Stets zu Diensten Ma'am von MissyRogue (Alice & Jasper - ihre Anfänge) ================================================================================ Prolog: Mein Weg zu dir ----------------------- Stets zu Diensten Ma'am Prolog: Mein Weg zu dir Es war kalt an diesem Tag im November. Der Himmel war verhangen, und er konnte den ersten Schnee in diesem Jahr, bereits unterschwellig in der Luft riechen. An und für sich herrschte das perfekte Wetter für die Jagd, dachte er bei sich mit leisem Bedauern. Es waren wenige Passanten unterwegs, es würde nicht groß jemanden auffallen, wenn einer in eine dunkle Gassen gehen, und nie wieder herauskommen, würde. Er selbst wäre weit weg, bevor jemand auf den brennenden Leichnam aufmerksam werden würde. Es wäre so einfach, und er selbst würde dieses bohrende Gefühl des Durstes abgeschüttelt haben, die Schwäche seiner Muskeln hätte sich schnell verflüchtigt, und er würde strotzen vor Energie. Der Wind frischte auf, zerrte an dem verschlissenen Mantel, den er trug und peitschte durch seine blonden Haare. Mit einer fahrigen Geste strich er seine langen Strähnen nach hinten, was der Wind jedoch fast sofort wieder änderte. Jasper zuckte nur mit den Schultern und blickte auf die Straße, die nun fast menschenleer vor ihm lag. Die Passanten hatten sich vor dem aufziehenden Sturm hinter die Mauern und Türen ihre Häuser geflüchtet, und damit auch vor dem Zugriff des Raubtieres, das durch ihre Straße wandelte, und dessen Seele nach Nahrung lechzte. Er nahm es fast erleichtert zur Kenntnis. Gut, es mochte nichts ändern, während der Jagd hielten ihn solche Banalitäten wie geschlossene Türen bei Weitem nicht auf. Aber es verführte ihn nicht so stark, wie es Nahrung tat, die auf den Straßen wandelte. Er tat sich selbst vermutlich keinen Gefallen, wenn er an Menschen immer nur als Nahrung dachte. Aber nach gut 80 Jahren als Vampir war es schwer bis unmöglich, anderes als so an sie zu denken. Das Töten als solches störte ihn nicht, wenn es das je getan hatte. Sein Problem damit war viel eher, dass sich seine Opfer, nun ja, wehrten. Nicht körperlich, dass war gegen die Art von Raubtier, das er symbolisierte, nahezu unmöglich, selbst wenn er nicht so ein geschickter und erfahrener Jäger gewesen wäre. Nein, seine Nahrung bombardierte ihn in ihren letzten Sekunden mit einer Unzahl von Gefühlen: Angst, Schmerz, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Wut, Fassungslosigkeit, Trauer und Sorge. Jedes Mal aufs Neue. In diesen Momenten teilte er diese Ängste, diese Verzweiflung und ihren Schmerz. Jedes Mal, wenn sein Körper Nahrung einforderte, starb ein Teil von ihm mit seinem Opfer. Anfangs war es ihm in seiner blinden Gier einerlei gewesen, dass waren nur kurze Augenblicke, die schneller verschwanden als sie denn gekommen waren. Der Beachtung einfach nicht wert. Aber je mehr Jahre und Jahrzehnte ins Land zogen, desto langsamer verschwanden diese fremden Gefühle aus seinem Verstand. Diese emotionalen Todeserfahrungen schlugen ihm aufs Gemüt, ließen ihn melancholisch und depressiv werden. Mittlerweile fühlte er sich innerlich bereits tot, so dass er sich manchmal selbst fragte, warum er immer noch umherwanderte. Wusste er doch untrüglich, dass es nur noch eine Frage von fünf, sechs, oder zehn Opfern war, bis er sich in diesem Chaos selbst verlieren, und unrettbar ertrinken, würde. Aber gab es denn ernsthaft Alternativen zu diesem, sehr unschönen, Schicksal? Er versuchte seinen Durst zu unterdrücken, aber wie könnte der Hai gegen den Reflex zu Schwimmen ankämpfen, wenn er es stets ohne zu zögern getan hatte? Wenn er genau wusste, dass er nur so am Leben bleiben konnte, und er sich mit dem eigenen Tod einfach nicht abfinden wollte? Letztendlich endete es immer auf dieselbe Art und Weise: Der Durst gewann früher oder später. Er verwandelte einen, im tiefsten Innern sehr ruhigen Jasper Whitlock, in eine reißenden Bestie, die vollkommen die Kontrolle über sich verlor, und mehr Menschen niederriss als erforderlich gewesen wäre. In seinen Augen war das kein wirklich zumutbarer Weg in seiner Situation, weder für ihn noch für sonst jemanden. Also versuchte er es anders. Er hielt sich, so gut es ging, von Nahrung fern, wählte Wege und Passagen, die ihn durchweg in unwirtliche, öden Gegenden verschlug, fernab der Städte und Straßen. Seine Nahrung bestand aus armen, verwirrten Seelen, die schon mehr tot als lebendig waren, wenn er sie fand. In gewisser Weise empfanden es diese Leute als Erleichterung, endlich von ihren Qualen erlöst zu werden. Aber wie oft fand er auf seinen Pfaden schon so jemanden? Vielleicht wäre es leichter gewesen, wenn er jemanden an seiner Seite gehabt hätte. Jemanden, dem er sich anvertrauen konnte, und der bereit war ihn zu unterstützen. Er hatte es an Peter und Charlotte gesehen, einem befreundeten Vampirpaar, mit dem er eine Zeit lang unterwegs gewesen war. Es hatte ihm vor Augen geführt, dass er sich einsam fühlte, als hätte er nicht ohne das schon genug Probleme gehabt. Ein Grund, warum er seiner eigenen Wege gegangen war. Eine Gefährtin zu finden hielt er bei sich für äußerst unwahrscheinlich. Ein Vampir, der nicht töten konnte oder vielmehr wollte, wer wollte sich schon damit belasten?! Abgesehen davon war es hier, fernab der Schlachtfelder unwahrscheinlich, dass eine Frau etwas anderes in ihm sehen konnte, als ein vernarbtes, und somit entstelltes Monster. Er seufzte leise, doch seine angenehme Stimme ging im Heulen des Windes gnadenlos unter. Verwundert blickte er sich um. Um ihn herum toste ein Sturm, der hier und da bereits Schindeln von den Dächern riss. Diese Entwicklung war ihm bei seinen Gedankengängen ganz entgangen gewesen und stellte ihn nun vor ein ziemliches Problem. Er konnte unmöglich länger so unbeeindruckt auf der Straße stehen und gelassen das wütende Wetter über sich ergehen lassen. Aus der Seitenstraße rechts von ihm, hörte er ein Holzschild gegen die Mauer klappern. Das Schild verwies darauf, dass diese Tür, der Eingang zu einer Bar war. Jasper zögerte nur kurz. Das Wetter störte ihn nicht, aber es wäre zu auffällig nicht Schutz zu suchen, wie jeder andere Mansch es getan hatte. Allerdings hieß das für ihn mindestens eine Stunde, mit jeder Menge Nahrung in einem engen Raum eingepfercht zu sein, ohne Chance dem lockenden Geruch zu entrinnen. Er war durstig, seit Tagen schon, daher würde es eine Zerreißprobe werden, dort kein Massaker anzurichten. Er hatte wie schon so oft in seinem Leben keine Wahl, also trat er in diese Seitenstraße und atmete tief durch. Ermahnte sich eindringlich, dort drinnen alles zu tun, aber nicht zu atmen. Was er nicht roch, konnte er schlecht anfallen. Soweit zumindest die Theorie. Die Bartür war noch nicht wieder ins Schloss gefallen, da stellten sich bei ihm schon sämtliche Nackenhaare auf. Ein anderer Jäger hatte dieses Jagdrevier für sich beansprucht, dass spürte er deutlich. Er atmete zögerlich ein und fand seinen Verdacht bestätigt. Alles hier drin, die Luft, das Mobiliar und sogar der Raum selbst, rochen nach einem anderen Vampir. Und das in einer Intensität, die nur heißen konnte, dass der Andere sehr oft hier war. Jasper war geradewegs in fremdes Territorium marschiert. Daheim in Houston wäre das sein sicheres Todesurteil gewesen. Gut, er war erfahren ja, aber durstig und dadurch geschwächt. Im Kampf gegen einen satten und gestärkten Vampir, sahen seine Chancen nicht so rosig aus, wie er es gewohnt war. Aber sie waren nicht in Texas, hier war man angeblich zivilisierter. Er hatte den Feind schnell ausgemacht, begünstig dadurch das sie – es handelte sich um eine kleine, zierliche Frau – geradewegs auf ihn zukam. Das war schlecht, wie er fand. Hier drin würde sie ihn nicht angreifen, viel zu viele Zeugen. Aber wenn doch? Dann hatte er ein Problem. Ein Großes, um genau zu sein. Er war schon lange kein Mensch mehr, aber nichtsdestotrotz war in ihm immer noch viel zu tief verankert, wie man sich als Mann einer Frau gegenüber zu benehmen hatte. Ja, in einem Kampf hätte sie, trotz ihrer Größe, durchaus eine reelle Chance. Sie schien sich dessen voll bewusst zu sein, wie sonst sollte er ihr herzliches Lächeln und die aufgeregte Freude verstehen, die sie verbreitete wie Feuer das Licht? Direkt vor ihm blieb sie stehen, sah ihm mit goldenen Augen – eine derartige Farbe hatte er bei einem Vampir noch nie zuvor gesehen - ins Gesicht. So nah wie sie nun stand, schlugen ihre Emotionen wie Hammerschläge auf ihn ein. Nicht Wut, Bedrohung oder Abneigung wie er es erwartete hätte, ganz ihm Gegenteil. Sie verströmte Freude, Aufregung wie erwähnt, und so vieles mehr. Da war Erleichterung - gut, vermutlich erkannte sie, dass er geschwächt war Begeisterung - nun ja, das kam vermutlich auch von dieser Geschwächt-Sache Leidenschaft - gut, sie würde es schnell machen Begehren - oh, klar, sie hatte sein Gesicht noch nicht in dem düsteren Raum erkannt. Ohne seine Narben, hatte er durchaus auf seines Gleichen fast ebenso anziehend gewirkt, wie auf seine Opfer. Vertrauen - sie verwechselte ihn zweifellos Liebe - ...Liebe? Sie konnte ihn nur verwechseln! Aber das Mädchen strahlte ihn weiter unvermittelt an und blieb vor ihm stehen. Sie musste den Kopf etwas in den Nacken legen, um ihn ins Gesicht sehen zu können. Jasper wartete auf das Zurückweichen, wenn sie ihn nun klar erkannte. Aber nichts dergleichen geschah. Das Gefühl von Liebe schien sich eher zu vertiefen. „Du hast mich lange warten lassen.“ stellte die kleine Frau vor ihm fest. Er dachte nicht groß darüber nach, warum er es tat, aber er neigte entschuldigend den Kopf und murmelte ein: „Das tut mir leid Ma'am.“ Er wußte nicht, warum er sich für etwas entschuldigte, an dem er sich keiner Schuld bewusst war. Das Lächeln der Frau schien eine Spur wärmer zu werden, als sie die Hand zu ihm ausstreckte. Er blickte auf die Hand, um dann in ihre Augen zu sehen, ehe er zugriff. Vielleicht war es eine Falle, vielleicht spielten ihm seine Sinne einen Streich. Und vielleicht war es das Risiko wert. Er war in der dankbaren Position nichts zu verlieren zu haben, und nur gewinnen oder untergehen zu können. Vielleicht war es das, auf das er gehoffte hatte, die letzten Jahre hindurch. Ein wenig Hoffnung, und sei es nur für diesen einen Abend, indem in Philadelphia der schlimmste Sturm seit 30 Jahren wütete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)