Der ewige Göttername von Flordelis ================================================================================ Kapitel 26: Eine wässrige Begegnung ----------------------------------- Einst war der Innenhof ein trostloses Stück Umwelt mit verdorrten Blumenbeeten gewesen. Abgesehen von den Bakterien in den Mülltonnen hatte es keinerlei Leben gegeben. Vor ungefähr einem Jahr war das allerdings anders geworden. Seit dieser Zeit kümmerte sich jemand liebevoll um die Beete, die inzwischen mit farbenprächtigen Blumen bewachsen waren. Und seit dieser Zeit nahm auch jemand seine Pflicht, den Hof zu fegen um einiges mehr wahr. Fast schon automatisch bewegte Kouin den Besen hin und her, womit er den Sand und den Dreck nur immer von einer Stelle zur anderen schob. Seine Gedanken dagegen galten dem, was Yuuto ihnen am Abend zuvor gesagt hatte. Er war tatsächlich fündig geworden und kannte neben Zetsu Akatsuki nun auch Nozomu Setoki. Da fehlte nur noch diese Suzume Motou, auch wenn ihre Anführerin meinte, dass sie diese ignorieren könnten. Also konzentrierten sie sich auf Setoki und Akatsuki, doch was genau sie mit diesen machen sollten und wofür das Zerstörungskomitee sie brauchte, das war Kouin nicht klar. Überhaupt schien Satsuki um einiges mehr zu wissen als der Rest ihrer Gruppe. Aber warum teilte sie das Wissen nicht? Das war ihm nicht klar. Sie sollte doch wissen, dass es wichtig war, dass die Gruppe zusammenhielt und das ging normalerweise nur, wenn sie alle dasselbe wussten. Yuuto und Kyoko schien es gar nicht zu stören, aber Kouin dachte bereits weiter – auch wenn ihm das im Moment nicht sonderlich half, sondern eher mit quälender Wissbegierde zurückließ. Plötzlich spürte er eine Hand auf seinem Arm. „Meister“, hörte er eine warme, weiche Stimme sagen, „ist alles in Ordnung?“ Er nickte sofort. „Ja, sicher.“ Seufzend wandte er sich der Person neben sich zu und sah direkt in ihre grünen Augen. Ihr braunes Haar reichte ihr nur bis zur Schulter, sie trug eine grüne Hausmädchenuniform. „Seid Ihr wirklich sicher?“ Sonderlich überzeugt wirkte sie nicht, also nickte er noch einmal. „Ja, nur keine Sorge, Espelia. Das ist es echt nicht wert.“ „Aber Ihr scheint in Gedanken versunken“, gab sie zu bedenken. Espelia legte den Kopf schräg, um zu zeigen, dass sie nicht lockerlassen würde. Zwar wirkte sie so sanft und gutmütig, doch schlummerte darunter eine beeindruckende Entschlossenheit, gepaart mit einem starken Willen. Wenn sie sich etwas zum Ziel gesetzt hatte, ließ sie nicht mehr davon ab, bis es erreicht war. Also gab er sich geschlagen. „Ich habe nur darüber nachgedacht, weswegen wir Setoki und Akatsuki brauchen und warum wir Motou ignorieren sollen. Satsuki und Naya wissen etwas, aber sie sagen es uns nicht und ich frage mich, warum.“ Espelia nickte verstehend. „Ich kann Eure Bedenken verstehen, Meister. Wenn ich könnte, würde ich Euch mehr verraten oder Informationen für Euch beschaffen... doch leider bin ich nicht so geschickt wie Orupha. Verzeiht.“ Sie trat einen Schritt zurück und verneigte sich demütig, um zu zeigen, wie Leid es ihr tat. Kouin winkte hastig ab. „Lass das, Espelia. Das sollst du doch nicht tun!“ Sofort stellte sie sich wieder aufrecht hin. „Verzeiht, Meister.“ Er seufzte nur und sah zu dem Durchgang, der auf die Straße führte. Es war allerdings nur eine Hintergasse, so dass wie immer alles ruhig war. Dennoch konnte er sich manchmal nicht dem Eindruck erwehren, dass er beobachtet wurde, wenn er sich mit Espelia unterhielt. Plötzlich wandte sich sein Shinjuu ab und nahm eine Gießkanne, die an der Seite stand. Andächtig ging sie vor den Beeten in die Knie und begann damit, die Blumen zu gießen. „Wenn ich damit fertig bin“, sagte sie, „können wir unsere Runde machen. Heute sind wir doch dran, oder?“ Wieder einmal nickte er. Am liebsten hätte er das vergessen. Auch wenn er Espelia mochte, empfand er seine Pflichten als Shinken-Träger als absolut unliebsam und noch dazu undankbar. Jedenfalls konnte er sich nicht daran erinnern, jemals ein „Danke“ für seine Arbeit bekommen zu haben. Und noch dazu schien es ihm als würden sie keinerlei Fortschritte machen. Zwar starben immer wieder Shinken-Träger, doch kaum einer von ihnen schien zum Zerstörungskomitee zu gehören. Die meisten waren parteilose Träger oder solche, die gerade erst erwacht waren. Es schien ein nie enden wollender Kreislauf aus immer wiederkehrenden Lakaien zu sein, egal wie oft man sie vernichtete. Allein der Gedanke deprimierte Kouin und stimmte ihn missmutig. Aber er tat, was er tun musste, seit er das Shinken freiwillig ergriffen hatte. Espelia wandte ihm den Kopf zu. „Meister, Ihr seht nicht zufrieden aus.“ „Ah, schon gut, kümmere dich nicht darum.“ Er stellte den Besen, den er an diesem Tag ohnehin kaum gebraucht hatte, zur Seite. „Lass uns lieber gleich gehen, Espelia. Die Sonne ist ja schon untergegangen.“ Mit einer ausholenden Handbewegung deutete er auf die leuchtenden Straßenlaternen und das Licht, das aus den Fenstern seines Heims schien. Seine Eltern waren bestimmt bereits damit beschäftigt, das Abendessen zuzubereiten. Er sollte also lieber vorher wieder zurück sein. Espelia stellte die Gießkanne wieder ab und nickte zustimmend. „Gehen wir.“ Ein leises Lachen erklang. Fragend sahen die beiden sich um. „Wenn ihr das noch schafft, meine Lieben.“ „Diese Stimme...“, murmelte Espelia. Im nächsten Moment war der Innenhof von dicken Mauern aus Eis umgeben. Kouin knurrte leise. „Schon wieder die beiden...“ „Ich fühle mich geehrt, dass du dich an mich erinnerst.“ Eine Undine erschien vor den beiden, das Schwert hielt sie bereits in ihrer Hand. Espelia ließ ihren Speer erscheinen und stellte sich schützend vor Kouin. „Nerida!“ Die Undine lächelte kalt. „Ja, es freut mich auch, euch zu sehen. Und das hoffentlich zum letzten Mal!“ Mit diesen Worten wurde der Boden des Hofes plötzlich unter Wasser gesetzt. Sechs Wassersäulen schossen in die Höhe und nahmen die Gestalt von lachenden Tänzerinnen an. Kouin knurrte noch einmal und ließ sein Shinken erscheinen. Genau wie die roten Lakaien besaß er ein Schwert mit zwei Klingen, die durch einen Griff miteinander verbunden waren. Die Klingen waren flammend rot, im Gegensatz zu seinem Temperament. „Was soll das jetzt?!“, fragte er scharf. „Das Errettungskomitee wird überflüssig“, antwortete Nerida kühl. „Deswegen werden wir euch nun auseinandernehmen!“ Mit einem Lachen setzten sich die Wassertänzerinnen in Bewegung und umkreisten ihre Feinde. Espelia ließ ihren Speer los, der weiter vor ihr schwebte, dann faltete sie ihre Hände. Eine grüne Pyramide aus Mana erschien um ihren Körper, während sie leise eine Zauberformel murmelte. Im nächsten Moment schossen unzählige Pfeilspitzen aus der Pyramide. Die ersten zwei Tänzerinnen lösten sich bereits wieder in Wasser auf. Kouin wirbelte herum, sein Schwert ließ dabei zwei weitere von diesen Wesen zerplatzen. Nerida schien zufrieden zu lächeln, es störte sie anscheinend gar nicht, dass sie gerade dabei waren ihren Plan zu zerstören. Espelia ergriff ihren Speer wieder und stellte sich erneut in Angriffsposition. Bevor sie die beiden verbliebenen Wesen auch zerstören konnten, ließ Nerida ihr Schwert aus Wasser erscheinen. Ohne weitere Worte griff sie ebenfalls an. Ihre Attacke scheiterte an Espelias grünem Pyramiden-Schild. Das Spirit-Shinjuu erwiderte sofort mit einem eigenen Hieb seines Speers. In dem Moment, in dem die Spitze durch Neridas Körper ging, löste diese sich in Wasser auf. Kouin seufzte genervt. „Es ist immer derselbe Trick.“ Normalerweise hätten nun beide versucht, aufmerksam auf Neridas Rückkehr zu warten, um nicht von einem Überraschungsangriff erwischt zu werden, doch da waren noch die beiden verbliebenen Wasserwesen. Diese zögerten auch nicht lange und stürzten sich wieder auf ihre Feinde. Kouin und Espelia sprangen auseinander, um auszuweichen. Noch einmal erklang das leise Lachen. Kouin konnte gerade noch einmal ausweichen, bevor das Wasser an der Stelle, an der er eben gestanden hatte, zu Eis erstarrte. „Wie schlecht“, bemerkte Nerida. Sie schnalzte mit der Zunge, blieb aber nach wie vor nicht sichtbar. Espelias Speer zerstörte die verbliebenen Wasserwesen. Erneut stellte sie sich mit dem Rücken an den von Kouin. „Seid vorsichtig, Meister.“ Er nickte zustimmend und sah sich aufmerksam um. Bei ihrer letzten Begegnung hatte sie sich jedes Mal selbst verraten, so dass sie nicht besiegt worden waren (selbst waren sie aber auch nicht siegreich gewesen). Aber in Kouin erwachte der Verdacht, dass sie das absichtlich tat als ob sie nur mit ihnen spielen würde. Doch welchen Sinn sollte das haben? Hastig verwarf er den Gedanken, als er eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. „Espelia!“ Sie nickte. „Ich habs auch gesehen.“ Ohne dass er noch etwas sagen musste, lief sie bereits vor und stach zielsicher mit dem grün glühenden Speer in die Luft. Ein lauter Schrei erklang als Antwort. Langsam wurde Neridas Körper, der immer noch auf der Spitze von Espelias Waffe steckte, sichtbar. Diesmal hatte sie sich nicht in Wasser aufgelöst. Blaues Mana strömte aus der Wunde und erfüllte den eisigen Käfig, in dem sie sich befanden. Nerida stöhnte leise. „W-wie kann das... sein?“ Ihre Hände legten sich um den Griff des Speers, in einem verzweifelten Versuch, ihn herauszuziehen. Espelias Gesicht verriet Anspannung, als sie mit ebensoviel Energie dagegendrückte, um das zu verhindern. Neridas Anstrengungen führten nur dazu, dass immer mehr Mana ihren Körper verließ, vor Kouins Augen verschwamm bereits die Umgebung. „Das reicht jetzt“, erklang eine herrische, aber gefasste Stimme. Kouin schmunzelte. „Na endlich...“ Mit einem lauten Klirren zersprang das Eis um sie herum. In dem Bogen, der auf den Hof führte, stand ein braun gebrannter Mann mit dunkelblauem, fast schwarzen Haar. Sein Blick war eiskalt, unter seinem engen schwarzen Shirt standen die Muskeln deutlich sichtbar hervor. Im selben Moment verschwanden Nerida und auch das Wasser auf dem Boden. „Lange nicht gesehen, Medario“, bemerkte Kouin. „Warst du so beschäftigt?“ „Im Gegenteil“, erwiderte der Mann trocken. „Ich war sogar im Urlaub.“ Kouin versuchte, sich Medario in Badehose an einem belebten Strand vorzustellen, aber so richtig gelang ihm das nicht. „Was willst du?“ Hastig warf Kouin einen Blick zu den Fenstern, seine Eltern schienen noch nichts von den Ereignissen mitbekommen zu haben. „Nerida hat es dir doch bereits gesagt. Unser Anführer hat entschieden, dass das Errettungskomitee überflüssig wird. Wir werden die benötigten drei Schlüssel schon bald in unserer Hand haben und dann können wir sämtliche Welten vernichten.“ „Das werden wir nicht zulassen!“, erwiderte Kouin entschieden. Drei Schlüssel? Meint er Setoki, Akatsuki und Motou? Aber wie soll das funktionieren? „Das ist uns egal“, meinte Medario schulterzuckend. „Wir werden euch vorher ohnehin auseinandernehmen. Das heute war nur ein Test.“ „Den du verloren hast.“ Kouins Einwand schien ihn nicht weiter zu interessieren. Betont ruhig fuhr Medario herum und ging davon. Bevor er durch den Bogen schritt, drehte er sich noch einmal zu ihm um. „Du solltest aufpassen, dass du dir keine Erkältung holst. Es wird langsam kühl.“ Bevor Kouin ihn fragen konnte, was er damit meinte, ergoss sich plötzlich ein Schwall Wasser über dem Jungen. Erschrocken kniff er seine Augen zusammen – und riss sie sofort wieder auf. Medario war verschwunden und hatte nur einen durchnässten Kouin zurückgelassen. „Meister, alles in Ordnung?“, fragte Espelia besorgt. Er nickte ihr zu. „Ja, keine Sorge. Ich bin nur nass.“ Sein Shinjuu lächelte zufrieden. „Vielleicht sollten wir die Patrouille auf später verschieben.“ „Ja, eine gute Idee. Ich muss nämlich erst mal duschen – und dann essen.“ Und Yuuto anrufen, fügte er in Gedanken dazu. Espelia nickte zustimmend. „Ich werde Euch Handtücher bereitlegen.“ Damit verschwand sie, bevor er Einspruch erheben konnte. Er schmunzelte nur leicht und fuhr herum, um ins Haus hineinzugehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)