Insanity von woaini (Sasu/Naru) ================================================================================ Kapitel 7: Grau --------------- Kapitel 7 Grau Der nächste Tag ist grau. Das Wetter ist beschissen. Es stürmt und weht. Trotzdem sitze ich wieder neben dem Schwarzhaarigen und lese Zeitung. Es ist ein Ritual geworden. Wenn ich morgens komme, wartet er scheinbar auf mich und legt mir die Zeitung hin. Ich freue mich. Aber ich mag immer weniger die Zeitung lesen. Wir sitzen schließlich nur da, lesen Zeitung. Wir reden nicht. Nur das Rascheln der Zeitung ist zu hören. Gesprochen hat er auch nicht mehr. Vielleicht habe ich die falschen Fragen gestellt. Er beachtet mich auch nicht immer. Ich kriege nicht die Aufmerksamkeit, die ich unbedingt haben will. Und das frustriert mich. „Sasuke, warum liest du eigentlich immer Zeitung?“, frage ich ihn irgendwann. Er reagiert nicht, liest in Ruhe die Börsennachrichten weiter. Grummelnd werfe ich mich auf sein Bett und seufze laut. Er soll mich bemerken. Er soll mit mir reden. „Regnet es draußen?“, fragt er irgendwann, liest aber weiter. Irritiert sehe ich ihn an. Wieso will er das wissen? „Steht das nicht in deiner tollen Zeitung?“, frage ich leicht eingeschnappt und umarme sein Kissen. Ich höre es rascheln. Langsam dreht er sich zu mir und sieht mich strafend an. Nicht, dass sein Gesicht sich groß verzogen hatte, aber seine Augen sind voller Tadel. Und ich muss schlucken. Atemlos klammere ich mich an sein Kissen, ziehe unwillkürlich seinen Duft ein. Es ist mir unangenehm. Sein Blick haftet an mir wie ein altes Kaugummi. Kann er nicht wieder die Zeitung anstarren? Er sieht mich weiterhin an. Hört einfach nicht auf. Ich setze mich auf. Will dem hier entgehen. „Wieso machst du das?“, fragt er und steht auf. Irgendetwas in seiner Stimme hat sich geändert. Sie klingt nicht mehr neutral. Sie klingt… emotional. „Wieso tust du das?“, fragt er noch mal leiser und setzt sich in die Ecke seines Zimmers, mit dem Rücken zu mir. Irritiert starre ich auf seinen Rücken. Was ist denn plötzlich los? „Komm nicht mehr hier her!“, sagt er schließlich mit fester Stimme und es klingt kalt. Sehr kalt. Es fröstelt mich. Ich weiche nicht zurück, bin wie erstarrt. Was geschieht hier? Was ist los mit ihm? Ich will zu ihm gehen. Ich versuche es, doch… „Komm nicht näher! Geh!“, seine Stimme ist schneidend und lässt mich erschauern. So soll er nicht mit mir sprechen. „Sasuke…“, versuche ich einzulenken, aber ich beiße auf Granit. „Verschwinde…“, seine Stimme ist müde. Mache ich ihm zu schaffen? Ermüde ich ihn? Ich bekomme Magenschmerzen. „Ich kann nicht, Sasuke…“, flüstere ich und lasse mich auf sein Bett fallen. Er reagiert. Er reagiert sogar heftiger als sonst. Er weißt mich deutlich ab. Und ich ertrage es nicht. Ich will das nicht. „Ich kann nicht gehen! Und ich will es nicht!“, fester wird meine Stimme, als ich zur Decke schaue. Er ist still. Was geschieht hier? „Warum kannst du nicht wie alles andere verschwinden? Warum bist du hier? Warum machst du das?“ Ich will ihn sehen. Ich will sein Gesicht sehen. Will sehen, was er fühlt. Doch ich kann nicht. „Ich will nicht wie alle anderen verschwinden. Ich will dir helfen!“ Ich wage es, mich nach ihm umzudrehen. Sein Rücken. Wieso soll ich verschwinden? Was tue ich ihm denn an? Ich will ihn verstehen. Ich will ihm helfen. Aber ohne seine Hilfe schaffe ich es nicht. Er soll sich in kein Loch verkriechen. „Wozu brauche ich Hilfe… Lass mich in Frieden…“, seine Stimme ist erschöpft. Von einer bösen Vorahnung getrieben, stehe ich auf, gehe auf ihn zu, lege ihm schließlich meine Hand auf die Schulter. Er zuckt nicht mal zusammen. Aber mir ist kalt. Und diese Kälte kommt von ihm. „Was ist los mit dir?“ Ich versuche ihm Wärme zu spenden. Aber ich habe das Gefühl, er will mich von sich stoßen. „…“ Er regt sich nicht, wird wieder eine Statue. Eine Puppe. Und es zerbricht mir das Herz. Er ist eine Hülle. Er ist wieder in seiner eigenen Dimension. Und ich ertrage es nicht. Ich falle auf die Knie. Neben ihm. Ich umarme ihn, auch wenn es nur sein Rücken ist. Kalt. Selbst sein Herzschlag klingt künstlich. Es macht mir Angst. „Bitte Sasuke, tu uns das nicht an!“, flehe ich und spüre heiße Tränen auf meinen Wangen. Ich schüttele ihn ein wenig. Ich rüttele an ihm. „Komm schon, Sasuke! Du warst doch schon so weit!“ Ich drücke ihn noch näher an mich. Schmiege mich an ihn. Gib doch nicht auf, Sasuke! Du musst nicht aufgeben! Die Welt ist nicht grau! Sie ist bunt! So wie das Poster vom Meer in deinem Zimmer! „Wer hat eigentlich gesagt, dass ich zurück will…?“, flüstert er mit heiserer und leerer Stimme. Ich erschrecke. Sehe ihn geschockt an. Das ist nicht sein Ernst. Sein Kopf ist in den Nacken gelegt. Seine Augen starren dunkel die Decke an. Er ist fast fort. Und ich umarme seine leere Hülle. Sein Kopf dreht sich minimal zu mir. Maximal aus den Augenwinkeln sieht er mich an, nur ein wenig. „Ich gehöre da hin, wo ich bin. Und was du machst, quält mich nur noch mehr…“ Ich fühle mich furchtbar. Wie erstochen. Wie gelähmt. Wie abgewiesen. Ich kriege keine Luft mehr. Ich will das nicht. Ich kann das nicht. Ich lasse das nicht zu. Ich lasse das NICHT ZU! Wütend packe ich ihn am Kragen, zerre ihn herum, sehe ihm ins Gesicht. Unsere Gesichter sind einander so nah. „Du gehörst da NICHT HIN! Du quälst dich nur alleine! Du willst zurück! Ich weiß es!“, schreie ich ihn an, sehe aber nur seine emotionslose Maske. Sie macht mich wütend. Ich weiß, dass da Gefühl ist. Ich weiß, dass er unglücklich ist. Ich weiß, dass er eigentlich meine Hand nehmen will. Aber er weist mich ab. Seine Augen sehen müde aus. Er zuckt niemals zusammen. Er wehrt sich nicht gegen meinen festen Griff. Es ist ihm egal. Ich bin ihm egal. „Doch. Genau dort gehöre ich hin… Dort bin ich zu Hause. Schon immer…“, seine Stimme ist ein gruseliges Flüstern. So als würde er sich just in diesen Moment in einen Schatten auflösen und für immer verschwinden. So als würde er tatsächlich für immer verschwinden. Ehe ich weiter darüber nachdenken kann, balle ich meine Hand zu einer Faust und schlage voll zu. Mein Schlag trifft ihn genau am Kinn und schleudert ihn einen halben Meter zurück. Fast sofort nach dem Schlag bereue ich es. Er bleibt liegen und starrt zur Decke. Seine Lippe ist aufgeplatzt. Er liegt nur da. Einfach nur da. Wie eine Puppe. „Oh Gott, Sasuke! Es tut mir Leid, tut es sehr weh?“, bestürzt kauere ich mich neben ihn und helfe ihm auf. Ich wische das Blut weg, bemerke zu spät den dünnen Strich, den sein Mund darstellen soll. Ehe ich es verhindern kann, schnellt sein Kopf nach vorne und er schlägt seine Stirn heftig gegen meine. So heftig, dass ich Glöckchen in der Ferne klingeln höre. Ich bin benommen. „Wieso verschwindest du nicht? Was muss ich noch tun? Ich will nicht zurück! Ich kann nicht zurück!“, er steht vor mir und brüllt mich an. Seine Stirn ist rot. Seine Stirn hat eine Beule. Er ist wütend. Er steht in Flammen. Er lebt. Er kocht. Er wütet. Er brennt. Er ist verzweifelt. Aber vor allem: Er weint. „Wieso?“, frage ich verzweifelt und kauere mich in seinem Schatten zusammen. Die Tränen kommen unausweichlich. Seine Verzweiflung holt mich ein. Seine Emotionen gehen in mich. Er ist keine Hülle. Er ist ein Gefäß, dass bis zum Bersten gefüllt ist mit Emotionen, die er nicht hinaus lässt. Deswegen spiegelten seine Augen immer so viele Emotionen wider. Weil nur so sie ein wenig hinaus konnten. Doch niemand konnte es deuten. Niemand verstand es. Er sinkt auf die Knie. Erschöpft sinkt er zusammen. Seine Lippen bewegen sich, doch der Laut, der durch sie hindurch kommt, ist so dünn und ängstlich, dass es genauso die Stimme eines verängstigten kleinen Jungen sein könnte. „Itachi…“ Als wäre ein Fluch über uns hereingebrochen, erstarre ich. Es ist so simpel. Wenn er zurückkommt, muss er zurück zu ihm. Dann muss er vielleicht das alles noch einmal erleben. Dann wäre er dieser Hölle noch einmal ausgeliefert. Ich krabbele auf ihn zu, nehme ihn in den Arm. Ich drücke ihn an mich, auch wenn er in keiner Weise reagiert. Er muss erschöpft sein. Er muss Angst haben. Er muss fertig sein. Ich weiß gar nicht, wie er sich fühlen muss. Ich weiß gar nichts über ihn. Ich halte ihn im Arm. Ich kann ihn nicht trösten. Ich kann ihm nicht helfen. Denn, was immer ich auch tue, es würde ihn nachher bei diesem Kerl lassen. Ich kann ihm nicht halb helfen. Ich kann ihn nicht aus der Dunkelheit zerren und ihn dennoch darin lassen, nur damit er nicht zu seinem Bruder zurück muss. Ich kann ihn nicht wieder zurückholen, ohne dass andere es merken würden. Ich kann Maria nicht anlügen. Ich kann mich nicht anlügen. Ich bin so naiv. Ich bin so dämlich. Mein Praktikum wird bald enden. Dann muss ich gehen. Dann lasse ich Sasuke alleine. Dann bin ich wieder in meiner Welt und er hier eingeschlossen. Dann ist er allein. Das meinte er also. Ich werde verschwinden. So wie alle es getan haben. Und er ist gefangen hier. Oder noch schlimmer, er muss zurück zu diesem Kerl, zu diesem seltsamen Typen. Dann kann er nicht mehr fliehen. Dann ist er so gut wie tot. Ich streiche ihm durch seine dichten, schwarzen Haare. Er reagiert nicht. Es hätte mich auch gewundert. Es muss ihm Kraft gekostet haben, alleine seinen Namen auszusprechen. Oder zu kämpfen. Wütend zu werden. „Du musst nicht zurück zu denen… Du musst nicht zurück zu Itachi… Uns fällt schon etwas ein…“, ich will ihn trösten. Ich will ihn nicht alleine lassen, auch wenn ich muss. Ich will, dass er frei ist. Und doch bin ich ein nichts. Ich bin eine winzige Fliege in seinem Universum und gerade mal nervig genug, dass er nach mir schlägt. Er sagt nichts. Er reagiert nicht. Seine Augen sind leer. „Hast du es vergessen? Du hast es doch selber gesagt! Ich bin wie Wasser! Ich hole dich schon heraus aus dem Loch… Ich tue dir nicht weh. Ich würde dir niemals wehtun wollen… Glaub mir das, Sasuke. Ich will nur nicht, dass du dein Leben hier verbringen musst, wenn du eigentlich raus möchtest, wenn du die Ferne sehen willst. Wenn du das Meer sehen willst. Du willst es doch sehen, oder?“ Hoffnungsvoll sehe ich auf das Bündel Elend in meinen Armen. Hoffe, dass ich einen Funken Hoffnung in seinen Augen aufglimmen sehen kann. „Ich würde dir so gerne das Meer zeigen, Sasuke… Ich würde dich so gerne frei sehen…“, liebevoll streichle ich ihm durch seine Haare. Ich komme mir vor, wie der Puppenspieler. Er ist keine Puppe. Er ist keine Hülle. „Ich werde auch nicht verschwinden. Ich werde da sein, wenn du mich brauchst. Und ich werde immer auf deiner Seite sein. Das verspreche ich dir, Sasuke…“ Ich wärme ihn. Ich fülle ihn. „Er wird kommen und dann ist die Hölle nicht mehr heiß genug…“, flüstert er und schüttelt den Kopf. Der Himmel draußen ist grau. Regenwolken versperren die Sonne. Die Welt ist düsterer geworden. So wie es seine Seele geworden ist. Und nur, weil ich nun die Sonne bin. Weil er sich an mich klammert um nicht in der Dunkelheit zu verschwinden. Nun ist auch meine Welt grau. Grau wie der Regen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)