Früher war eh alles besser von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 10: ✗✗✗ --------------- Man konnte sagen, ich wurde von Nils abhängig. Am Samstag Abend überredete ich ihn kurzfristig, bei mir zu übernachten, weil ich mich noch nicht von ihm trennen wollte. Den Sonntag über konnte ich kaum an etwas anderes denken als an ihn, was mein Vater bemerken musste. Er erwähnte trotzdem den Jungen vom Vorabend kein einziges Mal. Auch Vivi und Charly stellten fest, dass irgendetwas mit mir war, als sie mich am Montag für die Schule abholten. Mein abwesender Gesichtsausdruck sprach sicher Bände, aber ich hielt das Versprechen Nils gegenüber und erzählte ihnen kein Sterbenswörtchen von unserer Beziehung, die keine war. Jedenfalls hatte er noch kein einziges Mal gesagt, dass er in mich verliebt war. Ich auch nicht. Und es störte keinen von beiden, obwohl ich merkte, wie sich langsam etwas in mir ihm gegenüber veränderte. Im Unterricht hörte ich den Lehrern überhaupt nicht mehr zu und musste mich zusammenreißen, um nicht ständig Nils anfassen zu wollen. Es sollte nämlich keiner erfahren, was zwischen uns lief. „Sag mal, irgendwas ist doch mit dir“, meinte Charly, als er mich ohne Vivi – sie hatte noch Spanisch – nach Hause fuhr. „Bist du krank?“ „Mir geht’s gut, keine Sorge.“ Mir ging es sogar besser als gut, eindeutig. So gut hatte ich mich schon seit langem nicht mehr gefühlt. „Ich mach mir aber Sorgen, Dennis. Du machst gar nichts mehr mit mir und Vivi, ist wirklich nichts passiert?“ „Nein, Charly.“ Insgeheim seufzte ich über diese Hartnäckigkeit, so musste ich ihn nämlich mehr als einmal anlügen, was mir selbst nicht gefiel. Aber wenn Nils es für nötig hielt. Zuhause aß ich schnell etwas, bevor ich mich auch schon auf den Weg zu dem Platz machte, an dem ich mich immer mit Nils traf, damit es nicht sofort auffiel, weil wir auf einmal so oft aneinander hingen. Am Eulenbrunnen, direkt vor der Stadthalle, nicht weit von der Innenstadt entfernt. Den Weg bis dorthin hatte ich mir als einzigen eingeprägt, damit ich mich nicht verlief und dadurch auf Nils verzichten musste. Ich klang beinahe wie ein Drogensüchtiger. Meistens suchten wir uns einen unbeobachteten Ort, wo wir uns bis spät abends aufhielten oder gingen auch mal zu ihm nach Hause. Hauptsache, wir waren zusammen. Manchmal wollte ich auch gar nicht mehr nach Hause gehen, weshalb ich dann bei Nils übernachtete und am Nachmittag von den Zwillingen gefragt wurde, wo ich gewesen war und auch von meinem Vater Ärger bekam, weil er sich Sorgen um mich gemacht hatte. Meistens vergaß ich es nämlich, ihm Bescheid zu sagen. Als wir wieder einmal bei Nils im Zimmer auf dem Boden lagen und er mir mit seinen Fingern unter meinem T-Shirt kleine Kreise malte, rutschte mir das heraus, was ich ihm schon seit tagen sagen wollte. Ein ganz leises „Ich liebe dich“, kaum hörbar, aber er befand sich direkt neben mir, er hätte es hören müssten. Trotzdem erhielt ich keine Antwort darauf. Ich schob es darauf, dass er in diesem Moment nicht genau hingehört hatte, aber ich wiederholte es einen Tag später und er machte keinen Piep. Zweifel kamen in mir auf, die ich allerdings bei jedem Kuss von ihm beiseite schob. Wieso sollte er so intim mit mir werden, wenn er es eigentlich gar nicht mochte? Ich bildete mir es nur ein. Oder er war einfach nicht der Typ, der es schaffte, einem Jungen seine Gefühle so zu gestehen. Vielleicht zeigte er es immer durch Taten. „Sag mal, Dennis, wo bist du den ganzen Tag?“ Statt mich einfach nur nach Hause zu begleiten wollten die Zwillinge heute anscheinend meinem Geheimnis auf den Grund gehen. „Ich guck mir die Stadt an, Vivi, sonst nichts“, behauptete ich schnell und vergrub meine Hände nervös in meiner Hosentasche. Das nahmen sie mir doch nie ab. „Und wie findest du wieder zurück? Hast du eine Karte dabei oder fragst du ständig die Leute?“ Charly schien meine Ausrede völlig abwegig zu finden. Kein Wunder, wenn man mich kannte. „Ja, meistens.“ Merkten sie nicht, dass sie mir mit ihrer Fragerei keinen Gefallen taten? „Und wofür brauchst du dann immer Nils? Spielt er deinen Stadtführer?“ Erschrocken sah ich ihn an. Woher wusste er, dass Nils und ich uns trafen? Hatte er mir hinterher spioniert? „Dennis, jetzt sag uns bitte die Wahrheit. Ich glaube dir jedenfalls kein Wort.“ Charly hörte sich seltsam an und mir fiel auf, dass das Grinsen, das einfach zu ihm gehörte, aus seinem Gesicht gewichen war. „Ich kann nicht“, murmelte ich leise. Nun flog alles auf und Nils wäre sicher sauer deshalb, na toll. „Doch, du kannst“, schaltete sich auch Vivi, die sich bis jetzt eher zurück gehalten hatte, ein. „Was machst du in der Stadt? Was hat Nils damit zu tun? Und warum bist du so komisch? Er verkauft dir doch keine Drogen, oder?“ „Nein, natürlich nicht!“ Scheiße, mir blieb keine andere Lösung. „Nils und ich... wir sind...zusammen.“ Die entsetzten Blicke von den beiden machten mein schlechtes Gewissen doppelt so groß. „Aber wieso hast du uns das nicht erzählt?“, fragte Vivi, nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. „Ich dachte, du wüsstest, dass wir mit sowas keine Probleme haben.“ „Er wollte es nicht.“ „Aus einem guten Grund.“ Charly schien richtig aufgebracht, gleichzeitig aber auch ziemlich schockiert von meinem Geständnis. „Der Typ verarscht dich nur.“ „Woher willst du das wissen?“ Das sagte er nur, weil er Nils nicht mochte, ganz bestimmt. Oder er gönnte es mir nicht, dass ich glücklich war und er nicht. Irgendetwas in der Richtung musste es sein. „Hat er es dir erzählt oder wie?“ „Ich weiß es halt. Wenn du Nils kennen würdest, wüsstest du es auch.“ „Ach lasst mich doch in Ruhe.“ Jetzt reichte es mir endgültig, sollten sie doch machen und behaupten, was sie wollten! Nils und ich trafen uns seit über zwei Wochen und er hatte nie den Anschein erweckt, das was er tat nicht zu mögen. Charly hatte doch einen an der Klatsche, wen er Dinge erzählte, ohne Beweise dafür zu haben. Ziemlich wütend kam ich an unserem Treffpunkt an; eigentlich hatte ich erwartet, dort schon Nils anzutreffen, weil ich so spät erschien, aber von ihm war weit und breit nichts zu sehen. Gut, dann wartete ich eben, kein Problem. Zwar gehörte die Bank hier nicht zu eine der bequemen Sorte, aber bald kam Nils, das machte alles besser. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er endlich auftauchte, und besonders gut gelaunt sah er nicht aus. „Sie haben es herausgefunden, oder?“ „Ja, sorry, das wollte ich eigentlich nicht.“ „Und, was haben sie dir erzählt?“ Seine Augen funkelten seltsam. „Charly meinte, du verarschst mich nur.“ „Und, glaubst du ihm?“ Seine Hand strich über meine Wange. „Nein, wieso sollte ich?“ „Genau, wieso solltest du?“ Sein Finger fuhr meine Lippen nach, dann zögerte er. „Wusstest du, dass Charly und ich mal ganz kurz zusammen gewesen waren?“ Nein, woher denn? Überrascht blickte ich ihn an. „Wusstest du auch, dass er mich schon nach wenigen Wochen für irgendeinen anderen verlassen hat?“ Nein. „Wusstest du, dass ich ihn dafür am liebsten umgebracht hätte?“ Nein, aber ich konnte es mir gut vorstellen. „Wusstest du, dass ich mich dafür schon seit langem bei ihm rächen wollte?“ Nein. „Wusstest du, dass ich im Moment dabei bin, es zu tun?“ Ein ungutes Gefühl beschlich mich, aber die Hand an meiner Wange fühlte sich so gut an und verdrängt es. „Wusstest du, dass ich nur mit dir ausgehe, weil ich ihn damit eifersüchtig machen wollte?“ Nein. Nein! Das konnte nicht sein, das konnte nicht stimmen. „Wusstest du, dass wenn ich dir weh tue ihm es auch weh tut?“ „Hör auf.“ Gegen meinen Willen begann mein Körper zu zittern und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Das war alles nicht wahr. Er konnte mich nicht einfach für seinen hinterhältigen Racheplan ausgenutzt haben. Und ob er das konnte, ich kannte ihn doch kaum, um das zu wissen. „Wusstest du, dass es mich schon etwas traurig macht, dir etwas vorgespielt zu haben?“ „Wusstest du, dass du ein verdammter Idiot bist?“ Genau das hatte Charly von Anfang an gesagt. Und ich hatte ihm nicht glauben wollen. „Hab ich je das Gegenteil behauptet?“ Mehr ertrug ich nicht mehr; ich fegte die Hand, die mich tagelang zum Narren gehalten hatte, von meinem Gesicht und rannte weg. Einfach nur nach Hause und weg von Nils, dem es nichts ausmachte, unschuldige Menschen nach seiner Lust und Laune zu benutzen. Vor der Haustür fiel mir ein, dass ich gar keinen Schlüssel bei mir trug, weil ich den in den letzten Tagen nie gebraucht hatte. Und mein Vater arbeitete bis um was weiß ich wie viel Uhr. Verletzt und enttäuscht setzte ich mich vor die Tür und fing einfach an hemmungslos zu weinen. Es ging nicht anders, Nils hatte mir in einer einzigen Minute alles kaputt gemacht, was mir Freude bereitet hatte. Hoffentlich sah mich keiner unserer Nachbarn, die Tatsache allein, dass ich mit 17 mir hier die Selle ausheulte war schon schlimm genug, da brauchte ich nicht noch zusätzliche Zuschauer, die keine Ahnung hatte, um was es hier ging. „Dennis?“ Nein, bitte nicht, ich wollte wirklich niemanden sehen, auch nicht Charly, der sich gerade über mich beugte und hilflos herum stand. „Lass mich.“ „Hatte ich Recht?“ Warum sollte ich sonst weinen? Bestimmt nicht, weil in ein paar Tagen die Ferien begannen. Oder weil ich den Schlüssel nicht dabei hatte, da hätte ich einfach zu ihnen gehen können. „Ganz ruhig, wird schon wieder.“ Dicke Lüge, wenn man nicht trösten konnte, sollte man es lieber lassen. „Hau ab.“ „Nein, wird ich sicher nicht.“ Er überlegte kurz und schleifte mich dann mit sich nach Hause. Dort wartete schon Vivi, die uns beide erschrocken ansah, aber nach der Aufforderung ihres Bruders ihr gemeinsames Zimmer verließ. Kaum lag ich auf Charlys Bett, versteckte ich mein Gesicht im nächsten Kissen, damit ich ihn nicht länger ansehen musste. Wieso war die Wahrheit nur so schrecklich? „Hat er gesagt, warum er es getan hat?“, erkundigte sich Charly vorsichtig und strich mir leicht mit der Hand über den Kopf. „Wegen mir?“ „So ungefähr.“ Nicht drüber nachdenken, sonst gab ich noch Charly die Schuld an Nils Dummheit. „Um sich an dir zu rächen.“ „Dieses Arschloch, er kann so mies sein.“ Charly seufzte leise. „Er hat wohl nie akzeptiert, dass ich nicht mit ihm zusammen sein konnte, es hat einfach nicht geklappt. Es tut mir leid, ohne mich hätte er dich sicher in Ruhe gelassen.“ „Hör auf, ich bin selbst schuld, ich hab ihm ja fast auf die Nase gebunden, dass ich auf Jungs stehe.“ Ich schluchzte immer noch vor mich hin. „Nein, bist du nicht!“ Charly zog mich an sich und legte einen Arm um mich. „Er hat dich ausgenutzt, also ist er allein dran schuld, niemand anderes, okay?“ Ich nickte und vergrub mein Gesicht in Charlys T-Shirt. So saßen wir da, bist ich mich beruhigt hatte und von den Vorfällen der letzten Stunden völlig müde auf Charly lag. Was hatte Nils gesagt? Indem er mir weh tat, tat er auch Charly weh. Das konnte nur eins bedeuten. Charly empfand auch etwas für mich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)