Leitartikel von SummoningIsis (Küss mich bis zur Deadline) ================================================================================ Kapitel 14: Spießer ------------------- SEBASTIAN/JADE Neben Michael herzugehen, mit ihm zu sprechen und ihm zu nah wie nie zuvor zu sein, fühlte sich die ganze Zeit über wie ein stupide erdachter Tagtraum an. Nicht wie die Realität. Vielleicht hätte Jade sich einfach selber zwicken sollen, um die Umstände wirklich begreifen zu können. Allerdings wäre diese Aktion sicherlich nicht positiv aufgefallen. Und soweit der Schwarzhaarige die momentane Situation bewerten konnte, kam er sogar ziemlich gut bei Michael an … Oder er bildete es sich nur ein. Diese in ihm lauernde Nervosität war wirklich furchtbar. Hatte er sich bei seiner ersten Verabredung mit Mark damals auch so gefühlt? Er konnte sich verflixt noch mal nicht daran erinnern und seine momentanen Gefühle brachten ihn mehr als durcheinander. Ja, er hatte aus Überzeugung und dennoch mit viel Schmerz „nein“ zu der ersten Einladung Michaels gesagt – nach diesem ziemlich offensiven Monolog in der Tiefgarage. Natürlich hatte der blonde, verdammt gut aussehende, ältere Mann wenigstens ein bisschen die Wahrheit angeschnitten… Dennoch hatten die Worte weh getan. Dennoch hatte Jade den Gedanken nicht loswerden können, Michael würde lediglich sein eigenes Gewissen bereinigen und beruhigen wollen. Und Jade wollte nicht fallen gelassen werden. Als er den Chefredakteur jetzt von der Seite anblickte, der ihm gerade etwas über die Praktikanten des „Fly“ erzählte, wurde dem Schwarzhaarigen irgendwie mulmig zumute. Er hatte es ja wirklich versucht seine völlig unbegründeten Gefühle für den Blonden in den Griff zu bekommen, sie zu ignorieren und sich dann einfach anderweitig umzuschauen. Oder einfach Single zu bleiben und darauf zu warten, dass jemand nach ihm suchte. Aber als Michael dann urplötzlich aufgetaucht war und ihn angeblickt hatte, da hatte Jades Gehirn irgendwie versagt. Er hatte ja noch nicht einmal vorgehabt ihn anzusprechen. Er wollte ihm nur ein wenig nachgehen, ihn ansehen, vielleicht erfahren wohin der Journalist ging, mit wem er sich traf, vielleicht ein kleines Gespräch mitbekommen, um seine Stimme zu hören. Wie ein pubertierendes Mädchen, das ihrem Schwarm auf dem Schulhof nachlief. Er seufzte laut. „Alles klar?“, fragte Michael ihn umgehend und blickte ihn an. „Ja, sorry, war nur in Gedanken“, antwortete er und grinste blöd. „Äh, was für einen Film wollen wir uns denn überhaupt ansehen?“ Sie standen bereits im Foyer des Kinos und blickten auf die etlichen Filmplakate über ihren Köpfen. Es war nicht viel los. Gott sei Dank. Jade hasste überfüllte Kinos und eigentlich traute er sich auch nur in die Spätvorstellungen mitten in der Woche in den Saal. Dann war es immer so schön ruhig und man konnte die Füße hochlegen. „Solange es nicht dieser Horrorfilm da ist, ist es mir relativ egal…”, meinte Michael und sah sich weiterhin aufmerksam die Bilder an. „Stehst du nicht so auf Horrorfilme?“, hakte Jade grinsend nach. Ihre Augen trafen sich. „Nicht im geringsten. Warum? Bist du ein Fan dieser dämlichen Metzelfilmchen?“ „Metzelfilmchen wären Splatterfilme, die ich witzig finde, weil sie so unfassbar schlecht gemacht sind, dass man sich einfach nur totlachen kann. Und Horrorfilme sind manchmal geiler als ne Achterbahnfahrt“, erzählte der Jüngere. „Aber ich guck auch andere Sachen, keine Sorge.“ „Aha“, kam es von Michael, der die Plakate wieder ansah. Verdammt. Hätte er das mit den Horrorfilmen jetzt nicht sagen sollen? „Wie wäre es denn mit dem Tom Hanks Film? Eine weitere Verfilmung von-„ „Ich hasse Dan Brow.“, unterbrach Jade ihn und hätte sich am liebsten umgehend selbst geohrfeigt. „Sorry.“ „Was hast du denn von Dan Brown gelesen?“, fragte Michael ihn interessiert. „Eben „Sakrileg“ und „Illuminati“, mein dämlicher Mitbewohner hat darauf bestanden, weil ich ihn damals zu „Herr der Ringe“ verdonnert hatte“, erklärte er. „Ich meine, ich finde ne gute Krimi-Verschwörungsgeschichte ja ab und an echt nicht schlecht, aber irgendwie hat mich dieser ganze Rummel um den Brown total angekotzt.“ „Ach, und um Tolkien und seine Trilogie gab as keinen Rummel…?“, neckte Michael ihn, irgendetwas blitzte in diesen gräulichen Augen auf. „Naja…“, fing Jade an und grinste erneut ziemlich blöd. „Das ist was anderes...“ „Weil…?“ „Weil „Herr der Ringe“ einfach geil ist. Bücher UND Verfilmung. Und Tom Hanks ist ein Arschloch.“ Verdammt, was redete er da? Doch zu seiner eigenen Verwunderung fing Michael einfach an herzhaft zu lachen. „Wie du meinst, Ja~de.“, Michael räusperte sich und blickte dem Barista direkt in die Augen. „Wenn ich ehrlich sein darf, und um einfach mal direkt vom Thema abzulenken, muss ich dich allen Ernstes „Jade“ nennen? Ich komme mir dabei sehr… blöd vor.“ Der angesprochene junge Mann blieb zunächst stumm. „Außerdem…“, fuhr Michael fort und schenkte ihm dieses unbeschreiblich charmante, warme Lächeln. „Finde ich den Namen Sebastian viel schöner.“ Und diese Stimme machte die Knie des Schwarzhaarigen gänzlich weich. Er fragte sich, ob er nach einer gewissen Zeit einfach umkippen würde, hoffte dieses natürlich zu vermeiden. Jade schluckte. „Es ist schon ein wenig-“ „Ja, ich weiß, du hast mir die Geschichte erzählt und ich kann es auch sehr gut nachvollziehen“, unterbrach Michael ihn und lächelte leicht. „Aber-“ „Wir können es ja versuchen“, schlug der Barista vor. Wahrscheinlich war es nur dieser eine Satz, dieser eine, eigentlich nicht so wertvolle Satz, der über Michaels Lippen geglitten war. Außerdem finde ich den Namen Sebastian viel schöner. Er fand seinen Namen schön! Ja, er benahm sich und dachte ganz sicherlich wie ein pubertierender Teenager... Und jetzt, wo ihn Michael auch noch so warm anlächelte, würde er am liebsten ganz laut schreien. Er hätte es selbst wissen müssen, dass seine dämliche Verliebtheit nicht einfach verschwinden würde... „So“, sagte der Chefredakteur und streckte seinem Gegenüber die Hand aus. „Wie wär's mit einem offiziellen Neuanfang? Ich bin Michael.“ Seine Hand fühlte sich warm und weich an und schickte diese kribbelnden Impulse durch Jades gesamten Körper als er sie umfasste und leicht grinste. „Ich bin... Sebastian“, stellte er sich vor. Im ersten Moment war es seltsam, gar furchtbar, sich selbst mit diesem Namen anzusprechen, doch umgehend dachte er an den Satz Michaels. Er findet meinen Namen schön..., hallte es durch seinen Kopf. Wow, er war wirklich leicht zu begeistern und zu überreden... Unweigerlich musste er an letzte Nacht denken. Ob er Jana jemals wieder ohne ein schlechtes Gewissen unter die Augen treten könnte? Nein, er wollte jetzt nicht an seinen Mitbewohner und dessen Freundin, oder was auch immer sie eigentlich war, denken. Er wollte sich einfach nur auf diese Momente mit Michael konzentrieren, der heute Abend wirklich spendabel war und ihnen eine große Tüte Popcorn besorgte, als sie sich nach einer längeren Debatte, wenn man es so nennen konnte, letztendlich für eine Komödie mit dem Star aus diesem Disney Musical entschieden. Ein Kompromiss. Es war nicht leicht auf den Film zu achten. Nicht nur, da er Jade überhaupt nicht ansprach, sondern auch, weil seine Augen immer wieder zu seinem Sitznachbarn wanderten, oder er diesen Schüttelfrost bekam, wann immer sich ihre Hände aus Versehen berührten, wenn sie gleichzeitig nach dem Süßkram griffen. All die Zeit über fragte Jade sich, was er jetzt eigentlich von dieser Situation denken sollte. Hasste Michael ihn denn nicht mehr? Als er an diese wütende Stimme dachte, die ihn am jenem Morgen vertrieben hatte, wurde ihm leicht schlecht. Und dann noch dieser Wutanfall im Starbucks. Und das lange Fortbleiben. Und nun saßen sie hier im Kino und Michael hatte ihm Popcorn ausgegeben und war völlig locker. Was war los? Sollte er es jetzt versuchen? War das die Chance, auf die er die ganze Zeit gewartet hatte? Aber was, wenn er die Situation völlig falsch einschätzte? Nach ca. 120 Minuten der inneren Diskussion und der Frage, ob er seine Hand vielleicht ganz ungeniert auf Michaels Knie platzieren sollte, war der Film zu Ende. „Endlich“, sagte Michael lachend, als sie sich erhoben und schnell aus dem halb gefüllten Saal in der Dunkelheit schlichen. „Na, das war doch ganz lustig.“ „Ja, ich werde ihn morgen gleich noch mal gucken!“, bemerkte Jade mit einem gespielten Sarkasmus. Michael grinste ihn an. „Ich finde „Herr der Ringe“ übrigens auch klasse, wollte ich vorher noch bemerken“, sagte Michael dann, während sie zum Ausgang schlenderten. Jades Herz machte einen kleinen Sprung. „Echt?“, sagte er. Was für eine innovative Antwort... „Ich hab die Trilogie gleich zwei Mal gelesen. Und „Den Hobbit“ auch.“ „Den hab ich ehrlich gesagt noch nie gelesen...“ „Ich kann dir das gute Buch nur empfehlen. Ist natürlich ein völlig anderes Ding als „Herr der Ringe“.“ „Stehst du allgemein auf Fantasy?“ „Auch wenn viele Leute es nicht von mir denken würden: Ja. Ab und zu finde ich es ganz klasse in eine völlig nicht existente, unrealistische Welt abzutauchen. Fantasybücher das sind Märchen für Erwachsene, vielleicht sind sie gerade deswegen so populär, denn es ist ein legitimes Abtauchen in eine Art Kindheit, verstehst du, was ich meine?“ „So, in etwa“, murmelte Jade. „Ich finde Fantasy einfach klasse, weil man da diese völlig abgedrehten Charaktere hat, die oftmals einfach nicht menschlich sind. Die eigene Fantasie hat da mehr Spielraum.“ Michael lächelte, als sie die breite Treppe hinunterschlenderten. „Ich hätte ja wirklich nicht gedacht, dass du ein Bücherfan bist...“, sagte er erneut etwas in Gedanken versunken. „Das denken viele Leute nicht...“, bemerkte Jade etwas leiser. Vielleicht sogar etwas gekränkter. Sah er wirklich so dumm aus?! Nein, nicht aufregen. Irgendwie hatte er ja selbst Schuld. Oder nicht? „Das sollte keine Beleidigung sein!“, warf Michael umgehend ein. „Ich meine ja nur-“ „Ich seh’ nicht so aus wie jemand, der Bücher liest. Ist schon klar“, unterbrach der Schwarzhaarige ihn einfach. Die Leier kannte er, in abgeänderten Formen und vielleicht nicht immer direkt an ihn gerichtet, aber wenn man die Ohren weit aufsperrte, dann konnte man sein Umfeld des Öfteren so über ihn sprechen hören. „Hey, hör zu“, fing Michael an und legte seine Hand leicht auf den Oberarm Jades, der innerlich zusammenzuckte und den Chefredakteur nun automatisch von der Seite anguckte. „Du bist, wie soll ich sagen... Ich hatte vorher nie mit Menschen wie dir zu tun, OK? Das ist alles Neuland. Und vielleicht bin ich ja ein wenig voreingenommen und muss meine, wie soll ich sie nennen, Vorurteile wäre das unpassende Wort... Ich muss deine Welt erstmal ein wenig mehr verstehen, weißt du was ich meine?“ Jades Herz klopfte wild in seiner Brust. Michaels Hand lag noch immer auf seinem Oberarm. Gleich würde er durchdrehen. Diese Stimme, dieser Blick, diese Worte. Er grinste. „Ist schon OK, ich denke für Typen wie dich bin ich nun mal ein Paradiesvogel“, sagte er. Nun lachte der Blonde auch. „Typen wie mich. So, so. Was sind denn Typen wie ich?“ „Äh... Spießer?“, kam es vom Barista. Sein vorlauter Mund. Kurz stockte Michael. Und dann lachte er und wiederholte das von Jade geäußerte Wort ein wenig kopfschüttelnd, lächelnd. „Spießer, hm.“ „Hey, Jade!“, ertönte plötzlich diese vertraute Stimme hinter ihm. Oh-oh. Der Schwarzhaarige und sein Begleiter drehten sich um. Vor ihnen standen tatsächlich Jana und Torsten und als Jade in dieses lächelnde Gesicht der jungen Frau blickte, wurde ihm irgendwie schlecht. Auch wenn Leute ihm nachsagten, seine Bettgeschichten seien wild und er würde, was Sex anging, keine Skrupel besitzen – er fühlte sich fatal, weil er mit jemanden geschlafen hatte, der vergeben war. Irgendwie war er ja doch an die Monogamie gebunden. Wenn es um feste Partnerschaften ging. Feste Partnerschaften... Torstens Augen blieben an Michael kleben, weiteten sich ein wenig. Und auch Jana verstand sofort, was hier vor sich ging. Ihr Lächeln wurde noch größer, noch herzhafter. „Hallo, du musst Michael sein“, sagte sie und streckte ihm ihre Hand entgegen, die der Chefredakteur höflich drückte. „Ja, das stimmt. Und du bist?“, fragte der Blonde. „Ich bin Jana“, antwortete sie und deutet dann auf Torsten. „Und das ist Torsten, mein Freund und Jades Mitbewohner.“ „Ah ja, genau“, sagte Michael lächelnd. „Sebastian hatte mir von dir kurz erzählt.“ Als der Journalist den vollen Namen des Schwarzhaarigen aussprach hätte dieser schwören können, dass Torsten beinahe umgekippt wäre. Mit Verwunderung musterte der Rothaarige seinen Mitbewohner – der diesem Blick auswich und sich etwas verlegen am Kopf kratzte. „Jedenfalls nett euch kennenzulernen“, sagte Michael. „Wo wollt ihr denn jetzt noch hin?“, fragte Torsten ihn umgehend, nachdem er sich wieder einigermaßen gefasst hatte. Noch bevor Michael antworten konnte und etwas verlegen in Jades Richtung blickte, fuhr Torsten bereits fort. „Jana und ich wollten grad noch ins „Safari“, da ist heute Abend irgend so eine Piratenparty. Habt ihr nicht Lust mitzukommen?“ Jades Herz machte einen riesigen Sprung. Jetzt auch noch tanzen mit Michael...? Er blickte den Älteren an. „Wollen wir?“, fragte er sofort. Michael lächelte ihn an. „Geh ruhig, wenn du Lust hast. Ich alter Mann werde mich jetzt auf den Weg nach Hause machen“, sagte er dann. Jades Herz prallte unsanft auf den Boden. „Oh, schade...“, murmelte er. „Ich wünsche euch auf jeden Fall noch viel Spaß“, sprach Michael in Janas und Torstens Richtung und drehte sich dann Jade zu, der sah, wie sein Mitbewohner und dessen Flamme dem Journalisten zuwinkten und schon einmal das Kino verließen. „Ich hatte heute einen wirklichen schönen Abend mit dir“, sagte Michael. Jades Herz stand langsam wieder auf. „Ich auch“, pflichtete der Schwarzhaarige ihm bei. Die beiden Männer lächelten sich leicht an. „Ich denke... Wir können uns jetzt normal gegenübertreten, oder?“, fragte Michael dann. „Klaro, wir sind doch jetzt so was wie Kumpels“, entgegnete Jade grinsend und zwinkerte dem Journalisten zu, der kurzzeitig den Mund verzog. „Jaja, kein Ding, kein Zwinkern und so'n Scheiß. Ich werd mich bessern, versprochen.“ „Wunderbar. Dann... Sehen wir uns wohl schon bald im allseits beliebten Laden wieder“, konkludierte Michael und streckte ihm erneut seine Hand entgegen. „Bis dann und dir noch viel Spaß!“ „Ja. Ciao...“ Und dann war der blonde Mann weg. Händeschütteln anstatt Knutschen. Wünsche für den Abend anstatt Handynummern. Verdammte Scheiße! Was sollte das? Michael war wohl noch spießiger als Jade gedachte hatte. Der Schwarzhaarige musste grinsen. Sollte er das jetzt als Herausforderung ansehen? Er würde darüber nachdenken. MICHAEL Da er doch eher ein Mensch war, der Luxus bevorzugte, hatte er sich gegen den Linienbus entschieden. Das Taxi brachte ihn auf dem schnellsten Weg nach Hause. Es war nicht wirklich spät und noch nicht wirklich düster, sie brausten an der gut erkennbaren Stadt vorbei, die ausgeleuchteten Kaufhäuser spiegelten sich in den Fenstern des Wagens. Michael starrte wie gebannt hinaus. Er war schon lange nicht mehr draußen gewesen, aus gewesen, war einer Verabredung dieser Art seit Ewigkeiten nicht mehr nachgegangen. Geschäftliche soziale Verpflichtungen – Ja, wer tat das nicht? Aber sich mit jemandem völlig neues zu treffen, ins Kino zu gehen. Nein, daran konnte er sich schon fast nicht mehr erinnern. Und schließlich war er die letzten guten fünf Jahre eh ausschließlich nur mit seinem Partner ausgewesen. Mit Tim. Als er jetzt die vergangenen Stunden durch seinen Kopf passieren ließ, musste er beinahe laut auflachen. Sein Ex-Freund hätte ihm nie geglaubt, hätte er ihm von seinem Treffen erzählt. Wahrscheinlich wären Tims Augen fast ausgetreten, hätte er ihn und Sebastian sehen können. Aber darum ging es gar nicht. Momentan wunderte sich Michael eher, dass er tatsächlich so viel Spaß gehabt hatte. Ja, es war wundervoll angenehm gewesen mit diesem Wildfang… unterwegs zu sein. Oder war es Ausgehen? Ausgehen war so ein Terminus, der umgehend eine innere Bindung suggerierte. War er mit Sebastian ausgegangen? Der Taxifahrer kassierte ein prächtiges Trinkgeld und der blonde Mann war froh weiter in seinen eigenen vier Wänden weiter grübeln zu können. Obschon sie ihm momentan beim Betreten immer wieder fremd erschienen. Schließlich hatte er es nun endlich vollbrachte, beinahe das gesamte Mobiliar verrückt zu haben. Schließlich hatte er ja einen Neuanfang gestartet. Neuanfang. Auch ein seltsamer Begriff. Aber ein Terminus, der normalerweise mit Positivem assoziiert wurde. Ob sein kommendes Leben wohl auch so „spießig“ verlaufen würde? Er musste grinsen, als er an Sebastians Bezeichnung denken musste. Und es verwirrte ihn vollkommen, dass sich so ein warmes Gefühl um sein Herz schlich. Vielleicht hatte er es wirklich mal wieder gebracht, sein „social life“ zu reanimieren. Vielleicht sollte er ja öfters weggehen? Zum Beispiel mit Florian. Der CvD liebte wilde Diskonächte und der war schließlich auch in seinem Alter. Sein Alter. 11 Jahre Unterschied. Sebastian führte scheinbar wirklich ein völlig anderes Leben. Irgendwie hatte er sich in seine Studentenzeit versetzt gefühlt. Da… war er gar nicht spießig. Zu sagen, er wäre wild gewesen, wäre eine reine Übertreibung, und er würde sich selbst damit auch belügen. Aber er hatte schon Spaß gehabt. Er war lockerer gewesen. Das hatte er zu der Zeit ja auch sein können. Jetzt als Chefredakteur, der die gesamte Publikation repräsentierte, konnte er sich eben nicht mehr zu viel erlauben… Michael schenkte sich ein Glas Wein an und ließ sich auf dem Sofa nieder. Ja, er musste es sich schon eingestehen. Als er heute mit Sebastian trinken war, hatte er sich irgendwie jünger gefühlt. Auf irgendeine Art und Weise hatte er sich selbst wie 24 gefühlt und das hatte ihn durchaus entspannt. Er hatte ihm schließlich einfach so von seinem Privatleben erzählt, ein Schritt, den er sonst niemals gegangen wäre. Aber Sebastian hatte so etwas Jugendliches an sich, da hatte es sich einfach richtig, einfach gut angefühlt. So wie damals, als er seinem besten Uni-Freund Patrick alles von seinem Leben erzählte, oder auch einiges an andere Kommilitonen weitergab, weil junge Leute einfach gern über ihre Probleme oder auch Erfolge mit ihren Freunden sprachen, dieses Bedürfnis sich auszutauschen besaßen. Eigentlich hatte er ja überhaupt nicht über seine Empfindungen nachdenken wollen. Und nun meinte er schon das Rauschen seines Blutes in seinen Ohren vernehmen zu können. War er schockiert, dass ihn ein Abend mit dem Mann, den er meinte zu hassen und dessen Art er meinte zu verabscheuen, so viel Freude bereitet hatte? Wahrscheinlich. Verspürte er Angst aufgrund dieses Bedürfnisses ihn wiederzusehen? Vermutlich. War er verblüfft, dass er umgehend eine Email an Florian sendete und seine morgige Rückkehr ankündigte? Definitiv. Er hatte, wie konnte man es besser formulieren, einfach Lust auf… Kaffee. SEBASTIAN/JADE „Was war’n das bitte?“, fauchte Torsten ihn schon beinahe an, als er die beiden einholte. Jade zuckte mit den Schultern und starrte auf den Boden. „Freu dich doch, dass es endlich geklappt hat!“, sagte Jana und schubste Torsten spielerisch, wonach sie den Schwarzhaarigen anlächelte. „Ja, aber er meinte doch, dass er gar nicht mit dem Typen weg will, weil er ein selbstsüchtiges Arschloch ist!“, verteidigte Torsten sich vor seiner Freundin. „Ich habe den Begriff „Selbstsüchtiges Arschloch“ definitiv nicht in diesem Zusammenhang benutzt…“, bemerkte Jade mit einer bitteren Stimme. Diese Situation gefiel ihm gar nicht. „Aha. Du sagtest aber du hättest mit dieser Sache abgeschlossen. Und dann sagst du auch noch UNS das Kino ab, gehst aber mit diesem Hans dahin. Toller Freund bist du“, schimpfte der Rothaarige weiter, ohne dabei seinen Mitbewohner richtig anzublicken. „Könnt ihr euch bitte mal beruhigen?“, fragte Jana entrüstet. „Ich dachte wir machen uns jetzt noch einen schönen Abend.“ Schöner Abend, von wegen. Jade hatte seinen schönen Abend bereits hinter sich. Einen äußerst schönen Abend, ja. Und er hatte so was von keiner Lust sich diesen „schönen Abend“ von seinem frustrierten, hormongesteuerten, bisexuellen Mitbewohner zerstören zu lassen. „Ich bin ruhig. Flöß Torsten einfach ein wenig Wodka ein, dann kommt der schon wieder runter und dann könnt ihr dir ganze Nacht Versöhnungssex haben, OK? Ich hau jetzt ab, man sieht sich!“, mit einer gespielten, völlig übertriebenen Verbeugung verabschiedete er sich somit und machte auf dem Absatz kehrt zum Hauptbahnhof. „Jade!“, hörte er Jana ihm noch hinterher rufen. Und von Torsten meinte er den gegrummelten Satz „Lass den Arsch doch“ vernehmen zu können. Er seufzte, als er langsam auf den Bus zujoggte. Torsten war diesmal der Arsch. Definitiv. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)