Der ewige Göttername von Flordelis ================================================================================ Kapitel 27: Leer und leblos --------------------------- Der Park lag still da, nicht einmal die Vögel sangen ihre Lieder. Lediglich die in regelmäßigen Abständen aufgestellten Straßenlaternen sorgten dafür, dass nicht alles in Dunkelheit versank. Gelassen lief Jatzieta neben Salles her, er dagegen zeigte keinerlei Anzeichen, ob er überhaupt wusste, mit wem er da ging. Wären Leute an ihnen vorbeigekommen, hätte diese sie sicherlich nicht für ein Pärchen gehalten, vermutlich nicht einmal für Freunde. Die Distanz zwischen ihnen war dafür zu groß, es schien mehr wie ein Zufall zu sein, dass sie nebeneinander liefen. Doch sie begegneten ohnehin niemandem. Dafür war es schon viel zu spät. Beim letzten Blick auf seine Uhr hatte er festgestellt, dass es bereits nach Mitternacht war. Zufrieden stellte er fest, dass offensichtlich nicht viele Menschen Interesse daran zu haben schienen, nachts durch die Gegend zu streunen. Zumindest nicht genug, um die Ausgangssperre zu umgehen. Für eine lange Zeit herrschte Schweigen zwischen dem ungleichen Duo. Jatzieta, die diese Situation nicht lange aushielt, warf Salles einen Blick zu. „Warum läufst du eigentlich so weit weg von mir, mein Lieber? Habe ich dir mal etwas getan?“ „Nein“, antwortete er, die Stimme gelangweilt wie eh und je, als hätte er eben erst Beruhigungstabletten genommen. „Aber warum sollten wir so dicht nebeneinander herlaufen? Das sorgt nur dafür, dass wir uns möglicherweise in unseren Schritten verheddern und stolpern oder uns gegenseitig auf die Füße treten.“ Sie kicherte. „Die Antwort ist so typisch für dich.“ Er reagierte nicht einmal darauf, sondern sah stur weiter geradeaus und schwieg. Es war ihm klar gewesen, dass von ihr solch eine Reaktion folgen würde. Also warum tat er es überhaupt noch? Manchmal kam es ihm besser vor, wenn er einfach schweigen würde. Allerdings besaß sie einen seltsamen Charakterzug, der stets dafür sorgte, dass er wieder auf sie reagierte, egal wie sehr er sich vorgenommen hatte, es nicht mehr zu tun. Da er nichts weiter sagen wollte, seufzte sie. „Alter Langweiler.“ Und das war wieder so ein Fall. Plötzlich blieb er stehen. „Hör zu. Mir gefällt es genauso wenig wie dir, mit dir hier herumzulaufen, okay? Aber wir beide sind keine guten Einzelkämpfer, deswegen können wir nicht allein rausgehen, anders als die anderen.“ In seiner Stimme lag deutlich hörbarer Widerwillen, egal wie sehr er versuchte, diesen zu unterdrücken. Es lag nicht daran, dass er Jatzieta nicht mochte, nein, es gab dafür einen anderen Grund, über den er allerdings nicht sonderlich gern nachdachte. Jatzieta blieb ebenfalls stehen. Empört stemmte sie die Hände in die Hüften. „Wer hat denn gesagt, dass es mir nicht gefällt? Ich für meinen Teil mag dich und deswegen stört es mich nicht, dass wir hier unterwegs sind. Selbst wenn du ein Langweiler bist.“ Der letzte Satz klang mehr wie ein Scherz. Sie konnte eben nie ernst sein, solange es die Situation nicht gerade erforderte – und das war im Moment nicht der Fall. Salles neigte den Kopf. Seufzend verschränkte sie die Arme vor der Brust, bevor sie einen ihrer Arme anwinkelte, um ihr Kinn auf ihre Faust zu stützen. Mit großen Augen, die an die eines kleinen Kindes erinnerten, sah sie ihn an. „Du magst mich also nicht?“ „Das habe ich nicht gesagt“, erwiderte er mit einer Spur Verlegenheit. Eine andere Reaktion konnte man einfach nicht bringen, er hatte das schon so oft versucht... immer erfolglos. Er schob seine verrutschte Brille zurecht. „Ich habe nichts gegen dich – nur gegen die Rundgänge.“ „Ist das wahr?“, fragte sie mit gespieltem Misstrauen. Ein knappes Nicken, um seine Worte zu bestätigen, was zu einem glücklichen Lächeln von ihr führte. So wirkte sie noch um einiges mehr wie ein kleines Kind. „Aww~ Ich habe auch nichts gegen dich, mein Lieber.“ Sie kicherte. Ihre Reaktion, so typisch sie auch für sie war, brachte ihn dazu, dass er verlegen erneut seine Brille zurechtschob, obwohl diese gar nicht verrutscht war. Das wiederum führte zu einem erneuten Kichern von ihr. Bevor er jedoch noch einmal in irgendeiner Art und Weise reagieren konnte, spürte er, wie sich hinter ihm Mana manifestierte. Jatzietas Augen schienen sich noch einmal zu weiten, als sie das Wesen hinter ihm betrachtete. Salles musste sich nicht erst umdrehen und den knorrigen Baum betrachten, der plötzlich einfach auf dem Weg hinter ihm erschienen war, um zu wissen, dass es sein Shinjuu war. Er legte den Kopf in den Nacken. Der sonst blasse Schimmer, der den Baum immerzu umgab, hob sich in der Nacht noch mehr von dem Stamm ab und ließ ihn noch unwirklicher erscheinen. Er hatte das Shinjuu der Treant-Gattung Great Wisdom getauft, nach der immensen Weisheit, die von ihm auszugehen schien und die es nur mit Salles teilte – immerhin war er der einzige, der es aufgrund der Verbundenheit zwischen Shinkenträger und Shinjuu verstand. Dabei gebrauchte es keine Worte, um sich mitzuteilen – es zeigte seinem Meister anhand von Bildern, was es ihm mitteilen wollte. In dieser Nacht zeigte es Salles etwas, was ihn im ersten Moment erschreckte. Es waren keine Lakaien und auch keine Spirits, die in einen Kampf mit Menschen oder anderen Trägern verwickelt waren, nein, das hätte den Anführer nicht weiter gewundert. Was er ihm zeigte war ein außergewöhnliches Wesen, das ihm noch nie zuvor begegnet war. Es war mindestens zwei Meter groß, komplett bestehend aus schwarzer Materie, abgesehen von den gefährlich aussehenden Klingen, wo bei einem Menschen die Unterarme wären. Um die schwarze Materie herum schien eine unbekannte, knorrige schwarze Substanz einen unförmigen Körper zu bilden. Was ist das für ein Unding? Die Frage, obwohl nur gedacht, galt seinem Shinjuu, das sofort eine Antwort parat hielt. Es zeigte ihm eine junge blonde Frau mit leblosen dunkelblauen Augen, ihre Rüstung besaß denselben Farbton. Das riesige Schwert, das so groß und fast so breit wie sie selbst war, war locker geschultert, die von ihr eingenommene Pose erinnerte deutlich an eine Kampfhaltung. Dafür gab es nur eine logische Schlussfolgerung. Es ist ein Shinjuu. Ein zustimmendes Brummen erklang, dann verschwand der Treant bereits wieder. Es dauerte einen Moment, bis die Benommenheit, die ein solches Gespräch nach sich zog, wieder von ihm abfiel. „Und? Was hat er gesagt? Was hat er gesagt?“ Jatzietas Fragen rissen ihn gewaltsam in die Wirklichkeit zurück. Ihre kindliche Stimme irritierte ihn für einen Moment, doch er fing sich sofort wieder, wie es seine Art war. „Offensichtlich treibt ein fremdes Shinjuu hier sein Unwesen. Wir sollten es uns näher ansehen.“ Die leeren Augen der Meisterin flößten ihm ein ungutes Gefühl ein. Es war gut möglich, dass sie Mitglied des Zerstörungskomitees war oder mit diesem in irgendeinem Zusammenhang stand. Dies galt es, herauszufinden und sie von diesem schadhaften Einfluss zu befreien, falls nötig durch ihren Tod. Ihr Blick sagte ihm ohnehin, dass nicht mehr viel von ihrer Seele übrig war. Aber mehr könnte er sagen, sobald er ihr persönlich gegenüberstand. Jatzietas ganzes Gesicht begann vor Aufregung zu leuchten. „Das klingt spannend. Lass es uns suchen – ich brenne auf einen Kampf!“ Er konnte ihren Enthusiasmus nicht nachvollziehen, aber er hatte es ohnehin aufgegeben, Jatzieta verstehen zu wollen. Mit Sicherheit brauchte es mehrere Forscher und viele Jahre Zeit, um diese Frau zu entschlüsseln und ihren Gedanken auch nur ansatzweise folgen zu können. „Dann komm, führ uns hin!“, bat sie mit befehlendem Unterton. Er nickte und lief eilig voraus. Sein Umhang bauschte sich dabei im Gegenwind, was Jatzieta zu freuen schien, da sie ihm grinsend folgte. Ihr Weg führte die beiden quer durch den Park, der Salles plötzlich um einiges länger erschien, als noch zuvor. Erst nach gut dreißig Minuten konnte er die Spur von Mana wahrnehmen, der sie weiterhin bis zu dessen Quelle folgten. Beeindruckt blieb Salles stehen. Aus der Nähe und in der Realität betrachtet, wirkte das Wesen nicht nur um einiges imposanter, sondern auch bedrohlicher. Seine Meisterin daneben wirkte geradezu verloren und winzig – besonders, wenn man dann noch das riesige Schwert bedachte, das über ihre Schulter geschwungen war. Sie starrte blicklos ins Leere, Salles konnte nicht sagen, was sie auf dem leeren Weg vor sich sah. Aber ihr Shinjuu schien es nicht wirklich zu interessieren. Es wandte sich den beiden Neuankömmlingen zu. Ein kalter Schauer fuhr durch Salles' Körper, als er in das augenlose Gesicht starrte. Obwohl ihm die Sehorgane fehlten, bekam er den Eindruck, dass das Wesen sie genau musterte. Jatzieta zog angewidert die Stirn kraus. „Irgh... was ist denn das?“ Sie schien nicht im Mindesten so imponiert zu sein, wie Salles, sondern wirklich nur abgestoßen. Allerdings konnte er ihr das nicht verdenken, das Wesen war wirklich kein allzu schöner Anblick. Es erinnerte ihn auch mehr an eines jener Ungeheuer, die einem in Albträumen erschienen. Mit verzögerter Reaktion wandte sich schließlich auch die Meisterin ihnen zu. Die kalten Schauer rissen gar nicht mehr ab. Ihr leerer Blick wirkte in der Realität noch um einiges irritierender. Jatzieta schluckte schwer. In ihr schien etwas ganz anderes vorzugehen, als in Salles, denn im nächsten Moment seufzte sie bereits. „Das arme Mädchen.“ Salles warf ihr einen Blick zu. Sie dachte auf einer wesentlich emotionaleren Ebene und befand sich damit wohl auf einer vollkommen anderen Stufe als er, was sie zu der idealen Ergänzung zu ihm machte – auch wenn ihm dies aus verschiedenen Gründen nicht wirklich gefiel. Hastig verwarf er den Gedanken wieder, um sich auf das ihm Bevorstehende zu konzentrieren. Das blonde Mädchen ließ langsam das Schwert sinken. Die Bewegung ihres Armes wirkte mechanisch, als ob sie lediglich ein Gelenk darin hätte. Auch wenn er nicht viel Hoffnung sah würde er wie üblich erst versuchen, mit der Person zu reden. Er hob die Hände, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. „Ich hoffe, du kannst mich noch verstehen. Mein Name ist Salles Cworcs, ich-“ Das Mädchen ließ ihm keine Gelegenheit mehr, den Satz zu beenden. „Aigears...“ Sie sprach das Wort ohne jede Emotion aus, aber das genügte ihrem Shinjuu. Es hob eine seiner Klingen und hätte Salles mit Sicherheit auch erwischt – wenn er nicht gerade rechtzeitig zurückgesprungen wäre. Er strauchelte, doch sein Sturz konnte von Jatzieta verhindert werden. Das Metall schaffte einen ungewöhnlich großen Krater im Asphalt direkt vor Salles. „Ich glaube nicht, dass sie mit uns reden wird“, meinte Jatzieta. „Das Gefühl habe ich auch“, stimmte Salles zu, worauf das Buch 'Egen' in seiner Hand erschien. Jatzieta folgte seinem Beispiel und ließ ihr Shinken 'Yugou' materialisieren. Eine bauchförmige Laterne in deren Inneren ein Ball aus violettem Licht zu schweben schien, das entfernt an die Darstellung von Feen in verschiedenen Medien erinnerte. Bereits auf einen unhörbaren Befehl hin, konnte sich dieses harmlose wirkende Licht in einen glühenden Feuerball verwandeln, der unzählige Formen annahm, um den Feind zu bekämpfen. „Ich bin bereit“, sagte Jatzieta, als das Feuer in der Lampe entfacht wurde. Salles öffnete 'Egen', dessen Seiten in einem sanften Licht glühten und schob selbstbewusst seine Brille zurecht. „Dann sind wir soweit.“ Als ob sie nur darauf gewartet hätte, umfasste das Mädchen den Griff ihres Schwertes mit beiden Händen und hob es kerzengerade in die Luft. Sie sprach kein Wort, doch die violetten Manafunken, die sich um sie zu sammeln begannen, verrieten, dass sie einen Zauber wirken wollte. „Als ob“, sagte Salles überzeugt von sich. Betont gelassen fuhr er mit den Fingern über die Seiten seines Shinken, was dazu führte, dass es wie von Zauberhand weiterblätterte. Gelbgrüne Funken sprühten dabei, bis es schließlich auf einer bestimmten Seite wieder innehielt. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als sich ein grünes Schutzschild vor ihm und Jatzieta bildete. Schwarze Hände schossen aus dem Nichts, um anzugreifen, doch scheiterten sie an dem erstellten Schild, das sich gleich darauf klirrend auflöste. Jatzieta hob die Laterne. Die Flamme sprang heraus, einen leeren Behälter zurücklassend und verwandelte sich in einen hell leuchtenden Wolf, der auf das Mädchen zuschnellte. Sie registrierte scheinbar nicht einmal, dass sie angegriffen wurde, eine dunkle Wand ließ den Angriff wirkungslos verpuffen. Das Licht kehrte in die Laterne zurück. Doch Jatzieta blieb keine Zeit, um enttäuscht zu sein. Mit einemmal und ohne jeden Befehl griff das fremde Shinjuu plötzlich sie an. Mit einem überraschten Aufschrei hielt sie ihr Shinken schützend vor sich – was dem Angriff die Wucht nahm. Doch ein brennender Schmerz an ihrem rechten Arm sagte ihr, dass sie zumindest verletzt worden war. Sie presste die Zähne aufeinander, während rote Funken aus der frischen Wunde strömten. Das fremde Shinjuu kehrte derweil wieder hinter den Rücken seiner Meisterin zurück. „Alles in Ordnung?“, fragte Salles hektisch, während 'Egen' wieder zu blättern begann. Jatzieta nickte knapp. „So leicht gebe ich nicht klein bei. Konzentrier dich lieber.“ Die Warnung kam gerade rechtzeitig. Hektisch wich Salles dem riesigen Schwert aus, während er die nachfolgende Energiewelle an einem überstürzten Schutzschild abprallen ließ. Es wirkte surreal, ein so zierlich wirkendes Mädchen eine solch enorme Waffe schwingen zu sehen, doch ihr Umgang damit war geradezu meisterhaft. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ihr Körper nicht mehr ihr gehörte, sondern der Entität, die dem Shinken innewohnte. Dennoch verspürte Salles Skrupel bei diesem Kampf. Er, der sonst darauf bestand, keine Rücksicht auf Verluste zu spüren, zögerte, als er in die Augen des Mädchens sah. Sie waren vollkommen leer und dennoch glaubte er, irgendwo tief unten noch Leben zu sehen, das darum bat, nicht ausgelöscht, sondern gerettet zu werden. Eilig verdrängte er den Gedanken. Er musste nun ruhig sein, einen kühlen Kopf behalten. Das Mädchen griff erneut an und zwang die beiden damit, auseinanderzuspringen. Die Klinge zerteilte den Asphalt fein säuberlich und riss die Erde darunter auf. Salles wollte sich nicht ausmalen, wie sie wohl damit Knochen zermalmte. Kaum stand er wieder richtig, zog er einen kleinen Wirbelsturm aus dem Buch, den er auf seiner Handfläche tanzen ließ. „Page: Hurricane!“ Er schleuderte den Zauber auf das Mädchen. Sie nutzte ihr Shinken wie einen Baseballschläger und schleuderte den Wirbelsturm damit von sich. Er traf einen Baum, der augenblicklich sämtliche Blätter verlor. „Ich hasse Baseball“, kommentierte Jatzieta. „Spar dir die Sprüche“, erwiderte Salles ernst. „Tu lieber etwas.“ „Ja, ja~“ Rote Funken sammelten sich um sie, elegant wie eine Tänzerin hob sie die Laterne über ihren Kopf und drehte sich einmal um ihre eigene Achse. Als sie wieder innehielt, schüttelte sie ihr Shinken wie eine Glocke. Sie murmelte dabei Worte, die ihr selbst unbekannt waren und von tief aus ihrem Inneren zu stammen schienen: „Ihr Sterne, die ihr das Dunkel zerreißt; ihr Meteore, die den Himmel zum Glühen bringen; kommt herab zu mir!“ Erneut hob sie das Shinken in die Luft, als wollte sie das eben Beschworene damit zu sich locken. „Star Zapper!“ Ein Meteor schoss aus dem Himmel herab und direkt auf das blonde Mädchen zu. In ihrem Gesicht war ein Ausdruck von Erstaunen und Überraschung zu sehen. Sie versuchte – ein wenig zu spät – noch auszuweichen. Ein lauter Schrei entfuhr ihr, als der Meteor aufschlug und ein blendend helles Licht Salles und Jatzieta dazu brachte, ihre Augen zu schließen. Der Geruch nach verbranntem Fleisch ließ den Gelehrten die Nase rümpfen. Gedanklich bereitete er sich auf einen furchtbaren Anblick vor, sobald er wieder etwas sehen könnte – doch als er die Augen öffnete sah er etwas, mit dem er nicht gerechnet hätte. „Sie ist... weg“, brachte Jatzieta hervor. Sie klang geradezu enttäuscht und sah sich suchend um, als ob das Mädchen und das Shinjuu sich nur hinter einem Baum versteckt hätten. Aber Salles wusste es genau: Die fremde Aura – man konnte sie nicht als bösartig bezeichnen – war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Noch nie war er Zeuge einer solchen Flucht gewesen. Es interessierte ihn brennend, wie so etwas möglich war und ob sein Komitee das ebenfalls nutzen konnte. Doch dafür war im Moment keine Zeit. Er ließ 'Egen' wieder verschwinden und sah Jatzieta an. „Diese Technik, die du eben verwendet hast, kannte ich noch gar nicht. Wann hast du das gelernt?“ Sie lachte verlegen, als ihr Shinken ebenfalls verschwand. „Ich würde dir so gerne sagen, dass ich eine fleißige Vize-Führerin war und trainiert habe – aber das war eben wirklich spontan. Ich weiß nicht, woher das kam, aber es war aufregend, nicht?“ Ein erneutes Lachen schloss die kleine Erzählung ab. Salles konnte nicht anders, als darüber zu lächeln. „Ich verstehe. Wie praktisch, dass du es gerade jetzt gelernt hast.“ „He! Weißt du, wie man jemanden wie mich im Internet nennen würde?“ Da fielen ihm einige Begriffe ein, aber keiner davon war sonderlich schmeichelhaft, weswegen er schweigend den Kopf schüttelte. Sie grinste. „Nun, ich sehe gut aus, bin attraktiv, talentiert und begehrt – und ich kann mir aus dem Nichts neue Techniken aus dem Arm schütteln. Ich bin eine waschechte Mary Sue!“ Sie lachte erneut, doch von ihm folgte keine Reaktion. Einen solchen Begriff hatte er noch nie gehört, danach würde er bei Gelegenheit erst einmal suchen müssen, um mehr darüber herauszufinden. Er räusperte sich, um ein neues Thema anzufangen: „Aigears... hast du diesen Namen schon einmal gehört?“ Fragend neigte sie den Kopf. „Ist das ein Name? Ich hielt es für irgendein Wort, ein Angriff oder so.“ Er wusste selbst nicht, woher er diese Sicherheit nahm, aber für ihn war es eindeutig ein Name und nicht nur irgendein Wort. „Wir sollten auf jeden Fall den anderen davon berichten. Möglicherweise werden sie den beiden noch begegnen.“ Jatzieta stimmte ihm zu. „Das wäre auf jeden Fall besser.“ Sie streckte sich genüsslich und gähnte. „Dann lass uns mal gehen, ich bin müde und will in mein Bett fallen.“ Er nickte zustimmend und ging wortlos voraus. Jatzieta warf noch einmal einen prüfenden Blick umher, dann folgte sie Salles, den verwüsteten Kampfschauplatz einsam zurücklassend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)