Der ewige Göttername von Flordelis ================================================================================ Kapitel 30: Seelenlos --------------------- Ein lautes, metallisches Klirren direkt vor ihm, sorgte dafür, dass Nozomu seine Augen wieder öffnete. Er atmete erleichtert aus, als er Aselia erkannte. Der Spirit stand schützend vor ihm, ihre Klinge wehrte die von Katima ab. Das Bild wirkte vertraut, er fühlte sich an seine erste Begegnung mit ihr in der U-Bahn erinnert. Aber damals hatte sie ihn vor einem Lakai bewahrt. Während Nozomu das Shinjuu anstarrte, spürte er plötzlich, wie er gepackt und weggezogen wurde. Ein Blick nach hinten zeigte ihm, dass es Yuuto war, der ihn offenbar in Sicherheit bringen wollte. Hastig richtete Nozomu sich auf und löste sich mit einem Ruck aus dem Griff des anderen. „Ich kann allein laufen!“ Das wollte er auch gerade in die Tat umsetzen, als Aselia zur Seite gestoßen wurde und sowohl Katima als auch Aigears wieder auf ihn zustürmten. Er wollte sich verteidigen und sein Shinken erscheinen lassen, doch ehe er dazu kam, erschienen zwei andere Gestalten vor ihm. Die eine war eine braunhaarige junge Frau in einer grünen Dienstmädchen-Uniform und einem Speer in ihrer Hand, den sie benutzte, um Katimas Angriff abzufangen. Die andere Gestalt war ein kleines Mädchen mit zu zwei Pferdeschwänzen gebundenem roten Haar und einem Schwert, das genau dasselbe war wie jenes, das die roten Lakaien mit sich führten. Obwohl die Waffe größer war als sie, führte sie diese äußerst geschickt und schaffte es damit, Aigears' Klingenarme abzuwehren. Die beiden hatte er noch nie zuvor gesehen, aber anhand ihrer Waffen und ihrer Aura – und zumindest der Kleidung der Kleineren – schätzte er sie auch als Spirit-Shinjuu ein. Überrascht starrte Nozomu die beiden an, nur um direkt wieder von jemandem am Arm gepackt zu werden. „Komm endlich, es ist hier nicht sicher!“ Zetsus Stimme riss ihn aus den Gedanken. Nozomu wandte den Kopf und entdeckte seinen Freund. Offenbar war er nicht mehr damit beschäftigt, Leana zu beschützen, aber von ihr war auch nichts mehr zu sehen. Möglicherweise hatte er sie bereits in irgendeine sichere Ecke manövriert. Nozomu ließ sich von Zetsu zu Satsuki mitziehen, die immer noch auf dem Boden saß. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt sie sich die Seite. „Alles okay, Senpai?“, fragte Nozomu, als er sich gegen Zetsus Willen neben sie kniete. Sie nickte, auch wenn ihre Mimik etwas ganz anderes sagte. Er wandte den Blick wieder ab und sah zu den drei Spirits, die gegen Katima und Aigears kämpften. Irgendwie schafften die drei es tatsächlich, ihre Feinde in Schach zu halten, sie waren wirklich außergewöhnlich schnell, Nozomus Augen konnten ihren Bewegungen kaum folgen. Aber warum tat keiner der anderen etwas? Er sah zu Yuuto und seinen beiden Freunden. Alle drei beobachteten gebannt den Kampf. Akitsuki und Leana dagegen waren nicht mehr zu sehen, offenbar hatten sie ein Versteck gefunden, vermutlich im Geräteraum – denn das war genau die Richtung, in die Zetsu ihn nun auch ziehen wollte. Doch als er das realisierte, erwachte das Furcht einflößende Gefühl in seinem Inneren wieder. Es zog ihn in die andere Richtung, direkt zum Kampfgeschehen, in dem er sein Shinken nutzen wollte, um die anderen vier auszulöschen und ihr Mana in sich aufzunehmen. Er versuchte, sich aus Zetsus Griff zu lösen, doch diese wurde noch einmal stärker. Nozomu stöhnte leise auf, der Drang zur Auslöschung kehrte wieder unter die Oberfläche zurück, brodelnd, nur darauf wartend wieder hochkochen zu können und endlich die Oberhand zu gewinnen. „Warum willst du mich nicht kämpfen lassen!?“, fauchte er. „Ich kann das!“ Zetsu blieb so abrupt stehen, dass Nozomu beinahe in ihn hineingelaufen wäre. Ruckartig fuhr der Silberhaarige herum. In seinem Gesicht spiegelte sich Zorn. „Kannst du das, ja!?“ Verdutzt sah Nozomu ihn an. Warum war Zetsu so wütend? „Dann versuch doch mal, Rehme zu rufen, wenn du das kannst!“ Vor lauter Empörung darüber konnte er erst einmal gar nichts sagen. Warum sollte er Rehme nicht rufen können? Das war das Einfachste der Welt, er sprach doch quasi ständig mit ihr. Hastig konzentrierte er sich auf sein Shinjuu – doch es erschien nicht. Er versuchte es noch einmal, stärker, mit mehr Verzweiflung und Hingabe, aber egal, was er tat, Rehme erschien einfach nicht, sie antwortete nicht einmal auf seine Gedanken, wie sie es sonst tat. Für einen kurzen Moment fühlte er sich mit der Furcht konfrontiert, dass er sein Shinken nicht mehr benutzen konnte, dass sein Orichalcum-Namen gerade in dem Moment, in dem er am meisten gebraucht wurde, für immer erloschen war. Doch kaum war die Panik ein wenig verebbt, spürte er das pulsierende Mana in der Luft um ihn herum, was er erst konnte, seit sein Orichalcum-Namen erwacht war, also war damit alles in Ordnung. Warum aber war Rehme fort? Vor kurzem war sie noch da gewesen, aber dann war ihm übel geworden und diese andere Stimme hatte den Platz von Rehmes eingenommen... Zetsu schnaubte. „Dachte ich es mir doch.“ Er wollte nach Nozomus Hand greifen und ihn weiter mit sich ziehen, doch ein plötzlicher Schrei ließ ihn inne halten und den Kopf in eine andere Richtung wenden. Nozomu wusste auch sofort, weswegen: Es war Leanas Stimme gewesen. Noch ehe der Braunhaarige reagieren konnte, lief Zetsu in die Richtung davon, aus der sie den Schrei vernommen hatten. Nozomu dagegen lief hastig zu Satsuki zurück und kniete sich wieder neben sie. Sie versuchte, ihn wütend anzusehen, doch die Schmerzen ließen eine seltsame Grimasse entstehen. „Warum bist du nicht weggelaufen? Du solltest nicht hier sein!“ „Was geht hier vor?“, erwiderte er mit einer Gegenfrage. „Es ist gefährlich!“ Ihre Antwort brachte ihn nicht weiter, doch ihm blieb auch keine Zeit, noch einmal nachzuhaken. Ehe er noch etwas sagen konnte, stieß Satsuki ihn beiseite. Er wollte sich gerade darüber beschweren, als er sah, wie Aigears auf sie zustürmte. Mit einem Schrei wurde sie zu Boden gerissen, Manafunken vernebelten Nozomus Sicht. „S-Senpai!“ Er glaubte, zwischen all den Funken ausmachen zu können, dass sie sich gegen Aigears wehrte, jedoch nährte das befreite Mana wieder den destruktiven Drang in seinem Inneren. Übelkeit kam in ihm auf, alles drehte sich vor seinen Augen. Watte schien sich wieder in seinen Ohren zu bilden, Geräusche wurden langsamer leiser, aber mit viel Anstrengung schaffte er es, den Blick zu wenden. Katima kämpfte inzwischen gegen Yuuto und dessen Freunde, die schwer damit beschäftigt waren, ihren Angriffen standzuhalten. Die Spirit-Shinjuu waren verschwunden. Nozomus Kehle schnürte sich langsam zu, die Panik wuchs an, während er das Gefühl hatte, zu ersticken. „Gib endlich nach!“, verlangte die Stimme in seinem Inneren. „Gib mir endlich das, was ich will!“ Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, hob Nozomu die Arme, um seinen schmerzenden Kopf festzuhalten. „Hör auf damit...“ Wie durch einen Nebelschleier sah er, wie das Mädchen an Yuutos Seite verletzt zu Boden stürzte. Eine schwarze Hand erschien aus dem Boden und griff nach dem Freund des Schwarzhaarigen, der ebenfalls mit einem lauten Schrei in die Knie ging. Hinter sich konnte er hören, wie sich Aigears wieder aufrichtete, Satsukis Widerstand schien erloschen zu sein. Sein Widerstand gegen diese fremde Macht schwand langsam, aber damit auch jegliche Kraft, die seinen Körper antrieb. Ehe er auf dem Boden aufschlug, konnte er aus weiter Entfernung hören, wie die Tür der Sporthalle geöffnet wurde. Doch bevor er sehen konnte, wer hereinkam, schwand sein Bewusstsein, ihm wurde schwarz vor Augen und dann war er bereits ohnmächtig. Salles lief, ohne die anderen zu beachten, direkt durch die geöffnete Tür in die Sporthalle hinein. Er ignorierte die fragenden Blicke der Mädchen, während er sich in der Halle umsah. Schon im ersten Moment fielen ihm die Schwertkämpferin und das Shinjuu auf, gegen das er am Abend zuvor gekämpft hatte; sie musste Katima Aigears sein. Als nächstes entdeckte er den immer noch aufrecht stehenden Yuuto ihr gegenüber, seine beiden Freunde knieten verletzt auf dem Boden. Knapp neben Aigears konnte er den roten Haarschopf von Satsuki sehen, sie selbst bewegte sich allerdings nicht. Nur wenige Meter neben ihr lag- „Nozomu-chan!“ Jatzieta griff nach ihrem Arm. „Nozomi, nein!“ Das Mädchen stürmte an der Ärztin vorbei in Richtung des Liegenden. Salles registrierte es nur knapp, Aigears dagegen wandte sich ihr direkt zu. „Nozomin!“, kreischte Yumiko erschrocken, was auch Katimas Aufmerksamkeit auf die Gruppe lenkte. Aus dem Nichts ließ die Vorangestürmte ihre Sense erscheinen. Schützend, mit entschlossenem Blick, stellte sie sich vor Nozomu. „Niemand wird ihn verletzen!“ Aigears gab keinen Ton von sich, aber Salles stellte sich vor, wie verdutzt das Wesen schauen würde, wenn es ein Gesicht besitzen würde. So aber schwebte nur die schwarze Materie reglos vor ihr, ohne irgend etwas zu tun. Scheinbar wartete es auf einen neuen Befehl, aber Katima blieb stumm. Ihre blauen Augen blickten Salles starr und unerbittlich an. Er konnte den Onyx in seiner Tasche pulsieren spüren – also wusste sie, dass er ihre Seele mit sich trug und diese wollte auch unbedingt zu ihr zurück. Dafür musste Salles allerdings erst einmal in seine Tasche greifen, um den Kristall herauszuholen. Doch gerade als er Anstalten machte, das durchzuführen, nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Er fuhr herum und versuchte gleichzeitig, eine Barriere aufzubauen. Doch wie er feststellte, war sein Mana nach dem Kampf von eben noch nicht genug aufgefüllt. Sein Schild zerbrach klirrend, ein brennender Schmerz erfüllte seinen Arm, von dem Manafunken aufstiegen. Verwirrt sah er Uruca an, die ihm gegenüberstand. Ein leichtes Lächeln zierte ihr Gesicht, sie schien äußerst zufrieden über diese Verletzung zu sein. „Ah, du bist auch hier“, sagte er unbegeistert. Sie lachte humorlos. „Das hier sollte eigentlich keine Bühne für euch werden. Ihr seid viel zu früh hier – und ihr nervt.“ „Das tut mir aber Leid.“ Er hörte den Pfeil, ehe er ihn in Urucas Arm stecken sah. Das Shinjuu gab nur einen erstickten Schmerzenslaut von sich, mehr Reaktionen folgten von ihrer Seite nicht. Yumiko stand immer noch mit dem Bogen im Anschlag da. Jatzieta rührte sich noch kein Stück, ihr Blick ging immer noch zwischen allen Anwesenden hin und her und blieb schließlich an dem letzten noch stehenden Mitglied des Errettungskomitees hängen. Yuutos Hände verkrampften sich, während er sein Schwert festhielt, das immer schwerer zu werden schien. Er schluckte schwer, innerlich versuchte er, erneut Aselia zu beschwören, doch das dafür benötigte Mana fand sich nicht zusammen. Er wollte sich über die schweißnasse Stirn wischen, doch das hätte bedeutet, das Schwert loslassen zu müssen und das wollte er nicht einmal riskieren. In einer quälend langsamen Bewegung wandte Katima ihm ihren Kopf zu. Die blauen Augen waren das einzige, was er durch die Maske hindurch sehen konnte. Starr, unerbittlich sahen sie ihn an, doch sie machte keinerlei Anstalten, ihn erneut anzugreifen. Sein Innerstes zog sich zusammen und ließ sein Shinken noch einmal schwerer werden. Ihr Blick ging wieder zu den nachträglich Dazugekommenen, Mana floss immer noch aus der offenen Wunde des Mannes und verloren sich zu einem unbenutzbarem Nebel, der sich für immer auflöste, statt Teil eines anderen Shinkennutzers zu werden. Ein sehnsuchtsvolles Wimmern schien plötzlich zu erklingen. Ratlos sah Yuuto sich um. „Was ist das?“, fragte Kyoko leise. Das klagende Geräusch, so leise es begonnen hatte, wuchs bald zu einem wütenden Heulen an, das alle, die noch wach waren in Verwirrung stürzte. Selbst Uruca sah sich irritiert um. Es dauerte scheinbar endlos lange, bis nach und nach alle den Ursprung dieses Geräusches fanden. Sämtliche Blicke richteten sich auf Aigears, der den Kopf in den Nacken legte und einen stimmlosen Schrei ausschrie. Fassungslos sahen alle das Wesen an, das dem Wahnsinn verfallen zu sein schien. Doch keinem von ihnen blieb Zeit, das Verhalten zu analysieren. Auf eine stumme Einigung hin rasten sowohl Aigears als auch Katima plötzlich auf Salles zu. Dieser ließ sich hastig fallen, statt auszuweichen. Der schwarze Onyx stürzte dabei aus seiner Tasche und schlitterte über den Boden. Sofort änderten beide Angreifer die Richtung, um dem Stein zu folgen. Uruca wich zurück, als das Shinjuu an ihr vorbeistürmte, nur um direkt in Zetsus Klinge zu laufen und sich mit einem lauten Schrei aufzulösen. Der Silberhaarige schnaubte. „Niemand legt mich hinterrücks rein!“ Eine Platzwunde an seiner Stirn zeugte tatsächlich von einem Angriff. Doch ehe einer der anderen etwas dazu sagen konnte, erklang ein triumphierender Schrei, der die Aufmerksamkeit aller wieder auf Katima lenkte. Diese hatte den Onyx inzwischen in ihre Hand bekommen und zerschmetterte ihn nach einem kurzen Moment entschlossen auf dem Boden. Augenblicklich verschwand Aigears und auch das bedrohliche Gefühl, das die Halle erfüllt hatte. Dennoch ließ Yuuto sein Shinken nicht verschwinden, auch nicht als Katimas Körper leblos zu Boden sackte. Die Bedrohung war noch immer zu präsent, als dass er sie einfach abschütteln könnte. Genauso bewegte sich keiner der anderen. Erst als Jatzieta seufzend mit dem Kopf schüttelte, kehrte das Leben in alle zurück. „Wenn ihr schon bei solchen Gegnern schlappmacht, wie sollen wir da gegen die Anführer der anderen Komitees bestehen?“ Zetsu lachte durch die Nase. „Wenn du auch mal etwas tun würdest, wäre es vielleicht leichter.“ „Nein, viel zu schweißtreibend“, lehnte die Ärztin ab. Beide lachten, während Nozomi und Yumiko sich neben Nozomu knieten. Schließlich blickte Jatzieta wieder ernst auf die Verwundeten. „Gut, dann kümmere ich mich mal hier um alles~“ Während die Gruppe im Inneren sich um die Verletzten kümmerten, stand Isolde draußen einige Meter von der Eingangstür entfernt. Allerdings war sie nicht allein. Nathanael lehnte mit verschränkten Armen an der Wand. Ein leichtes Lächeln zierte seine Mundwinkel, allerdings war es keines, das von Freude sprach – außer man zählte Schadenfreude auch dazu, nur weil das Wort darin vorkam. „Er ist gar nicht schlecht.“ Isolde wandte den Kopf, um ihn fragend anzusehen. Er schmunzelte leicht. „Setoki. Ich hätte nicht gedacht, dass er Jiruol so einfach widerstehen kann. Aber ich bin angenehm überrascht.“ „Zerstört das nicht deinen Plan?“ „Ganz und gar nicht“, widersprach er. „Es schafft mir nur eine neue Herausforderung, die ich zuvor nicht in Betracht ziehen konnte. Das ist aufregend.“ Seine Stimme klang amüsiert, was ihn noch bedrohlicher erscheinen ließ, als er ohnehin war. „Der Onyx...“, warf sie vorsichtig ein. Sie musste den Satz nicht beenden, dass er wusste, was sie sagen wollte: „Ich habe ihm den Stein gegeben in der Hoffnung, dass die beiden Salles zerfetzen würden, um daran zu kommen. Aber nun gut, er lebt immer noch, da kann man nichts machen.“ Gleichgültig zuckte er mit den Schultern, als ob er es damit abschütteln könnte. „Lange wird er ohnehin nicht mehr haben.“ Er stieß sich von der Wand ab und drehte sich in eine andere Richtung, um wegzugehen. Doch zuvor warf er ihr einen Blick über die Schulter zu. „Richte deiner Meisterin mein Kompliment aus. Sie versteht es offenbar, Akatsuki um den kleinen Finger zu wickeln – wenn er bei ihrem Schrei sogar Jiruol einfach seinem Schicksal überlässt.“ Ehe sie etwas erwidern konnte, ging Nathanael davon und verschwand einfach. Isolde seufzte. Wie ich ihn hasse! Damit verschwand auch sie, so dass kein Shinjuu mehr an diesem Ort zurückblieb. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)