Cigarette von FreeWolf (Freundschaft in allen Formen und Farben // Freundschaft des Augenblickes) ================================================================================ Kapitel 1: Freundschaft des Augenblicks --------------------------------------- Cigarette Autorin: Free Wolf Music: Aloha from Hell, Bushido, Pirates of the Caribbean, Nevada Tan, Sido - uvm;D; Thema: Freundschaft Note(May 24th, 2009): Dieses kleine Werk hier ist für knoedelchens Wettbewerb “Freundschaft” geschaffen worden, und ich hoffe, ich bin noch nicht zu spät dran mit der Abgabe;3 Ich hab mich in der vergangenen Woche intensiv mit dem OS hier beschäftigt, immer wieder umgeschrieben, bis ich schließlich das Gefühl hatte: Hey, jetzt könnt’s mehr oder weniger gehen. Ich weiß nicht, wie sehr ich jetzt das Thema verfehlt habe – mein Konzept ist „Freundschaft in allen Formen und Farben – Freundschaft des Augenblickes“ wie ihr gleich lesen werdet. Mir ist durchaus bewusst, dass das hier manche nicht so sehr berühren wird, wie einige der anderen beim Wettbewerb eingesendeten FFs.. Besonders, weil ich selber auch schon die eine oder andere gelesen habe.. Dann bliebe jetzt nur mehr eine Frage: Warum gerade Robert und Bryan? Ganz ehrlich gesagt, die Frage hab ich mir oft auch selber gestellt^^°. Ich hab‘ mich, als ich das hier erinnert habe, an eine FA mit Bryan, Robert und einem Schneemann erinnert, das ich irgendwann mal gesehen hab und – Patsch! – ich wollte unbedingt etwas mit den beiden schreiben.. Anyway, jetzt lass‘ ich euch lesen;3 -_-_-_-_- Freundschaft in allen Formen und Farben – Freundschaft des Augenblicks -_-_-_-_- „Master Robert, die Zeit ist um. Bitte geben Sie mir den Testbogen.“, mein Hauslehrer sah mich – neutral und geschäftig wie immer – über den Rand seiner dicken Brille hinweg an und streckte mir die Hand entgegen. Seine kleinen Augen blinzelten dabei tränend und gerötet, und wieder einmal fragte ich mich, wie als der Mann wohl sein mochte.. Innerlich seufzend tat ich wie mir geheißen, legte den Stift zur Seite und überreichte ihm den Bogen kariertes Papier, ohne die Antworten abermals zu überprüfen. Ich hatte die letzten fünf Minuten über einer Gleichung mit vier Unbekannten gesessen und war auch dementsprechend entnervt – unerheblich zu erwähnen, wie ‚sehr‘ ich dieses Fach doch mochte.. Wenn es jetzt etwas gab, das ich gerne gehabt hätte, war eine Zigarette.. Und doch, die Lehrstunden waren mit dem Verlassen des Zimmers seitens Herrn Blumhoffs für den heutigen Tag ihr Ende gefunden – was wollte ich denn mehr? Außerdem herrschte für mich ein striktes Zigarettenverbot in der Villa – oder überhaupt in den Häusern meiner Familie; wenn mich auch nur jemand mit einem Glimmstängel erwischen würde.. meine Eltern würden mich umbringen.. Mit einem Kopfschütteln verdrängte ich den Gedanken vorerst. Ich lehnte mich, trotz der versiebten Mathematik-Arbeit zufrieden, zurück und ließ ein erleichtertes Seufzen hören, kaum dass der alte Greis den Raum verlassen hatte. Oh ja, heute konnte durchaus noch einer jener unscheinbaren, schönen Tage werden. Die Sonne schien gerade durch das Fenster an der Südfront, und mit langsamen Schritten trat ich in den blendenden Strahl, öffnete das Fenster weit, ließ den sommerlichen Luftstrom ein. Trotzdem gelüstete es mich gerade nach einer Zigarette – obwohl ich seit über zwei Jahren endgültig aufgehört hatte. Es dauerte bloß wenige Minuten, schon klopfte es leise, und der gute Gustov trat ein, wie immer leicht gebückt in seinem Frack und mit stets gut sitzender Frisur. Er sah sich kurz um, ehe er mühsam seine Brille hervorholte – ein randloses Gestell mit Gleitsicht – und mich mit zusammengekniffenen Augen fokussierte. Ich musste nicht einmal richtig hinsehen, um zu wissen, dass ein warmes Lächeln seine Lippen unter dem dicken Schnauzer umspielte. Ich wusste, wie die Antwort lauten würde, trotzdem fragte ich beinah erwartungsvoll: „Heute kein Besuch?“ Ich ärgerte mich wie jedes Mal darüber, wenn es mir nicht gelang, meine jäh aufkeimenden Hoffnungen hinter einer Fassade der Arroganz und des Spottes zu überdecken. Es war schon seit einem Jahr niemand mehr gekommen, der auch um meiner selbst hier gewesen wäre.. Gustov jedoch nahm dies ohne ein Wort des Tadels hin, lächelte bloß väterlich – immerhin kannte er mich und meine Eigenarten schon seit frühester Kindheit. „Nein, heute nicht, Master Robert.“, erwiderte er – beinah wollte es mir so vorkommen als wäre er belustigt. Er platzierte das kleine Tablett, welches er mit sich gebracht hatte, auf dem achteckigen Holztisch in der Mitte des Raumes und ging ab, nicht ohne sich zum Abschied verbeugt zu haben. Ich seufzte, bestimmt würde er hinter der Türe wieder seinen schmerzenden Rücken reiben, welcher sich mit den Jahren gebeugt hatte. Drei Umschläge sahen mir entgegen, der oberste trug eine in Japan liegende Adresse als Absender, die anderen beiden kamen aus mir sehr vertrauten Orten. Lange starrte ich die Briefe an, wer weiß, wie lange.. Und endlich überwand ich mich und langte vorsichtig nach ebenjenem ersten, öffnete ihn mit dem Brieföffner, dessen Greifenkopf mich scheinbar wissend beobachtete, während ich leise murmelnd las. „Mr. Stanley Dickenson, Stellvertreter und Repräsentant der japanischen BBA lädt am Mittwoch, den 04. Juni 2009 zu einem Fest nach Schloss Herrenchiemsee.. blablabla..“, augenverdrehend besah ich mir die hoch formell gehaltene Einladung. Tatsächlich, sie musste echt sein, auch der Stempel der BBA war im rechten unteren Eck zu finden. Wenn ich mir so die Adressen der anderen beiden Briefe ansah und die Einladung nicht außer Acht ließ, konnte ich es mir mühelos zusammenreimen, was in ebenjenen stand. Der eine trug einen italienischen, der andere einen französischen Stempel – es war mir vom ersten Augenblick an klar gewesen, von wem sie stammen mussten; schon allein, weil ich niemand anderen dort kannte. Meine Vermutung bewahrheitete sich. Oliver schrieb, nach den üblichen Floskeln, bloß vom Essen, welches ihm beim letzten Fest überhaupt nicht geschmeckt hatte (bei welchem ich abwesend gewesen war), und Enrique verschwendete noch nicht einmal Platz für Floskeln, bevor er mit seinen neuesten Frauengeschichten prahlte – drei Seiten lang. Es war so typisch für die beiden.. ein melancholisches Lächeln überzog meine Lippen. Ich hatte das Team vor knapp zweieinhalb Jahren verlassen, und der Kontakt war nach wenigen Monaten schon abgebrochen – ich war unter zu viel Stress und Druck seitens meiner Familie gestanden. Dasselbe Stimmchen, das mir klarmachte, wie sehr sie mir in Wahrheit hinter all meiner aufgesetzten Arroganz fehlten, sagte mir auch, dass ich unglaublich enttäuscht war, nichts von Jonathan McGregor, diesem eingebildeten, überheblichen… Schotten gehört zu haben. Er hatte sich noch nicht einmal dazu herablassen können, mir einige wenige Zeilen zu schreiben, und mein Stolz verbot es mir, von mir aus tätig zu werden. Die lilafarbenen Glasaugen des Greifen funkelten im Licht der Sonnenstrahlen, die auf ihn fielen, und der hölzerne Griff des Brieföffners schien zu knirschen, als ich die Faust darum ballte, verbittert vor unser beider Starrsinnigkeit. Was für ein Arschloch. *~ Schloss Herrenchiemsee sollten wir alle gemeinsam mittels eines mittelgroßen Fährbootes erreichen, hatte in der Einladung gestanden, und so stand ich auf dem in der Sonne staubigen, dampfenden Platz an einer stillgelegten Eisenbahnschiene. Rechts von mir stand ein verstaubter Wagon zu Schauzwecken, links war ein kleines Café mit Blick auf den See. Als kleiner Junge hatte es für mich alles bedeutet, Schloss Herrenchiemsee mit dem Schiff zu erreichen, doch nun, da ich in diesem kleinen, wie ausgestorben wirkenden Ort am See stand, kam es mir wie eine unglaublich kindische Träumerei vor. Eine laue Brise sorgte für kaum Kühlung, brachte allerdings mein Haar in Unordnung, und ich streckte meine Nase ebenjenem Wind entgegen wie ein sich in die Lüfte erhebender Vogel, sog den leichten Algengeruch des Sees auf. Damals, vor bald über elf Jahren, hatte ich noch hinter jeder silbernen Spiegelung der Wellen, unter jedem Kräuseln des Wassers einen Fisch vermutet und aufgeregt darauf gezeigt, Gustov darauf aufmerksam gemacht – meine Eltern waren nie mit mir hier gewesen; das Geschäft war ihnen immer wichtiger gewesen.. Die Luft flimmerte in der Mittagshitze – weshalb hatte ich bloß den früheren Zug genommen? Ach ja, Gustov hatte ja diesen Arzttermin wegen seiner Arthrose und ich hatte mich mit dem Zug vergnügen dürfen.. Ich verdrehte die Augen und steuerte endlich das Café an. Vielleicht würde ein Kaffee ja meine Laune heben.. Ich wusste nicht, wie lange ich in dem kleinen, etwas schäbigen Café saß und meinen Gedanken nachhing, doch plötzlich drangen die kernigen Klänge einer Gitarre an mein Ohr. Ich sah von der inzwischen wohl dritten Espresso-Tasse auf, und wandte meinen Kopf in Richtung des einzelnen Wagons, den ich vorhin schon bemerkt hatte, nun allerdings nicht vollständig im Blick hatte. Innerlich aufseufzend bezahlte ich und stapfte die wenigen Schritte über die staubige Straße. Ich blieb in einiger Entfernung zum Wagon stehen, an welchem schon die Farbe abzublättern begann, wie ich von Nahem erkennen konnte, und darunter verwittertes Holz zum Vorschein kam. Das große Tor, das mich an diesen Disney-Film mit dem Pferd erinnerte, dessen Namen ich mir nie merken konnte, das aber in einem solchen Eisenbahnwagon transportiert wird, stand offen, und auf der Schwelle zwischen Hell und Dunkel hatte sich eine Gestalt gelümmelt. Ich wusste nicht, was, doch etwas übte eine enorme Faszination auf mich aus. Dabei war er bestimmt nicht von adligem Geblüt oder ähnlichem – mehr sah er aus, als wäre er eine weite Strecke gelaufen, über und über von Staub bedeckt, mit dunklen Ringen unter den im Moment geschlossenen Augen. Seine ausgewaschene Jeans sah an manchen Stellen ziemlich abgewetzt aus, genauso wie die schwarzen Turnschuhe, die er trug. Er hatte ein schwarzes Bandshirt der Band Korn übergezogen und zwischen seinen Fingern, die an sein angewinkeltes Bein gelehnt waren, hielt er eine Zigarette, die starken Mentholgeruch verströmte. An seinen Armen baumelten unzählige Armbänder verschiedenster Art über einem bordeauxfarbenen, großen Schweißband, und an seinem Ohr konnte ich zwischen dem silberblonden Haar einen metallischen Ohrring erkennen. An der Innenseite seines linken Unterarms konnte ich schwarze, verschlungene Schriftzüge erkennen, die ich nicht entziffern konnte, egal wie sehr ich mich anstrengte. Es musste eine andere Sprache sein. Ein Teil von mir war die lange, einsame Warterei leid, die ich bis jetzt durchgestanden hatte, und ich ließ mich unaufgefordert im Eingang des Wagons nieder, wo endlich auch etwas Schatten war. „Kann ich auch eine haben?“, fragte ich so selbstsicher ich nur konnte und deutete auf die Zigarette. Es war seltsam, über welche Dinge man sich näherkommen konnte. Zeichnungen, Zigaretten.. in meinem Fall war es meistens eine geschnorrte Zigarette, die mir schon das eine oder andere, interessante Gespräch am Bahnhof beschert hatte.. Ironischer Weise lautete meine offizielle Erklärung – sprich vor meinen Eltern – ich hätte noch nie einen Glimmständel auch nur schief angesehen.. Nun, sie mussten ja nicht alles wissen, besonders, da ich de facto auf meinen Reisen sehr viel Zeit in Bahnhöfen verbrachte. Mit einem Schulterzucken fischte er eine zerdrückte Packung Malboro aus seiner Hosentasche, schlug damit kurz auf sein Knie, sodass eine herausrutschen konnte, und hielt sie mir hin. Ich fingerte in meinen Taschen nach dem Feuerzeug, nachdem ich die Zigarette an mich genommen hatte, fand es, und einige Zeit saßen wir im stummen Einverständnis nebeneinander im schummerigen Halbdunkel des Wagons. Ich ließ mir Zeit mit der Zigarette, schon alleine, weil ich wusste, das es eine einzige für lange Zeit war – dafür sorgte die permanente Überwachung meiner Eltern bestimmt.. Der Kerl neben mir konnte nicht viel älter sein als ich, bestimmte ich für mich. Er wirkte abgemagert und ausgezehrt.. vielleicht war er ja tatsächlich ein Vagabund – wogegen dann allerdings die Marke der Zigaretten sprach. Obwohl, sie konnten auch geklaut sein. Er hatte seinen Glimmstängel ausgeraucht und langte nun hinter sich in den dunkleren Teil des Wagons. Vielleicht wollte er ja eine Pistole hervorholen und sie mir dann..- Doch der Gedanke war pures Hirngespinst, auch wenn ich mir ein heimliches Aufatmen nicht verkneifen konnte, als er eine Gitarre hinter sich hervorholte. Sie sah alt und wenig gepflegt aus, und mit einem schwarzen Textmarker hatte jemand in verschiedenen Schriftarten unbestimmte Dinge gekritzelt, außerdem noch etwas, das starke Ähnlichkeit mit einem großen Vogel hatte – ich schätzte es auf irgendetwas zwischen Adler, Geier, Falke und Rabe. Er zupfte kurz an den Seiten, wohl um die Stimmung zu überprüfen, und begann zu spielen. Der junge Mann mit dem silberblonden Haaren produzierte eine abgehackte, teilweise von Disharmonien durchsetzte Melodie, die ihrem eigenen Rhythmuns und ihrem eigenen Leben zu folgen schien. Er schien.. er war so vollkommen versunken in die kernigen Klänge – wie in Trance; sein schlanker abgemagert wirkender Oberkörper wiegte im Takt zur Musik leicht vor und zurück. Seine Augen waren halb geschlossen, seine ganze Gestalt wirkte auf mich bloß wie ein Klangkörper für die Melodie, und ich fühlte mich in der drückenden Hitze seltsam berührt. Ich hörte ihm zu, versank, ohne es selbst wahrzunehmen, in einem ähnlichen Zustand des Tagtraumes. Mit einem Mal riss die Musik ab, von einem Augenblick auf den anderen, und mir wurde klar, dass ich ihn angestarrt haben musste. Oder nein, ich hatte ihn nicht angestarrt; ich hatte durch ihn hindurch in viel tiefere Abgründe gestarrt, die niemand sehen müssen sollte. Hellgraue Augen mit einer seltsamen Grünschattierung um die Pupille bedachten mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte, mir wie ein Spiegel vorkam. Irgendetwas faszinierte mich wirklich enorm an diesem Menschen, ohne dass ich auch nur eine konkrete Ahnung davon hatte, was – und das schaffte bei mir bei Weitem nicht jeder. Etwas lag in diesem spiegelnden Blick, was mich stutzig und neugierig zugleich machte. Ich räusperte mich leicht, um meine Stimme wiederzuerlangen, und deutete dann vage an seinen Unterarm. „Was heißt das?“, wollte ich wissen, seltsam nervös, da mir klar war, dass ich mich hier einem Thema näherte, das vielleicht zu persönlich war, um angesprochen zu werden. Ich hatte vieles erwartet, vielleicht, dass er mich angiftete, endlich zu verschwinden, oder mich ignorierte.. doch er wandte bloß seinen Blick nachdenklich auf die Gitarre, fingerte die Zigarettenpackung aus der Hosentasche und hielt mir einen weiteren Glimmstängel hin. Mit einer langsamen Bewegung nahm er die Gitarre vom Schoß, legte sie hinter sich auf den staubigen Boden des Wagons. Wir schwiegen so lange, dass ich die Antwort schon abgeschrieben hatte. Er hatte sich den glimmenden ‚Sargnagel‘ zwischen die Lippen geklemmt, strich vorsichtig mit den Fingern über die schwarzen Linien, und meinte schließlich, so leise, dass ich ihn kaum verstand: „Neoborg“ In diesem Moment schien er mir seltsam melancholisch, sodass ich mich nicht traute, weiter nachzufragen. Doch der Begriff kam mir seltsam bekannt vor, gerade so, als hätte ich ihn vor langer Zeit schon einmal gehört.. Abstruser Weise kam mir das Bild eines löchrigen, stinkenden Käses in den Sinn, den mir Gustov als Kind einmal aufgetischt hatte, und ich beschloss, es fürs erste zu belassen. Inzwischen hatte sich der Platz rund um uns herum gefüllt, und ich entschloss mich, nach meinem ehemaligen Team zu suchen, ehe sie mich noch mit der Zigarette überraschten. Mit einem unterdrückten Seufzen schwang ich mich aus dem Wagon und zertrat die Zigarette am Boden. Mein Blick blieb an dem des Silberblonden hängen, der mich noch kurz fixierte, ehe ich mich umdrehte. Jetzt war ich mir sicher, nicht nur den Begriff ‚Neoborg‘ hatte ich schon einmal gesehen, auch dem jungen Mann musste ich bereits begegnet sein.. Nur wo? Ich konnte meine Gedankengänge nicht zu Ende führen, denn plötzlich wurde ich stürmisch umarmt und derselbe jemand, der mich soeben umarmte, küsste links und rechts von meinen Wangen Luftküsschen in die Luft. „Robert!“ Ich war vollkommen überrumpelt und konnte nichts anderes tun, als den ‚Überfall‘ über mich ergehen zu lassen. Mein Gesicht musste einen Ausdruck des Schocks zeigen. Allerdings entdeckte ich nun auch den grünhaarigen Franzosen in meiner Nähe und konnte mir endlich denken, wer die Klette war, die an mir hing und wild plapperte. „Enrique!“, beschwerte ich mich und schob den Italiener von mir, darauf achtend, nicht plötzlich von einer seiner ausholenden Gesten getroffen zu werden – das war mir einmal passiert, und meine Wange hatte von der Wucht des Aufpralls noch zwei Tage später geschmerzt. Oliver war weit zurückhaltender und wir reichten einander die Hand. „Schön, dich auch mal wieder zu sehen“, sein Lächeln wirkte ehrlich, auch wenn ich wusste, dass es nicht bloß eine Höflichkeitsfloskel war – zumindest wollte ich es glauben. Enrique wartete geduldig, ehe er auf das Café wies, wo ich vorhin schon gesessen hatte – „Wie wäre es mit ein gelato? Ich sterbe vor Hitze!“, verkündete er übermütig, und Oliver stimmte ihm zu; mir blieb also nichts weiter übrig als mich den beiden anzuschließen, auch, weil ich selbst Lust auf ein Eis verspürte. Noch einmal drehte ich mich um, wollte einen letzten Blick auf den Kerl mit der Gitarre werfen; ich stutzte. Mr. Dickenson stand bei ihm, reichte ihm mit bedauernder Miene die Hand, so viel ich aus der Entfernung entdecken konnte. Mein Blick streifte die Zeichnung, die Schriftarten, die ich für vulgäre Floskeln gehalten hatte; endlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Die Schrift, die ich nicht zu entziffern vermocht hatte, der falkenartige Vogel, das Haar, die Augen.. „Bryan“, murmelte ich stutzig, schockiert, erstaunt, überrascht – es gab tausende von Bezeichnungen für meine Expression. Doch innerlich war ich plötzlich seltsam leer. Aus meinem Unterbewusstsein kam das Bild des brutalen Dreizehnjährigen auf, der Ray krankenhausreif geprügelt hatte. Unter dem Regime der Firma BioVolt hatten sie gestanden, genau, und dann hatten sie sich befreit.. Die Bilder legten sich übereinander, ließen mich erkennen, dass seine Gesichtszüge schärfer geworden waren als noch vor sechs Jahren, und der Blick – überhaupt seine ganze Ausstrahlung - strahlte weniger Brutalität aus. Mehr noch, als ich ihn nun vor Mr. Dickenson stehen sah, kam er mir reserviert vor, unwillig. Während Oliver, Enrique und ich uns am Eis labten, fiel mein Blick auf bekannte Gesichter, die ich zumindest einmal gesehen hatte, doch Johnny hatte sich bis jetzt noch nicht blicken lassen; typisch McGregor – was nicht heißen sollte, dass ich ihn vermisste. Das einzige, was mir vielleicht ein wenig abging, waren unsere Schachspiele, bei denen ich ihn regelmäßig fertig gemacht hatte. *~ Das nächste Mal sah ich Bryan am Bug des Bootes stehen, die Gitarre auf dem Rücken, das Gesicht der leichten Fahrtbrise zugewandt. Er rauchte wieder, mit zitternden Fingern wie es mir schien führte er die Zigarette immer wieder zum Mund. Ich lachte leise, als mir die Ironie der Situation bewusst wurde. Meine allererste Zigarette hatte ich von einem seiner Teamkollegen bekommen, dem großgewachsenen blonden mit dem Walbitbeast. Wir waren uns – beide auf der Flucht vor der After-Show-Party der ersten Weltmeisterschaft im Beybladen – auf dem Dach über den Weg gelaufen, und in stummem Einverständnis hatten wir nebeneinander auf dem verschneiten Dach gesessen und.. nun, einfach geraucht. Im stillgelegten Wagon war es im Grunde nichts Anderes gewesen als dasselbe stumme Einverständnis. „Was ist denn da so lustig?“, hörte ich plötzlich eine provokante Stimme sagen, wie immer dieselbe große Portion Arroganz darin. Tatsächlich stand Johnny vor mir, in einem.. „Was hast du denn da an?“, fragte ich lakonisch und deutete auf den Schottenrock. Er verdrehte die Augen. „Klappe zu, du Langnase“, murrte er, „Lieber würd‘ ich jetzt ‘ne Runde Schach spielen.“ Ich grinste breit. „Ich hätte jetzt gar nichts anderes erwartet..“, bemerkte ich, meine insgeheime Freude hinter einer Spur Spott verbergend. *~ Es hatte vor Jahren einmal ein Team gegeben, das hatte Neoborg geheißen. Wie hatte ich nur so dumm sein können, wo sie doch so sehr gegen Balkov und die BEGA eingetreten waren – genau gesagt, waren sie die ersten gewesen, die gegen ihn aufbegehrt hatten. Es war beinahe schon das Ende des Abends, da bot sich nochmals die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. „Bryan“, sprach ich ihn an. Er fokussierte mich mit erschrockenem Blick, gerade so, als hätte ich ihn soeben aus seinen Gedanken gerissen. Beinah schüchtern korrigierte er mich. „Boris, nicht Bryan“, murmelte er, mir schien es, leicht verstört. Ich nickte. „Gut.. dann Boris“, der Name klang für mich so fremd wie sein jetziges Aussehen, doch ich fuhr im Plauderton fort, während ich meinen Blick über die Menge schweifen ließ, „Ist niemand aus deinem Team hier?“ „Nein“, Bryan – ich meine Boris – zog mit zitternden Fingern eine neue Packung Malboro hervor, fingerte erfolgreich eine neue Zigarette hervor und steckte sich, hier, am geöffneten Fenster, einen neuen Glimmstängel an. ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)