herausgerutscht war, hatte dieser seine Aufregung nicht verstanden und ihn für „eindeutig verrückt“ und „paranoid“ erklärt. Aber Ishida sah offensichtlich nicht das, was er sah. Denn genauso wie der andere ihm bereits Jahre zuvor vorgeworfen hatte, blind und taub gegenüber den Gefühlen anderer für ihn zu sein, nahm auch Ishida derartige Offensichtlichkeiten entweder überhaupt nicht wahr oder ignorierte sie. Ichigo hatte Ishidas Selbstbeherrschung und Zurückhaltung stets heimlich bewundert, doch selbst diese mussten irgendwo ihre Grenzen haben und seine Ignoranz zu Fall bringen. Somit blieb für ihn nur der Schluss übrig, dass Ishida wohl schlichtweg nicht realisierte – sei es durch Blindheit oder massive Fehlinterpretation als perfektionierte Form seiner Ignoranz –, was um ihn herum vorging. Nicht, dass er sich selbst ein besseres Aufnahmevermögen diesbezüglich zuschrieb, aber jetzt, wo er all die Leute, die um Ishida herumscharwenzelten, und ihre Absichten erkannt hatte, erschien es ihm unbegreiflich, wie er jemals ebenso unwissend gewesen sein konnte. Denn wirklich, wie konnte Ishida es nicht bemerken oder falsch verstehen, wenn Frauen, sobald er in ihre Sichtweite kam, mit erröteten Wangen und hinter vorgehaltener Hand kicherten und jedes Mal dahinzuschmelzen schienen, wann immer er seine schwarzen Haare aus dem Gesicht strich oder gar seine Brille zurechtrückte? Was um alles in der Welt war so anziehend daran, wie sich Ishida seine Brille auf die Nasenwurzel schob?! Da hatte er – zugegebenermaßen – ganz andere Qualitäten! Noch schlimmer als die Frauen erschienen ihm allerdings diejenigen Männer, die diese Qualitäten wohl ebenfalls erkannt hatten. Ishida war schlichtweg zu attraktiv für sein eigenes Wohl und dass er sich dessen nicht bewusst war oder es zumindest nicht nach außen zeigte, wirkte nur umso anziehender auf andere. Demzufolge wurde Ichigo ein ums andere Mal Zeuge von lasziven Blicken oder als freundschaftlich getarnten Berührungen, deren Bezugsobjekt Ishida war. All dies stank Ichigo gewaltig und gab ihm – wie er fand – einen mehr als nur berechtigten Grund, Ishidas Verhalten und das seiner Mitmenschen ganz genau im Auge zu behalten. Somit war für Ichigo jeder potenziell gefährlich. Nicht, dass er Ishida nicht vertraute oder ihm Böswilligkeit unterstellte, aber er kannte den Quincy lange genug, um zu wissen, dass sich andere seine Eigenarten zunutze machen könnten. Denn Ishidas aus seiner Sicht größte Schwachstelle war seine Höflichkeit. Er begegnete grundsätzlich jedem Menschen mit Respekt und Interesse, was bei dem anderen einen unwiderruflichen falschen Eindruck erwecken konnte. Zwar konnte Ishida bekanntermaßen auch anders und sein Gegenüber mit niederschmetternden Worten vor den Kopf stoßen. Jedoch galt dies nur gegenüber Männern, Frauen hingegen… konnte er einfach nichts abschlagen. Würde Ishida deshalb mit versteckten Annäherungsversuchen konfrontiert werden, ließen es sein Quincy-bedingter Stolz und seine ritterlichen, zutiefst japanischen Tugenden nicht zu, dass er diese Person verletzte, sodass aus seinem Mund niemals ein „Nein“, sondern stets ein indirektes „Vielleicht“ oder schlimmstenfalls sogar ein „Ja“ käme. Im Endeffekt würden die Hoffnungen des anderen um ein Vielfaches steigen, wenn nicht sogar in Erfüllung gehen, wenn Ishida nachgeben und seine eigenen Bedürfnisse vernachlässigen würde, um dessen Wunsch selbstlos zu erfüllen. Erneut flammte die Wut in Ichigos Bauch auf, sodass er zornig die Hände zu Fäusten ballte. Ishida war echt ein verdammter Idiot und er musste es ausbaden! Ichigo sah es schon kommen, dass es der Quincy wirklich irgendwann mit seiner Höflichkeit übertreiben würde und schlussendlich nicht anders könnte, als ihm den Laufpass zu geben, da er sich schon zu sehr in sein Verhalten gegenüber anderen verstrickt hatte. Er konnte sich aber immerhin nicht vorwerfen, dass er Ishida darüber nicht hatte aufklären wollen, aber jeder Versuch war von diesem im Keim als „unfundierter Blödsinn“ erstickt worden. War seine Befürchtung im Endeffekt somit bereits begründet, indem Ishida sich schon längst jemand anderen gesucht hatte? Ichigo hatte sich zwar all die Jahre mit seiner eigenen Erklärung zu beruhigen versucht, dass, solange Ishida bei ihm war, der Ernstfall noch nicht eingetreten war, aber was, wenn sie ihm nur die Augen vor der Wahrheit versperrt und er Ishida schon längst – vielleicht an Schwester Sugiyama – verloren hatte? Was, wenn er ihn nicht mehr… Ichigo konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, verspürte stattdessen ein unerträgliches Stechen in seiner Brust. Der Schmerz wurde mit einem Mal so erdrückend, dass er glaubte, sein Herz würde aussetzen, während jeder Atemzug vergiftete Luft in seine Lungen trieb und sie mit Blei zu füllen schien. Seine Gedanken machten Ichigo schier wahnsinnig, sodass er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass es endlich aufhörte, Ishida ihn einfach in die Arme nehmen und versichern würde, dass er sich keine Sorgen zu machen brauche. Aber nichts dergleichen geschah, Ishida stand einfach da, den Blick unverwandt auf ihn gerichtet, der jedoch keinerlei Regung verriet, sondern… „Du bist wahrhaftig und mit Abstand der größte Idiot, der mir je begegnet ist, Kurosaki.“ Ishidas Stimme durchschnitt die unangenehme Stille mit kalter Präzision und dennoch mit einem Hauch von… Zuneigung? Verwirrt von diesem unterschwelligen Klang in den Worten des anderen vergaß Ichigo gänzlich, auf diese Beleidigung zu reagieren, starrte den anderen stattdessen einfach nur an. „Oder glaubst du tatsächlich, dass mich die Reize des weiblichen Geschlechts in irgendeiner Weise in meinem Verhalten beeinflussen könnten?“ Fragend und mit leichtem Spott hob Ishida eine Augenbraue. „Allerdings“, entgegnete Ichigo, der allmählich seine Fassung wiedergewonnen hatte, überzeugt. „Oder kannst du mir einen anderen Grund nennen, warum du Inoue nichts abschlagen kannst, für Rukia stets neue Kleider nähst und die dir untergebenen Schwestern besser behandelst als die dir gleich- oder höhergestellten Ärzte? Es liegt daran, dass sie Frauen sind und somit Brüste haben!“ „Mitnichten“, verneinte Ishida trocken, verschaffte sich eine kunstvolle Pause, indem er seine Brille elegant auf seine Nasenwurzel schob, während er sich mit der anderen Hand auf einer Stuhllehne abstützte. „Im Gegensatz zu den meisten Vertretern der männlichen Spezies gründen sich meine Taten nicht auf primitivem sexuellen Verlangen und der Verblendung durch die offensichtlichen Reize des anderen Geschlechts, sondern allein auf dem Prinzip der Höflichkeit, Gleichberechtigung und des Respekts. Ich lehne es strikt ab, meine Mitmenschen nach ihrer Geschlechtszugehörigkeit und ihrem Äußeren zu bewerten oder deshalb zu bevorzugen.“ „Du willst mir also weismachen, dass es nichts damit zu tun hat, dass sie Frauen sind?“, fragte Ichigo ungläubig, zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. „In der Tat“, bestätigte der Quincy. „Wie ich anderen gegenüber auftrete, ist deshalb allein abhängig von…“ „Du bist also absolut nicht an Frauen an sich interessiert?“, schlussfolgerte Ichigo misstrauisch, konnte dieser Erkenntnis noch nicht so recht Glauben schenken. „Nein“, meinte Ishida mit einem leicht schnippischen Unterton. „Ist das für dich so überraschend?“ Ichigo überlegte kurz, schüttelte aber daraufhin den Kopf. „Nein, eigentlich nicht… Aber…“ „Dann siehst du doch mit Gewissheit auch den Fehler in deiner Schlussfolgerung ein, die du bezüglich Sugiyama-san und mir geäußert hast.“ Mit einem Schlag war Ishidas Stimme wieder so eisig wie zuvor, als sie Ichigos Worte unterbrochen hatte. „Das ist etwas anderes“, widersprach Ichigo bestimmt, wenn auch nicht überzeugend, sodass Ishidas Widerworte prompt folgten. „Dies ist nichts anderes, Kurosaki! Es ist wider jede Logik, deine Behauptung nach meiner stichhaltigen Argumentation aufrechterhalten zu wollen.“ „Du verstehst das nicht“, wandte Ichigo beschwichtigend ein, doch der Quincy fuhr ihm erneut über den Mund. „Was gibt es da nicht zu verstehen, Kurosaki? Das Einzige, das für mich schlichtweg nicht begreiflich ist, ist deine absolut unbegründete Eifersucht!“ „Ich bin nicht –“ „Eifersüchtig? Mach dich nicht lächerlich. Meinst du etwa, ich würde die Feindseligkeit in deinem Blick und die Veränderung deines Reiatsu, aufgewühlt und getränkt mit Aggression und Zorn, nicht bemerken, wann immer ich anderen lediglich die Hand zum Gruß reiche? Du bist eifersüchtig, Kurosaki, und es erschließt sich mir nicht einmal warum. Habe ich dir jemals hinreichenden Anlass gegeben, mir zu misstrauen?“ Ichigo schüttelte den Kopf. „Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraue, sondern…“ Ichigo verstummte, wusste nicht recht, wie er das Folgende ausdrücken sollte. „Ich vertraue den anderen nicht, da ich weiß, wozu sie in der Lage sind.“ „Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen, Kurosaki“, entgegnete Ishida. „Jaah, das sieht man“, meinte Ichigo sarkastisch. „Du bist total überarbeitet, schiebst eine zusätzliche Schicht nach der anderen und hast wegen des ganzen Stresses bereits sieben Kilo abgenommen! Wenn du dich nicht einmal um deine Gesundheit scherst, bezweifle ich, dass du dich vor anderen Einflüssen schützen kannst.“ „Ich erledige meine Arbeit so, wie es von mir erwartet wird, und komme nur meiner Verantwortung nach. Dein Beschützerinstinkt ist an dieser Stelle unangebracht, Kurosaki.“ „Deine Verantwortung liegt aber ebenso gegenüber dir selbst… und mir! Es pisst mich echt an, dass wir uns kaum noch sehen, obwohl wir im selben Krankenhaus arbeiten und in einer Wohnung leben, Ishida!“, beschwerte sich Ichigo, in dessen Augen sich sowohl Wut als auch Frustration widerspiegelten. Ishida blinzelte irritiert, war sich dieser Tatsache wohl bis gerade eben noch gar nicht bewusst gewesen, und Ichigo meinte, für einen kurzen Moment Schuld und Reue in seinen Augen aufblitzen zu sehen. „Diese Konsequenz lag nicht in meiner Absicht…“, antwortete Ishida mit gedämpfter Stimme und in einer Weise, dass Ichigo wusste, dass er die Wahrheit sagte. „Möglicherweise habe ich in letzter Zeit wirklich zu viel Zeit auf der Arbeit verbracht“, räumte er schließlich ein, woraufhin Ichigo zufrieden nickte. „Ich werde sogleich beim Direktor eine Reduktion meiner Überstunden beantragen, sofern du deine abstrusen und wahnwitzigen Unterstellungen zurücknimmst und es auch in Zukunft unterlässt, überhaupt solche Gedanken und Vermutungen zu entwickeln.“ „Du verlangst von mir im Gegenzug ernsthaft, weniger eifersüchtig zu sein? Ist das deine einzige Sorge?“, fragte Ichigo nach, nachdem Ishida seine merkwürdige Gegenforderung geäußert hatte. „Meine einzige Sorge ist, dass wir daran scheitern, das zu bewahren, wofür wir uns all die Jahre selbst belogen haben, Kurosaki. Und ja, auch Eifersucht kann, wenn sie zu weit geht, diese Folge mit sich ziehen. Um dem vorzubeugen und da sie auf absolut unbegründeten Annahmen und einer fehlerhaften Wahrnehmung der Dinge deinerseits beruhen, erwarte ich – selbstverständlich nicht unmittelbar, aber doch in absehbarer Zeit – deine dauerhafte Abstandnahme von diesen Mutmaßungen und fehlgehenden Vorstellungen.“ „Meinetwegen“, brummte Ichigo nach kurzem Überlegen, auch wenn er wusste, dass es ein schwieriger Weg werden würde, die Forderung des Quincy zu erfüllen. „Aber auf dem Sofa schlafe ich nicht mehr!“ 譲れない yuzurenai I don’t give in. Ishida verdrehte innerlich die Augen, hatte er doch schon damit gerechnet, dass das Thema vom Anfang immer noch nicht begraben war und von Ichigo wieder aufgerollt werden würde. Nichtsdestotrotz konnte und wollte er dem Shinigami seine Forderung nicht abschlagen, denn – was der andere ja nicht zu wissen brauchte – ohne ihn waren die Nächte doch ziemlich einsam und ihr Bett kalt und leer… Natürlich vermisste er Ichigo, ebenso wie Ichigo ihn, doch wiederum verbot es ihm sein Stolz, dies zuzugeben, auch wenn er ahnte, dass der andere dies trotzdem wusste. „Wenn es denn sein muss…“, seufzte Ishida übertrieben laut, konnte aber nicht verhindern, dass sich seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln formten, das Ichigo, der offenbar auf eine derartige Geste gewartet hatte, mit einem breiten Grinsen erwiderte. „Warum nicht gleich so, Ishida? Wenn du von Anfang einsichtig gewesen wärst, hätten wir die ganze unsinnige Diskussion um einiges verkürzen können.“ Ishida schnaubte und fasste sich an seine Brille. „Nur, dass wir uns nicht falsch verstehen, aber dass ich dich aus deinem Exil entlasse, bedeutet nicht, dass ich deiner zugrundeliegenden Forderung meine Zustimmung erteile.“ Offensichtlich verstimmt verdrehte Ichigo die Augen, wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen, doch Ishida fuhr unbeirrt fort. „Trotzdem finde ich, dass wir trotz einiger Umwege wichtige Themen behandelt und essentielle Grundsätze geklärt haben. Demnach halte ich diese Diskussion weder für zeitraubend noch für unsinnig, sondern für eine notwendige Entwicklung von herausragender Bedeutung für –“ „Halt die Klappe, Ishida“, unterbrach Ichigo genervt seine Erläuterungen. „Kurosaki, es ist unhöflich, den Gesprächspartner zu unter–“ Doch weiter kam Ishida nicht. Ichigo hatte den Raum zwischen ihnen mit zwei raschen Schritten geschlossen, mit seiner einen Hand die seine ergriffen und ihn zu sich herangezogen, ehe Ishida die kühle Wand in seinem Rücken und Ichigos stürmische Lippen auf seinen spürte, die ihn zum Schweigen gebracht hatten. Mit seiner anderen Hand fasste er halb zärtlich, halb besitzergreifend in seinen Nacken und drückte ihn mit einer solchen Kraft an seinen bebenden Körper, dass es für Ishida kein Entkommen gab. Er war gefangen zwischen dem kalten Stein und Ichigos heißem Leib, seinen weichen Lippen, die die seinen in einen feurigen Kuss verwickelt hatten. Doch Ishida wehrte sich nicht, versuchte nicht einmal, Ichigos festem Griff zu entkommen, auch wenn in seinem Verstand die Alarmsirenen schrillten und ihn dazu bewegen wollten, Ichigo von sich zu stoßen und somit die von ihm ausgehende Gefahr für ihr Geheimnis zu bannen. Stattdessen genoss er den Kuss, erwiderte ihn sogar und vergaß alle Sorgen, ihren Streit und jegliches mit ihm verbundene Risiko. Ihm war bis zu diesem Augenblick nicht bewusst gewesen, wie sehr ihm Ichigos Nähe wirklich gefehlt hatte, wie sehr sein Körper und auch seine Seele nach seiner Zuneigung verlangt hatten, sodass er nicht anders konnte, als sich ob all der Entbehrungen vollends diesem einen Moment hinzugeben. Die Welt schien an ihnen vorbeizuziehen, eine halbe Ewigkeit verging, in der nur sie beide zählten, die Zeit ein dehnbares Kontinuum war und in ihr nichts existierte als ihre vereinten Münder, ihre ineinander verschlungenen Hände und ihre Herzen, schlagend im gleichen Takt. Wenn Ishida, obwohl er an derart mystische Vorstellungen nicht glaubte, das Paradies beschreiben müsste, dann wäre es wohl dieser eine Moment… mit Ichigo. „Krm krm.“ Ishida blieb das Herz stehen. Schweiß brach auf seiner Stirn aus, sein Körper schien ihm nicht mehr zu gehorchen und sein Verstand setzte aus, sodass er sogar das Atmen vergaß. Das kurzzeitige Bild vom Paradies zerbarst, hinterließ nichts als Leere und die Gewissheit, dass ihr Leben nun vorbei war. Direkt vom Himmel in die Hölle. Er musste nicht erst seinen Kopf drehen, um zu wissen, wer dort in der Tür stand. Der tadelnde Unterton in dessen Räuspern war unverwechselbar und ließ nur einen möglichen Schluss zu, den allerschlimmsten. „Unpünktlichkeit ist keine Tugend, Uryuu. Die zehn von dir angegebenen Minuten sind bereits seit über sechs Minuten verstrichen.“ Übelkeit und Schwindel erfassten Ishida, ließen nur ein Gefühl der Ohnmacht zurück. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, nahm die Worte bloß am Rande seines Bewusstseins wahr. Lediglich ein gemurmeltes „Scheiße…“ von Ichigo sowie den Klang seines Namens, der ihn aus seinem apathischen Zustand riss, drangen zu ihm durch, während ein Satz immer und immer wieder in seinem Kopf kreiste: Jetzt war alles aus. „Ryuuken, ich…“, setzte Ishida mit versucht fester Stimme an, die Augen auf den Direktor gerichtet, doch dieser unterbrach ihn. „Nun, wie ich sehe, bist du beschäftigt.“ Mit abschätzendem Blick schien sein Vater die sich ihm bietende Situation aufzunehmen. „Allerdings ist es weder zweckmäßig noch angesichts der Tatsache, dass dies ein Krankenhaus ist, in dem ihr eurer beruflichen Beschäftigung nachgeht, angebracht, in der von mir bezahlten Arbeitszeit euren Dienst nicht zu verrichten oder zumindest die zur Verfügung gestellte arbeitsfreie Zeit zur Erholung zu nutzen und nicht zu…“ Es folgte eine Pause, in der Ryuuken wohl nach der treffendsten Beschreibung suchte. „…körperlich erschöpfenden Tätigkeiten.“ Als ob er jegliche Beherrschung über seine Gliedmaßen verloren hätte, fielen Ishidas Arme, die noch auf Ichigos Rücken geruht hatten, erschlafft zu seinen Seiten, während er unverwandt in die eisig blauen Augen seines Vaters blicke, die wie gewohnt jeglicher Emotion und Reaktion entbehrten. Sie waren aufgeflogen… Ryuuken mochte sich zwar äußerlich nichts anmerken lassen, doch er hatte ohne Zweifel genug gesehen, um die Konsequenzen zu ziehen, die Ishida seit jeher gefürchtet hatte. Ichigo und er würden ihre Stellen verlieren, ihren Ruf… und da Ichigo sich schlussendlich die Schuld dafür geben, sich selbst dafür verachten und Ishida nicht mehr in die Augen würde sehen können, auch einander. All das, wofür er gekämpft und was er versucht hatte zu bewahren, war von einer Sekunde auf die andere zunichte gemacht worden. Mit Sicherheit würde ihnen Ryuuken als Direktor noch im nächsten Augenblick und mit sofortiger Wirkung ihre Kündigungen aussprechen und sie vor den Augen aller vor die Tür setzen. Doch der Moment verstrich, Worte der Missbilligung und Suspendierung unterblieben. Ishida blinzelte irritiert. Wieso sagte Ryuuken nichts? Misstrauisch fixierte er sein Gegenüber, während Ichigos Blick zwischen ihm und dem Direktor wechselte, er sich offenbar ebenso wenig die Situation erklären konnte wie er. Nach einer schier endlosen Stille brach Ryuuken schließlich mit einem dumpfen Räuspern sein Schweigen. „Nun… Da du dich bereits verspätet hast und deine Pause…“ – Ryuuken warf einen kurzen Blick auf den Aushang – „… seit exakt sechs Minuten beendet ist, besteht kein Grund, die Ausarbeitung des neuen Dienstplans, wegen der ich deine Anwesenheit erbeten habe, weiter aufzuschieben. Die Besprechung der Details erfolgt in meinem Büro.“ Ishida nickte nur stumm, war zu mehr nicht in der Lage, konnte sich immer noch nicht erklären, was das alles sollte. Wollte sein Vater ihn etwa nicht an Ort und Stelle entlassen, sondern in seinen offiziellen Räumen? Das Ganze lief überhaupt nicht so, wie er sich das schlimmste Szenario ausgemalt hatte. Ryuukens Taten und Absichten waren schlichtweg undurchschaubar und hatten ihn wahrlich auf dem falschen Fuß erwischt. Der Ausgang der Situation war für ihn nicht mehr absehbar, was es ihm unmöglich machte, sich auf das Kommende vorzubereiten. Ishida hasste Überraschungen und somit alles, was er nicht bis ins letzte Detail vorausplanen konnte. Solche Momente nährten in ihm die Unsicherheit und raubten ihm jeglichen Schutz. Und da sein Vater es stets verstand, diese Karte durch seine Unberechenbarkeit auszuspielen, hatte sich ihr Verhältnis zueinander niemals wirklich erwärmen können. Ihm waren somit die Hände gebunden, sodass ihm keine andere Option blieb, als sich der Aufforderung seines Vaters zu fügen. Nichtsdestotrotz empfand er eine Spur der Erleichterung darüber, dass Ryuuken wohl zumindest Ichigo verschonen würde, an den er immerhin noch kein Wort gerichtet hatte. „Und Kurosaki…“ Ishida schluckte. So viel dazu… Er konnte nur hoffen, dass Ichigo, der sich seit Ryuukens Erscheinen nicht einmal gerührt, sondern ihren Worten nur stumm gelauscht hatte, das Kommende der Situation angemessen entgegennehmen und nicht inadäquat reagieren würde… „Deine Anwesenheit wird in der Notaufnahme erwartet“, beendete Ryuuken den Satz in monotoner Gleichgültigkeit. Ungläubig starrte Ishida seinen Vater an. Das… Das sollte es gewesen sein? Eine schlichte Aufforderung zur Arbeitsaufnahme? Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit… nichts. Sein Blick traf den Ichigos, dem seine Verwirrung ebenfalls offen im Gesicht stand und der daraufhin nur leicht mit den Schultern zuckte, sich aber endlich aus seiner Starre gelöst hatte, ihn losließ und einen angemessenen Abstand von ihm einnahm. Allerdings hatte er entweder immer noch nicht seine Sprache wiedergefunden, wusste nicht, was er sagen konnte, ohne ihre Situation zu verschlimmern, oder wollte ihm das Reden überlassen. Ishida war sich bewusst, dass es klüger wäre zu schweigen, da er die Antwort ohnehin nicht hören wollte, doch die Frage ließ ihm keine Ruhe, ließ ihn an nichts anderes mehr denken, sodass er es schlussendlich nicht mehr aushielt: „Wirst du uns denn nicht entlassen?“ Scheinbar irritiert hob Ryuuken eine Augenbraue. „Aus welchem Anlass?“ „Ich… Wir… Was du gesehen hast…“ Vergeblich versuchte Ishida, einen vernünftigen Satz zustande zu bringen und verfluchte sich innerlich für sein Versagen, das ihn vor seinem Vater und Ichigo so schwach und hilflos erscheinen ließ, wie er sich fühlte. „Ist dies denn dein Wunsch?“, erwiderte Ryuuken in monotonem Tonfall, schaute dabei abwechselnd die beiden jungen Ärzte an. „Nein!“, entgegnete Ishida vehement, hatte für einen kurzen Augenblick das Selbstbewusstsein in seiner Stimme wiedergefunden. „Ich dachte nur…“ „Wenn die aktuelle Gegebenheit Veranlassung für eine Kündigung gäbe, hätte ich sie schon unlängst ausgesprochen“, fuhr ihm Ryuuken dazwischen. Ishida stockte, war sich nicht sicher, ob er seinen Vater soeben richtig verstanden hatte. Hieß das etwa, dass…? „Du weißt es also schon länger“, wollte Ishida seine Vermutung bestätigt haben. „Es war offensichtlich“, antwortete Ryuuken schlicht, ohne jegliche Regung in der Stimme oder Mimik. „Wie lange?“, bohrte Ishida nach, war sich jedoch nicht sicher, ob er die Antwort wirklich hören wollte. Sein Vater kannte ihr Geheimnis seit… wer weiß wie lange und hatte sich nicht einmal etwas anmerken lassen. Sollte das im Endeffekt sogar bedeuten, dass er sich damit abgefunden, es vielleicht überdies akzeptiert hatte und seine Sorgen diesbezüglich all die Jahre umsonst gewesen waren? Er hatte Ryuuken nie unterschätzt, aber die Tatsache, dass dieser sein und Ichigos Geheimnis trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen so einfach gelüftet hatte, machte Ishida wütend auf sich selbst. Ryuuken beendete seine Gedanken, indem er, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen, antwortete: „Seit dem Verlust deiner Kräfte als Quincy.“ Ishida fiel beinahe die Kinnlade hinunter und aus den Augenwinkeln sah er, dass auch Ichigo stutzte. Denn obwohl sie bereits seit so vielen Jahren zusammenlebten, hatte er dem Shinigami nie alles erzählt, insbesondere nicht, wie lange er sich schon Ichigos Aufmerksamkeit erhofft hatte, während dieser ihn noch nicht einmal wahrgenommen hatte. Wie hatte sein Vater also schon zu diesem Zeitpunkt bemerken können, was für den Shinigami erst Jahre später erkennbar war? Dass diese Information nun doch an Ichigo gelangt war, würde dieser nun unter Garantie dazu nutzen, ihm dies bei jeder Gelegenheit unter die Nase zu reiben. „Aber damals…“, setzte Ishida deshalb irritiert an, doch Ryuuken schnitt ihm das Wort ab. „Aus welchem Grund hätte ich dir sonst jeglichen Kontakt zu den Shinigami untersagen sollen, wenn nicht, um dich von Kurosaki fernzuhalten und wieder zur Besinnung zu bringen? Nachdem du jedoch dein Wort gebrochen hattest und ihm nach Hueco Mundo gefolgt warst, war es eindeutig, dass weitere erzieherische Maßnahmen ebenfalls ergebnislos bleiben würden. Dein Leben lag nicht länger in meiner Verantwortung und deine Taten sind mir auch heute gleichgültig, solange du deine Pflichten erfüllst.“ „Hab ich doch gesagt, dass es deinem Vater schnuppe ist“, schaltete sich plötzlich Ichigo ein, der es nun als sicher empfand, sein Schweigen zu brechen, und Ishida mit siegessicherem Grinsen demonstrierte, dass er Recht gehabt hatte. „Das tut hier nichts zur Sache, Kurosaki“, schalt ihn Ishida, dessen Finger seine Brille auf die Nasenwurzel schob und somit dafür sorgte, dass seine Augen hinter der Reflektion der Gläser verschwanden. „Ist doch jetzt auch egal“, winkte Ichigo ab, konnte sich das Zucken seiner Mundwinkel jedoch nicht verkneifen. „Egal ist allein deine Meinung zu dieser Angelegenheit, Kuro–“ „Der Dienstplan, Uryuu“, fuhr Ryuuken Ishida erneut dazwischen, was Ichigo innerlich schmunzeln ließ. Ishida ließ sich schließlich von absolut niemandem herumkommandieren oder das Wort abschneiden, ohne dass derjenige es bitter bereute, doch gegen seinen eigenen Vater schien er machtlos. „Und auch dir empfehle ich, dich möglichst zeitnah in der Notaufnahme einzufinden, Kurosaki“, fuhr der Direktor an ihn gewandt fort. „Mir sind bereits Beschwerden über einen Patienten herangetragen worden, der auf deine Behandlung besteht und in der Zwischenzeit die Schwesternschaft terrorisiert. Der kürzeste Weg dorthin führt ebenfalls zu meinem Büro.“ Mit diesen Worten wandte sich Ryuuken von den beiden ab, signalisierte ihnen somit unmissverständlich, dass sie ihm ohne Widerworte folgen sollten. Ichigo zuckte kurz mit den Schultern, was Ishida mit einem knappen Nicken erwiderte. Beide wussten, dass das Thema noch nicht vom Tisch war, aber Ryuukens Anweisungen waren eindeutig und sollten besser befolgt werden… 悩んでいる時間なんかない nayandeiru jikan nanka nai There is no time to worry. Bereits am anderen Ende des Flurs schlug ihnen der ohrenbetäubende Lärm aus der Notaufnahme entgegen. Schwestern und andere Verletzte, soweit sie konnten, flüchteten oder versuchten den aufgebrachten Patienten zu beruhigen, was aber offensichtlich nicht gelang, ihn stattdessen nur anzustacheln und sein Geschrei noch zu potenzieren schien. „Neeeeein! Ich weigere mich! Ich will nur von Kurosaki Ichigo behandelt werden! Holen Sie ihn oder ich mache das hier…“ Es folgte das Geräusch einer durch Menschen nachgeahmten Autoalarmanlage, nervig, schrill und… unverwechselbar. Ichigos Instinkte rieten ihm zu fliehen, solange er noch konnte, aber mit Ryuuken, der ihn immer noch jederzeit feuern konnte, und Ishida, der ihn wegen seiner mangelnden Professionalität sonst noch wochenlang aufziehen würde, im Schlepptau war dies unmöglich und er dem Geschehen bereits so nah, dass er vom Insassen des Zimmers, aus dem der Krach kam, bereits entdeckt wurde. „ICHIGO!!! DA, DA IST ER!!!“ Er wedelte stürmisch mit der Hand und wippte aufgeregt auf seiner Liege herum. Ichigo wünschte sich hingegen nur, sich jetzt einfach in Luft auflösen zu können, was jedoch nicht geschah. „KOMM HER, MEIN JUNGE, UND VERARZTE DEINEN ARMEN VERLETZTEN VATER!!!“ „Kurosaki…“, flüsterte Ishida bei dem Lärm unnötigerweise leise, „ist das…“ „Ja… leider…“, seufzte Ichigo, dessen nächster Schritt durch die Tür sich anfühlte wie der letzte vor seiner Hinrichtung. Doch noch ehe er ein Grummeln als Begrüßung äußern konnte, hatte Isshin bereits seine Begleitung erblickt. „Ryuuken, mein Lieber, und Uryuu, was für eine freudige Überraschung! Kommt doch herein und leistet unserem kleinen Familientreffen Gesellschaft!“ Isshin überschlug sich fast vor Begeisterung, Ryuuken und Ishida sahen jedoch eher so aus, als würden sie sich lieber erhängen. Ichigo musste deshalb handeln, bevor sich die beiden aus dem Staub machen und ihn somit mit dem Verrückten allein lassen konnten… Es bedurfte dabei eines Kompromisses, den selbst sie nicht ablehnen konnten: „Wenn du dann endlich die Klappe hältst…“, stellte Ichigo die Bedingung, die Isshin mit einem überschwänglichen Nicken und strahlenden Augen annahm. Ishida und Ryuuken sahen sich geschlagen und schlossen nach kurzem Zögern um der Ruhe willen die Tür hinter sich. „Also, Vater, wo tut es denn weh?“, seufzte Ichigo, fuhr sich, um seine Nerven zu beruhigen, mit der Hand durch die Haare. So viel Stress an einem Tag und dann auch noch das… Was auch immer er verbrochen haben mochte, aber das hatte er nicht verdient… „Hier…“, antwortete Isshin und zog einen Schmollmund, während er auf seine Stirn zeigte, auf der eine enorme Platzwunde zu sehen war. Irgendwo hatte er das doch heute schon mal gesehen… „Und hier“, fügte er noch hinzu und zeigte auf sein Herz. „Du hast mich zwei Tage nicht angerufen. Mein Herz ist gebrochen.“ Eine Träne kullerte seine Wange hinunter. „Lass den Schwachsinn, Vater, deshalb sind wir nicht hier!“ Eine harte Faust auf Isshins Kopf sorgte vorerst für Ruhe, auch wenn die Blutung besorgniserregend zunahm. „Deine Schläge sind noch besser geworden, Karin“, nickte Ichigo anerkennend. „Mit so einem Vollidioten zuhause ist das auch notwendig“, erklärte Ichigos Schwester, legte ihren in sich zusammengeklappten Vater mit dem Oberkörper zurück auf die Liege. „Was ist passiert?“, fragte Ichigo weiter, während er sich daran machte, die Wunde zu versorgen. Karin schnaubte. „Das Übliche. Er wollte ein Buch aus der höchsten Reihe seines selbst gebastelten Schranks holen, der bei der Aktion umgefallen ist und ihn unter sich begraben hat. Nichts Wildes also. Er hat jedoch keine Ruhe gegeben, ehe ich ihn nicht hierher gebracht habe.“ „Was bitteschön ist deine Definition von ‚Ruhe‘?“, warf Ishida irritiert ein. „Yuzu war nicht zuhause und da ich sein Gejammer nicht allein ertragen wollte, habe ich seinem Betteln irgendwann nachgegeben… drei Stunden Blutverlust taten ihm dann doch nicht so gut…“ „Oh“, machte Ishida nur, eine Mischung aus Mitleid und Erkenntnis. „Jedenfalls wollte er eigentlich nur hierher, um…“ „… um dich und deinen Uryuu zum Abendessen nächsten Freitag einzuladen! Denn Freitag ist Familientag!“, brüllte Isshin, dessen Bewusstlosigkeit nicht annähernd so lange gedauert hatte wie erhofft, wie auf Kommando und strahlte dabei über beide Ohren. Ichigo hingegen beäugte seinen Vater misstrauisch und hob fragend eine Augenbraue. „Meinen Uryuu?“ „Natürlich, wen denn sonst?! Oder meinst du, Papa wüsste nicht, dass sein Ichigo mit dem Sohn seines alten Kumpels geht? Nicht wahr, Ryuuken?“ „Lass mich da raus.“ Die Welt um Ichigo schien mit einem Mal in Zeitlupe an ihm vorbeizuziehen, während sich seine Gedanken überschlugen. Sein Vater wusste also von allem… Aber woher? Hatte Ryuuken es ihm erzählt? Absolut ausgeschlossen… Nur woher dann? Nun, zumindest erklärte das die schräge Karte zu seinem 24. Geburtstag letztes Jahr, in der er ihm viel Glück für sein weiteres „ZUSAMMENleben ;D“ mit Ishida wünschte, sowie den Jahresvorrat an Kondomen, den er als Geschenk erhalten hatte… Aber noch viel mehr als diese Frage störte ihn die Tatsache, dass ihre beiden Väter von ihnen gewusst und doch nichts gesagt hatten und sie somit wegen nichts und wieder nichts ihre Beziehung all die Jahre auf Ishidas Verlangen hin geheim gehalten hatten. „Dann war also alles völlig umsonst?!“, donnerte Ichigo und schickte Ishida einen todbringenden Blick. „Dieses ganze Versteckspiel, die Tatsache, dass du mich vom Bett auf die Couch verbannt hast, die –“ „Keine weiteren Details, Kurosaki“, forderte Ryuuken. „Wieso habt ihr auch nie den Mund aufgemacht, huh? Das hätte uns echt eine Menge erspart“, richtete Ichigo seine Wut nun gegen ihre Väter. „Ryuuken und ich hatten vereinbart, dass wir warten, bis ihr es uns aus freien Stücken selbst erzählt“, erklärte Isshin beschwichtigend, wartete auf die Bestätigung Ryuukens. „Ich habe diesem Vorschlag nie zugestimmt…“ „Ach, hab dich nicht so, alter Freund. Ist es nicht schön, dass sich unsere Söhne gefunden haben, ihr Leben miteinander teilen wollen und wir somit alle eine große, glückliche Familie sind?“ Isshins nahezu verliebter Blick jagte Ichigo eisige Schauer über den Rücken und auch Ryuuken schien alles andere als angetan von dieser Idee. „Unglaublich…“, äußerte Ryuuken nur, jedoch mit einem missbilligenden Unterton in der Stimme, während die Blicke aller anderen ungläubig auf Isshin gerichtet waren. „Wie dem auch sei“, überging Isshin den faden Kommentar seitens Ryuuken. „Nächste Woche um Punkt sieben Uhr abends erwarte ich euch. Wehe, ihr kommt nicht, ich weiß, wo ihr wohnt!“ „Bloß das nicht…“, stöhnte Ichigo genervt, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie hatten es geschafft… Zumindest diese Hürde war genommen, die größte Last von seinen Schultern gefallen. „Wir werden pünktlich da sein“, fügte Ishida, in dessen Augen Ichigo ebenfalls Erleichterung sehen konnte, nach einem kurzen Räuspern hinzu. „Dann ist ja alles klar“, kommentierte Isshin freudestrahlend. „Jetzt muss nur noch die Blutung…“ Doch weiter kam er nicht, da Karin ihn erneut bewusstlos geschlagen hatte. „So, endlich Ruhe.“ 生き様の 美学 ikizama no bigaku The aesthetics of the way of life. „Nun, schlussendlich war es doch ein erfolgreicher Tag, meinst du nicht?“, fragte Ichigo, während er hinter sich die Tür aufhielt und Ishida ebenfalls das Krankenhaus verließ. „Wenn du das sagst…“ „Jetzt sei nicht so, Ishida! Immerhin müssen wir uns nicht mehr verstecken, da unsere Väter eh schon von uns wissen, wir haben – wie du früher am Tag festgestellt hast – wichtige Punkte geklärt und am besten von allem: Ich muss nicht mehr auf dem Sofa schlafen!“ „Vielleicht überlege ich es mir noch mal…“, meinte Ishida nachdenklich, woraufhin er Ichigos Ellenbogen in seinen Rippen fühlte. „Wenn du das ernst meinst, gibt es einen Monat keinen Sex mehr“, drohte Ichigo, schaute dem anderen finster in die Augen. „Um mich mache ich mir da keine Sorgen…“, entgegnete Ishida lässig. „Ja klar, warum auch“, entgegnete Ichigo mürrisch und ergriff im selben Moment die Hand des anderen. „Was soll das werden, Kurosaki?“ Erschrocken wollte Ishida seine Hand aus der des anderen ziehen, was jedoch fehlschlug. „Ich halte deine Hand, was denn sonst?“, antwortete Ichigo betont unwissend. „Hör auf, mich zum Narren zu halten, Kurosaki. Du weißt, dass ich das nicht…“ „Entspann dich mal, Ishida. Wenn selbst unsere Väter uns nicht den Kopf abreißen, was soll noch großartig passieren? Also halt die Klappe und lauf einfach weiter.“ „Du zerquetschst meine Hand, Kurosaki…“ „Du läufst sonst noch weg“, erklärte Ichigo mit einem schelmischen Grinsen, das Ishida erwiderte. „Besser wär’s…“ „Ich liebe dich auch, Uryuu.“ Ishida schnaubte, doch selbst das konnte Ichigos Stimmung nicht trüben. Denn ganz gleich, wie verschieden ihre Vorstellungen von ihrer Beziehung auch waren, ganz gleich, wie häufig und heftig sie sich auch stritten, und ganz gleich wie ihre Zukunft auch miteinander aussehen mochte, war es von Anfang an töricht und gefährlich gewesen, sich aufeinander einzulassen. Und doch bereute Ichigo es keine Sekunde, denn mit Ishida an seiner Seite verbrachte er selbst in den dümmsten Momenten die glücklichste Zeit seines Lebens. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)