Sunset von WordlessPoet ================================================================================ Kapitel 1: Sunset ----------------- Durch den schweren Nebel, der sich um mein Bewusstsein gelegt hat, kann ich ihre besorgten Stimmen hören. Ein leises Wispern, einzelne Wortfetzen fliegen mir entgegen, verdichten sich und setzen sich langsam zu Sätzen zusammen. „Die Klinge hat sein Herz nur um Millimeter verfehlt, es ist ein Wunder, dass er das überlebt hat. Er wird wohl noch eine Weil hier bleiben müssen, bevor er wieder eine Mission antreten kann.“ Die fremde Stimme entfernt sich und für einen kurzen Augenblick herrscht Stille. „Warum hat er sich nicht gewehrt? Naruto muss doch gewusst haben, dass er... was er vorhat. Er ist nicht einmal ausgewichen...“ Sakuras Worte verlieren sich. Verschwommene Bilder formen sich vor meinem inneren Auge, die Erinnerungen drücken schmerzhaft auf meine Gedanken. Immer wieder rutschen sie mir durch die Finger, ich kann sie nicht festhalten. Ganz langsam schält sich ein Gesicht aus dem farbigen Brei sich bewegender Formen, eines, das ich kenne wie mein eigenes, vielleicht sogar besser. Rot blitzende Augen, ein warmer Hauch und stechender Schmerz in meinem Herzen, vom kalten Stahl, den seine Hände in meine Brust getrieben haben und einer, der von tief Innen hervorbricht und alles versengt. „Er hätte es gekonnt, wenn er gewollt hätte, aber er wollte nicht.“ Ich kann Kakashis Blick auf mir spüren und weiß, dass er mich durchschaut hat. „Er wollte nicht?“ So viel sie auch sonst sehen mag, in dieser einen Sache ist sie blind, weil ich Naruto bin, weil ich kämpfe bis zum bitteren Ende, niemals aufgebe. Immer, bis auf dieses eine Mal. Dieses eine Mal, hätte ich das Ende dem Kampf vorgezogen. Ich bin die Dunkelheit so Leid. Der Wald fliegt an mir vorbei, meine Füße berühren kaum den Boden. Ich muss dich finden, bevor sie merken, dass ich weg war. Mir bleibt nicht viel Zeit. Ich weiß nicht, warum ich dich gerade hier suche, warum ich glaube dich überhaupt finden zu können, ich weiß nicht einmal, warum ich dich unbedingt finden muss, ich weiß nur, dass ich nicht anders kann. In diesem Moment gibt es nichts Wichtigeres. Ich finde dich und du erwartest mich bereits, einem Ninja wie dir entgeht nichts. „Sasuke.“ „Naruto?“ Überraschung steht dir ins Gesicht geschrieben, dein Schwert springt aus der Scheide und richtet sich auf mich. Du traust deinen Augen nicht, hältst mich für einen Betrüger, während sich die Schwertspitze auf mein Herz richtet. Die Narbe, die es dort hinterlassen hat ist immer noch sichtbar, die einzige, die nicht wieder verschwunden ist. Du zweifelst. „Mit dieser Verkleidung kannst du mich nicht mehr täuschen. Naruto ist-,“ ein leichter Schatten huscht über dein Gesicht, das im Licht der gleißenden Sonne übernatürlich weiß erscheint. Durchsichtig, gläsern in der durchdringenden Sonne. „-tot. Du selbst hast ihn getötet.“ Nicht ein einziges Mal lasse ich deine Augen meinem Blick entkommen, als ich dir die Worte stehle. Es ist kein Vorwurf, es ist eine Tatsache. Etwas flackert in deinen Augen und erlischt. „Was willst du in dieser Verkleidung?“ Ich ziehe mein Hemd nach oben, die Sonne kitzelt auf der feinen Linie über meinem Herzen. Ich lasse es wieder fallen. Nichts in deinem Gesicht verrät dich, deine Augen sind kalt wie Stein. „Du hast mich umgebracht.“ Diesmal ist es Wut, auf dich, der du mich töten kannst, wo ich es nicht fertig brächte dein Leben zu beenden, und auf mich, der es zuließ. Du hast begriffen. Dein Körper spannt sich an, du machst dich kampfbereit, erwartest meinen Angriff, aber darum bin ich nicht gekommen. „Du glaubst doch nicht, dass du mich besiegen kannst?!“ „Die Rache ist dein Geschäft, deswegen bin ich nicht hier.“ „Warum?“ Auch du verstehst mich nicht. Tausend Gründe habe ich, nur einer davon ist wirklich wichtig. Aber dieser eine... „Du bist weggegangen und nahmst alles mit dir.“ Nahmst mir alles weg. Du glaubst immer noch ich will dich täuschen, dich angreifen, wenn du es nicht erwartest, keinen Millimeter hat sich dein Schwert gesenkt, kein Licht schimmert in deinen schwarzen Augen. Ich möchte brüllen und dich anschreien, in diesem kurzen Moment will ich dein schönes Gesicht zertrümmern, diese steinerne Maske zerschlagen; alles, ich würde alles tun, um einen Ausdruck in deinen Augen zu sehen, nur für einen einzigen Herzschlag, aber ich weiß, dass nichts davon etwas ändern kann. Nichts auf deinem Gesicht. Nichts an dieser Situation. Nichts in deinem Inneren. Nichts in deinem verschütteten Herzen. Also lasse ich meines sprechen, weil ich das Ende kenne. Weil es schon anfängt zu dämmern. Ein Wort nach dem anderen verlässt mich, wie du mich verlassen hast. Und ich lasse sie gehen, wie ich dich nicht gehen lassen konnte. „Du bist gegangen. Vier verdammt lange Jahre ist es jetzt her. Du hast dem Dorf, das ich liebe, den Rücken gekehrt und es dabei um einen Einwohner betrogen.“ Mein Blick versucht dich festzupinnen, als könnte er dich am Weggehen hindern. Als ob er könnte, was keinem von uns gelungen ist. „Als du gingst, hast du einen Kameraden mitgenommen. Ich hätte ihm mein Leben anvertraut. Ich habe es getan, öfter als ich zählen kann. Er ging, ohne sich noch ein einziges Mal umzuwenden.“ Ich konnte es nicht verhindern. Ich konnte nicht. Ich kann nicht. „Ein Teamkamerad ging. Meiner Familie, meinem Team, unserem Team, hast du einen Teil gestohlen.“ Alles hat sich mit meiner Unfähigkeit verändert. Meine Schwäche hat alles zerstört. Ich bin noch immer nicht stark genug. Zu spät. „Mit dir hat mich auch ein Freund verlassen, kein guter Freund. Der Beste. Der Beste, den ich je gehabt habe. Der Erste, den ich hatte. Der einzig richtige, den ich je haben werde.“ Wann habe ich meine Chance verpasst? Hätte ich doch besser aufgepasst. Viel zu Spät. „Als du weg gingst, hast du meinen Bruder mitgenommen. Und es ging ein Bruder, der mich besser verstand, als die meisten Brüder, die durch Blut verbunden sind, einander verstehen.“ Alle. „Sie alle sind mit dir gegangen.“ Viel, viel zu spät. Es dämmert. „Ich kenne die Einsamkeit, ich kann sie ertragen.“ Du und ich, wir wissen um ihre bodenlosen Tiefen. „Als du mich allein gelassen hast, habe ich den Menschen verloren, der mir mehr bedeutet, als ich selbst.“ Dich, dich habe ich verloren, irgendwo im Abgrund. „Ich halte die Einsamkeit aus, aber vor der Dunkelheit fürchte ich mich. Weiß du, wie dunkel selbst ein Sonnentag wie dieser sein kann, wenn der Mensch den man liebt nicht da ist?“ Die Sonne ging unter. “Die Nacht hört nicht mehr auf, eine Nacht ohne Sterne, ohne Mond. Völlige Dunkelheit. Man ist blind, die Flammen winziger Lichter verlöschen ungesehen, alles wird formlos, dunkel, schwarz.“ Und kalt. So verflucht kalt. „Seit vier verdammten Jahren warte ich auf den Sonnenaufgang.“ Es dämmert. Viel zu spät um sie noch zu hindern. Unaufhaltsam. Sasukes Schwert sinkt bei Narutos Worten langsam zu Boden. Sie fressen, nagen, beißen sich fest und lassen nicht mehr los. Sie kratzen in der Tiefe, wühlen, graben, zerstören. Ihre Bedeutung drängt sich langsam in sein Bewusstsein, zusammen mit einer Erkenntnis. Sein Gesicht verzieht sich vor Schmerz. Er weiß, was er tun muss. Es war so lange schon zu spät. Naruto verstummt und seine lebendigen Augen quellen über vor Gefühlen, wie Messer schneidend. Lange verharren Beide, erdrückt von ihrer Macht. Zerquetscht, am Atmen gehindert, reglos. Machtlos. Sasuke wendet sich ab. Er weiß was er tun muss. Es ist zu spät. Es dämmert. „Ich kann dir nicht geben, was du suchst.“ Eine gähnende Leere überfällt ihn und sein Beine beginnen ihn fortzutragen. Er kann sie nicht aufhalten. Er ist immer noch nicht stark genug. Warme Arme umschlingen Sasukes kalten Körper und halten ihn fest, als wollen sie ihn nicht mehr loslassen. Nur zwei Worte fallen in die Stille: „Ich weiß.“ Noch fester krallen sich dabei Narutos Hände in sein Hemd, presst sich der starke Körper an ihn. „Darf ich trotzdem so bleiben ... einen kurzen Augenblick? Ich darf das hier nicht vergessen, damit ich mich später erinnern kann, muss mir jedes noch so winzige Detail einprägen, damit ich nie wieder vergesse. Weil es doch keinen Sonnenaufgang gibt. Nicht für mich.“ Es dämmert. Eine einzelne Träne stiehlt sich nach draußen und rollt Sasukes Wange hinunter. Er kann sie nicht zurückhalten. Nur die eine, nicht allein unter den vielen, die Naruto ohne Scham über das, an Sasukes Rücken gepresste, Gesicht rinnen. „Ich liebe dich Sasuke.“ Vorsichtig löst er Narutos Hände von seiner Brust und wendet sich um. Eiserne Fäuste pressen sein Herz zusammen, wollen ihn zu Boden zwingen, aber er kann nicht schwach werden, er darf nicht. Zu spät. Sie sinkt bereits. Schnell beugt er sich vor und haucht einen Kuss auf Narutos Stirn. „Lebewohl.“ Sasuke kehrt ihm den Rücken zu und geht, ohne einen weiteren Blick zurück zu werfen. Viel, viel zu spät. Die Sonne geht unter, ein letztes Mal, um nie wieder aufzugehen. Es wird dunkel. Und in der dunklen Nacht bleibt nur die Erinnerung an einen warmen Sonnentag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)