Unheilvolle Zwillinge von Sheiinja ================================================================================ Die Legende ----------- Zu einer Zeit, in der die Magie etwas Seltenes und Gefürchtetes war; in der die Natur unberührt und heilig war; in der die Menschen friedlich und glücklich zusammenlebten, begann der Fluch, der heute immer noch über dem Land schwebt. Die Männer Vales und Eri, von gleichem Aussehen, gleicher Statur, gleicher Stimme und gleichem Wesen, reisten weit weg von ihrer Geburtsstätte um die Welt in Augenschein zu nehmen. Jedoch erzählt die Überlieferung, dass sie wegen ihrer ungeheuren magischen Kräfte Angst unter Familien und Freunde verbreiteten und es somit für das bessere hielten, zu gehen, anstatt zu bleiben. Sie kamen durch ein eisiges, weißes Gebiet. Ihre blonden Haare und die braunen Stofffetzen, die sie am Körper trugen, waren vom Schnee bedeckt. Die Kälte ließ ihre Glieder schmerzen, doch hätten sie gerastet, dann wären sie dem Tode entgegengekommen und eins mit dem Schnee geworden. Aber wie es die Natur wollte, sackten die Männer in sich zusammen, verloren das Bewusstsein und froren unter der weißen Decke. Als Eri die Augen aufschlug, erblickte er eine steinerne Hausdecke. Er fragte sich, ob so der Himmel aussehe und versuchte sich aufzurichten, aber eine sanfte, bestimmte Stimme hielt in davon ab. „Wer hinfällt soll vor dem Aufstehen erst einmal nachdenken!“, es war eine weibliche, raue Stimme. Langsam wandte er den Kopf. Neben ihm saß eine beleibte Frau, die eine kleine, aber hohe, dampfende Schale auf den Boden stellte, in der der junge Mann Tee vermutete. Auf der anderen Seite, hinter der Frau die dort kniete, lag Vales; die Augen geschlossen, ruhig atmend. Eri seufzte beruhigt, legte sich wieder hin und seine Augen begannen sich zu schließen. Schon zehn Nächte waren die reisenden Zwillinge in der kleinen Siedlung, zu der man sie nach ihrer Ohnmacht gebracht hatte. Ein Jäger fand sie und seine Frau hat sie wieder gesund gepflegt. Von den Erwachsenen respektiert und von den Kindern geliebt, verweilten die Männer in der namenlosen Häuseransammlung. Sogar ein eigenes Haus wurde ihnen zugeteilt. Mit diesem Geschenk beschlossen sie, sesshaft zu werden und die liebevollen Menschen mit ihrer gesamten Kraft zu unterstützen. Die Jahre zogen an dem Land mit großen Veränderungen vorbei. Die Häuser wurden immer mehr, immer größer. Die Bewohner stärker, dankbarer. Und alles ist den Zwillingen zu verdanken. Die Glück bringenden Zwillinge, die diese Stadt aufbauten, ja das ganze Land mit neuem Leben erfüllten. Hier fürchtete sich niemanden vor ihren magischen Kräften. Vales und Eri wurde zum Danke ein gewaltiges Haus, man könnte es schon fast ein Schloss nennen, gebaut. So nahmen die beiden die Herrschaft über das neu geschaffene Reich an und benannten es nach sich. Sie nannten es Valeria. Von dem Großherrscher des Nachbarlandes zu Königen ernannt, regierten die Zwillinge liebevoll über ihr Land. Sie taten, was ihnen vermochte, vermählten sich und zeugten Nachfahren, deren Erbe es sein sollte, dieses Land weiterhin in Schutz zu nehmen. Im Schlossgarten spielten die drei Kinder, ein Mädchen, Tochter von Vales, und zwei Jungs, Söhne von Eri, oft beobachtet von Vales, dem älteren Zwilling. Sein Kind sollte Thronfolger werden, wäre es ein Junge gewesen. Während der Schwangerschaft seiner Frau waren sie beide so aufgeregt, der König so glücklich einen Sohn zu bekommen, und dann war es ‚nur’ ein Mädchen. Sein Bruder hingegen, der jüngere Zwilling, bekam von seiner Frau zwei Jungen geschenkt. Zwei Jungs mit einem Altersunterschied von nur eineinhalb Jahren! Ja, wenn der König die Kinder seines Bruders sah, kroch in ihm die Eifersucht empor. Wie sehr er ihn auch liebte, er konnte ihm seine Söhne nicht verzeihen. Nach und nach bemerkte Eri den Neid seines Bruders, und die sonst so gesprächigen Männer, wechselten kaum noch ein Wort miteinander. Als der Erstgeborene Sohn die Volljährigkeit erreichte, und Vales immer noch kein Nachfolger geboren war, ließ sich die Eifersucht nicht mehr verstecken. Er warf der gesamten Familie seines Bruders giftige Blicke zu, sprach mit rauer Stimme. Je größer seine Wut, desto tiefer die Traurigkeit Eris. Die Liebe, die die beiden immer miteinander verbannt und sie aus jeglichen Situationen rettete, verlosch und wandelte sich in Hass um. Einseitiger Hass, doch dabei sollte es nicht bleiben. Denn der Hass des älteren Königs ließ ihn sich selbst vergessen. Er vergaß alles, was er mit seinem geliebten Bruder erlebte, was sie einander verband. So kam es zu der Tragödie. Eines morgens, als die Kinder wieder zum Spielen im Hofe waren, ließ Vales die Jungs zu sich rufen. Hinter dem Schloss, wo niemand sie erblicken konnte, zog er ein goldenes, edles Schwert hervor und stach den Jungs durch den Rumpf. Blut befleckte seinen Mantel, der weiße, reine Schnee färbte sich rot. Mit großen, starren Augen blickte der König auf seine toten Neffen und konnte sein gehässiges Grinsen nicht unterdrücken. Doch war er nicht alleine auf dem Hinterhofe. Die Mutter der verstorbenen Kinder sackte in sich zusammen, als sie die Leichen ihrer geliebten Söhne sah. Eri hatte eine schlimme Vorahnung, da er sah, wie seine Kinder zu seinem Bruder gerufen worden waren und er mit ihnen an einen unbelebten Platz führte. Jedoch hatte er nie erwartet, dass jemand zu so einer Tat fähig wäre. Entsetzt konnte er den Blick von seinem brutalen Zwilling nicht abwenden. Dieser grinste nur wie ein Wahnsinniger und blickte in den Himmel. „Mörder.“, flüsterte der Jüngere und im nächsten Moment schrie er es aus: „MÖRDER!!!“ Er stürmte auf seinen Bruder zu. Seine blauen Augen blitzen vor Wut auf. Er packte Vales am Kragen. „Wie konntest du nur? Wie konntest du deinem Geist freien Lauf lassen und dich zu solch einer Tat verführen lassen? Bruder, warum hast du mir das angetan??“ Tränen tropften auf das Gesicht des verräterischen Königs. „Es ist mein Land!“, sprach er in einer monotonen, gefühlslosen Stimme aus. Eri konnte nicht fassen, was er hörte. Während er den Herrscher losließ und sich aufrichtete, bildeten sich magische Formeln um sie herum. „Büße!“, wisperte er in den Wind. Die Formeln schlossen sich um Vales, der darauf hin begann gequält aufzuschreien. Er spuckte Blut, fasste sich an die Brust. Sein schmerzverzerrtes Gesicht blickte in das seines Bruders. „Ganz allein mein Land.“ hauchte er, griff mit letzter Kraft nach seinem Schwert und stieß es seinem Zwilling durch den Unterleib. Ein Schrei erfüllte das Gebiet. Darauf herrschte eine erdrückende Stille. „Es soll dein Land sein.“, brachte der Erstochene noch von sich, als er auf die Knie fiel. Erneut bildeten sich Formeln und Zeichen um die Brüder. Sie weiteten sich blitzschnell soweit aus, dass nicht mal mehr ein einziges noch zu erblicken war. Mit letzter Kraft bewegte sich Eri zu Vales, der sich auf die Knie aufgerichtet hatte und umarmte ihn. „Siehe was mit deinem Land passiert. Siehe was passiert, wenn unschuldige Leiden müssen. Siehe was du aus uns gemacht hast. Unheilvolle Zwillinge! Dies ist ein Fluch, mein Bruder. Jedes Zwillingspaar, das in deinem Lande zuhause ist, wir Unheil über dein Land bringen! Siehe, wie dein Land zugrunde geht, mein geliebter Bruder.“, die letzten Worte Eris ließen die Formeln auf sie zurasen, sie umschließen und grellend aufleuchten. Im nächsten Moment waren sie verschwunden und der Körper des jüngeren Königs hing leblos um den älteren. Dieser begriff nicht was soeben geschah und war wie versteinert. Die Jahre zogen über die Erde. Vales hatte behauptet, ein verrückter sein plötzlich aufgetaucht und habe die Familie seines Bruder ermordet. Niemand hatte den König selbst im Verdacht. Die Worte, die Eri als letztes aussprach, hallten Tag für Tag im Kopfe des Herrschers, aber er versuchte sie zu ignorieren. Erst als ihm endlich zwei Söhne, Zwillingssöhne von seiner Frau geboren wurden, verstand er, was sein Bruder ihm einst sagte. Allein bis zum ersten Geburtstag der königlichen Zwillinge fegten fürchterliche Schneesturme über die Städte, die schwer gezüchtete Ernte in den Gewächshäusern ging ein, die Kälte erreichte ihren Tiefpunkt. Viele Opfer brachten diese Katastrophen mit sich. Der Fluch hing über dem Reich. Über Vales’ Reich. Er wurde verrückt. Verlorene Gefühle kochten in ihm hoch, als er sich erinnerte, was er einst tat und was er noch vie früher mit seinem Bruder zusammen tat. Sie halfen sich in jeder Not, lachten, wann immer sie konnten, hielten zusammen wie Mehl und Teig. Aber er tötete sie. Ihn und seine Söhne. Tränen flossen ihm über die Wangen. Was hatte er nur getan? Ohne ein Wort zu sagen rannte er aus der Stadt hinaus zu einem Tal. Ein Tal, aus dem sich ein gewaltiger Turm erhob. Hier kannte die Natur weder Zeit noch Magie. Die Sündergrube. Alle Sünder wurden hier herab geworfen, in einem alten, braunen Fetzen. Der König streifte seinen Mantel und auch seinen Untermantel ab, bis er nur noch mit freiem Oberkörper in der Kälte stand. Er breitete die Arme aus, als wolle er einen Segen empfangen, schloss die Augen, flüsterte : „Verzeih mir, mein geliebter Bruder.“ Und stürzte sich hinab in das Tal. Dies ist die Geschichte der unheilvollen Zwillinge. Das Land soll für die Tat des ersten Königs büßen, wenn ihnen Zwillinge geboren werden. Sie sollen den Schmerz spüren, wenn Unschuldige durch geliebte Menschen zu Tode kommen. Spürt den Schmerz, den Vales über sein Reich brachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)