Nasenbluten für Anfänger von Memphis ================================================================================ Kapitel 9: Nasenbluten für Anfänger ----------------------------------- Ich gähnte müde und hoffte, dass die Doppelstunde Mathe einfach mal kürzer war, als sonst. Aber anscheinend hatte sie sich entschlossen sich in die Unendlichkeit und noch viel viel weiter zu ziehen, wie jeden Freitagnachmittag. Ich verstand echt nicht, wie man seinen Schülern Freitag, die letzten beiden Stunden sowas an tun konnte. Die Parallelklassen hatten da Musik oder Kunst... Man konnte wirklich nicht erwarten, dass man sich da noch groß konzentrieren konnte. Ich schaute zum Fenster und ich bereute es, dass ich wegen dem Streit mit Joachim meinen Fensterplatz aufgeben musste. Aber die Lehrer und alle anderen Beteiligten hatten es für besser empfunden uns so weit wie möglich voneinander weg zu setzen und natürlich war ich derjenige, der seinen Platz aufgeben musste. Was mal wieder typisch war. Ich musste aber zugeben, dass sich meine Wut auf Joachim mittlerweile ziemlich in Grenzen hielt. Ich verspürte nicht mal mehr das Bedürfnis ihm sämtliche Zähne auszuschlagen und ich konnte auch ohne weiteres seine bösen Blicke ignorieren, mit denen er diese Woche versucht hatte mein Aufmerksamkeit zu erringen. Ich wusste gar nicht genau, warum ich nicht mehr so wütend war, aber wahrscheinlich lag es daran, dass ich keinen Grund mehr hatte. Immerhin verstand ich mich wieder mit Nadja und sie trug es ihm auch nicht mehr nach, Paul hatte ihn auch verlassen, weil er ein Vollidiot war und im Endeffekt war es den anderen in der Stufe auch mittlerweile egal, dass Joachim und ich uns mehrmals miteinander angelegt hatten. Selbst für mein Bruder war das Thema vom Tisch, weil ihn Paul irgendwie doch verunsicherte. Paul war diese Woche auch zweimal zum Zocken gekommen und heute wollte er mich für einen Gamer-Abend an seiner Uni abholen. Anscheinend machte er das mit ein paar Kommulitonen immer wieder mal. Jeder brachte seine Konsolen mit und ein paar Freunde und dann hockte man zusammen rum, unterhielt sich und zockte nebenher, zu dem sollte es angeblich auch Essen und Getränke geben. In jedem Fall klang es cool und Paul hatte mich eingeladen, ob ich nicht mitkommen wollte. Da sagte man doch nicht Nein, oder? Allerdings würde mich Mathe noch fast eine halbe Stunde gefangen halten. Ich mochte Mathe, aber nicht in den letzten zwei Stunden am Freitag. Wenigstens musste ich nicht mit dem Bus heimfahren, weil Paul ein Auto hatte und Kathi und Nicole würden uns mal nicht belagern. Als er am Mittwoch dagewesen war, gaben sie sich die größe Mühe mich in eine große Blamage reinzureiten. Zum Glück überging Paul das sehr gekonnt, in dem er sich auf die Xbox konzentrierte hatte. Der Schulgong brachte endlich die Erlösungen und ich machte mich daran, mein Zeug zusammen zu packen und ich war einer der ersten, die das Klassenzimmer verlassen hatte. Ich hoffte nur, ich musste nicht ewig auf ihn warten. Paul hatte gemeint, er würde mich am Schulparkplatz abholen. Da er früher auch mein Gymnasium gegangen ist, kannte er sich hier wenigstens aus. Unser Treppenhaus war zum Teil verglast und man hatte von der dritten Etage auch einen guten Blick auf den Parkplatz. Tatsächlich stand er schon an seinen roten, kleinen Peugot gelehnt da und schaute zu mir hoch. Ich hob kurz die Hand, um ihm zu zuzeigen, dass ich ihn gesehen hatte und freute mich, als er zur Erwiderung winkte. Ich beschleunigte meine Schritte etwas und ich musste mich zwingen, nicht die letzten Stufen einfach zu überspringen. Aus dem Alter war ich raus, außerdem war es auch etwas lächerlich sich wegen Paul so zu beeilen, immerhin hatte er ja schon gesehen, dass ich mit dem Unterricht fertig war und er würde bestimmt nicht ohne mich fahren. Das würde ich ihm übel nehmen. Aber als ich aus dem Schulgebäude trat und zum Parkplatz ging, stand er immer noch an sein Auto gelehnt und lächelte mich strahlend an. Ich winkte ihm zum Gruß zu, als mich plötzlich etwas von den Füßen riss. Ich schlug hart gegen ein parkendes Auto und wurde dann gepackt und nochmal dagegen gedonnert. Ekelerregender Schmerz zog sich durch mein Gesicht und ich spürte, wie mir die Tränen davon in die Augen traten. „Achim!“, kam es entsetzt von Paul und ich schaffte es mich aus dem Griff zu entwinden und mich umzudrehen, bevor ich wieder gegen das Auto geschlagen wurde. Joachim stand da und starrte aber an mir vorbei zu Paul. Er wirkte völlig verzweifelt, seine Augen sahen glasig aus, er biss sich auf die Lippe und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Mich schien er fast vergessen zu haben, auch wenn er mich gerade offensichtlich gegen ein Auto gerammt hatte. Er schluckte und seine Verzweiflung schien fast greifbar zu sein. Aber plötzlich fiel sein Blick auf mich und es schien, als hätte sich bei ihm alles ausgeklinkt. Ich wurde von ihm gepackt, auf den Boden geschmissen und ich war viel zu überrascht, um überhaupt darauf zu reagieren. Ich fing mich ungeschickt mit der linken Hand ab und machte trotzdem eine unglückselige, etwas blutige Bekanntschaft mit dem Betonboden, als ich auch schon ein Tritt in die Rippen abbekam. Nur am Rande nahm ich war, dass Joachim dabei brüllte. „Das ist nicht fair!“ Immer und immer wieder, während er über mir saß und mir ins Gesicht schlug. Ich konnte nichts anderes machen, als meine Hände schützend davor zu halten, was nicht viel brachte. „Scheiße, der macht den fertig!“, rief irgendjemand und endlich wurde Joachim gepackt und von mir runter gezerrt. Ich blieb mit geschlossenen Augen einfach am Boden liegen und fühlte mich wie ein Häufchen Schmerz, der sich hauptsächlich auf mein Gesicht konzentrierte. Ich fasste vorsichtig in mein Gesicht und stellte fest, dass ich blutete. So ein Dreck... Ich öffnete die Augen und setzte mich mühsam auf. Joachim wurde noch von seinem Kumpels festgehalten und starrte entsetzt in meine Richtung, so als wäre er selber darüber erstaunt, was er gerade getan hatte. „Scheiße, geht’s dir gut?“, fragte Paul, der neben mir in die Hocke gegangen ist und sich wohl nicht traute mich anzufassen. Ich musste echt ramponiert aussehen, ich fühlte mich jedenfalls auch so. „Mein Nase tut weh.“, meinte ich schließlich und ich war mir ziemlich sicher, dass Joachim und ich was Nasenbluten anging definitiv quitt waren. „Wie geht’s ihm?“, rief einer von Joachims Kumpel rüber, der wohl sicher gehen wollte, dass sein werter Freund nicht gerade irgendjemand krankenhausreif geprügelt hatte. „Ich kümmer mich um ihn.“, antwortete Paul und half mir schließlich ganz auf die Beine. So hatte ich mir den Tag nicht vorgestellt. „Denkst du, deine Nase ist gebrochen?“, fragte er besorgt und ich schüttelte nur den Kopf, sie hatte sich heil angefühlt, wenigstens das. Paul atmete erleichtert aus und drückte mich an sich. Ich dachte noch daran, dass ich ihm jetzt sein T-Shirt vollblutete, aber es war ihm anscheinend egal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)