Der ewige Göttername von Flordelis ================================================================================ Kapitel 18: Auf der anderen Seite --------------------------------- Ein lautes Klopfen an der Tür weckte ihn aus seinen Träumen. Direkt danach folgte eine Stimme: „Yuuto, steh auf! Frühstück ist fertig!“ Der schwarzhaarige Junge erhob sich schlaftrunken aus seinem Bett. „Ich komme schon, Kaori.“ Er gähnte laut. Immer so früh aufstehen... ich komme mir vor als wäre ich gerade erst ins Bett gegangen... Er zog sich seine Schuluniform (eine blaue Hose, ein weißes Hemd und ein blaues Jackett) an und ging ungekämmt in die Küche hinüber. Das braunhaarige Mädchen sah ihn lächelnd an. „Guten Morgen, Yuuto. Hast du gut geschlafen?“ Ihre violetten Augen glitzerten fröhlich, während sie den Tisch deckte. Sie trug ebenfalls bereits ihre Schuluniform, hatte jedoch eine Schürze übergezogen, damit ihre Uniform beim Kochen nicht schmutzig wurde. Er lächelte „Gute Morgen, Kaori. Na ja, es ging. Und du?“ „Ich habe sehr gut geschlafen.“ Yuuto setzte sich und beobachtete Kaori dabei, wie sie das restliche Frühstück zubereitete. Seit zwei Jahren wohnte er nun allein mit ihr. Seine Adoptiveltern (Kaoris leibliche Eltern) waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, seine leiblichen Eltern waren vor fünf Jahren bei einem Autounfall gestorben. Nach dem Tod der Takamines hatte man die beiden Adoptivgeschwister wieder trennen wollen, doch die beiden hatten sich erbittert widersetzt. Sie lebten nach wie vor im Haus von Kaoris Eltern und es ging ihnen gut. Auch wenn Yuuto oft arbeiten gehen musste, um sie über Wasser zu halten, während Kaori sich um den Haushalt kümmerte. Aber solange sie beide zusammen sein konnten, kümmerten sie sich nicht um die Hürden, die sie dafür überwinden mussten. Sie waren zwar nicht blutsverwandt, aber sie fühlten sich verbunden wie echte Geschwister, wenn nicht sogar noch mehr. Schließlich setzte Kaori sich ihm gegenüber. „Guten Appetit, Yuuto.“ „Danke, dir auch.“ Schweigend begannen die beiden zu essen. Trotz ihres jungen Alters konnte Kaori bereits außerordentlich gut kochen, fand Yuuto. Besser als er auf jeden Fall und dass es ihr Spaß machte war noch einmal umso besser. In seinen Jobs musste Yuuto oft Dinge machen, die ihm keinen Spaß bereitete, aber solange es Geld dafür gab, war ihm das egal. Mitten ins Frühstück platzte plötzlich ein blauhaariges Mädchen herein. „Kaori-chan! Yuuto-san! Guten Morgen!“ „Guten Morgen, Kotori“, sagten beide einstimmig. Wie selbstverständlich setzte das Mädchen sich an den Tisch und nahm sich ebenfalls etwas zu essen. Eigentlich war es auch schon selbstverständlich. Kotori wohnte in der direkten Nachbarschaft und da sie jeden Morgen gemeinsam mit ihnen zur Schule ging, hatte es sich irgendwann ergeben, dass sie nach dem Frühstück bei sich zu Hause, noch bei ihnen zu essen kam. „Kaori, hast du die Hausaufgaben gemacht?“, fragte sie zwischen zwei Bissen. „Aber natürlich“, antwortete das Mädchen. „Du hast sie mal wieder nicht gemacht, hm?“ Verlegen lächelnd schüttelte sie den Kopf. Kaori seufzte missbilligend. „Du solltest endlich lernen, sie selbst zu machen.“ „Ich weiß, ich weiß~ Tut mir auch Leid. Nur noch ein Mal~“ „Okay, von mir aus.“ Yuuto lächelte leicht. Typisch Kaori. Sie gibt eben immer nach. Das wird sie auch beim nächsten Mal machen. Erneut öffnete sich die Tür. Ein braunhaariges Mädchen in Yuutos Alter und mit Schuluniform kam herein. Ihr kurzgeschnittenes Haar stand nach oben ab. „Seid ihr noch nicht fertig?“ „Nein, tut mir Leid“, entschuldigte Yuuto sich sofort. „Setz dich doch, Kyoko.“ Sie legte ihre Tasche ab und setzte sich seufzend. „Jeden Morgen dasselbe mit euch.“ „Wenn du doch schon weißt, dass es jeden Morgen so ist, warum kommst du dann nicht später?“, fragte Yuuto sie. Sie antwortete darauf nicht. Der Rest des Frühstücks verlief schweigend, anschließend räumten Kaori und Yuuto den Tisch ab, während Kotori so gut es ging die Hausaufgaben abschrieb und Kyoko die Schultasche des Jungen durchwühlte, um zu sehen, ob er alles eingepackt hatte. „So, alles bestens~“, verkündete sie, als sie fertig war. „Ausnahmsweise ist tatsächlich mal alles drin. Kann ja nicht angehen, dass du immer was vergisst.“ Yuuto schnitt ihr eine Grimasse, ging aber nicht weiter darauf ein. Als Kaori und Kotori fertig waren, ging die kleine Gruppe los, um zur Schule zu gehen. Für die Anwohner war der Anblick der Gruppe nichts Außergewöhnliches mehr, stattdessen wurden sie von den meisten gegrüßt, bis sie an einer Straßenecke am Ende der Straße noch einen Mitschüler von Yuuto trafen. „Guten Morgen, Kouin.“ Er lachte. „Guten Morgen allesamt.“ Kouin Midori hatte dunkelblondes Haar und Bartstoppeln am Kinn. Der Punkt auf seiner Stirn und die Perlenkette um seinen Hals zeigten an, dass er ein Buddhist war – was aber keinen Unterschied für seine Freunde machte. Gemeinsam setzten sie ihren Weg bis zur Akiyama-Highschool, einige Straßen weiter, fort. Die anderen Schüler schwärmten ebenfalls auf das Schulgelände, inmitten der anderen Unterstufler entdeckten Kaori und Kotori ihre Freunde und stürmten davon, um sich ihnen anzuschließen. Yuuto dagegen entdeckte Baila, die mit gesenktem Blick ebenfalls auf das Schulgelände lief. Das Mädchen war seit einem Jahr bei ihnen auf der Schule, aber seit einiger Zeit benahm sie sich völlig anders als zuvor. Er fragte sich, was wohl mit ihr geschehen war, aber andererseits interessierte es ihn auch nicht, immerhin kannte er sie nicht wirklich. Er kannte nicht einmal ihren Nachnamen, er wusste nur, dass sie in derselben Klasse wie Shun war. Allein bei dem Gedanken an Shun stieg wieder Wut in ihm auf. Es gab keinen festen Grund, aber er hasste diesen Jungen, der auch noch mit Kaori befreundet war, wie die Pest. Es passte perfekt, dass sie beide in völlig unterschiedlichen Lagern waren. Als er wieder daran dachte, sah er Kyoko und Kouin an. „Kann ich vor dem Unterricht noch mit euch reden?“ „Worum geht es?“, fragte sie. „Um die Arbeit. Es dauert eine Weile, bis wir wieder mal eine Versammlung haben, also sollten zumindest wir drei uns mal unterhalten.“ Die beiden nickten. Zusammen begaben sie sich in den Raum des Schülerbeirats, in dem vor der Schule sonst niemand war. Kyoko, als Schulsprecherin, besaß den Schlüssel dafür, so dass sie ihn jederzeit betreten konnten, um unter sechs Augen miteinander zu reden. Sie setzten sich. „Also, worum geht es?“, fragte Kouin. „Aselia und ich haben am Wochenende ein Treffen von Shun und Leana belauscht.“ Kyoko runzelte ihre Stirn. „Leana ist die... Rose, nicht?“ „Ich glaube schon“, antwortete Yuuto. „Jedenfalls haben sie davon geredet, dass sie drei Leute brauchen.“ Er hob die Hand und zeigte drei Finger. „Setoki, Akatsuki und Motou.“ Während er die Namen nannte, tat er so als würde er sie an seiner Hand abzählen. Kouin und Kyoko sahen sich ratlos an. „Also wir kennen keinen von denen...“ Yuuto legte seine Stirn in Falten. „Ich kenne zwar einen Akatsuki, aber ich weiß nicht, ob das derselbe ist. Er arbeitet hin und wieder gemeinsam mit mir.“ „Vielleicht kann Orupha ihn mal ausspionieren~“, schlug Kyoko vor. „Wenn er zu den Gesuchten gehört, hat er wahrscheinlich ein Shinken und ein Shinjuu.“ Yuuto lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. „Wahrscheinlich... Aber wir müssten auch wissen, wo er wohnt. Ich nehme nicht an, dass er im Telefonbuch steht.“ Ein rothaariges Mädchen erschien plötzlich im Raum. Zwei gelbe Schlafen in ihrem Haar bändigten ihre Mähne, ihre rosa Kleidung ließ an die eines Lakaien denken Sie lachte vergnügt und entblößte dabei ihre strahlend weißen Zähne. „Überlass das nur mir. Ich werde ihn schon finden.“ „Bist du sicher?“, fragte Yuuto besorgt. Kyoko pumpte Luft in ihre Backen. „Wofür hältst du Orupha!? Natürlich schafft sie das!“ Yuuto zuckte zurück und hob abwehrend die Hände. „Schon gut, schon gut. Also kümmere dich darum, Orupha.“ Sie lachte noch einmal. „Na klar!“ Anschließend verschwand sie wieder genauso plötzlich wie sie gekommen war. Orupha und Kyoko waren sich ausgesprochen ähnlich, sowohl vom Verhalten als auch vom Temperament. Manchmal fragte Yuuto sich, ob er diese Ähnlichkeiten auch zu Aselia aufwies. Aber er würde mit Sicherheit keinen der anderen beiden fragen. „Was machen wir, bis Orupha fertig ist?“, fragte Kouin. „Wir sollten versuchen, herauszufinden, was die mit den Dreien vorhaben – und wer die anderen beiden sind“, antwortete Yuuto. Obwohl er sich selbst nicht als Anführer sah, wurde er von den anderen beiden als solcher betrachtet. Immerhin hatte er sein Shinken als erster bekommen, wenngleich er nicht darum gebeten hatte. Aber nun war nicht die Zeit, um darüber nachzudenken. „Fragt sich nur, wie wir das machen“, meinte Kyoko nachdenklich. Die drei versanken in brütendes Schweigen, nur unterbrochen von leisen Seufzern, die Kyoko hin und wieder ausstieß. Vorsichtig löste Baila sich von der Tür. Nachdenklich wich sie einige Schritte zurück. Nozomu, Zetsu und Suzume werden vom Zerstörungskomitee gesucht? Aber warum? Sie drehte sich um und fuhr mit einem leisen Schrei wieder zurück. Shun sah sie schmunzelnd an. „Na, Rotauge? Was stehst du hier rum? Solltest du nicht im Klassenzimmer sein?“ Baila antwortete nicht, was ihn offensichtlich wütend machte. Er griff nach ihrem Handgelenk. „Ich habe dich etwas gefragt!“, zischte er. Hastig riss sie sich von ihm los. „Ich heiße Baila Vays... nicht Rotauge...“ „Was kümmert mich das?“ Er trat noch einen Schritt auf sie zu. „Du lungerst mir entschieden zu oft irgendwo in der Gegend herum. Kann es sein, dass du ein wenig neugierig bist?“ Sie duckte sich unter seinem ausgestreckten Arm weg, um auf die andere Seite zu kommen. „Ich muss zum Unterricht!“ Hastig wollte sie weglaufen, doch Shun griff erneut nach ihrem Handgelenk. „Warte doch mal! Ich bin noch nicht fertig mit dir! Warum lungerst du immer in der Gegend dieser drei Verlierer herum?“ Statt zu antworten, versuchte sie wieder, sich aus seinem Griff zu winden. Plötzlich öffnete sich die Tür zum Schülerbeiratsraum. Yuuto knurrte Shun an. „Was tust du da?!“ „Was denkst du denn!?“, zischte der Weißhaarige. Bevor der Streit der beiden richtig anfangen oder gar eskalieren konnte, ging ein Lehrer dazwischen. „Schluss jetzt! Ab in eure Klassenzimmer, ihr alle!“ Shun schnaubte. „Nochmal Glück gehabt, Takamine.“ Er fuhr herum und ging in sein Klassenzimmer davon. Baila nickte Yuuto leicht zu, dann folgte sie ihm. Yuuto sah seine beiden Freunde an. „Gehen wir auch.“ Gemeinsam gingen sie in Richtung ihres Klassenzimmers. Hoffentlich findet Orupha etwas über Akatsuki heraus... Im Minami-Bezirk war der Gesuchte damit beschäftigt, seine Englischstunde zu überleben. Isolde schien es an diesem Tag besonders auf ihn abgesehen zu haben, was dazu führte, dass er bei quasi jeder Frage aufgerufen wurde, selbst wenn er keine Ahnung von der Antwort hatte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er die ganze Zeit desinteressiert aus dem Fenster oder zu Leana hinübersah, was der Lehrerin gar nicht zu gefallen schien. Kurz vor Ende der Stunde jedoch gab es noch etwas, ihn irritierte – er fühlte sich beobachtet. Aber nicht so wie sonst. Er war es gewohnt, dass die Mädchen, die hinter ihm saßen, ihn anstarrten, aber diesmal spürte er die stechenden Blicke nicht in seinem Rücken, sondern in seiner Seite. Fragend sah er zur Seite und zuckte zusammen. Ein rothaariges Mädchen saß auf dem Boden und starrte ihn grinsend an. Keiner der anderen schien sie zu bemerken. Sie zeigte auf ihn. „Akatsuki?“ Er antwortete nicht, aber das musste er auch nicht, denn Isolde nahm es ihm ab: „Akatsuki! Sag du uns doch die Antwort auf diese Frage.“ Hastig stand er auf, das Mädchen kicherte. „Also bist du es, der silberne Tagesanbruch.“ Für einen Moment hatte Zetsu den Eindruck, dass Isolde das Mädchen ebenfalls sehen konnte, aber sie ging nicht weiter darauf ein und klopfte dagegen an die Tafel. „Also, Akatsuki?“ „Da muss ich schnell nachdenken...“ „Aber bitte ganz schnell“, forderte Isolde, was seinem Denkprozess nicht unbedingt weiterhalf. Das rothaarige Mädchen sprang lachend auf und verschwand, indem sie sich in rotes Mana auflöste. Zetsu seufzte leise, Isolde schmunzelte. „Zu schwer für dich, Akatsuki?“ „Äh, nein, Ma'am, ich bin nur ein wenig abgelenkt.“ „Dann setz dich lieber wieder~“ Die Jungen lachten verstohlen, als Zetsu sich wieder hinsetzte. Leana warf ihm nur einen spöttischen Seitenblick zu. Nachdenklich starrte er an die Tafel. Wer war die Kleine? Ein Shinjuu? Und was wollte sie von mir? Puh... das ist alles so kompliziert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)