Oh Shit. von m0nstellar ================================================================================ Prolog: Blaulichtbekanntschaft ------------------------------ Es brauchte die geballte Kraft dreier Kollegen, um die pummelige Dame im Friseurstuhl fixiert zu halten. Ihre hochfrequenten Schreie zerschnitten jedem im Salon beinahe das Trommelfell. All das Blut an ihren Händen, das durch Angst und Schmerz verzerrte Gesicht – und diese Augen. Diese riesigen, weit aufgerissenen Augen. »Was hast du da bitte zusammengemischt«, rief eine der Frauen vorwurfsvoll, während sie mit dem Arm der Kundin kämpfte, als handelte es sich dabei um ein wild gewordenes Tier. Stellar aber war nicht in der Lage zu antworten. Immer wieder schwappte ihr der Geschmack von Galle wellenartig in die Mundhöhle und machte es ihr so unmöglich auch nur einen Laut von sich zu geben. Wie angewurzelt stand sie da, unfähig, auch nur ihren Blick von ihr abzuwenden … Plötzlich stand eine weitere Person ganz dicht vor ihr. Es war ihre Chefin, Mrs. Palmer. »Mach gefälligst den Mund auf!«, brüllte sie und funkelte sie mit Hass erfüllten Augen an. »E-Es tut mir leid, i-ich –« Weiter kam sie mit ihrer Erklärung nicht, denn ihre Chefin gab ihr einen solch heftigen Stoß, dass sie ein paar Schritte nach hinten taumelte, das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Mit dem Finger auf die schreiende Kundin deutend, beugte sie sich über Stellar, trieb sie in die nächstgelegene Ecke, sodass sie ihr nicht mehr entkommen konnte. »Weißt du eigentlich, was du da angerichtet hast? Siehst du das?« Die Zornesfalte grub sich immer tiefer in ihre Stirn, während ihre Ader an der Schläfe bedrohlich pulsierte. »Siehst du, was du angerichtet hast? Das ist deine Schuld!« Stellars Körper bebte. Tränen rannen ihre Wangen hinunter. »Bitte, Mrs. Palmer, i-ich … Das war keine Absicht«, krächzte sie, presste sich mit dem Rücken fest an die Wand. »Keine Absicht? Am liebsten würde ich dir …« Vor Wut schnaubend holte sie weit mit der flachen Hand aus und – »Hey, sofort aufhören!«   Diese tiefe Stimme war Stellar völlig fremd. Vorsichtig hob sie den Kopf aus ihrer Deckung und öffnete eines ihrer zusammengekniffenen Augen, wollte wissen, wem diese Stimme gehörte. Anfangs erkannte sie nur verschwommene, grünlich gelbe Umrisse, die sich wie eine Mauer vor ihr aufgebaut hatten. Erst nach mehrmaligem Blinzeln entpuppten sich die Umrisse als die Uniform eines Sanitäters, der sich zwischen sie und ihrer Chefin gestellt hatte. Wer hatte denn den Krankenwagen gerufen? Und seit wann waren sie hier? »Bitte, beruhigen Sie sich doch! Es bringt doch nichts, aufeinander loszugehen.« »Ich soll mich beruhigen? Haben Sie die arme Frau da hinten nicht gesehen? Der sollten Sie vielleicht mal helfen und nicht dieser Pfuscherin! Die misshandelt nicht nur meine Kunden, die ruiniert mir mit ihrer Arbeitsweise auch noch meinen Ruf, meinen Laden! Und dann wollen ausgerechnet Sie mir sagen, ich soll mich beruhigen?« Trotz der Abschirmung durch den Fremden schaffte sie es, ihren knochigen Zeigefinger direkt in Stellars Gesicht zu halten. »Und das eine sage ich dir, Fräulein: Für das Geld, was uns deinetwegen durch die Lappen gegangen ist, kommst du aus eigener Tasche auf. Dafür sorge ich, darauf kannst du Gift nehmen!« Der Kloß in ihrem Hals mutierte zu einem scharfkantigen Felsbrocken. In dem Moment wurde ihr klar, dass es hier nicht mehr um die Kundin ging – Es ging um sie. Man wollte sie loswerden. Loswerden und dafür bluten lassen, dass sie, die Neue, beliebter war, als alle anderen in diesem Salon. Es war die Bestrafung dafür, dass einige der Kunden aus freien Stücken zur Neuen übergelaufen waren. Dieser Vorfall mit der pummeligen Dame war für das gesamte Team eine einmalige Gelegenheit und der wohl beste Vorwand, um sie rauszuschmeißen. Das eben war keine Drohung – Das war eine indirekt ausgesprochene, fristlose Kündigung. Von einer Sekunde auf die nächste drückte der Felsbrocken gegen ihren Kehlkopf und blockierte ihre Atemwege. Instinktiv schnappte sie nach Luft, immer und immer wieder. Doch je öfter sie das tat, desto weniger bekam sie davon, bis sie die Kontrolle über ihre Atmung dank der weiterhin andauernden Schreie schließlich ganz verlor. Luft, sie brauchte Luft! Verzweifelt streckte sie ihren Arm aus und versuchte, nach der Hose des Fremden zu greifen, doch sie schaffte es nicht. Ihre Finger waren zu steif. Zu ihrer Erleichterung war dem Sanitäter ihr Versuch, auf sich aufmerksam zu machen, nicht entgangen. Der kurze Blick über die Schulter genügte ihm offenbar, um den Ernst der Lage zu verstehen. Sofort drehte er sich um, beugte sich zu ihr herunter und half ihr auf die Beine. »Aus dem Weg!«, rief er, schob Mrs. Palmer unsanft beiseite und führte sie in den nahegelegenen Personalbereich, wo er sie behutsam auf einen der Hocker setzte. »Ganz ruhig, tief durchatmen. Ich bin Christopher Marvin, ich helfe Ihnen. « Stellar röchelte, nickte aber. Langsam ging er vor ihr in die Hocke, während er sprach: »Hören Sie, Sie hyperventilieren. Das bedeutet, dass Sie zu viel Sauerstoff im Blut haben. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir den Sauerstoffgehalt senken.« Stellar verstand ihr Problem und nickte erneut. »Was – was ist mit – mit Mrs. –« Ihr Gestammel brachte sie unter größter Anstrengung und Schnappatmung heraus. »Um die Dame vorn kümmert sich mein Partner. Machen Sie sich keine Sorgen, es wird alles gut.« Sogleich richtete er sich wieder auf, stöberte unkoordiniert in Schubladen und Schränken herum – und wandte sich mit einem schwarzen Handschuh wieder zu ihr. »Ich werde jetzt den Handschuh auf Ihr Gesicht halten und Sie atmen so tief und ruhig wie möglich in den Handschuh hinein.« Wieder ein Nicken. Vorsichtig umschloss er damit Nase und Mund. »Immer schön tief ein- und wieder ausatmen.« Sie tat, was er verlangte und kämpfte gegen den Widerstand in ihrem Körper. Ruhig atmen. Immer ruhig atmen. Und tief. Tief und ruhig atmen. »Sehr gut, Sie machen das wirklich sehr gut.« Gemeinsam beobachteten sie, wie der Handschuh sich aufblähte und wieder zusammensackte, und nach einer Weile wurden die Intervalle länger. Langsam, aber sicher beruhigte sich ihre Atmung. Auch die Schreie, die aus dem vorderen Teil des Salons zu ihnen durchdrangen, wurden leiser, bis nur noch ein Winseln übrigblieb. Nach weiteren vergangenen Minuten verstummten auch diese und Stellar nahm seine Hand und den Handschuh vom Gesicht. »Geht es schon besser?« »Ja, danke«, presste sie während sie hustete heraus. »Es geht schon wieder.« Gott, sie klang wie eine verrauchte Opernsängerin nach einer missglückten Stimmbänder‑OP. Ihn schien das jedoch nicht weiter zu stören. Er wartete, bis sich ihr Hustenreiz gelegt hatte, dann fuhr er mit seiner Behandlung fort. Aus seiner Brusttasche holte er seine Kugelschreiberleuchte heraus und schaltete sie ein. »Ich werde jetzt Ihren Pupillenreflex kontrollieren. Halten Sie sich bitte mit einer Hand ein Auge zu und sehen Sie mich an.« Als sie seiner Bitte nachkam schwenkte Mr. Marvin das Licht des Lämpchens vor ihrem Auge hin und her. Dasselbe tat er auch mit dem anderen Auge. »Alles normal«, stellte er hörbar erleichtert fest. Stellar hingegen spürte keine Erleichterung. Im Gegenteil: Ein neuer Tränenausbruch kündigte sich an. Die Schreie mochten zwar aufgehört haben, doch das machte die Lage, insbesondere ihre eigene Lage, nicht weniger dramatisch. »… Und jetzt erzählen Sie mal, was überhaupt passiert ist.« Wo sollte sie da nur anfangen? Sie wusste es ja selbst nicht wirklich. »Ich … Mir tut das so unendlich leid, ich wollte das nicht.« »Was meinen Sie damit, was tut Ihnen leid?« »Das mit Mrs. Jenkins. Das ist alles meine Schuld.« Und wieder kullerten ihr die Tränen die Wangen hinunter. Nach einem kurzen Schniefen wischte sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht, senkte den Blick. Dass sie schon wieder heulte, war ihr peinlich. Eine Schranktür schlug zu und der Wasserhahn lief für wenige Sekunden. »Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen.« Stellar sah zu ihm auf und entdeckte das Glas Wasser, das er ihr mit einem wohl aufmunternd gemeinten Lächeln reichte. »Vielen Dank.« Sie nippte nur kurz daran, stellte das Glas wieder auf der Theke ab. »Mrs. Jenkins ist Stammkundin hier. Jeden Donnerstag kommt sie hierher, um sich für ihre Skatrunde die Haare frisieren zu lassen. Sie ist nur deshalb heute an einem Montag hier, weil sie ihren fünfundzwanzigsten Hochzeitstag hat. Sie wollte das Grau abdecken, mit einem ganz natürlichen Blond, und damit ihren Mann überraschen. Genau so, wie sie es früher getragen hat. Ihr Mann hat wohl sehr oft davon gesprochen, was für schöne Haare sie doch gehabt hat und dass es im Sonnenlicht wie Gold ausgesehen hätte …« »Der Mann versteht was von Komplimenten.« Ein kleines Grinsen tauchte bei ihr auf, verschwand aber sofort wieder. »Ich weiß nicht, was da schiefgelaufen ist. Ich habe alles so gemacht, wie ich es sonst auch mache. Ich habe die Farbe wie immer angemischt und ich habe sie auch wie immer aufgetragen. Aber als ich fertig war, hat sie gesagt, dass es sie am Kopf beißt und juckt … und dass sie das nicht länger aushält … Erst habe ich das für eine allergische Reaktion gehalten, aber dann hat sie sich ununterbrochen am Kopf gekratzt und geschrien und geschrien … Es war so grausam mit anzusehen. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte, ich war total überfordert.« Schwer seufzend strich sie sich über das Gesicht. »Machen Sie sich keine Vorwürfe, Miss …« »Panucci. Aber nennen Sie mich ruhig Stellar. Das machen meine Kunden auch.« »Mir ist Chris auch lieber als Mr. Marvin.« Kurz lächelte er sie an. »Wie gesagt, mach dir keine Vorwürfe. Es gibt eben Menschen, die völlig handlungsunfähig sind und nicht anders können, als dazustehen und zuzusehen.« Das war nicht gerade aufbauend. »Ich wünschte einfach nur, ich hätte ihr irgendwie helfen können, aber …« Sie beendete den Satz nicht. »Vielleicht kannst du das ja noch.« Stellar runzelte die Stirn. »Was meinst du?« »Du sagtest doch, du hast die Haarfarbe angemischt. Zeig mir mal, was du dafür benutzt hast.« »Okay …« Zögerlich und mit fiesem Bauchgefühl stand sie auf, holte aus dem Regal eine Packung Goldblond heraus und reichte sie ihm zusammen mit einer großen Flasche „H2O2 – 6%“. »Die Farbe wird zusammen mit Wasserstoffperoxid verrührt, damit die Farbe oxidiert. Erst durch das Oxidieren entwickelt sich die gewünschte Haarfarbe«, erklärte sie und ließ Chris nicht aus den Augen. Der nickte verstehend. »Kann man das auch falsch zusammenrühren?« »J-ja. Es braucht das richtige Mischverhältnis mit dem richtigen Oxidanten. Wasserstoffperoxid gibt es in verschiedenen Konzentrationen. Wenn die Konzentration beim Färben zu hoch ist, kann es zu einem sogenannten chemischen Haarschnitt kommen. Das heißt, die Haare brechen ab. Im schlimmsten Fall kann die Kopfhaut sogar Blasen bilden, aber ich habe bisher noch nie gehört, dass so etwas überhaupt jemals passiert wäre …« Nervös strich sie sich ihren Pony aus dem Gesicht. »Und du bist dir sicher, dass du die hier verwendet hast?« Er hielt demonstrativ noch einmal die Flasche H2O2 hoch, die sie ihm gegeben hatte. Bei näherem Überlegen gewann letztlich der Zweifel. »Eigentlich schon, ja. Ich bin mir ziemlich sicher …« Wenn jetzt wirklich rauskam, dass das ihr Fehler war … Chris nahm nun die Tube aus der Packung und las sich die aufgelisteten Inhaltsstoffe durch. Dann stutzte er. »Ist in allen Farben Ammoniak enthalten?« »Ähm … In den meisten, ja. Ammoniak quellt das Haar auf und lässt die Farbe ins Haar eindringen.« Grinsend hob er den Zeigefinger. »Einen kleinen Moment, ja? Ich komme gleich wieder.« So schnell konnte sie gar nicht reagieren, da war er auch schon aus dem Personalbereich verschwunden. Eine Zeit lang verharrte sie mit ihrem Blick auf der Tür, in der niemand rein- oder rauskam. Doch ihre innerliche Unruhe machte es ihr unmöglich, sitzen zu bleiben. Sie stand auf und schlich zur Tür, lugte um die Ecke und beobachtete Chris beim Gespräch mit seinem Partner. Er sah wirklich gut aus. Diese roten, zerwühlten Haare und sein genauso roter Drei‑Tage-Bart …  Dazu die hellgrünen Augen, sein Lächeln … Kopfschüttelnd wischte sie die Gedanken beiseite, trat von der Tür zurück und setzte sich wieder auf ihren Hocker. Was dachte sie sich nur dabei? Mrs. Jenkins litt Höllenqualen, vielleicht sogar ihretwegen, und sie hatte nichts Besseres zu tun, als den Sanitäter abzuchecken und sich zu fragen, wie wohl das Aufeinandertreffen mit ihm unter weniger dramatischen Umständen abgelaufen wäre. Wenn sie ihr doch nur geholfen hätte … Stattdessen stand sie nur da und gaffte sie wie eine Schaulustige an. Sie verstand sich selbst nicht. Sie mochte die alte Dame. Und sie mochte ihren Job. Wenn das wirklich ihre Schuld gewesen sein sollte, musste sie ernsthaft an ihrer Kompetenz als Friseurin zweifeln. Nervös wippte sie mit dem Knie auf und ab, knetete fleißig ihre Finger weiter und sah immer wieder zur Tür. Hoffentlich ging es Mrs. Jenkins gut … Heraustreten und selbst nachsehen wagte sie nicht. Mrs. Palmer würde nur erneut auf sie losgehen, der Rest des Teams wahrscheinlich auch. Vermutlich war es besser, wenn sie den Salon verließ und die Kündigung hinnahm. In einer Teppichfärberei konnte man ja wohl deutlich weniger Schaden anrichten als hier. Und sollte doch etwas schieflaufen, würde man sie nur wegen Sachbeschädigung drankriegen und nicht wegen versuchtem Mord. Vielleicht sollte sie es wirklich in Erwägung ziehen, sich dort zu bewerben. Ein Schatten erregte ihre Aufmerksamkeit. Chris stand nun im Türrahmen und erlöste sie. »Also, um dich erst einmal zu beruhigen: Mrs. Jenkins geht es soweit gut. Mein Partner hat ihr die Haarfarbe mit kaltem Wasser runtergewaschen und ihr geht es jetzt schon viel besser.« Stellar atmete erleichtert auf. »Gott sei Dank.« »Wir werden sie aber trotzdem mit ins Krankenhaus nehmen und sie dort weiter untersuchen lassen, damit auch sicher festgestellt werden kann, was die Ursache des Ganzen ist«, erklärte er weiter. Und schon hielt sie wieder die Luft an. »Ist es so schlimm?« »Schlimm? Na ja … Jein. Im Moment sieht alles nach einer allergischen Reaktion aus. Sie spürt auch immer noch ein starkes Jucken und hat Schwellungen im Nacken, an den Ohren und am Kopf. Anscheinend hat sie eine Panikattacke gekriegt und sich mit ihren spitzen Fingernägeln dann blutig gekratzt.« Das klang fast so, als wäre sie unschuldig. »Also … muss ich nicht ins Gefängnis?« »Ins Gefängnis?« Chris lachte. »Um Gottes Willen, nein! Wie kommst du denn darauf? Ist doch noch nicht mal eine Polizeistreife hier.« Das wunderte sie auch schon eine ganze Weile. Warum eigentlich nicht? »Ich dachte nur, weil das wegen mir passiert ist«, murmelte sie und strich sich verlegen die Haare zurück. Nun kam Chris auf sie zu, legte ihr seine Hände an die Schultern und sah ihr tief in die Augen. »Ist doch Unsinn! Dich trifft keine Schuld. Für eine allergische Reaktion kann niemand etwas. Wenn du es gewusst und absichtlich getan hättest, dann hätten wir die Polizei nachträglich verständigen müssen, aber das hier ist in meinen Augen ein klassischer Unfall.« Mit seinen Worten besiegte er ihr fieses Magendrücken und sorgte für ein kleines Lächeln. Erleichterung kam auf. Er lächelte erst zurück, nahm aber dann seine Hände wieder von ihren Schultern und sah sie besorgt an. »Aber … Ohne dir zu nahe treten zu wollen: Macht ihr euch eigentlich immer so heftig gegenseitig fertig?« Sofort verschwand auch aus ihrem Gesicht das Lächeln. »Nun, was das angeht … Das ist ein bisschen komplizierter …« »Geht mich eigentlich auch nichts an«, räumte er ein. »Aber ich glaube, es gibt bestimmt noch andere Friseurläden mit besserem Arbeitsklima.« »Muss es. Das war hier vermutlich auch mein letzter Arbeitstag.« Ihre Stimme klang eher entschlossen als traurig. Sein besorgter Gesichtsausdruck milderte sich. »Das sage ich nicht gerade oft, besonders nicht, wenn es mir nicht zusteht, aber … in diesem Fall finde ich das wirklich gut.« Kurz warf er einen Blick über die Schulter, dann zurück zu ihr. »Ich wünsche dir jedenfalls viel Glück bei der Suche und dass du schnell etwas Neues findest.« In ihrer Brust machte sich Enttäuschung breit. Sie hätte sich so gern noch länger mit ihm unterhalten … Und da fiel ihr ein, was sie bei der ganzen Aufregung total vergessen hatte! Ehe er aus der Tür trat, griff sie ihn noch einmal am Ärmel und zog ihn zurück. »Chris, ich … habe total vergessen, mich bei dir zu bedanken.« »Ach was, nicht der Rede wert. Das ist mein Job.« Sein Lächeln weichte ihr die Knie auf. Wenn sie jetzt nicht fragte, würde sie womöglich nie wieder die Gelegenheit dazu bekommen. Wie oft traf man schon eine Person, die man nur flüchtig gesehen oder kennengelernt hatte, durch Zufall ein zweites Mal? Es war wirklich nicht ihre Art und es kostete sie enorme Überwindung, doch sie wollte sich unbedingt für seine Hilfe bedanken. Was er getan hatte, war für sie keineswegs selbstverständlich. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre sie wahrscheinlich noch ewig am Boden gesessen und hätte nach Luft gerungen – Wenn sie nicht sogar buchstäblich daran verreckt wäre, weil keiner ihrer sogenannten „Arbeitskollegen“ ihr zu Hilfe gekommen wäre. Also: Entweder jetzt oder nie! »Ich ähm … würde mich aber trotzdem gern irgendwie erkenntlich zeigen. Kann ich dich vielleicht … einladen? Zum Essen oder so?« Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie merkte, dass das nach einer Einladung zu einem Date klang. »E-einfach, um Danke zu sagen, ganz unverbindlich«, fügte sie schnell hinzu und spürte die Röte in ihrem Gesicht aufsteigen. Erst wirkte Chris überrascht, dann aber schien er ernsthaft darüber nachzudenken. »Na ja, warum eigentlich nicht?« Sie konnte es kaum fassen. »Echt jetzt?« »Ja, warum nicht? Ist es in Ordnung, wenn ich mich bei dir melde? Ich kann dir momentan noch nicht sagen, wann ich Zeit habe. Ich muss erst noch auf meinen Schichtplan schauen.« »Ja, klar! Sicher!« Voller Euphorie suchte sie Papier und Stift, fand aber auf die Schnelle nur einen Kugelschreiber und eine offen herumliegende Packungsbeilage. Dort notierte sie ihre Handynummer und drückte sie Chris in die Hand. »Ruf einfach an. Ich bin eigentlich immer zu erreichen. Egal wie spät.« Sie konnte es jetzt schon kaum erwarten. »Ich melde mich heute Abend, okay? Bis dahin habe ich auch auf den Plan geschaut.« »Okay. Ich freu mich.« »Ich mich auch.« Schon wieder dieses Lächeln … Aus dem Salon ertönte ein tiefes Gebrüll nach Chris. »Sorry, ich muss jetzt wirklich los. Ich melde mich, versprochen!« Ein letzter Wink und er war weg.   Obwohl Chris den Personalbereich schon längst verlassen hatte, hielt sich Stellars Grinsen eisern. Ob er sich wirklich meldete? Sie hoffte es. So aufgeregt, wie sie jetzt war, wäre sie am Boden zerstört, wenn er es nicht tat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)