Shinta von HubertOswell (10 Kurzgeschichten) ================================================================================ I never told you what I do for a living --------------------------------------- "Pass auf dich auf" - "Natürlich", antwortete sie. "Wir sehen uns ja morgen." - "Ja, morgen" Shinta legte auf und steckte sein Handy zurück in die Hosentasche. Morgen, nur noch ein Tag... Fast wünschte er sich, sie würde nicht kommen. Doch es war nur eine weitere Art weiterzumachen, eine weitere Art, sein Gesicht zu verbergen. Shinta hockte allein in einer dunklen Gasse, so hinter Müllcontainern verborgen, dass man ihn von den angrenzenden Straßen nicht sehen konnte. Ein unerwartetes Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Er war sich nicht mehr sicher, denn die Straßen hier waren auch nachts stark befahren, aber... Da! Da war schon wieder so ein Geräusch. Vorsichtig lugte Shinta hinter dem Container hervor. Tatsächlich, da waren zwei Männer, die sich langsam seinem Versteck näherten. Trotz der späten Stunde trugen sie getönte Sonnenbrillen. Shinta versuchte, sich wieder weiter in den Schatten zurückzuziehen. Sie durften ihn auf keinen Fall entdecken! Es klapperte, als er gegen einen Plastiksack voller Dosen stieß. Shinta fluchte. Natürlich hatten die Männer ihn bemerkt. Blitzschnell sprang Shinta aus seinem Versteck und warf sich auf den Mann, der ihm am nächsten stand. Ein kurzes Handgemenge. Shinta sah, wie sein Gegner ein Messer zücken wollte. Es ging alles so schnell. Als sich eine Pfütze um den reglosen Körper seines Gegners bildete, war Shinta schon mit dem anderen beschäftigt. Shinta traf den überraschten Mann in die Magengrube und stach das Messer, das er eben errungen hatte, in die Brust seines Gegners. Shinta zitterte. Das alles war so schnell gegangen. So leicht. Er bückte sich und nahm den beiden ihre Ausweise ab. Blut klebte überall an seiner Kleidung, als Shinta durch das Labyrinth der Straßen rannte. Er war sich zwar sicher, dass niemand sich daran stören würde, aber trotzdem war er nervös. Wie immer, wenn er so etwas getan hatte. Sein Herz klopfte wie wild und seine Lungen brannten, als er endlich die schäbige Absteige erreichte, in der er zurzeit seinen Schlafplatz fand. Die staubige Lobby wie auch die düsteren Gänge waren zu Shintas Erleichterung menschenleer. Das war das Schöne an solchen Orten: man traf nie jemanden. Shinta betrat sein Zimmer, nicht ohne sich vorher nochmals umzusehen, und schloss hinter sich ab. Mit dem Rücken an die Tür gelehnt musterte er das Zimmer. Dann atmete er auf. Nichts hatte sich seit dem Morgen verändert. Es war nicht einmal geputzt worden. Shinta setzte sich an den Schreibtisch und klappte das Buch auf, das dort lag. Die Ausweise der beiden Männer legte er daneben. Mit einem Füllfederhalter schrieb er ihre Namen zuunterst in eine mehrere Seiten umfassende Liste. Gedankenverloren strich Shinta über das Papier. "So eine Verschwendung...", murmelte er, als er aufstand um duschen zu gehen. Shinta machte sich nicht die Mühe, seine blutverschmierten Sachen auszuziehen. Er nahm nur sein Handy und seinen Geldbeutel aus den Taschen. Den Geldbeutel legte er sofort weg, doch das Handy behielt er noch kurz in der Hand. Er wollte sie anrufen, ihr absagen, doch er widerstand dem Drang. Als Shinta unter der Dusche stand und dem rot verfärbten Wasser beim Versickern zusah, dachte er: 'Egal, wie lange oder wie oft ich mich wasche, diese Art von Schmutz lässt sich nicht wegwaschen. Was tue ich eigentlich? Wann ist es so weit gekommen, dass es mir egal ist, was ich tue?' Er taumelte. Plötzlich war Shinta schlecht. Der ganze Raum drehte sich. Fast wäre er ausgerutscht. Triefend schaffte er es gerade noch zur Toilette, bevor er sich übergeben musste. Das war ihm schon lange nicht mehr passiert. Als er sich wieder besser fühlte, war es schon fast morgen. Shinta ließ sich müde auf das Bett fallen und schlief sofort ein. Als Shinta aufwachte, dämmerte es schon wieder. Er seufzte. Nun war es zu spät, ihr noch abzusagen. Er packte seine Sachen zusammen und achtete genau darauf, nichts zu hinterlassen, das auf ihn schließen lassen würde. Dann nahm er seinen Rucksack und verließ dann Raum. Der Tresen war nicht besetzt. Nicht, dass Shinta es anders erwartet hätte. Er zog einen Umschlag hervor, legte Geld und Zimmerschlüssel hinein und legte ihn auf den Tresen. Früher hatte es so immer geklappt. Dann machte er sich auf den Weg zum Treffpunkt. Es war ein alter Park, in dem die Pflanzen wuchsen, wie sie eben wuchsen und es noch einige versteckte Teiche gab. Eigentlich der perfekte Ort für ein ungestörtes Rendezvous. Doch das war natürlich nicht Shintas Gedanken gewesen, als er diesen Park als Treffpunkt ausgewählt hatte. Es war einfach ein Ort, an dem man sich zur Not gut verstecken oder sogar kämpfen konnte. Sie wartete direkt unter einer Laterne auf ihn, so, dass er sie schon weitem sehen konnte. Obwohl es Shinta missfiel musste er doch zugeben, dass sie so unglaublich hübsch aussah. Sie kam lächelnd auf ihn zu, so dass sie sich am Rand des Lichtkreises trafen. "Schön, dass du gekommen bist", sagte sie. Shinta lächelte zurück und küsste sie kurz. "Ja", murmelte er, auch wenn er es ganz und gar nicht schön fand. Er zog sie näher an sich, nicht, um sie zu umarmen, sondern nur, um sie aus dem Licht zu ziehen. Plötzlich hatte Shinta ein ungutes Gefühl. Er machte einige Schritte rückwärts, weg von der Lampe und weg vom Weg. "S-Shinta", rief sie, als sie ihm folgte. "Was soll denn das? Du bist doch sonst nicht so." "Shh" Er legte seinen kalten Zeigefinger auf ihre warmen Lippen. "Bleib einfach aus dem Licht, ok?" Sie nickte. Shinta umarmte sie und küsste sie. Er behielt seine Augen dabei jedoch offen. Und da sah Shinta ihn. Durch den Lichtkegel ging, mit immer derselben Geschwindigkeit, ein einzelner Mann. Shinta drückte sich tief in das Gebüsch neben dem Weg, ohne den Kuss oder die Umarmung zu lösen. Sie drückte ihn sanft weg von sich. "Shin..." Sie wollte etwas sagen, doch Shinta unterbrach sie sofort. "Still", zischte er. "Bete, wenn du musst. Oder bleib einfach hier und ich mache dich unglücklich." Mit diesen Worten trat Shinta wieder auf den Weg, dem Mann entgegen. Er spannte sich, machte sich bereit zu Kampf. Als der Mann vor Shinta stand schlug der Mann blitzschnell zu. Shinta konnte kaum reagieren, als schon eine ganze Reihe von Schlägen auf ihn einprasselten. Er wurde immer weiter zurückgedrängt, ohne sich wehren zu können. Plötzlich bekam er einen Schlag den Hinterkopf und ihm wurde schwarz vor Augen. Als Shinta wieder zu sich kam, war er gefesselt und man hatte ihm die Augen verbunden. Er versuchte, gegen die Fesseln anzukämpfen, aber sie rührten sich nicht. Doch bei seinen erfolglosen Versuchen stieß er gegen etwas Warmes, Weiches. Shinta fluchte, als er begriff, was es war. "Shinta, bist du das?", rief sie. Ihre Stimme zitterte vor Angst. Die Selbstvorwürfe, die sich in Shinta schon seit Tagen regten, wurden lauter, als er ihre Stimme hörte. Wie hatte er sie nur so in Gefahr bringen können? "Ja, ich bin es", antwortete Shinta so ruhig wie er nur konnte. "Keine Sorge. Alles wird gut. Wir werden hier rauskommen. Und wieder lachen. Und tanzen. Und wir werden weiterleben. Ich verspreche es dir." Er versuchte, sich so zu drehen, dass er sie berühren konnte. "Shin...", begann sie, ruhiger als vorher. "Weißt du, was das hier soll? Wieso wir entführt wurden?" Shinta schwieg. Eigentlich wollte er es ihr nicht sagen, doch... Sie hatte ein Recht, es zu erfahren, schließlich war es seine Schuld, dass sie in diese Lage gekommen war. Er seufzte. "Ich war Künstler. Ein recht begabter sogar, wenn man den Kritikern glauben darf. Doch vor einiger Zeit, ich weiß nicht mehr, wie lange es schon her ist, bin ich irgendwie in Ungnade gefallen. Seit dem war ich auf der Flucht. Ich..." ...wollte dich nicht in Gefahr bringen, ich wollte nur ein normales Leben mit dir beginnen. Das war, was er noch sagen wollte, doch er kam nie dazu. In dem Moment wurde knarrend eine Tür geöffnet. Schritte durchquerten den Raum, bis sie hinter ihr stehen blieben. Shinta hörte, wie eine Pistole entsichert wurde. Er wollte schreien, doch er konnte es nicht. Zwei Schüsse. Shinta begann sich zu wünschen, dass alles endlich vorbei wäre. Die Person Stand jetzt hinter Shinta. Noch zwei Schüsse. Und dann war es wirklich vorbei. おわり- Ende 付芳芳 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)