C i r c u s von Ryuzaki ("This city is my stage.") ================================================================================ Prolog: G a m e r ----------------- “Menschen sind dumme, kleine Dingerchen. Ich mag sie nich besonders... mochte ich eigentlich nie. Als Spielzeug taugen sie nichts... dazu gehen sie viel zu schnell kaputt. Also das... das, woran sie sich so eifrig mit ihrem Herz klammern, is eigentlich nich mehr als ein seltsames, monströses Bauwerk, dass sie wie kribbelnde krabbelnde Ameisen am Leben zu halten versuchen. Ihr System zerfällt längst, und sie können es nich aufhalten. Trotzdem machen sie weiter. Was ich eigentlich immer wissen wollte... is das nich schon fast kriminell?” Die Stimme des Jokers hallte ihm voraus durch den langen, grün gestrichenen Gang. Seine kleinen, braungrünen Augen waren mit kräftigem Schwarz umrandet, sie prangten in seinem Gesicht wie tiefe Löcher. Die rot übermalten, tiefen Narben schimmerten leicht im Licht der Neonlampen. Mit einer raschen Handbewegung schaltete er den Metalldetektor aus, und ging mit gemächlichen, langsamen Schritten in den weiß gekachelten Raum. Seine Bewegungen waren geschmeidig und hatten etwas Lauerndes, das die Personen um den langen Tisch herum nicht genau einzuordnen vermochten. Seine blondgrünen Haare waren nass und strähnig, die Schminke leicht verschmiert. In der rechten Hand hielt er einen Gemüseschäler. Nicht gerade euphorische Gesichter empfingen ihn, doch es machte ihm nicht das Geringste aus. Er wusste, dass man sich im Klaren darüber war, dass mit ihm niemals zu spaßen war. Langsam näherte er sich dem Tisch, und ließ sich schließlich auf den Stuhl an dessen Ende fallen, schlug die Beine übereinander. Seine schlanken Finger, die in violetten Handschuhen steckten, schoben sich eine dunkelbraune Praline mit einer Kirsche in seinen Mund, er zeigte die gelben Zähne. “Wie? Keine Begrüßung, kein freundliches Wort... nich mal ein Schimpfwort?” Er lachte, und legte die große, herzförmige Schachtel mit den Kirschpralinen auf den Tisch. “Ein bisschen freundlicher hätte es doch sein können... vor allem, wenn ich euch anbiete, für euch dieses lästige, fliegende Nagetier aus der Stadt zu schaffen, und dabei auch noch bei euch vorbeikomme, weil ihr euren Arsch ja nich mehr rausbewegt. Aber es scheint wohl nich anders zu gehen-“ „Du hast es bis jetzt auch nicht geschafft, Clown“, ergriff der großgewachsene Russe das Wort, unterbrach ihn. Unbeirrt redete der Joker weiter. „...scheint wohl nicht anders zu gehen... genau...“ Der abwesende Blick richtete sich auf den Dunkelhäutigen, der an einer Zigarette zog und ihm soeben das Wort abgeschnitten hatte. „Vorsicht... ihr seid ein wenig überheblich geworden, seit die Fledermaus sich zurückgezogen hat, wie? Aber damit is jetzt sowieso Schluss. Schluss. Aus. Ende. Amen. Kapiert?“ Lächelnd legte der den Kartoffelschäler auf den Tisch, griff sich eine weitere Praline, und richtete den Blick seiner wahnsinnigen Augen gen verstaubte Zimmerdecke, während er die Süßigkeit knackend zerbiss. Ein paar kalte Neonröhren hingen dort herum, flimmerten hin und wieder und gaben dem gesamten Raum eine kalte, sterile Atmosphäre. Niemand sagte ein Wort, und vermutlich dachten sie darüber nach, ob sie aufspringen, ihn packen, entwaffnen und in hohem Bogen vor die Tür werfen sollten, oder ihn gleich bei der Polizei ablieferten, damit sie die Belohnung für seinen Kopf bekamen und der Batman schön brav in seiner Höhle hocken blieb. „Aaaah ich verstehe. Ihr wollt mich loswerden... Wenn das so is, nur zu. Bis auf das da...“, er deutete auf den Schäler aus Stahl, der immer noch auf dem Tisch lag. „... bis auf den hab ich keine anderen Waffen dabei.“ Das Kopfnicken des Anführers war kaum zu vernehmen, doch die Argusaugen des Jokers hatten es sofort bemerkt. Er tat so, als hätte er es nicht gesehen, atmete tief ein und blieb gelassen sitzen, wartete ab, was als Nächstes passieren würde. Seine Geduld wurde nicht lange auf die Probe gestellt, denn von hinten legten sich zwei kräftige Hände auf seinen violetten Mantel, drückten seine Schultern zusammen und zerrten ihn grob daran vom Stuhl herunter, der klappernd umfiel. Das Krachen war in seinen Ohren beinahe unerträglich laut. Für den Clownprinz des Verbrechens selbst geschah alles wie in Zeitlupe. Er spürte kaum, wie man ihn auf die Beine zog, und ihn jemand mit kräftigen Händen gegen die nächste Wand presste, so starken Druck auf seinen Körper ausübend, als wolle er ihn einfach zerbrechen. Erst als das Rauschen des Blutes in seinen Ohren zunahm und er seine Rippen unter dem Gewicht des anderen knacken hörte, öffnete er die Augen und sah flach und hektisch atmend in das markante Gesicht irgendeines Kerls, über dessen linkes Auge sich eine große Narbe zog. Seine Beine hingen in der Luft, und er fühlte sich, als hätte man ihn wie Schaschlik aufgespießt. Die Iriden, die nur wenige Zentimeter von seinen entfernt waren, leuchteten ihn stahlgrau an, wie Murmeln. Oder Fischschuppen, matte, tote Fischschuppen, dachte er sich. Ein Grinsen stahl sich auf seine rot geschminkten Lippen, und er griff mit der rechten Hand unbeholfen in seine Manteltasche. Als seine Finger sich um den dünnen, langen Gegenstand schlossen flüsterte er mit leiser Stimme: „Weißt du... Menschen sind dumm. Man muss immer damit rechnen, dass sie nich nach den Regeln spielen... Ich hab wirklich keine anderen Waffen dabei. Ich bin kein Lügner... Aber ich hab auch nie behauptet, dass ein Kugelschreiber nich töten kann, oder?” ~ Die Nacht hatte sich längst wie ein schwarzes Tuch über Gotham gelegt, als der Joker zurück auf die Straße trat, tief durchatmete und sich ein paar Strähnen seines lockigen Haares aus der Stirn strich. Er würde sich schon die nötige Beachtung verschaffen, um Batman wieder aus seinem Versteck hervorzulocken. Es sollte etwas Großes sein. Etwas, das Aufsehen erregte. Viel Feuer, ein paar Tote. Aber zuerst wollte er sich ein bisschen amüsieren. Genervt warf er die halb leere Schachtel beiseite, die mit einem klappernden Geräusch auf dem kalten, von grauen Pfützen übersäten Asphalt landete, und sich die Pralinen verteilten. Während er gut gelaunt von einem Pflasterstein zum anderen Sprang, dabei den Wasserlachen auswich und irgendein Lied vor sich hin summte, fragte er sich, ob nicht bereits sämtliche Einheiten unter irgendeiner dummen Erklärung wie ‘Es ist alles in Ordnung, wir suchen nur einen entlaufenen Hund’ oder ‘Schutz für eine wichtige Persönlichkeit, nichts Gefährliches’ auf der Suche nach ihm waren. Sie würden ihn so wie so nicht finden - geschweige denn fangen. Er klatschte in die Hände. “Scheinwerfer an, Vorhang auf: Gotham is mein Zirkus, meine Bühne...” Diese Stadt is Wachs in meinen Händen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)