Heldenlied von NejiTen-Schreiber (Legenden leben ewig [NejiTen][NaruHina][KibaIno][PeinKonan]) ================================================================================ Chapter 1 ~ But time will turn into ashes ----------------------------------------- Der aufsteigende Nebel dämpfte alle Geräusche, die die fünf Reiter und ihre Pferde machten. Das Klirren, das die Metallteile an Geschirr und Waffen erzeugten, wenn sie aneinander stießen, klang seltsam dumpf und die Schritte der Pferde waren dunkel und manchmal kaum zu hören. Hinata verlagerte ihr Gewicht und das Leder des Sattels knarrte leise. Allerdings bezweifelte sie, dass jemand außer ihr selbst des Geräusches gewahr geworden war. Selbst nicht ihr Cousin, der so scharfe Ohren besaß. Der Nebel schien alle Geräusche zu verschlucken. Sie konnte kaum die anderen Reiter erkennen und auch die Farben schienen zu verschwinden. Selbst das einst kräftige Dunkelrot ihres Drachenschuppenpanzers wirkte eher grau, ganz zu schweigen von dem Weiß ihres Wappenrockes. Hyuugastoff oder nicht, Weiß war eine schlechte Farbe für Reisen, vor allem solche wie die ihre, aber es war dennoch die Farbe ihres Clans und darum trug sie sie. Hinata warf einen Blick über die Schulter zurück und schaute kurz zu Neji, der schräg hinter ihr ritt. Er hatte seinen schweren, oft geflickten, dunklen Wollmantel eng um sich geschlungen, so dass nur seine in den Fellstiefeln steckenden Füße und sein gesenkter Kopf herausschauten. Und natürlich sein Katana, dessen einfacher, absolut zweckmäßig gearbeiteter, aber dennoch elegant wirkender Griff über seine Schulter ragte. Selbst die behandschuhten Hände trug Neji nah am Körper, die Finger der linken fest um die Zügel geschlossen. Die Stiefel hatte er, wie sie alle, von den Einheimischen an den Füßen der Zwielichtberge geschenkt bekommen – eine Gabe voll Ehrfurcht und Hochachtung und eine Bitte an die Götter, um Glück. Er wirkte, als würde er schlafen und das schmutziggraue Band, das sie ihm jeden Morgen über die Augen legte trug zu diesem Eindruck bei. Nicht, dass er es brauchte oder nicht selbst tun konnte, es war einfach ein Ritual von ihnen, das sie verband und an dem sie sich festhalten konnten. Sie waren oft genug Leuten begegnet, denen der kühle Blick aus Nejis völlig weißen, blinden Augen unheimlich oder einfach nur unangenehm war, vor allem, wenn er sie dennoch stets zu beobachten schien. Darum war er schon lange dazu übergegangen, seine nutzlosen Augen hinter den Bandagen zu verbergen. Es machte keinen großen Unterschied für ihn. Allerdings – und das war Hiashi, Hinatas Vater, stets ein Dorn im Auge gewesen – verbarg die Augenbinde auch die stilisierten Schwingentätowierungen auf seinen Schläfen. „Sie zeigen, dass du einer der Falkenkrieger der Hyuuga bist. Trage und zeige sie mit Stolz, Würde und Ehre!“, pflegte er immer zu sagen. Doch manchmal war dies einfach nicht praktisch. Beziehungsweise anders herum – manchmal war es praktisch und weise, sie zu zeigen. Meistens überwog das andere. Hiashi hatte es akzeptiert, verlangte jedoch auch, dass Neji die Binde abnahm, wenn ein Mitglied des Clanrates anwesend war. Auf diesen Kompromiss hatte Hinatas Wächter sich einlassen können – es war weitaus unter der Würde von irgendeiner dieser Personen, sich von so kleinen Dingen wie blinden Augen auch nur ablenken zu lassen. Neji wandte den Kopf, als sie ihn anblickte; natürlich hatte er ihre Bewegung bemerkt. Sie hatte nie verstanden, wie seine Fähigkeiten wirklich funktionierten, aber sie erlaubten ihm, gewisse Dinge – Bewegungen, der Standort von Personen oder Dingen, Gefühle – in einem bestimmten Umkreis besser wahrzunehmen, als ein Sehender das je konnte. Hinata lächelte entschuldigend, was er nicht erkennen konnte, aber er kannte sie gut genug, um es zu wissen, und sie winkte. Neji sagte weder etwas noch machte eine erwidernde Geste, sondern schwieg weiterhin. Aber das störte sie nicht. Er war einfach so und sie wusste, dass sie ihm sehr am Herzen lag. Hinter ihm ritt Kiba, die Leine des Packesels in der Hand. Sein Hund Akamaru war nur ein riesiger, weißer Schatten weiter entfernt, im Nebel kaum mehr zu sehen. Kiba war ein Stück größer als Neji und sein nussbraunes, kurzes Haar stand in alle Richtungen ab. Die rituellen roten Zeichnungen in seinem markanten, scharf geschnittenen Gesicht hoben sich deutlich gegen seine Hautfarbe ab, die jetzt viel blasser wirkte, als er eigentlich war. Der Nebel saugte alle Farben aus ihnen heraus, selbst aus dem jungen Waldläufer, der sonst so lebendig wirkte, auch wenn er gedeckte Naturfarben vorzog. Der Umhang fiel locker über seinen Rücken und den Hintern seines gescheckten Pferdes und gab den Blick frei auf seine einfache Kleidung, über die er den leichten Schuppenpanzer, den er wie sie alle aus den Drachenschuppen gewonnen hatte, und eine dicke Fellweste, die von einer großen Fibel zusammengehalten wurde, gezogen hatte. Am Gürtel trug er zwei lange Dolche und über den Rücken hatte er seinen Bogen und einen pfeilgefüllten Köcher geschwungen. Wie auch Neji hatte er weitere Waffen am Sattel befestigt – in Zeiten wie diesen und mit einem Ruf ihrem konnten sie es sich nicht leisten, weniger zu besitzen, als sie tragen konnten, wenn es denn möglich war. Auch Hinata selbst besaß, trotz der Tatsache, dass sie eine mächtige Magierin war, die im Grunde kaum physisch kämpfen konnte, mehr als nur ihr Sax, das Allzweckmesser. Sie seufzte und wandte sich wieder nach vorn. So vieles würde sie auch jetzt noch dafür geben, in einer friedlicheren Zeit geboren worden zu sein. Aber das konnte sie nicht ändern, denn das war Vergangenheit. Das einzige, an dessen Veränderung sie mithelfen konnte, war die Zukunft, und genau darum war sie jetzt hier. Ihre Kinder sollten es besser haben oder wenn schon nicht sie, dann wenigstens ihre Kindeskinder. Vorausgesetzt, sie würde eines Tages welche haben. Ein Wunsch war es schon, denn... Mit einem Ruck riss sie sich aus ihren Wunschträumen. Das war nichts, an das sie jetzt schon denken sollte. Jetzt galt es erst noch, diese friedliche Zukunft zu sichern, die sie schon vor sich sehen konnte, beinahe greifbar, von der sie so lange geträumt hatte. Auch wenn es noch ein weiter, harter Ritt bis zur letzten Schlacht war. Doch der Krieg war bereits entschieden, das wussten sie alle. Jetzt galt es nur noch, der Schlange den Kopf abzuschlagen, damit sie sich nicht wieder erholte. Und das würde sie, wenn man ihr keinen Riegel vorschob, wenn man den letzten Kampf nicht führte. Sie waren nur noch einen Schritt vom endgültigen Sieg entfernt, aber um die letzte Schlacht musste noch geschlagen werden. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Schlangenfeste gefallen und Orochimaru erschlagen war. Mit entschlossenem Blick sah sie konzentriert nach vorn, wo sie undeutlich die Silhouetten von Pein und Konan im Nebel ausmachen konnte, leicht verschwommen und völlig grau. Die kleine, schlanke Frau war völlig in Schwarz gekleidet, wie es bei der Schattengilde üblich war und die einzige, die ihre eigenen Stiefel behalten hatte, die ihr bis zu den Oberschenkeln reichten. Hinata konnte das verstehen – es waren Sonderanfertigungen der Gilde und sie konnte nicht einmal ahnen, wie viel ihre Besitzerin darin verstecken konnte, aber das war wohl der Sinn der Sache. Pein ritt vor seiner Gefährtin, der Mutter seines Sohnes, und war kaum noch zu erkennen. Alles an ihm erschien grau – selbst das sonst leuchtend orangerote Haar – und verschwommen. Hinata war es zu Anfang seltsam vorgekommen, weil die beiden so offen ein Paar waren, ohne dass einer von ihnen die Absicht hatte zu heiraten, selbst nicht nach Yahikos Geburt. Sie hatte nie mit den beiden darüber gesprochen; nie gefragt, warum sie es nicht taten. Jeder sah doch, dass diese beiden so offensichtlich zusammengehörten wie der Himmel und die Erde oder Sonne und Mond, nur dass diese beiden Menschen keinen solch nahezu unüberbrückbaren Abstand zwischen sich hatten. Vielleicht war Hinata einfach zu traditionell. Vielleicht lag es einfach an ihrer Erziehung und den strengen Regeln des Clans. Aber sie hatte es anerkannt und sie drang nicht weiter in die beiden ein. Das war ganz allein ihre Sache und jeder akzeptierte es. Vielleicht brauchten sie es einfach nicht. Vielleicht war es für sie so klar, wie es werden konnte, und keine Zeremonie konnte etwas daran ändern. Vielleicht wollten sie diese Zeremonie einfach nicht, weil sie beide keine geselligen Leute waren und ein solches Fest zu ihren Ehren, selbst in Zeiten des Krieges, musste sie abschrecken. Vielleicht waren es andere Gründe, von denen Hinata nicht einmal etwas ahnte. Es war einfach so und Hinata musste immer lächeln, wenn sie eine der kleinen, sanften Gesten sah oder einen liebevollen Blick von Konan an Pein oder diese Handbewegung, wenn Pein ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr klemmte. Die Hyuugamagierin seufzte tief und wünschte sich, auch so etwas zu haben. Oder etwas Ähnliches – jemandem, mit dem sie so umgehen konnte, jemand, der mit ihr so umging. Aber dafür hatte sie nie Gelegenheit gehabt. Keine Möglichkeit. Und auch kein Angebot – denn sie war Hinata vom Clan Hyuuga, die Erbin des Oberhauptes und eine Begleiterin Peins. Niemand traute sich, sie anzusprechen und sie ... traute sich ebenfalls nicht. Aber das würde sich ändern. Nach dem Krieg, versprach sie sich, nach dem Krieg war Zeit dafür. Und dann würde sie jemanden finden. Sie lächelte und legte den Kopf in den Nacken. Es würde nicht leicht werden. Aber es war so greifbar. Sie wusste, dass es passieren würde. Dass Orochimaru sterben und der Krieg endlich zu Ende sein würde. Denn dafür waren sie hier. Dafür hatten sie eine Schlacht geschlagen, die wichtig, aber dennoch so weit ab von ihrem eigentlichen Ziel lag. Dafür durchquerten sie die Zwielichtberge, in die sonst kaum jemand einen Fuß setzte. Dafür waren sie die Helden der Totenkriege geworden. Für das Ende jenes Krieges. Eines der drei Dinge, die Hinata an diesem Ritt tatsächlich bedauerte, war, dass der Nebel ihre Sicht extrem einschränkte. Sie hätte gerne einen Blick erhascht auf die schöne, wilde Welt des Zwielichtgebirges. Dieses Massiv war, mehr noch als die meisten anderen Gebiete, die sie schon bereist hatten, unberührt und frei von menschlichen Veränderungen. Es kamen nur wenige Leute hierher, ein paar Jäger und Hirten, die im Einklang mit der Natur lebten, und Wahnsinnige oder Verzweifelte wie sie. Die Wege bestanden aus schmalen Bergpfaden, die von Tieren geschaffen worden waren. Die Natur, schön und rau, existierte ungestört von den Einflüssen der Menschen. Die Berge, schneebedeckt und grün ummantelt, ragten majestätisch in den Himmel, dass es fast wirkte, als würden sie die Wolken berühren. So viel hatten die Reiter sehen können, ehe der Nebel aufgezogen war und sich um sie gezogen hatte wie eine Schlinge oder ein dünnes Leinentuch, durch das man hindurchschauen konnte, so zart war es. Doch der Nebel war immer dichter geworden, bis nur noch eine graue Masse zu sehen war. Silhouetten von Bäumen und Felsen erschienen und verschwanden wieder und alles wirkte seltsam unwirklich. Das Einzige, was konstant schien, waren die anderen vier Reiter, ihre Pferde und Akamaru, der nahe bei seinem Herrchen blieb. Der Hund hinkte und schonte sein rechtes Vorderbein wann immer es ihm möglich war. Während des letzten Kampfes hatte er eine lange Wunde davongetragen, die die Heiler erst genäht und dann in sauberes, weißes Tuch verpackt hatten, das inzwischen grau war von Schmutz. Das war der zweite Punkt, der Hinata nicht gefiel – sie alle waren angeschlagen, hatten sie doch eine der größten Schlachten der Totenkriege und davor mehrere Scharmützel hinter sich, als sie sich die Mühe gemacht hatte zu zählen. Pein hatte es am wenigsten erwischt, was allerdings auch damit zusammenhing, dass er seltener an den Kämpfen teilgenommen hatte – ihm als den Kriegsherrn war die Koordination der Truppen zugefallen, was ihn aus dem Gröbsten heraus hielt. Dafür hatte ihn jemand kaum zehn Tage vorher beinahe aufgespießt. Er wusste nicht einmal mehr, wer das gewesen war; gefallen war er jedoch unter dem berühmten Singenden Schwert, das der Kriegsherr führte. So etwas passierte ihnen eben. Auch Hinata war nicht schwer verletzt; nur eine Fleischwunde am Oberschenkel, die sie bei jedem Schritt ihres Pferdes zwickte, und ein Kratzer am Arm. Sie allerdings hatte aktiv an den Kämpfen teilgenommen. In solchen Situationen war sie mehr als dankbar dafür, dass Neji ihr Hüter war, denn Neji nahm seine Pflichten äußerst ernst und er war einer der besten Schwertkämpfer, die sie je gesehen hatte. Dafür hatte er um so mehr abbekommen. Hinata hatte keine Ahnung, ob er oder Konan es war, der die schweren Verletzungen davongetragen hatte. Der dritte Punkt, der ihr an diesem Ritt nicht passte, war die Geschwindigkeit, mit der sie den Weg zurücklegten, zurücklegen mussten. Sie durften keine Zeit verlieren auf diesem Weg, sie mussten rechtzeitig ankommen und das Heer in die Schlacht führen. Es war ihre Aufgabe, ihre Pflicht. Wenn sie nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt angekommen waren, würden die anderen Anführer den Angriff selbst führen. Das wäre schlecht für die Moral, aber besser, als zu riskieren, dass Orochimaru sich wieder sammelte und seine Magie und letzten Streitkräfte mobilisieren konnte, um seine Festung zu verteidigen. Darum befahl Pein diese mörderische Geschwindigkeit, selbst wenn ihre Reise in einen Gewaltritt ausartete, der keinem von ihnen gut bekam. Die junge Magierin seufzte – wieder einmal – und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Sie alle waren gut versorgt worden, von Heilern, die Magie und normale Mittel gleichermaßen einsetzten. Im Moment hatte keiner von ihnen zu befürchten, sich eine Infektion einzufangen. Und darum sollte sie jetzt auch aufhören, sich über so unnötige Dinge Gedanken zu machen, schalt sie sich selbst, es gab anderes, worüber sie ihren Kopf zerbrechen sollte. Zum Beispiel die Abwehrzauber, mit denen Orochimaru seine Festung belegt hatte. Hinata war noch nie dort gewesen, doch sie wusste, dass ein mächtiger Zauberer wie der Lichlord nichts unversucht gelassen hatte, sich und seine Festung zu schützen. Und Hinata, die ihrerseits eine machtvolle Magierin war, würde mit anderen Personen ihrer Berufung die Aufgabe zufallen, diese Zauber zu durchbrechen. Sie konnte sich ein paar Strategien überlegen, wie sie vorgehen konnten. Die Banne durchgehen, die sie kannte, um solche Schutzzauber zu durchbrechen. Sich die Natur der Schutzzauber selbst ins Gedächtnis rufen. Überlegen, was noch zu bedenken war. Allerdings war es gut möglich, dass sie all diese Strategien wieder über den Haufen werfen musste, wenn sie erst einmal an der Schlangenfeste ankamen. Orochimaru verwendete sicher keine alltäglichen Zauber. Wahrscheinlich waren es welche, von denen nur wenige gehört hatten, wenn er sie nicht völlig neu geschaffen hatte. Beides war gut möglich. Wahrscheinlich würden sie beides sogar antreffen. Pein an der Spitze ihrer kleinen Kolonne hob die Hand und zügelte sein Pferd. Er starrte angestrengt nach vorn in den Nebel. Hinata bewegte sich leicht im Sattel um an ihm vorbeizuspähen, aber – natürlich – konnte sie nichts sehen. Neji lenkte sein Pferd neben sie und legte lauschend den Kopf schief. Sie wandte sich ihm zu. Ihre Erfahrung sagte, dass Neji Dinge bemerkte, die andere nicht sahen, weil seine 'Sicht' einfach anders war. Er sah nicht mit den Augen, sondern durch Magie, durch die Schwingungen, die Erde und Luft an ihn übertrugen. Er erkannte keine Farben, keine Mimiken und auch nichts, was geschrieben stand oder gemalt war. Aber er wusste, wo genau Personen standen, welche Gesten sie machten und wie schnell ihre Herzen schlugen und es spielte keine Rolle für ihn, wenn sie sich hinter ihm befanden. Er hatte einmal versucht, es ihr zu erklären, aber sie hatte es nicht begriffen. Wahrscheinlich würde sie es nur erfassen, wenn sie es tatsächlich erlebte und das war ihr unmöglich. „Siehst du etwas?“, wollte sie von ihm wissen und er drehte verwirrt den Kopf. Das Schweigen zog sich hin. „Etwas stimmt nicht.“, antwortete er schließlich. „Schon die ganze Zeit. Es ist, als wäre alles verschwommen.“ „Es ist neblig.“, meinte sie und kam sich gleich darauf dumm vor. Nebel hatte ihn nie beeinträchtigt. Warum sollte er jetzt? Es sei denn, er war magischer Natur. … Was natürlich sein konnte. Warum war ihr das nicht schon früher aufgefallen?! Näherten sie sich nun Orochimarus Festung oder nicht? Und war Orochimaru nicht einer der machtvollsten Magier, den dieses Land je gesehen hatte? Aber sie hatte nichts gespürt... Und auch das silberne Amulett, das offen auf ihrer Kleidung lag, der Ismalith, warnte sie nicht. Was war hier los? Neji griff nach seinem Schwert und Kiba, der ebenfalls zu ihnen aufgeschlossen war, nestelte bereits an seinem Bogen herum. Pein dagegen war zurückgefallen, dass sein Apfelschimmel, der im Nebel kaum zu erkennen war, direkt neben Konans Reittier ging. Er hatte die Hand auf den Griff des Singenden Schwertes gelegt. Konan dagegen hatte wie Neji ihre beiden Klingen gezogen, zwei lange Dolche, ebenso berühmt wie jede anderen der Waffen, die die fünf am häufigsten nutzten. Vor ihnen schälten sich drei Gestalten aus dem Nebel, menschliche Silhouetten, alle gehüllt in dicke Mäntel aus Fell. Jene, welche an vorderster Stelle stand, war klein und schlank. Ihr schneeweißes Haar war kurz geschnitten, doch trotzdem bemerkte man auf den ersten Blick, dass es eine Frau war. Es dauerte nicht lange, dann hatte Hinata sie erkannt. Es war eine der Drei Mütter, die Mutter des Zwielichts. Aus ihrem runzeligen Gesicht starrten den Reitern hellwache, eisblaue Augen entgegen, deren Blick trotz ihres Alters noch so scharf war wie der eines Falken. Die zweite Frau war groß, dürr und knochig, aber die Hyuugazauberin wusste, dass sie sich mit unglaublicher Eleganz bewegen konnte. Ihr Gesicht wirkte – selbst hier im Nebel – wie das einer schlecht behauenen Statue, kaum erkennbar. Die tiefen Narben, die sich hindurch zogen, dienten ebenfalls nicht der Verschönerung. Auch sie kannte Hinata, eine machtvolle Magierin, die eigentlich bei der Schlangenfeste sein sollte um dort zu helfen. Auch die letzte Gestalt war eine Frau, jedoch plump und unglaublich fett. Ihre kleinen, schwarzen Augen wirkten wie Käfer in dem aufgequollenen Gesicht und sie stützte sich schwer auf einen dicken Stock. Sie fixierte, wie die anderen beiden, die herankommenden Reiter, doch unter ihrem Blick erschauderte Hinata. Die anderen beiden konnten ihr nichts, doch diese Frau... Diese Frau war eine Priesterin. Und nicht nur irgendeine Priesterin, sondern eine Hohepriesterin und jeder wusste, dass mit ihr nicht zu spaßen war. Sie war bitter und einsam und voller Leidenschaft für ihre Aufgabe, Taikai-Hime, ihrer Göttin, zu dienen. „Seid gegrüßt, ihr Legenden.“, rief sie, als die Reiter nahe genug herangekommen waren, und ihre Stimme war das einzige an ihr, was nicht abstoßend und widerlich war, sondern süß, schmeichelnd und samtig. Diese Stimme war wie geschaffen für Predigten. Sie war zum Zuhören gemacht. Pein stoppte seinen graufleckigen Wallach nur zwei, drei Meter vor ihnen, beantwortete den Gruß jedoch nicht. Hinata warf ihm einen nervösen Blick zu. Das war grob unhöflich und man spielte besser nicht mit dem Feuer, selbst, wenn man so mächtig war wie Pein. Unruhig zügelte sie ihr eigenes Pferd, so dass es hinter dem ihres Anführers und neben Konans zum Stehen kam. Doch weder die grantige Priesterin noch die anderen beiden Frauen reagierten auf Peins abweisendes Verhalten. Eigentlich reagierten sie gar nicht, sondern blickten dem Kriegsherrn nur entgegen, stumm und ernst. Das Schweigen zog sich hin, angespannt und geladen. Nach einigen Augenblicken begann Hinata nervös zu werden. Ihr war nicht ganz klar, was hier geschah, aber sie wusste, dass es eine Art Machtspiel war. Sie warf einen nervösen Blick zu ihrem Cousin, der von der ganzen Sache nichts mitzukriegen schien. Vielleicht war es auch so – derartige Dinge wie Blickduelle waren für ihn schwer zu fassen. Er mochte wohl die Theorie dahinter verstehen, doch die Praxis war etwas ganz anderes. Nejis Kopf war unbeeindruckt nach vorne gerichtet, aber seine Schultern wirkten steif und er hielt noch immer sein Schwert in der Hand. Zu Kiba wagte Hinata sich nicht umzudrehen, aus Angst, die Aufmerksamkeit der drei so plötzlich aufgetauchten Frauen auf sich zu lenken, und Konan wirkte wie eine bewegungs- und emotionslose Statue. Pein war es schließlich, der die Stille durchbrach und sich damit der Macht der drei Frauen unterwarf. Er räusperte sich und wollte mit kühler Stimme wissen: „Solltet Ihr nicht bereits an der Schlangenfeste sein, mit dem Rest des Heeres?“ Machte er sich Sorgen, dass nicht nur diese drei das Ziel nicht erreicht hatten, sondern auch die Streitkräfte? Dass Orochimaru sich sammeln konnte, ehe sie den letzten Schlag führen konnten, der ihn zu Fall und hoffentlich in den Tod brachte? Dass Peins so sorgfältig ausgeklügelten Pläne, an denen er seit Wochen arbeitete, für die er so viel Zeit und Energie investiert hatte, um genau den richtigen Augenblick, die richtigen Umstände zu schaffen, abzupassen und zu nutzen, den Bach runter gingen und schief liefen? Die Priesterin kicherte. „Macht Euch keine Sorgen, oh großer Kriegsherr.“, antwortete sie leise und Hinata war nicht klar, ob sie Pein mit dem Titel ehrte oder verspottete. Sie vermutete letzteres – wie auch der Angesprochene selbst, dessen Fäuste sich enger um die Zügel seines Pferdes schlossen. Das Tier schnaubte nervös und stampfte mit den Hufen, aber Pein hatte sich unter Kontrolle. Die Magierin konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie wusste, dass es wie in Stein gemeißelt wirken musste. „Außer uns sind alle dort, wo sie sein sollen.“, erklärte die Mutter des Zwielichts mit einer rauen Stimme. Sie trat einen Schritt nach vorn. „Konan.“ Sie sagte nur das eine Wort, aber ihr Ton war herrisch und die Angesprochene reagierte sofort, gelenkt von uralten Regeln und Verhaltensmustern, die ihr schon vor Jahren eingedrillt worden waren. Sie rutschte aus dem Sattel und fiel auf die Knie, den Kopf geneigt in ehrfürchtiger Hochachtung vor der alten Frau, ihrem Titel und dem, für das sie stand. Pein ruckte unwillig mit dem Kopf, als könne er sich gerade davon abhalten, zu ihr zu blicken und ihr zu befehlen, wieder aufzustehen. Konans Ergebenheit zu ihren Herrinnen war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Nicht nur, weil es gefährlich für seine Position war und für ihr gesamtes Vorhaben, wenn die Loyalität eines ihrer Gruppenmitglieder derartig aufgesplittert war. Sondern auch wegen Konan selbst. Hinata seufzte und beschloss, die Spannung, die noch immer in der Luft lag, zu lösen. Sie schwang ein Bein über den Widerrist ihres Schimmels und landete mit einem nassen Geräusch im Matsch, aus dem der Boden derzeit bestand. Jetzt richtete sich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sie, aber das Opfer musste sie bringen. Sie verbeugte sich respektvoll vor den drei Frauen. „Den Göttern zum Gruße.“, erklärte sie ruhig. Für einen Moment blieb es still. Pein blickte sie kühl an, sagte jedoch nichts. Dann trat Neji neben sie und auch ihr Anführer rutschte aus dem Sattel. Konan erhob sich wieder und glitt nahezu lautlos an die Seite ihres Gefährten. Zuletzt folgte Kiba, der abwartend zugesehen hatte, während die Priesterin ihre Arme ausbreitete. Ihre weitern Robenärmel wirkten wie meeresblaue Banner. „Den Segen der Götter über Euch alle, Helden der Totenkriege.“, sprach sie klangvoll. „Wir sind hier im Auftrag der Freien Völker um Euch den Segen aller zu geben, die vom Leben erfüllt sind, und Euch gleichzeitig unser aller Dank auszusprechen. Drei Frauen, heißt es, sind stärker als ein Heer von Kriegern und darum wählte man uns dafür. Und wir werden diese Aufgabe erfüllen, denn mehr als nur der kommende Sieg hängt davon ab. Tretet vor.“ Sie ließ die Hände wieder sinken und griff in einen der Beutel, die sie am Gürtel trug. Pein öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch die Magierin schnitt ihm das Wort ab. „Tretet vor.“, wiederholte sie. „Mit der Zeit wird alles klar werden, aber jetzt ist nicht der richtige Moment.“ „Außerdem eilt die Sache.“, knurrte die Mutter des Zwielichts. „Worauf wartet Ihr?“, wollte sie von der Priesterin wissen, die ihr jedoch nicht einmal einen Blick als Antwort schenkte, sondern vortrat. „Fallt auf die Knie vor der Macht der Götter.“, murmelte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern, doch klar zu vernehmen mit herrischer Gewalt. Hinata reagierte ohne nachzudenken und kam dem Befehl nach. Ihre Hose sog sich mit Feuchtigkeit voll, aber sie merkte es kaum. Sie spürte eher, als dass sie es sah, dass auch ihre vier Begleiter ehrfürchtig zu Boden sanken. Die Magierin und die Kriegerin blieben bewegungslos stehen, während die Priesterin vortrat. Es war kein Ritual, keine Zeremonie, es gab weder Gesänge noch eine Predigt, und doch waren sie in diesem Moment den Göttern näher als je zuvor. Hinata konnte die Macht spüren, die plötzlich um sie herum aufflammte, die vom Wind getragen wurde und unter ihnen durch die Erde rollte wie ein unspürbares, machtvolles Beben. Sie war nicht menschlich, in keiner Weise. Sie war göttlich, musste es sein. Denn was sonst konnte sich derartig anfühlen? Hinata erbebte vor Ehrfurcht. Die Welt um sie herum antwortete lautlos auf den machtvollen Ruf und Kibas Blut sang eine ebenso lautlose Erwiderung auf diese Gewalt. Sie vibrierte durch Hinatas Körper, pure Energie und Stärke. Für einen Moment schien sich der Nebel zu heben und der Himmel aufzuklaren, dass sie das satte Blau sehen konnten. Die fette Priesterin trat vor Pein, drei ihrer Finger bedeckt mit blauem Staub, den Taikais Priesterinnen nutzten, um heilige Symbole auf Steine, Muscheln und Haut zu malen. Sorgfältig zeichnete sie ein Signum auf seine Stirn, eine liegende Acht in einem Kreis. Dann trat sie zu Hinata um die Handlung bei ihr ebenfalls durchzuführen. Als sie den Finger auf ihre Stirn setzte, wurde die Magierin von Macht durchzuckt wie von einem Blitz. Nur dass die Kraft nicht mehr verschwand, sondern weiter durch ihren Körper floss wie ihr Blut, sirrend und glorreich und gewaltig, nahezu unerträglich. Ihre Hände begannen zu zittern und hinter ihrer Stirn begann sich, enormer Druck aufzubauen. Ihr Schädel fühlte sich an, als wolle er explodieren. Der silberne Ismalith, der noch immer auf ihrer Brust lag, erwärmte sich. Bald war er so heiß, dass sie ihn durch die Kleidung spüren konnte. Und er wurde noch heißer, dass sie sich fragte, ob der Stoff gleich Feuer fangen würde oder sie eine Brandwunde auf der Haut davontragen würde. Dann begann ihre Nase zu bluten. Erst als die fette Frau ihren Finger wieder wegnahm, nachdem sie das Symbol beendet hatte, ebbte der Machtstrom ab. Hinata sackte schwer atmend in sich zusammen und fragte sich, ob es sie nur so hart getroffen hatte, weil sie Magierin war oder ob es den anderen ebenfalls so erging. Sie hob ihre Hände und presste sie vor das Gesicht. Warmes Blut floss durch ihre Finger, doch der Strom schien schon wieder zu versiegen. Sie kniff die Augen zusammen und nutzte dann den Ärmel ihrer Robe, um die rote Flüssigkeit abzuwischen. Das war nicht sonderlich hygienisch, aber sie hatte jetzt nichts anderes zu Verfügung. Die dicke Priesterin kümmerte sich nicht um sie, sondern wiederholte die Geste bei Neji, Konan und schließlich bei Kiba. Nach einem kurzen Zögern ging sie auch zu Akamaru. Der Hund winselte, hielt jedoch still, als auch er gezeichnet wurde. Neji begann ebenfalls, am ganzen Körper zu zittern, während Konan sich verkrampfte. Kiba reagierte am heftigsten – er keuchte und öffnete den Mund, doch kein Laut drang über seine Lippen. Hinata wollte aufstehen und zu ihm gehen, aber sie wusste, dass er das für sich alleine aushalten musste. Danach trat die Priesterin zwischen die anderen beiden Frauen zurück und die fünf Krieger rappelten sich wieder auf, noch etwas benommen und schwankend. „Setzt eure Reise nun fort.“, befahl die Mutter des Zwielichts kurz. „Und habt Vertrauen – ihr werdet ans Ziel kommen, dorthin, wo man euch braucht. Lebt wohl.“ Pein verbeugte sich, leicht nur, aber respektvoll, und trat zu seinem Pferd. Die anderen vier taten es ihm nach und saßen auf. Die drei Frauen wichen zur Seite, als sie ihre Reittiere an ihnen vorbeilenkten. Kurz darauf nahmen sie wieder Geschwindigkeit auf, den harten Kanter, den sie die meiste Zeit ihres Rittes genutzt hatten. Viel Zeit hatte die kleine Unterbrechung sie nicht gekostet, aber sie durften nicht vergessen, dass sie von Anfang an in Eile gewesen waren. Außerdem mussten sie aus diesem Nebel heraus, ehe sie irgendwo landeten, wo sie nicht hinwollten. Bis jetzt hatten sie ihren Weg gehalten, aber wer wusste, was für Überraschungen die Berge noch für sie bereithielten? Außerdem schienen die Schwaden dichter zu werden... Schon tauchte Pein, der die Spitze übernommen hatten, tiefer in den Nebel ein, obwohl sich der Abstand zwischen ihm und Hinata nicht vergrößert hatte. Vielleicht sollten sie enger zusammenbleiben...? Hinata wollte schon den Vorschlag machen, als sie erneut die Macht spürte. Vielleicht waren es nur die Nachwirkungen von vorhin. Vielleicht etwas anderes. Ihr wurde übel und ihr schwindelte. Zwar für einen Moment nur, aber sie wäre fast aus dem Sattel gekippt und konnte gerade noch rechtzeitig fangen. Erneut wallte die Magie auf und sie presste sich eine Hand auf die Brust, direkt über ihrem heftig schlagenden Herzen. Als ihre Haut den Ismalith berührte, riss sie sie wieder weg. Das Amulett schien zu glühen... Und dann war Neji weg. Es war ein Schock, den sie beinahe körperlich fühlen konnte. Als wäre ein Teil ihrer Seele herausgerissen und weggeschleudert worden –sie konnte ihn noch fühlen, aber er war nicht mehr da. Denn Neji war nicht mehr die drei Schritt hinter ihr, wo sie ihn mit ihrem Geist spüren konnte, wie es sein sollte, fest und solide wie seit jenem Tag, an dem sie verbunden worden waren, durch Magie und Familie und alte Blutsbande. Sie wusste stets, wo er war und selten war die Entfernung so groß, dass sie ihn nur noch schwach spürte, wie die flackernde Flamme einer Kerze in einem Windhauch. Es musste ein Ritt über Wochen sein, die sie trennte. Nur, dass sie schon seit Monaten nicht mehr so weit entfernt voneinander gewesen waren. Und einen Moment vorher waren sie sich so nah, dass sie ihn hätte berühren können, wenn sie gewollt hätte. War es der Nebel, der sie verwirrte, ihre Bindung störte? Aber wie konnte das sein?! Es war unmöglich das Band zwischen einer Hyuugamagierin und ihrem Krieger zu behindern. Und es war niemand da, der es hätte tun können. Sie drehte sich um. „Neji-nii-san? Neji-nii-san!“ Er antwortete nicht und sie wusste plötzlich, dass die Entfernung tatsächlich war. Wie auch immer sie zwischen sie geraten war. Hinata schluckte hart und fühlte sich plötzlich hilflos. Neji war nahezu immer an ihrer Seite. Er gab ihr Stärke und Halt. Er war ihr Stützpfeiler. Ohne ihn wäre sie niemals das geworden, was sie jetzt war. Und jetzt war er weg. Sie drehte sich im Sattel weiter um, um Kiba anzublicken und ihn zu fragen, ob er etwas gesehen hatte. Immerhin ritt Neji direkt zwischen ihnen, er musste etwas bemerkt haben. Doch sie konnte weder Kiba noch seinen treuen Akamaru im Nebel entdecken. Da war niemand hinter ihr. Kein Reiter, kein Pferd, kein Hund. Auch keine verschwommenen Silhouetten. Für einen Moment blieb ihr Herz stehen. „Hinata?“ Konans Stimme ließ sie schreckhaft zusammenzucken und herumfahren. „Bleib näher bei mir, Hinata.“, sagte die ältere Frau, nur eine verschwommene Gestalt vor ihr. „A...aber...“, begann das Mädchen und blickte sich erneut um, ohne eine Spur von Neji, Kiba oder Akamaru zu finden. Sie wandte sich wieder nach vorn. Auch von Pein war nichts mehr zu sehen und sie wollte gerade fragen, als Konan erneut die Stimme erhob. „Pein? Pein, bleib stehen! Der Nebel ist zu dicht...“ Doch auch ihr Anführer gab keine Antwort. Für einen Moment blieb es still. „PEIN?!“ Die Stimme der Kriegerin klang anders, als Hinata sie je gehört hatte. So, als würde sie verzweifelt versuchen, die Panik herauszuhalten, ohne es gänzlich zu schaffen. Doch Konan war beherrscht und sicher und verfiel niemals in einem derartigen Angstzustand. Das war so unmöglich wie Feuer, das in Wasser brannte. Hinata trieb ihren Schimmel an, so dass sie zu der Frau aufschloss. „Pein!“ Wieder ihr fast verzweifelter Schrei. „Nagato!“ Hinata streckte die Hand aus und fasste Konans Arm. „Neji und Kiba sind auch nicht mehr da.“, sagte sie mit erstickter Stimme und setzte gleich darauf über ihre Schulter gerichtet und viel lauter hinterher. „Neji! Kiba! Neji-nii-san! Akamaru! Wo seid ihr?“ Keine Antwort. „Sie sind weg.“, murmelte Konan und trieb dann ihre braune Stute an. „Nagato!“ „Wa...warte!“, rief Hinata hinter ihr her und der Schimmel schien von ganz allein zu reagieren. Er preschte hinter dem anderen Pferd her, vielleicht, weil er den Wunsch seiner Reiterin verspürt hatte, vielleicht aus Angst, weil Tiere Magie spüren konnten und alle anderen Pferde um sie herum so plötzlich verschwunden waren. Konan vor ihnen blieb jedoch ein fester Schatten und ihre Stimme deutlich zu hören. Hinata hoffte, dass sie nahe genug blieb, um sie nicht auch noch zu verlieren. Plötzlich stoppte die Gildenkriegerin ihr Reittier. „Wir müssen zusammenbleiben.“, flüsterte sie, wie zu sich selbst, und blickte dann die junge Magierin an, als sie zu ihr aufschloss. „Hast ... du etwas gesehen?“ Das leichte Schwanken in der Stimme der Kriegerin machte Hinata beinahe mehr Angst als das Verschwinden ihres Cousins und Kibas und Peins. Konan verfiel nicht in Panik. Niemals. Unter keinen Umständen. Sie war eine Kriegerin der Gilde und Kriegerinnen der Gilde kannten keine Gefühle, keine Angst, keine Panik. Sie waren wie Felsen. Nur beweglicher. Und tödlicher. Aber sie. Hatten. Keine. Angst. „Wo sind sie?! Was passiert hier?!“ Noch immer war Hinata nicht sicher, ob Konan mit ihr redete oder mit sich selbst oder etwas ganz anderem. Doch dann drehte sie sich zu ihrer Begleiterin um und fragte: „Hast du etwas bemerkt?“ Hinata nickte und hob die Schultern und fragte sich, ob das Aufwallen der Macht etwas hiermit zu tun hatte. Oder ob es eine Nachwirkung war. Eine, die zufällig nur kurz vor dem Verschwinden ihrer Freunde aufgetaucht war... Zufälle gab es nicht. Sie berichtete Konan in kurzen Worten davon und die Frau blickte nachdenklich in den Nebel, ohne wirklich etwas zu sehen. Aber sie konnten beide nicht viel damit anfangen. „Was tun wir?“, wollte Hinata leise wissen und blickte zu der anderen Frau auf. Eigentlich war Konan sehr klein, sogar kleiner noch als Hinata selbst, auch wenn sie sich neben der Kriegerin stets winzig vorkam. Vielleicht lag es an Konans Ausstrahlung. Oder an ihrer Kleidung. Oder an Hinata, die sich selbst selten sicher war. Genau darum wandte Hinata sich jetzt wie natürlich an die ältere Frau, um zu wissen, wie es jetzt weiterging. Normalerweise gab Pein die Befehle oder einer der anderen Heerführer. Jetzt war keiner von ihnen da. Nur Konan. Und Hinata. „Wo, sagtest du, ist Neji?“, unterbrach Konan ihre Gedanken. Blaue Haarsträhnen fielen ihr wirr ins Gesicht und ihr Blick aus jadegrünen Augen war wild. Hinata zeigte nach Westen. „Wir würden mindestens zwanzig Tage brauchen, um ihn zu erreichen.“ „Und du bist dir ganz sicher?“ Konan stellte sie nicht in Zweifel. Sie wollte nur wissen, ob ihre Verbindung intakt war und nicht auch durcheinander wie ... alles hier. Hinata nickte. „Ja.“ „Von Kiba hast du nichts gesehen?“ Hinata schüttelte den Kopf. Konan blickte wieder nach vorn. „Und Nagato ist auch verschwunden... Wie vom Nebel verschluckt...“ Sie verstummte wieder. Hinata spielte nervös mit den Zügeln herum. „Vie...vielleicht sind die anderen beiden auch so weit weg. Oder vielleicht sind sie bei ihm; wir wurden ja auch nicht getrennt. Von was auch immer.“ Konan nickte langsam und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. „Das ist anzunehmen. Neji ist der einzige, von dem wir wissen, wo er ist. Reiten wir ihm entgegen.“ Hinata atmete auf, einigermaßen erleichtert. Die Entscheidung verbesserte nicht ihre Situation, aber es gab ihr doch ein kleines Gefühl von Sicherheit. So konnten sie wenigstens etwas tun. „I...ich hoffe, wir verlassen diesen Nebel bald.“ Inzwischen jagte er ihr einen Schauer über den Rücken. Nur diese dichten Schwaden waren daran schuld, dass sie sich verloren hatten! Ohne ihn wäre das sicher nie passiert. „Vielleicht.“, antwortete Konan. „Aber das spielt keine Rolle. Früher oder später wird er sich lichten.“ Sie drehte sich zu dem jüngeren Mädchen um und warf ihr ein halbherziges Lächeln zu. „Keine Sorge. Wir haben schon schwierigeres gemeistert als dies hier. Eine Trennung ist nichts gegen Untote, Drachen und Trolle.“ Ihre Stimme klang nicht so sicher, wie Hinata sich das gewünscht hätte, doch die Magierin nickte und konzentrierte sich auf die Worte. Konan hatte recht. Sie waren schon gegen viele Gefahren geritten und auch das hier würden sie irgendwie überstehen. Nejis Präsenz war fern, aber solide in ihrem Geist. Und bald darauf erwies sich Konans Vorhersage als wahr, als der Dunst dünner wurde und schließlich wieder Sonnenstrahlen durch die nebligen Schleier schienen wie goldene Striche in der Dunkelheit. ~ [ ♠ ] ~ Die Taverne 'Zum hinkenden Frosch' lag in einem abgelegenen Winkel der kleinen Stadt. Wenn man nicht wusste, dass sie existierte, lief man meist daran vorbei ohne ihr auch nur einen zweiten Blick zu gönnen. Von außen wirkte das sie schlicht und unscheinbar; die Hauswand hatte nur zwei Fenster und das Gebäude sah so aus, als wenn dringend einige wichtige Reparaturen vorgenommen werden müssten. Doch das war nur die eine Seite. Die, die die Menschen sahen, die blind an der kleinen Taverne vorbeihasteten. Die Wahrheit sah anders aus. Naruto kannte den Weg wie seine Westentasche. Er war ihn so oft gegangen, dass er sogar glaubte ihn mit verbundenen Augen zu finden. Ino hatte ihn ausgelacht und Tenten hatte nur den Kopf geschüttelt. Einzig Lee war bereit gewesen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, was Kushina, seine Mutter, allerdings erfolgreich verhindert hatte. Naruto verdrehte kurz die Augen bei dieser Erinnerung. „Naruto“, hatte Kushina gekeift, „du wirst nicht! Ich wiederhole: Nicht schon wieder eine solche Dummheit begehen! Weißt du denn nicht mehr, was das letzte Mal passiert ist!? Dein Vater und ich sind vor Sorge fast umgekommen! Was, wenn dich jemand gesehen hätte!? Was, wenn dich jemand geschnappt hätte!?“ Er hatte es immer gewusst: Seine Mutter war schlicht übervorsichtig. Ein gewisses Risiko gehörte nun mal dazu und wenn sie nicht endlich bereit war, ihm zu glauben, dass er auf sich selbst aufpassen konnte, musste er wohl oder übel noch einmal mit seinem Vater sprechen, damit dieser Kushina ins Gewissen redete. Obwohl für Minato ganz eindeutig die größte Gefahr bestand, behandelte sie ihn nämlich nie so von oben herab. Es war einfach ungerecht! Naruto kickte einen Stein aus dem Weg. Auf der Straße kamen ihm etliche Menschen entgegen. Händler, die Waren in kleinen Handkarren transportierten; Handwerker, die mit Material zwischen Werkstätten hin- und hereilten; ein paar kleine Kinder, die überschwänglich zwischen den Beinen der übrigen hindurch jagten; etliche Frauen und Männer, die wie Naruto selbst ihren Geschäften nachgingen. Der Blonde konnte nicht anders: Er grinste selbstzufrieden. Nach einstündigem Debattieren hatte Kushina sich doch noch bereit erklärt ihn allein gehen zu lassen. Unter strenger Anweisung nirgendwo anzuhalten, mit niemandem zu sprechen – wenn es nicht vermeidbar war – und den kürzesten Weg zu Genmas Taverne einzuschlagen. Genma war ein alter Freund seines Vaters, vielleicht sogar der beste. Ganz genau wusste Naruto es nicht, aber es kam sowieso aufs Gleiche hinaus – warum also sich groß Gedanken machen? Minato und Genma hatten beide unter Jiraiya gelernt, einem berühmten Kampfkünstler und Schriftsteller, der vor seinem Durchbruch und Exils die Taverne geführt hatte, zu der Naruto jetzt unterwegs war. Jiraiya war für Naruto eine Art selbst erklärter Großvaterersatz. Es kümmerte ihn nicht besonders, dass Naruto nichts von ihm wissen wollte. Jedes Mal, wenn er zufällig zu Besuch gekommen war, machte er sich über ihn lustig oder nahm ihn aus, wenn er gerade wieder sein ganzes Geld verprasst hatte. Doch er war Minatos Meister gewesen und so hatte er, Naruto, den alten Kauz zu dulden, selbst wenn er ihm noch so auf den Senkel ging. Schließlich hatte Jiraiya die kleine Taverne seinem Vater vererbt, der sie wiederum Genma vermacht hatte, da ein solches Zuhause ihn und seine Familie völlig bewegungsunfähig machte, was als Anführer der Rebellen ein klarer Nachteil war. Ganz zu schweigen davon, dass jemand wie Minato keiner normalen Arbeit nachgehen konnte. Es würde keine zwei Wochen dauern und man würde wissen, wer genau der neue Wirt war. Naruto war mehr als froh, dass ihm statt des nervigen Opas nun Genma erwartete, der nicht auf ihm herumhackte, und ihn ausnahmsweise einmal ernst nahm. Genma war das, was er sich als verständnisvollen Onkel vorstellte, in gewissen Situationen humorvoll und ernst in jenen, in denen man es sein musste. Außerdem war er noch jung. Mitte dreißig, nur ein oder zwei Jahre jünger als seine Eltern. Naruto bog um die nächste Ecke und sein Gesicht hellte sich auf, als er nach einer halben Ewigkeit endlich in die kleine Seitenstraße einbog, in der sich die Taverne ‚Zum hinkenden Frosch’ befand. Hier kamen ihm kaum noch Leute entgegen und auch der Lärmpegel sank erheblich, auch, wenn man immer noch von fern die Geräuschkulisse des Marktplatzes wahrnehmen konnte. Er warf einen schnellen Blick nach links und rechts. Die Straße war leer, bis auf ein paar Passanten, die ihm keinen zweiten Blick schenkten und stumm vorbeihasteten. Naruto vergewisserte sich nochmals, ob ihn nicht doch jemand beobachtete, dann ging er gemächlich die Straße entlang und blieb vor einer unscheinbaren Tür stehen über der ein schief hängendes Schild mit der ausgeblichenen Aufschrift 'Zum hinkenden Frosch' befestigt war. Ein feines Grinsen zog sich über sein Gesicht, als er an den Ursprung des Namens zurückdachte. Jiraiya war seit einer Ewigkeit nicht mehr hier gewesen und doch hatte er seine Spuren hinterlassen. Die Präsenz des Alten schien fast mit Gebäude verschmolzen zu sein. Jeder Stein erinnerte Naruto unweigerlich an den verrückten Kauz. Da war das eine Mal gewesen, als Naruto widerwillig von Jiraiya auf eine Erkundungstour mitgeschleppt worden war – dass es sich dabei um schlichtes Spannen handelte, hatte er leider erst hinterher herausgefunden. Oder die vielen Abende, die Jiraiya, Minato und Genma zusammen gesessen hatten, als die meisten Gäste längst gegangen waren… Jiraiya hatte ihn unzählige Male auf die Palme gebracht und jedes Mal hatte Naruto ihm doch immer wieder mehr oder weniger widerwillig verziehen. Es war eigenartig befreiend, dass er nicht da war und gleichzeitig war es einfach seltsam. Die Taverne war einfach nicht mehr dieselbe, seit der Alte verschwunden war... Die Tür schwang mit einem quietschenden Geräusch auf, eine Glocke kündigte misstönend Narutos Eintreten an und der Blonde ließ die Tür wieder hinter sich zufallen. Der Raum war verwinkelter als es zuerst den Anschein hatte, aber Naruto kannte jede noch so kleine Nische, jede Ecke, in der man sich treffen und heimlich beratschlagen konnte, ohne dass es jemand mitbekam. In der Schenke selbst waren nur wenige Menschen; am Abend würde sich der Raum allerdings füllen. Ein Alter, der schon so lange kam, wie Naruto sich erinnern konnte, zwei Männer, die Karten spielten, fünf Seeleute, die sich lautstark betranken, und eine Frau, die hinter dem Tresen stand und abspülte. Sie hatte kurzes, dunkles Haar, das sanft ihr Gesicht umrandete, und warme Augen, die ihm sofort freundlich entgegen blickten. Kaum hatte sie ihn gesehen, legte sie das Gefäß beiseite, das sie gerade abtrocknete. „Naruto! Ich habe dich hier ja ewig nicht gesehen!“, begrüßte sie ihn. „Hab einen Moment Geduld, dann hole ich Genma.“ Der Angesprochene ging auf die Theke zu, grinste sie an und erwiderte: „Mach das, Shizune. Ich muss sowieso mit ihm reden. Mein Vater schickt mich.“ Für einen kurzen Augenblick weiteten sich Shizunes Augen. Sie verstand. „In Ordnung. Möchtest du vielleicht etwas trinken?“ „Tut mir leid, aber ich bin völlig abgebrannt“, seufzte der Blonde und starrte sehnsüchtig in Richtung der alkoholischen Getränke. Wenn er doch bloß Geld dabei hätte – Kushina würde es nie mitkriegen, aber leider hatte sie ihn geradeso mit dem Nötigsten ausgestattet. Als, wenn sie geahnt hätte, dass er es womöglich sonst für andere Dinge als seinen Auftrag ausgeben konnte. „Aber könnte ich...“ „Das geht aufs Haus, Naruto“, unterbrach ihn plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Shizune drehte sich um und küsste ihren Ehemann flüchtig auf den Mundwinkel. „Genma!“ Der Mann grinste nur. Er war etwas jünger als sein Vater, hatte fast immer ein Senbon, im Mundwinkel und wirkte auch sonst völlig gelassen. Sein Charakter hatte etwas, das Naruto an Shikamaru erinnerte, der zwar faul wie sonst niemand war, aber wenn es darauf ankam immer besonnen und überlegt handelte. Genma war seit etwa sieben Jahren mit Shizune verheiratet, was ihm ganz sicher nicht geschadet hatte. Er hatte es nicht immer leicht gehabt und mit der Frau an seiner Seite bekam er endlich mal das, was er verdient hatte. Im Gegensatz zu seinen Eltern schienen die beiden in vollkommener Harmonie zu leben, aber vielleicht war es auch einfach nur Kushinas hitziges Temperament, das Shizune fehlte. Auf der anderen Seite wusste er, dass die Ehe seiner Eltern kein unglückliches Verhältnis war. „Du warst lange nicht hier, Naruto“, stellte Genma fest, „gibt es so viel zu tun?“ Naruto kippelte auf seinem Hocker herum. „Nicht wirklich, aber du kennst ja meine Mutter. Sie wollte mich einfach nicht gehen lassen.“ Shizune sah ihn kurz streng an. „Nicht völlig ohne Grund“, bemerkte sie und Naruto verdrehte die Augen. Warum hielt ihn denn jeder für unbesonnen, bloß weil er ein bisschen lauter war als andere und eine Beleidigung nicht auf sich sitzen ließ? „Hast du nicht gesagt, du gibst mir einen aus, Genma?“, wechselte er das Thema und schielte unauffällig zu den Flaschen mit Selbstgebrannten. Genmas Blick folgte seinem, er runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. Shizune hatte währenddessen eine Flasche Apfelsaft unter dem Tresen hervorgeholt und schob ihm nun ein volles Glas zu. Naruto verzog enttäuscht das Gesicht. „Darauf musst du noch etwas warten.“, bemerkte ihr Mann spöttisch grinsend, während er mit dem Daumen auf den Alkohol zeigte. „Bis du uns erzählt hast, was dich hierher treibt. Du musst bei klarem Verstand bleiben. Ich will nicht, dass du mitten im Gespräch umkippst, irgendetwas übertreibst oder das Blaue vom Himmel holst.“ Naruto warf ihm einen bitterbösen Blick zu. „Du übertreibst“, grummelte er beleidigt, obwohl er wusste, dass die Einwände nicht ganz unberechtigt waren. Genma lachte nur. „Shizune“, bemerkte der Wirt, nachdem er seinen Heiterkeitsausbruch wieder unter Kontrolle und Naruto seinen Saft halb hinuntergekippt hatte, „kümmerst du dich um die restlichen Gäste, ich bringe Naruto schon mal nach unten.“ Die Dunkelhaarige sah ihren Mann liebevoll an. „Natürlich. Geht ihr nur, aber passt bloß auf, dass ihr Deidara nicht in die Nähe des Weinkellers lasst.“ Naruto warf ihr einen überraschten Blick zu. „Deidara ist auch hier?“ „Schon zwei Tage und er kommt um vor Langeweile, weil er früher als abgemacht aufgekreuzt ist und dir die Schuld gibt, dich verspätet zu haben.“ Der Blonde schüttelte verständnislos den Kopf. „Der ist doch total verrückt.“ Er leerte den restlichen Inhalt in seinem Glas mit einem weiteren Zug, ging um den Tresen herum und ließ seinen Blick noch ein letztes Mal über die Runde schweifen. Aber keiner der anderen Gäste nahm Notiz von ihm; alles war genau so, wie es sein sollte. Dann folgte er Genma in die hinteren Räume der Taverne. Der schmale Gang, durch den sie gingen, fiel fast gar nicht auf, wenn man von der Theke aus darauf blickte. Der graue Vorhang, der davor hing, tat das seinige dazu und wenn der Durchgang doch jemandem auffiel, so musste die Person annehmen, dass er einfach in die Hinterzimmer der Taverne führte. Was auch stimmte, doch das war nicht alles. Naruto kannte die verwinkelten Flure, versteckten Zimmer und den unterirdischen Geheimkeller, die man durch eben jenen unauffälligen Gang betreten konnte, besser als die meisten anderen. Und mit der Zeit hatte er ein Auge für die Dinge bekommen, die ihn niemand sehen lassen wollte. Geheime, verborgene Dinge… „Wie geht es Minato?“, fragte Genma plötzlich in die Stille hinein. Sie waren schon zwei Treppen hinabgestiegen und waren nun in einem kahlen, grob gearbeiteten Gang, der tiefer lag, als die Taverne offiziell reichte. Genma hatte schon ein Stockwerk vorher eine Laterne aus einer Nische in der Wand geholt, deren Schein nur reichte, damit sie den Weg fanden und nirgendwo dagegen rannten, allerdings zu schwach war, um einander richtig sehen zu können. Jetzt wagte es der ältere Mann auch, ihn nach den wirklich wichtigen Dingen zu fragen. Naruto zuckte mit den Schultern. „Den Umständen entsprechend.“ Genma zog unmerklich die Augenbrauen zusammen. „Wurdet ihr wieder verfolgt?“ „Nichts Großes“, erwiderte Naruto, „wir sind von den Naras zu einem anderen Versteck aufgebrochen und unterwegs hatten wir ein paar Schwierigkeiten. Und Ma nervt“, fügte er grinsend hinzu. Genma konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. „Das Übliche also.“ „Und bei dir?“ „Mit mir ist alles in Ordnung, Shizune hat nur höllische Angst davor, dass Deidara seine Experimente im Weinkeller veranstaltet. Ich musste ihm schon sein ganzes Schwarzpulver abnehmen um sie zu beruhigen, aber irgendwie glaube ich, dass er etwas an mir vorbei geschleust hat.“ „Dann ist er ja ganz der Alte geblieben“, grinste Naruto. Der ältere Mann schnaubte: „Das kannst du laut sagen, ich habe ihn vorsichtshalber eingeschlossen. Uns erwartet eventuell ein Donnerwetter; kommt ganz darauf an, ob er es inzwischen bemerkt hat.“ „Du hast ihn wirklich eingeschlossen?“ Genma blieb stehen, neigte leicht den Kopf und kramte in seiner Tasche herum. „Er hat’s nicht mitgekriegt. Ansonsten würdest du ihn jetzt schon hören – Ah, da ist er ja!“ Triumphierend zog er einen Schlüssel aus der Tasche. Narutos Blick glitt auf den Boden. Der Gang war unmerklich immer weiter abgefallen und nun standen sie am Ende einer Sackgasse. So sah es zumindest aus. Als Jiraiya noch hier gelebt hatte, hatte er schon früh begonnen, das ganze Haus zu einer Art geheimen Festung auszubauen. Es gab dutzende Geheimgänge, Zimmer, in die man nur kam, indem man etwas Bestimmtes tat, und den Zugang zur unterirdischen Kanalisation, wo man von dort aus Zugang zu allen Teilen der Stadt hatte. Außerdem zu den Katakomben, die sich unter der Stadt erstreckten und von denen niemand wusste, wer sie gebaut hatte, was für einem Zweck sie dienten und wie groß sie tatsächlich waren. Die Taverne war eine unsichtbare Festung, errichtet von jemandem, der die Voraussicht für Jahre später besessen hatte. Oder einfach jemandem, der unauffällig Schmugglerware verstecken wollte; etwas, das noch immer geschah. Egal in welcher Zeit man lebte, ein Versteck war etwas, das immer Verwendung fand. Jiraiya hatte nur das fortgesetzt, was vor langer Zeit begonnen worden war… Und jetzt war es eine Zuflucht für sie. Für einen Moment tat es Naruto wirklich leid, dass Jiraiya nicht mehr hier war. Aber er konnte es nicht ändern. Jiraiya war im Exil und niemand, wirklich niemand hatte seitdem etwas von ihm gehört. Eigentlich war nicht einmal klar, ob er den Soldaten des Kaisers tatsächlich entkommen war oder sie sich das nur einbildeten. Alles was geblieben war, war seine Taverne mit den Schmugglerkellern, die den Rebellen seitdem als Geheimbasis diente. Treffen, Sitzungen wurden hier abgehalten, Rebellen fanden Unterschlupf, wenn sie auf der Durchreise waren. Naruto hatte das Gefühl, dass Genma dachte, dass er dies Jiraiya und Minato schuldig war. Es war vielleicht nicht der Hauptgrund warum er ihnen half, sie duldete, sie versteckte, aber es war etwas, das Gewissensbisse verursachte, wenn man es nicht tat. Er war es ihnen schuldig und jemanden etwas schuldig zu sein war etwas, das keiner der Rebellen je gekonnt hatte. Aber das änderte auch nichts an der Tatsache, dass Genma und Shizune wie jeder andere in ihrer Gruppe mit ganzen Herzen hinter der Sache standen, für die sie kämpften. Jeder, der sich den Rebellen angeschlossen hatte, hatte andere Gründe. Sie konnten ähnlich sein, aber wie es keine zwei gleichen Menschen auf der Welt gab, gab es auch niemals eine vollkommen gleiche Geschichte oder zwei Gründe, die haargenau überein stimmten. Genma lehnte die Regierung und Fremdherrschaft ab, weil es Minato und Kushina ihres Erbes beraubt hatte. Und er hasste den Kaiser Malao, von ihnen nur der Natternkopf genannt, dafür, dass er ihren Platz eingenommen hatte. Es war eins dieser Gefühle, die allen Rebellen gleich waren. Das tiefe Verständnis, dass etwas nicht richtig war, Verzweiflung, Ungerechtigkeit und der Drang endlich etwas dagegen zu tun. Deswegen setzten sie ihr Leben ein. Deswegen kämpften sie für eine bessere Welt. Oder zumindest eine andere, eine, von der sie glaubten, dass sie besser sein würde. Es knarrte und Naruto wurde aus seinen Gedanken gerissen. Genma hatte die unsichtbare Falltür geöffnet, die sich ansonsten nahtlos in den hölzernen Boden einfügte, und war bereits durch die Holztreppe, die in die Kelleräume führte, nach unten geklettert. „Wo bleibst du denn, Naruto?“, rief Genma zu ihm herauf, woraufhin Naruto ihm folgte und ebenfalls in dem diffusen Zwielicht verschwand. Er schloss die Falltür über sich. Naruto blinzelte kurz – hier unten wirkte die Lampe viel schwächer. Aber dann öffnete Genma die Abdeckung an der Laterne und plötzlich war es viel heller und der Weg gut beleuchtet. Naruto stieg von der letzten Sprosse der Leiter. Die Wände des Ganges waren schon so alt wie die Stadt selbst. Sie waren jetzt noch ein Stück tiefer als die Kanalisation, die sie nicht betreten hatten und es auch so selten wie möglich taten aus dem einfachen Grund, dass es stank. Sie waren noch unter dem Fundament des alten Hauses und diese Katakomben waren wahrscheinlich schon vor Hunderten von Jahren da gewesen. Das unterirdische Labyrinth hatte die Zeit überdauert und Naruto konnte nicht anders als sich ein wenig vom Zauber der Vergangenheit mitreißen zu lassen. Allerdings wagte er die endlosen Wege auch nicht zu unterschätzen. Er mochte einige Gänge kennen, die Hauptwege und die, die unter der Taverne lagen und von ihnen deshalb am häufigsten genutzt wurden. Doch wenn er das bekannte Gebiet verließ, musste er sich auf jemanden – Genma und Shizune kannten sich hier am besten aus – verlassen, der besser bescheid wusste. Doch nicht einmal Genma oder seine Frau wussten, wie weit die Katakomben tatsächlich reichten. „Wir sind da“, sagte Genma auf einmal, sodass Naruto fast in ihn herein rannte. „Verdammt noch mal!“, fluchte der Blonde, „warn’ mich das nächste Mal vor, ich hab’ mir fast den Schädel eingehauen!“ „Das passiert nun mal, wenn du nicht darauf achtest, wo du hinrennst, Naruto. Außerdem ist dein Dickkopf zu hart, um tatsächlich Schaden zu nehmen“, erwiderte Genma mitleidslos. „Hier, halt mal.“ Er drückte Naruto die Laterne in die Hand und nestelte an einem großen Schlüsselbund herum. Der Blonde hatte nicht auf den Weg geachtet und ganz auf Genma vertraut, darum brauchte er einen Moment, um sich zurecht zu finden. Bei genauerem Hinsehen erkannte er den Gang wieder, an dessen Ende sie sich jetzt aufhielten. Es war einer der Wege, die sie am häufigsten nutzten, auch wenn man das auf den ersten Blick vielleicht nicht verstehen konnte. Die Decke war niedriger als in den anderen Gängen, die Luft roch abgestanden und es war natürlich ebenso finster wie in anderen Teilen des Labyrinths. Aber der Gang war breiter und Naruto kannte die schwere Eichentür, vor der sie jetzt standen, viel zu gut. Der geheime Sitzungssaal der Rebellen. Es klickte im Schloss und die Tür schwang auf. „Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung für die Verspätung, Prinzchen, hm!“, schallte es ihm entgegen. Ein wutentbrannter Deidara war von seinem Platz aufgesprungen und funkelte ihn böse an. „Reg dich ab, Deidara, du warst nur zu früh. Schon mal daran gedacht, dich besser mit mir abzustimmen?“, fauchte Naruto zurück. „Nenn mir nur einen Grund, warum ich dich nicht augenblicklich rösten sollte!“, knurrte Deidara. „Ich habe gute Nachrichten?“, versuchte Naruto ihn zu beschwichtigen. Wenigstens schien der feuerfreundliche Schmiedlehrling nicht bemerkt zu haben, dass Genma ihn eingeschlossen hatte. „Die brauchst du auch, Prinzchen, hm!“, kam es zurück. „Jetzt hört schon damit auf, sonst werfe ich euch beide raus und ihr könnt auf der Straße schlafen!“, fuhr Genma dazwischen und brachte beide Streithähne damit zum Schweigen. Als sich beide immer noch wütend anstarrten, schob Genma sich seufzend an Naruto vorbei in den Raum hinein. „Setzt euch.“, befahl er dann. Langsam ließ sich Deidara wieder auf seinen Stuhl sinken, Naruto folgte seinem Beispiel, nahm aber mit gehörigem Abstand von dem Explosionsexperten Platz. „Ihr benehmt euch wie Fünfjährige“, murmelte Genma, als er die bösen Blicke zwischen den beiden bemerkte. „Deidara, lass die Kerze in Ruhe und Naruto, wenn ich dich auch nur einmal dabei erwische wie du-“ „Er hat angefangen!“, unterbrach Naruto ihn abrupt. Deidara schnaubte verächtlich. „Wer benimmt sich hier wie ein Kleinkind, hm?“ Naruto wollte gerade zu einer heftigen Erwiderung ansetzen, aber dazu kam er nicht mehr. Etwas klapperte und dann stand Genma plötzlich aufrecht, sein Stuhl umgeworfen und er durchbohrte beide mit einem sehr stechenden Blick. „Jetzt. Ist. Schluss!“, knurrte er. „Ihr sagt mir jetzt beide auf der Stelle, was für Informationen ihr habt und dann hoffe ich für euch, dass ihr so schnell wie möglich zusammen aufbrecht und mir und Shizune nicht auch noch den letzten Nerv raubt.“ Dann stellte er seinen Stuhl mit einer beunruhigenden Ruhe wieder richtig hin, während Naruto und Deidara einen Blick tauschten. „'Tschuldigung, Genma.“, brachte Naruto heraus und auch Deidara nickte Genma einmal entschuldigend zu, bevor er mit seinem Bericht begann. „Wir haben Informationen erhalten, dass der Natternkopf seine Truppen nach Norden geschickt hat, um dort zu plündern. Offiziell will er nur die Steuern eintreiben, aber wir wissen ja was das letzte Mal passiert ist, hm.“ Sie alle schwiegen einen Moment, ehe Genma die Stille wieder durchbrach. „Gab es bis jetzt irgendwelche Auseinandersetzungen?“ Deidara zögerte einen Moment, ehe er antwortete. „Das nicht, aber wir haben Informationen, dass sie ein Exempel statuieren wollen.“ Einen Moment war es still. Ein Exempel bedeutete ein Massaker. Ein Massaker, das sie vielleicht nicht verhindern konnten, wie sie es schon so oft nicht vermocht hatten. „Die gleiche Quelle wie immer?“, fragte Naruto schließlich. „Ja“, bestätigte Deidara, „aber es wird immer schwieriger. Der Natternkopf überwacht fast alle, die sich in seiner unmittelbaren Nähe befinden. Und es heißt, er habe einen neuen Strategen, soll wohl ziemlich schlau sein. Bis jetzt sind so ziemlich alle seine Pläne aufgegangen, hm.“ Der Unmut war seiner Stimme klar zu entnehmen. Genma seufzte. „Das macht die Sache nicht gerade einfacher.“, stellte er fest. „Ist schon jemand aufgebrochen um den Leuten zu helfen oder sie zu warnen?“, fragte Naruto. Deidara sah ihn an, diesmal ein wenig besorgt. „Tenten, Shikamaru, Suigetsu und Kankuro haben sich vor einer Woche auf den Weg gemacht, ich soll nur den anderen Bescheid sagen und wenn nötig Verstärkung hinterher schicken, hm.“ „Wer hat den Befehl zum Aufbruch gegeben?“, wollte Genma wissen. Mit einem Mal schien Deidara sich nicht ganz so wohl in seiner Haut zu fühlen, sein Blick huschte schnell von Naruto zu Genma und spannte leicht seinen Körper an. „Na ja, es gab keinen Befehl. Diese Verrückten sind ziemlich eigenmächtig aufgebrochen.“, gab er zu. „Und damit rückst du jetzt erst raus! Du weißt doch ganz genau wie Kankuro auf so etwas reagiert. Hast du vergessen, was damals passiert ist?“ „Was glaubst du eigentlich, warum ich hier so ungeduldig auf dich gewartet habe, Naruto, hm? Glaubst du, mir macht es nichts aus einen einfachen Brief zu finden mit der Mitteilung, die Informationen an die anderen weiterzugeben?“ Deidara funkelte ihn an und für einen Moment erkannte Naruto auch in seinen Augen eine eigenartige Zermürbtheit … fast schon Verletzlichkeit. Aber auch Deidara war ein Kämpfer, der sich den Rebellen aus reiner Überzeugung angeschlossen hatte, und so verschwand der fast unmerkliche Ausdruck auf seinem Gesicht so schnell wie er gekommen war. „Tenten und Shikamaru sind dabei, oder?“, sagte Genma plötzlich, „sie werden ihn schon irgendwie aufhalten. Sie werden ihn nicht einfach blind in sein Verderben rennen lassen.“ „Du vergisst Suigetsu“, unterbrach ihn Deidara, „der wartet doch nur wieder auf eine Gelegenheit zum Kampf, hm.“ „Es ist ein Risiko, ja“, erwiderte Genma, „aber es gibt keine Veränderung ohne Risiko. Außerdem vergiss nicht, wie Kankuro zu Tenten steht. Er wird schon auf sie hören.“ „Warum können wir nicht auch mal etwas tun ohne, dass die Gefahr besteht im nächsten Moment zu sterben“, gab Naruto zurück, „natürlich ist das, was wir tun gefährlich, aber warum es muss doch auch einen anderen Weg geben. Ewiger Kampf wird uns nie Frieden bringen, und-“ „Sei nicht so naiv“, unterbrach ihn Deidara ruppig, „Kankuro, Shikamaru, Suigetsu und Tenten haben diese Entscheidung selbst getroffen. Sie werden die Konsequenzen tragen müssen, wie wir es immer mussten. Es ist Krieg, hm.“, stellte er nüchtern fest. „Er hat Recht, Naruto“, sagte Genma, „ich weiß diese Seite an dir zu schätzen, aber nicht alle denken so wie du. Auf lange Sicht haben wir nur eine Chance, wenn unsere Rebellion Erfolg hat. Und vielleicht nicht einmal dann... Das ganze Kaiserreich müsste auseinanderbrechen.“ Naruto schwieg. Er kannte Deidaras scharfe Zunge schon, denn er war in diesem Thema schon häufiger mit ihm aneinander geraten. In gewisser Weise hatten sowohl Deidara, als auch Genma recht, aber er … war anders. Und es gab nur einen einzigen Menschen, der die gleiche Meinung hatte – sein Vater. Vielleicht war seine Sichtweise zu naiv, zu leichtgläubig und erst recht nicht besonders realistisch. Aber die Gedanken hatten sich irgendwann in ihm festgesetzt wie seine Art immer mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Es war schließlich immer so gewesen. Die Rebellen brachen auf, um zu retten was zu retten war, um zu helfen, wo man helfen konnte – und meist kehrten sie mit bitterer Enttäuschung zurück. Wenn sie überhaupt zurückkehrten. Sie waren Kämpfer, die das Kämpfen verabscheuten, sie waren Zurückgelassene, die sich an ihre Hoffnungen klammerten. Alles was sie taten, taten sie für eine bessere Welt. Aber letztlich waren auch sie nur Menschen. Menschen, die manchmal falsche Entscheidungen trafen. Warum zweifelte er so sehr daran? Sanft hüllte eine Kerze, die auf dem langen Tisch stand, die Wände in warmes Licht. Gedankenverloren ließ Deidara seine Hand immer wieder schnell durch die Flamme flitzen. Naruto hasste Situationen wie diese. Genma schien in Gedanken zu sein und Deidara war schlicht abweisend. „Wollt ihr nicht wissen, was ich zu berichten habe?“, fragte Naruto in einem Versuch die drückende Stille zu durchbrechen und von dem unangenehmen Thema abzulenken. Sie mussten sich auf das Wesentliche konzentrieren. „Schlimmer als meine können sie nicht mehr werden“, antwortete Deidara ohne die Augen von der Kerze abzuwenden. Naruto warf ihm einen wütenden Blick zu. „Im Gegensatz zu deinen sind sie sogar besonders gut.“, betonte er. „Spuck’s aus, Naruto!“ „Ist ja gut, halt die Klappe!“ Genma hob eine Augenbraue. „Die Spionageaktion, die wir vor fast drei Monaten begonnen haben, war erfolgreich. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sich der Natternkopf in exakt einer Woche auf den Weg zu seiner Südresidenz machen wird. Da er inkognito reisen will, hat er nur ein Gefolge von etwa zehn Mann dabei.“ Naruto schwieg und Genma erfasste die Bedeutung seines Berichts für ihn. Er nahm den Senbon aus dem Mundwinkel und wirkte auf einmal hellwach. „Mit anderen Worten, der Kaiser macht sich selbst angreifbar und wir besitzen die einmalige Chance die Regierung mit einem Schlag zu stürzen ohne eine Schlacht zu schlagen?“ „So ist es“, erwiderte Naruto. Deidara fummelte schon wieder an der Flamme herum. „Wer ist in der Nähe um den Angriff durchzuführen? Ich nehme nicht an, dass Minato selbst auf den Plan treten wird, oder? Das Risiko, dass sie ihm ein Heer hinterher schicken, sobald sie wissen, wer er ist, ist viel zu groß.“ „Natürlich kommt er nicht. Das würde Ma nie zulassen.“, erwiderte Naruto. „Und dich lässt sie gehen?“, fragte Deidara. Auf einmal wurde Naruto ziemlich kleinlaut. „Ich soll euch eigentlich nur die Information überbringen, wieder zurückkommen und mich verdeckt halten.“ Ein verächtlicher Tonfall klang in seiner Stimme mit. „Ich muss ihr Recht geben, Naruto“, fuhr Genma dazwischen, „sie ist nicht umsonst so besorgt um dich. Manchmal neigst du dazu, vorschnell zu handeln.“ „Aber irgendwer muss doch mal was tun!“, fauchte Naruto. „Ja, aber nicht so wie du es vorhast. Wir brauchen einen Plan… Ich erlaube nicht, dass du irgendetwas mit diesem Anschlag zu tun hast. Wenn du geschnappt wirst, hat Malao ein Druckmittel gegen deinen Vater und dann sind wir alle verloren.“ Blitzschnell fuhr Naruto in die Höhe, knallte zur Unterstreichung seiner Worte die Hände auf den Tisch und funkelte Genma wütend an. „Erwartest du etwa, dass ich zu Hause rumsitze, während andere ihr Leben riskieren!“ „Ich halte dich lediglich davon ab unüberlegt in dein Verderben zu rennen“, stellte Genma nüchtern klar. „Deidara kann mit ein paar Leuten aufbrechen.“ „Meinst du, dass ich es vermasseln würde!“ „Mit dieser Einstellung würde dich jeder als so verlässlich einstufen“, warf Deidara sarkastisch dazwischen. Naruto fuhr blitzschnell herum, war mit wenigen Schritten um den Tisch herumgeeilt und packte Deidara am Hemdkragen. „Naruto“, sagte Genma drohend und stand auf. Deidara indes starrte Naruto ausdruckslos an. Er hatte von dem Feuer abgelassen und erwiderte Narutos Blick ohne mit der Wimper zu zucken. Sein langes, zusammengebundenes, blondes Haar hatte sich etwas gelöst und einige Strähnen fielen ihm ins Gesicht. „Du hast keine Ahnung, was es bedeutet immer zurück gelassen zu werden“, sagte Naruto gefährlich leise, „du weißt nicht wie es ist helfen zu wollen und sich stattdessen immer verstecken zu müssen.“ „Und du hast keine Ahnung, wie unüberlegt du klingst. Vielleicht magst du der rechtmäßige Thronfolger sein, aber jetzt bist du auch nicht mehr als wir alle: Ein kleiner Rebell, der sich gegen ein ganzes Regime auflehnt. Also rede nicht immer so, als würdest du als einziger wissen, wovon du redest.“ Naruto setzte zu einer schnippischen Antwort an, kam aber nicht dazu sie zu äußern. Irgendetwas knarrte in der Ferne, Genma trat einen Schritt auf die Tür zu und Naruto ließ Deidaras Hemd los und wich zurück. Deidaras Hand huschte zu seinem Gürtel, an dem er eine beachtliche Messersammlung und einige Werkzeuge trug. Außerdem hatte er an dem abgenutzten Leder einen Beutel verknotet, der wie eines seiner Schwarzpulversäckchen aussah. Den hatte Genma ihm wohl nicht abnehmen können. „Ist es möglich, dass jemand den Geheimgang entdeckt hat?“, durchbrach Deidara die Stille. Genma war indes aschfahl geworden, eine Minute zuvor hatte er es vorgezogen sich nicht in den Streit der beiden jungen Rebellen einzumischen. Das war nichts Besonderes, Streit zwischen Naruto und Deidara war alltäglich und war so schnell wieder vergessen wie ein neuer Tag anbrach. Doch jetzt war es anders… Sie erwarteten niemanden ihrer Leute. Das bedeutete, dass sie entweder aufgeflogen waren was Narutos erster Gedanke gewesen war, der allerdings ziemlich unwahrscheinlich war, … oder etwas geschehen war. „Völlig unmöglich“, murmelte der Tavernenbesitzer und bestätigte damit Narutos Verdacht. Und dann, kaum hörbar: „Es muss etwas passiert sein. Verdammt!“ Man musste kein Genie sein, um die Sorge herauszuhören. Er hatte längst einen Dolch gezogen, den er stets am Gürtel trug. Schritte, die immer lauter wurden. Naruto und Deidara warfen sich einen Blick zu und wichen in unterschiedliche Richtungen in den Schatten zurück, wo sie nicht sofort gesehen werden konnten. Auf sie hatten ihre Waffen gezogen, lange, scharfe Klingen. Man konnte nie wissen... Irgendetwas schepperte, jemand fluchte. Und dann wurde die Tür aufgerissen, doch bevor sich Naruto und Deidara auf den Eindringling stürzen konnten, war bereits eine wie wild nach Luft schnappende Ino in den Raum gestürmt. Shizune tauchte hinter ihr auf und schien genauso angespannt und überrumpelt zu sein, wie sie. „Ino?!“ Naruto konnte es nicht fassen, dass sie hier war. Sollte sie nicht irgendwo im Norden unterwegs sein? Langsam schob er seinen Dolch wieder in die Scheide zurück. „Was tust du hier?”, wollte Deidara wissen, doch anstatt ihm einen vernünftige Antwort zu geben, stemmte das blonde Mädchen nur die Hände in die Hüften und atmete schwer. Die Situation hatte etwas komplett Falsches an sich. Die Blonde war niemals so erschöpft, dass sie nicht mal mehr reden konnte. Niemals zuvor hatte sie irgendetwas so aus der Bahn geworfen. Ino sah abgekämpft aus, das goldblonde Haar war dumpf und strähnig und sie sah aus, als wäre sei einen weiten Weg einfach gerannt. Auf einmal hob sie den Blick, sah sie verzweifelt an und keuchte: „Die Uchihas… sie haben Lee.“ ~ [ ♠ ] ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)