Die Rückkehr von Baph ================================================================================ Kapitel 3: Althors Geschichte - 1 --------------------------------- Als er die Plattform verlassen hatte und am Fuße des Turmes in der frischen Luft stand, atmete Heron einige Male tief aus und ein, dann machte er sich auf den Weg. Der grüne Ring, der sich um Lukians Turm legte, war weniger ein Park als eine Wildnis, ein urtümlicher Wald aus hoch aufstrebenden, schlanken Bäumen mit silbrig glänzenden Stämmen. Es gab keine Wege oder gar Straßen die hindurch führten, und Lukian erlaubte nicht, dass man den Wald anders als zu Fuß durchquerte. Heron war jedes Mal heilfroh, wenn er den Fuß wieder auf den weißen Stein zu setzen, mit dem die Weiße Stadt gepflastert war, ohne dass er sich im Dämmerlicht zwischen den schmalen Stämmen verirrt hatte. Er hielt einen Moment inne und genoss die freie Sicht, die sich ihm durch die geraden, symmetrischen Straßen der Stadt bot, die kontrollierte Natürlichkeit der einzelnen Bäume, die in regelmäßig angelegten Beeten zwischen Blumen wuchsen, die in symmetrischen Mustern gepflanzt waren. Alles war ordentlich und gleichmäßig und vor allen Dingen kontrolliert – ganz anders als die Wildnis, mit der Lukian sich umgab. Er beschloss, den Weg nach Hause zu Fuß zurück zu legen. Die Bewegung würde ihm dabei helfen, den Eindruck von Lukians überwältigender Gegenwart ein wenig zurück zu drängen. Als Heron sich gewaschen und Alltagskleidung angezogen hatte, brach draußen bereits die lichte Dämmerung eines Hochsommertages an. Es war spät, sicher schon nach neun, aber das Haus der Heilung würde die ganze Nacht geöffnet sein. Ob er Althor noch einen Besuch abstatten sollte? Aber, um ehrlich zu sein, waren Althors Worte, mit denen er sich von ihm verabschiedet hatte, ihm mit der Zeit immer ernster vorgekommen. Lukian hatte Recht; es sah tatsächlich alles danach aus, als wäre Althor der Brandstifter, den sie suchten. Seine Worte waren einem Geständnis ziemlich nahe gekommen. Aber es gab noch mehr als genug offene Fragen. Wie hatte er die Feuer gelegt? Nirgendwo waren Spuren von Öl oder Treibstoff oder brennbaren Chemikalien gefunden worden – abgesehen davon, dass ein Bürger der Klasse B an so etwas kaum jemals herangekommen wäre. Er machte sich auf den Weg und genoss die laue Abendluft. Hier unten war von dem bitteren Geruch, den der Wind zu Lukians Gemächern hinauf getragen hatte, nichts mehr zu spüren. Das klare Wasser in den Kanälen murmelte leise, und in den Bäumen, die beiderseits der breiten Allee wuchsen, sangen Vögel. Heron blickte sich um und war zufrieden. Die Weiße Stadt war sein zu Hause. Sie war schön; sie war ein Juwel der Ordnung inmitten einer chaotischen Welt. Hinter den Stadttoren lag eine graue Wüste, die sich über tausende von Meilen erstreckte, aber davon war hier nichts zu sehen oder zu spüren. Als er das Haus der Heilung erreichte, glommen gerade die Lichter in den Bäumen auf, die während der Nacht die Straßen beleuchteten. Er betrat den Komplex durch eine kleine Seitentür, die ihn über eine Treppenflucht nahe zu Althors Zimmer brachte. Er nickte der Wache vor der Tür zu, die erschrocken Haltung annahm, als er um die Ecke bog, und betrat das Zimmer. Es war dämmrig, denn Althor hatte kein Licht eingeschaltet. Aber ein Rascheln vom Bett verriet Heron, dass er noch wach war. „Althor? Ich habe noch einige Fragen an Sie.“ „Fragen Sie. Und dann verschwinden Sie und kommen Sie nicht zurück. Es ist viel zu gefährlich.“ Heron tastete sich zu seinem Bett vor, die Fingerspitzen an der Wand. „Was meinen Sie damit?“ Am Bett klickte es, und die kleine Nachttischlampe glühte auf. Ihr Schein spiegelte sich in Althors Augen. „Ich bin gefährlich. Sie müssen sich von mir fernhalten.“ Heron erreichte das Bett und ließ sich auf den Stuhl daneben sinken. Althor hatte ihm das Gesicht zugewandt und starrte ihn an. Sein Gesicht war nicht mehr ganz so eingefallen wie vor zwei Tagen, seine Haut nicht mehr ganz so grau, und sein rotes Haar nicht mehr ganz so glanzlos. Das Geschwür an seiner Stirn begann, zu heilen. Sogar seine Stimme klang etwas kräftiger. Die Ahnung von atemberaubender Schönheit, die ihn schon beim letzten Mal erfasst hatte, überfiel ihn wieder, heftiger und eindringlicher als zuvor. Mühsam unterdrückte er einen Schauder, und als er sprach, klang seine Stimme unbewegt. „Also schön, Althor. Sie können wirklich nicht erwarten, dass ich ihre Andeutungen verstehe. Sie müssen mir mehr erzählen.“ Althors Blick verdüsterte sich, und er wandte sich ab. „Wollten Sie mir nicht Fragen stellen?“ Heron seufzte. Sollte er darauf bestehen, dass Althor seine Anspielungen erklärte? Nein, die Fragen hatten eindeutig Vorrang. Althor mochte seltsam sein, aber selbst wenn er der Brandstifter war, wurde er bewacht und konnte niemandem Schaden zufügen. „Ja. Machen wir es kurz und schmerzlos: haben Sie die Brände gelegt?“ Althor wandte ihm sein Gesicht wieder zu und fixierte ihn wieder mit diesem Blick – eindringlich, ja, aber auch mehr als das – großäugig; und darin lag eine Mischung aus Argwohn und... Hoffnung? „Ja, das habe ich wohl. Es würde für Sie zumindest keinen Unterschied machen.“ Heron seufzte abermals. Ja, seine Verdächtigen waren wirklich die Verrücktesten. „Ich fürchte, das müssen Sie mir erklären.“ Althor wendete den Blick nicht von ihm ab. „Muss ich?“ Heron stand auf und trat ans Fenster. Er blickte genau auf Lukians Turm. „Ja, das müssen Sie. Ich bin angehalten worden, in dieser Sache keine Unklarheiten zuzulassen.“ Das war eine glatte Lüge. Lukian wollte einen Schuldigen und keine langwierige Untersuchung, daran hatte er bei ihrem letzten Treffen keine Zweifel gelassen. Heron fragte sich, warum er es sich nicht so einfach machte wie der Senatsoberste. Althor lachte auf. „Und Sie persönlich haben natürlich überhaupt kein Interesse daran.“ Heron drehte sich zu ihm um; langsam, um die Zeit zu haben, sein Gesicht regungslos zu machen. „Ich mache meine Arbeit.“ Althor erwiderte seinen Blick finster, aber dann blickte er plötzlich hinab auf seine knochigen Hände, die regungslos auf der Bettdecke lagen. „Natürlich. Entschuldigen Sie, ich bin Ihnen zu Nahe getreten.“ Heron holte tief Luft. „Schon gut. Hören Sie, Althor, sie müssen mir helfen. Wenn Sie wirklich wollen, dass ich Ihnen fernbleibe, dann erzählen Sie mir Ihre Geschichte. Um so besser Sie mit mir zusammenarbeiten, um so eher sind Sie mich wieder los.“ Althor antwortete ihm, ohne aufzublicken. „Ich will Sie nicht loswerden. Ich habe Sie gern um mich, und genau deswegen dürfen Sie nicht mehr kommen. Ich will nicht, dass Ihnen etwas zustößt.“ Er hob die Hand, als Heron etwas sagen wollte. „Sie haben Recht, ich muss Ihnen wohl Einiges erklären. Seien Sie nur so gut und füllen Sie den Krug wieder mit Wasser. Trotz dem hier...“ er tippte gegen den schmalen durchsichtigen Schlauch, der in seiner Vene verschwand und ständig Flüssigkeit und Nährstoffe in seinen Blutkreislauf tropfen ließ, „...trotz dem hier macht Reden mich immer noch sehr durstig.“ Heron lächelte und erhob sich. „Das mache ich gern. Und danach erzählen Sie mir Ihre Geschichte.“ Althor blickte zu ihm auf, und seine rissigen Lippen teilten sich zu einem schmerzhaften Lächeln. „Ich danke Ihnen.“ Als Heron zurück war, füllte er Althors Glas, das auf dem Nachttisch stand, mit Wasser und stellte den Krug daneben ab. Für sich selbst hatte er einen Kaffee aus dem Automaten geholt, der scheußlich schmeckte wie immer. Trotzdem verschaffte ihm bereits der erste Schluck eine merkwürdige Befriedigung. Er stellte den Pappbecher neben das Wasserglas und den Krug, schlug die Beine übereinander und nickte Althor zu. Böse Stelle zum Aufhören? Ja, finde ich auch... Deswegen lad ich auch den zweiten Teil dieses Kapitels hoch ^___^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)