Dunkelgrau von Misandrie (Teru Mikami) ================================================================================ Kapitel 2: Schwarz ------------------ Er kannte die Strecke, jede Unregelmäßigkeit im Bau der Schienen war ihm so vertraut wie der leise kaum hörbare Ton der elektrischen Leitungen, der wie ein nervenzerschneidendes Drahtband seinen Kopf durchdrang und ihn durch seine Konstanz nahezu zärtlich von den wirren Wortfetzen der Unverbesserlichen fern zog, sie fast unhörbar machte und ihn von den grausamen Erinnerungen einer bedauerlichen Kindheit ablenkte. Doch selbst das regelmäßige Rattern der Schienen vermochte an Tagen wie diesen seinen hämmernden Herzschlag nicht zu übertönen, das Böse war allgegenwärtig. Es waren die Kinder, die sich untereinander quälten, die Erwachsenen, die sich gegenseitig belogen und selbst die Alten, die ihre Weisheit in Demenz verloren hatten und als unfreundliche Greise durch die Welt humpelten. Sie würde es als erstes erwischen, die Natur tat ihre Arbeit hier ganz ohne seine Hilfe. Nur, wer wird den Jungen den Weg weisen? Mit einem schweren Schlucken führte er die Hand abermals an seine Krawatte, rückte sie etwas zurecht, strich langsam darüber, befühlte die glatte Oberfläche der festen schwarzen Seide, ließ sie mehrmals unter seinen Fingern hinweg gleiten, bis er sich sicher sein konnte, dass sie ordentlich saß. Sein Atem stolperte zittrig zwischen seinen leicht geöffneten Lippen hindurch, als der Zug zum stehen kam. So viele Menschen, so viele die sich nicht an die vorgeschriebene Art zu stehen hielten, so viele, die ihm den Weg nach draußen versperrten. Es würde unmöglich werden hinaus zu gelangen ohne sie anzustoßen. „Verzeihung.“ Ein murrendes Rücken, unsicheres Schwanken zu den Seiten, unfreundliche Blicke. „Verzeihung.“ Die Aktentasche fest an seine Brust gepresst setzte er, das Pochen noch immer im Hals, langsam die Füße auf den grauen Bahnsteig, verweilte einen Bruchteil von Sekunden, bis sich die Türen hinter ihm schlossen und setzte dann vom leisen Ton seiner Schritte begleitet seinen Weg zur Arbeit fort. Jeder Tritt auf dem schmutzigen Asphalt zwang ihm noch größere Schritte ab, unter tiefster Anstrengung wies er sich jedoch zurecht nicht zu schnell zu laufen. Nur schlechte Menschen bewegen sich ungraziös. Immer wieder blieb er in Gedanken kurz stehen um seinen gewählten Rhythmus wieder zu finden, jeder Schritt so groß wie die Pflastersteine, nur nicht in die Ritzen treten, darin sammelte sich der Schmutz, dort ließ er sich schwerer entfernen. Wenn es mit den schlechten Menschen doch auch nur so wäre. Dann könnte man sie leichter finden und auch leichter beseitigen. Den Blick starr nach vorne gerichtet erkannte er bereits die in silbernes Licht getauchten Fenster seines Büros, zügelte ein letztes Mal seinen zu schweren Atem, richtete ein letztes Mal seine Krawatte und umschloss den ledernen Griff seiner Tasche ein wenig fester. Schwarzes Leder, glatt, fest, ein wenig feucht von seinen Händen. Die Nähte gruben sich leicht in seine klammen Innenflächen bis ein leises Knarzen ihn daran erinnerte seine Finger nicht zu verkrampfen. Gute Menschen sollten leicht und unbeschwert sein! Nicht mehr weit, dann hatte er das Kleinod der Gerechtigkeit erreicht, dem Ort an dem er endlich Frieden finden würde bis alle Aufgaben erledigt waren und sein Gewissen beruhigt in den Schlaf sinken konnte. Sein sonst reglose Miene verfinsterte sich. Er hatte die Kanzlei noch nicht einmal betreten und dachte schon an Schlaf! Ein unverzeihliches Vergehen, welches nur durch Arbeit zu bereinigen war. Diese sollte in seiner Freizeit vor dem Schlafen erledigt werden. Mit einem kurzen aber bestimmten Atemzug besiegelte er dieses Urteil und betrat das helle, saubere Gebäude. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)