The only memory von Friedi (Alices Geschichte) ================================================================================ Kapitel 5: Mein Jasper ---------------------- Wenn mein Herz noch schlagen würde, wäre es jetzt vor Aufregung bis zur Decke gesprungen, da war ich mir sicher. Der Junge betrat das Lokal. Er war unglaublich groß, größer, als ich ihn in meinen Visionen eingeschätzt hätte. Vielleicht zwei Köpfe größer als ich. Seine Haare waren vom Regen klatschnass und vom Wind zerzaust. Unter seinen schwarzen Augen waren dunkle Augenringe. Ich hatte das in meinen Visionen hin und wieder mal gesehen. Er war hungrig. Es fiel ihm unglaublich schwer sich so unter Menschen zu bewegen. Jetzt, als ich ihn vor mir sah, sah ich, dass er unglaublich viele halbmondförmige Narben hatte. Sie waren, soweit ich es sehen konnte, über seinen gesamten Körper verteilt. Selbst im Gesicht hatte er einige davon. Doch darauf achtete ich jetzt eher weniger. Alles, was für mich zählte war die Tatsache, dass er endlich da ist. Dass sich das Warten gelohnt hatte und ich nun nicht mehr allein war. Er sah sich kurz um. Ich hüpfte von meinem Barhocker und direkt auf ihn zu. Ich war glücklich. Überglücklich! Endlich stand er vor mir, mein Jasper. In sein Gesicht stand die pure Überraschung geschrieben. Ich lächelte ihn an. „Du hast mich ziemlich lang warten lassen“, sagte ich und stupste ihn spielerisch an die Brust. Jetzt wirkte er noch überraschter, doch er senkte seinen Kopf, als ob er sich der Schuld bewusst wäre und antwortete: „Tut mir leid, Ma’am.“ Seine Stimme klang tief und sanft. Ich lächelte und nun reichte ich ihm meine Hand. Er nahm sie ohne zu zögern. Und dann zog ich ihn mit mir in eine stille Ecke des Cafés. Hier würde uns niemand belauschen oder auf uns achten. Er starrte mich fasziniert an. „Kennen wir uns?“, fragte er, als wir uns gesetzt hatten. „Ich bin Alice“, antwortete ich. „Ich wusste, dass du kommen würdest. Ich hatte immer wieder Visionen von dir. Ich wusste, dass wir zusammen gehören und ich habe so lange nach dir gesucht und dann hier auf dich gewartet.“ Er starrte mich noch immer verblüfft an. Er spielte mit dem Gedanken kurz auf der Toilette zu verschwinden, sich Wasser ins Gesicht zu spritzen, um sich zu vergewissern, dass er sich mich nicht nur einbildete. Ich kicherte. „Ich bin keine Einbildung“, versicherte ich ihm. Jetzt war er noch verdutzter, doch zu gleich amüsiert. „Wie kannst du wissen, was ich dachte?“, wollte er wissen. „Ich habe in deiner Zukunft gesehen, was du vorhattest“, erwiderte ich. „Das ist verwirrend“, meinte er, noch immer belustigt. „Wie machst du das?“ „Das weiß ich nicht“, antwortete ich. „Weißt du denn, weshalb du die Gefühle anderer spüren kannst?“ „Moment mal! Das kannst du nicht in meiner Zukunft gesehen haben!“ „Nein, aber ich weiß es aus meinen bisherigen Visionen über dich.“ Er lachte und schüttelte amüsiert den Kopf. Dann begann er zu erzählen. „Ich hatte schon vor meiner Verwandlung in einen Vampir ein gutes Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen. Vielleicht ist dieses Gespür während meiner Verwandlung noch stärker ausgeprägt worden.“ Jetzt blickte ich ihn erstaunt an. Ich hatte mir in all den Jahren gedacht, es sei normal sich nicht an sein Menschenleben erinnern zu können. Aber er konnte sich offenbar erinnern. Warum konnte ich es dann nicht? Wieder lachte er. „Überrascht?“, fragte er amüsiert. „Bis gerade eben war ich noch derjenige, der von uns beiden überrascht war.“ „Du kannst dich an dein Menschenleben erinnern?“, fragte ich nur. Er runzelte die Stirn. „Ja“, antwortete er. „Du nicht?“ Ich schüttelte etwas irritiert den Kopf. „Nein, das erste, an was ich mich erinnern kann ist, dass ich dich in einer Vision sah. Und als ich aufwachte, war ich allein.“ Jasper sah mich wieder überrascht an. „Du weißt nicht, wo du herkommst? Oder wer dich verwandelt hat?“ Ich schüttelte nur mit dem Kopf. „Und du wurdest einfach so zurück gelassen?“ „Offensichtlich.“ „Woher wusstest du dann, wie du dich zu Recht findest?“ „Ich hatte meine Visionen und meine Instinkte.“ Jasper schien sich auf mich keinen rechten Reim bilden zu können. Noch immer sah er mich verblüfft an. „Und hast du je mit anderen Vampiren gesprochen?“ „Du bist, der erste Vampir, den ich treffe.“ Er stutze etwas. „Wie lange hast du nach mir gesucht?“, wollte er wissen. „Ich weiß nicht genau.“ Ich überlegte kurz. „25 Jahre. Vielleicht auch mehr. Ich hab die ersten Jahre nicht wirklich gezählt.“ „So lange?!? Du musst doch unglaublich viele Fragen gehabt haben. Wem hast du sie dann stellen können?“ „Niemanden. Ich sah dich in meiner Vision. Dann war ich allein und ich wusste nicht, wo du warst. Ich wollte dich fragen, was ich tun musste, aber ich habe erst später begriffen, dass du nicht da warst, auch wenn ich dich sah. Ich hatte Visionen von dir und von einem anderen Vampir mit seiner Familie. Er heißt Carlisle und ich konnte mir nur ihn in meinen Visionen zum Vorbild nehmen. Er und seine Familie trinken Tierblut und das tue ich auch. Dann muss ich diese schrecklichen Visionen von trauernden Angehörigen meiner Opfer nicht mehr haben.“ Als ich Tierblut erwähnt hatte, hatte Jasper aufgemerkt. „Du trinkst Tierblut?“ „Ja, es schmeckt am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran und man muss kein Monster sein. Ich persönlich mag am liebsten Rehe und Hirsche, aber das kann bei dir ganz anders sein.“ Jasper sah aus, als wüsste er nicht, welches Gefühl stärker war. Die Verblüffung über mich oder die Freude darüber endlich eine Möglichkeit gefunden zu haben, keine Menschen mehr töten zu müssen. Doch er entschied offenbar, dass ich ihn viel mehr faszinierte. „Du musst doch all die Jahre sehr einsam gewesen sein!“ Ich nickte traurig. Aber das war jetzt vorbei. Jasper war endlich da. Mein Jasper. Jetzt konnten wir gemeinsam weiter reisen und die Cullens finden. Ich würde mich nie mehr von ihm trennen, da war ich mir sicher. Ich freute mich auf unsere Zukunft und meine Freude und meine Erleichterung darüber, dass ich nun nicht mehr allein war, besiegte die Trauer über meine Vergangenheit. „Ich halte dich für unglaublich stark.“ Jasper sah mich bewundernd an. „Du warst nur eine Neugeborene und doch hast du dich von Anfang an, ganz alleine zu Recht gefunden. Andere in deiner Situation wären außer Kontrolle geraten und im besten Falle verwildert. Aber du hast dich ganz allein zivilisiert und hast obendrein noch einen Weg gefunden kein Menschblut zu trinken.“ Ich lächelte etwas verlegen. Er sah mich sanft an und strich mir zärtlich über die Wange. „Wie lange hast du hier auf mich gewartet?“, fragte er neugierig. „Seit 1946.“ „Und du warst dir die ganze Zeit sicher, dass ich kommen würde?“ „Nein. Ich hab dich zwar kommen sehen, aber nach ein paar Wochen war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob meine Visionen richtig lagen. Aber dann hab ich gesehen, dass du nur einen Umweg gemacht hast und dann war ich mir wieder sicher, dass du kommen würdest. Und ich hatte mir vorgenommen zu warten, egal wie lange du brauchen würdest.“ „Du bist unglaublich!“ Er starrte mich an, als wäre ich ein übernatürliches Wesen. „Deine Gefühle sind unglaublich stark“, bemerkte er. „Ich hab so was noch nie erlebt. Du liebst mich!?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Ich nickte. Ich konnte nicht genau sagen, warum ich so fühlte. Ich wusste nur, dass mir immer bewusst gewesen war, dass wir einfach zusammengehörten. Ein kurzer Moment der Stille trat ein. Ich ertrug es nicht. Es war seltsam. Jahre lang hatte ich kaum gesprochen und nun merkte ich, dass ich nicht schweigen wollte. Es gab so viel zu erzählen. Und auch so viel über ihn zu erfahren. „Wo kommst du her?“, fragte ich schließlich. Ich stellte fest, dass ich in meinen Visionen nie etwas über seine Vergangenheit erfahren hatte. Er hatte sich mit Peter und Charlotte nie darüber unterhalten. „Mein Name ist Jasper Whitlock. Ich komme aus Houston in Texas“, erzählte er. „Ich bin mit knapp 17 Jahren in die konföderierte Armee eingetreten. Ich gab mich als 20 aus, damit sie mich aufnahmen. Ich hatte eine kurze aber erfolgreiche Militärlaufbahn. Ich stieg schnell auf und wurde ein paar Jahre später der jüngste Major von Texas. Irgendwann traf ich auf drei Frauen. Sie waren schön, aber sie verwirrten mich. Sie waren natürlich Vampire und sie waren gerade dabei eine Armee von Neugeborenen aufzustellen. Die, die mich verwandelte hieß Maria.“ Er hielt einen Moment inne. Er schien nicht allzu ausführlich erzählen zu wollen. Offenbar war es ihm etwas unangenehm. „Ich wurde sozusagen mitten in einen Vampirkrieg hineingeboren. Ich war Maria’s Lieblingsneugeborener und sie machte mich zum Befehlshaber ihrer Armee. Als Neugeborener ist man die ersten paar Monate noch am stärksten. Nach etwa einem Jahr lassen die Kräfte dann nach und Maria ließ ihre Neugeborenen ersetzen. Mir fiel die Aufgabe zu sie zu töten, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden. Hin und wieder jedoch überlebten ein paar von ihnen, die ersten paar Monate, wenn sie stark genug waren. Irgendwann freundete ich mich mit einem meiner Kameraden an. Er heißt Peter. Er verliebte sich in eine Neugeborene und als er sie töten sollte, verhalf er ihr zur Flucht. Ich ließ sie entkommen. Mit der Zeit hatte ich zunehmend genug vom Töten und irgendwann tauchte Peter wieder auf und erzählte mir, dass die Vampire in den Nordstaaten zivilisierter wären als in den Südstaaten und dass wir dort nicht mehr kämpfen müssten. Also schloss ich mich ihm und Charlotte an. Doch ich fühlte mich nicht gut. Ich hatte nicht einfach nur genug vom kämpfen, ich hatte auch genug vom Töten. Aber egal, was ich auch anstellte, ich kam nicht drum herum. Ich musste töten und wenn mein Durst zu groß wurde, konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Und nun treffe ich dich und du sagst mir, dass ich mich von Tierblut ernähren kann. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für mich bedeutet.“ Er sah mich an, als wäre ich eine Heilige. Ich lächelte. Es freute mich, dass ich ihm Hoffnung machen konnte. Er sah aus, als hätte er schon seit langer Zeit keine mehr gehabt. „Ich habe früher immer die Angehörigen meiner Opfer sehen müssen, immer, wenn ich Menschenblut getrunken hatte“, erzählte ich. „Und dann sah ich Carlisle in meiner Vision und er war mein Vorbild. Am Anfang ist es vielleicht etwas schwierig. Tierblut schmeckt nicht unbedingt so gut, wie Menschenblut, aber man muss dann kein Monster mehr sein. Und mit der Zeit kann man sich auch sehr gut unter Menschen bewegen ohne sich beherrschen zu müssen.“ Ich erzählte Jasper alles, was ich bisher über die Cullens in meinen Visionen erfahren hatte. Ich hatte leider noch keine weitere Information, wo wir sie finden würden, doch ich war mittlerweile optimistisch, dass ich das ganz schnell raus finden würde. Jasper hörte mir fasziniert zu. Den ganzen Nachmittag verbrachten wir in diesem Café. Es gab so viel zu erzählen. Jasper war neugierig, weil ich ihm erzählt hatte, was für menschliche Aktivitäten ich nachging. Es faszinierte ihn, wie man als Vampir sich nur so geschickt unter die Menschen mischen und mit ihnen zusammen leben konnte, ohne dabei erkannt zu werden. Ich dagegen interessierte mich sehr für seine Vergangenheit. Er erzählte mir viel über seine Erlebnisse in den Vampirkriegen. Es hatte ihm sehr zu schaffen gemacht. Ich lernte auch, dass es Regeln gab, die ich offenbar instinktiv befolgt hatte. Ich durfte mich nie vor den Menschen als Vampir preisgeben. Vampire, die gegen die Regeln verstießen wurden von denn Volturis, einer in Italien lebenden Vampir-Familie, getötet. Jasper wunderte sich ein wenig, dass ich noch nie von ihnen gehört hatte, aber er ging nicht allzu sehr darauf ein. Am Abend nahm ich ihn mit in das kleine Wäldchen am Fluss, damit er seinen Durst stillen konnte. Er fand ein paar Wölfe und trank sich satt. Er verzog das Gesicht und schüttelte sich. „Es ist wirklich sehr ungewohnt“, fand er. „Ja, ich weiß“, bestätigte ich. „Aber es hilft wirklich.“ Ich war zuversichtlich. Jasper würde es schaffen. Vielleicht würde ihm die Umgewöhnung etwas schwerer fallen, als mir, weil er so lange von Menschenblut gelebt hatte, aber er konnte es schaffen, da war ich mir sicher. Dann nahm ich ihn mit in meine kleine Wohnung. Ich war froh hier nun nicht mehr alleine sein zu müssen. Es war so langweilig gewesen, ohne ihn. Amüsiert sah er sich um. Dann blieb sein Blick an meinen Studienunterlagen hängen. „Du studierst Design?“, fragte er interessiert. „Ja. Ich hab mal eine Lehre bei einer Schneiderin gemacht. Sie hat mir gezeigt, wie ich nähen kann und sie hat mir auch so viel anderes beigebracht und dann hab ich angefangen, mich in Kleider zu verlieben und wenn ich das Studium fertig habe, kann ich eigene Kleider entwerfen und schneidern.“ Zum Beweis zeigte ich ihm auch meinen Kleiderschrank, der langsam platzte. Er lachte. „Du bist unglaublich!“, sagte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Er musste sich ziemlich verrenken, weil er so viel größer war als ich. „Du bist so klein!“, beschwerte er sich scherzhaft. „Bin ich nicht“, verteidigte ich mich. „Du bist nur zu groß!“ Wieder lachte er. Ich dagegen war hin und weg, dass er mich geküsst hatte und ich konnte und wollte nicht genug davon bekommen. Ich sprang ihm um den Hals und hing mich an ihn dran und gab ihm ebenfalls einen Kuss. Einen kurzen Moment lang war er überrascht, doch er ließ sich darauf ein. „Du bist ein kleines Monster“, stellte er grinsend fest, als wir uns von einander lösten. Ich lachte. „Ich bin dein kleines Monster!“ erwiderte ich scherzhaft. Er lächelte mich sanft an. Dann schloss er mich in seine Arme. Ich fühlte mich wohl und ich freute mich, dass ich nun nie wieder einen Tag ohne ihn verbringen musste. _______________________________________________________________________________ --> Geschrieben: --> Beta: Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)