Früher war eh alles besser von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 1: ✗✗✗ -------------- Warum konnte nicht alles wie vor zwei Jahren sein? Damals war noch alles in Ordnung gewesen; ich lebte mit meinen Eltern in einem Haus in Mainz, traf mich regelmäßig mit meinem Kumpel Gabriel und fühlte mich rundum glücklich. Aber natürlich blieb es nicht so, wäre ja zu schön gewesen. Gabriel fand mit der Zeit andere Leute, mit denen er lieber seine Freizeit verbringen wollte, in der Ehe meiner Eltern begann es zu kriseln und schließlich trennten sie sich. Meine Mutter wohnte weiterhin in unserem alten Haus während mein Vater sich entschloss, nach Hessen zu ziehen, in ein kleines, unbedeutendes Kaff am Rhein, was sowieso keiner kannte. Theoretisch hätte ich in Mainz bleiben können, nur wusste ich genau, dass dann ständiger Ärger mit meiner Mutter vorprogrammiert gewesen wäre – wir gerieten oft wegen Kleinigkeiten aneinander –, deshalb entschied ich mich für ein Leben bei meinem Vater. Gezwungenermaßen, eigentlich wäre ich lieber in Mainz geblieben. Aus diesen Gründen hockte ich auf dem Beifahrersitz unseres extrem kleinen Autos, hatte meinen MP3-Player laufen und balancierte gleichzeitig eine Straßenkarte und ein Mäppchen auf meinen Oberschenkeln. Scheiße wars, wenn man kein Navigationsgerät besaß und noch mit Wegweisern aus Papier zurecht kommen musste. „Wie lange dauert das denn noch?“, motze ich schlecht gelaunt und suchte die Karte nach einem der uns entgegenkommenden Ortsschilder ab. Hähnlein... wer nannte seine Stadt denn so? Klang nicht besonders geistreich, aber zum Glück mussten wir da nicht hin. „Dennis, wie alt bist du?“, seufzte mein Vater leicht gereizt, denn Autofahren konnte er kein Stück leiden, vor allem im Sommer. „Höchstens zehn Minuten, okay?“ „Hoff ich doch.“ Unser Auto besaß nicht nur kein Navi, sondern lebte auch ohne Klimaanlage, bei diesen Temperaturen völlig unverschämt. Als hätten wir kein Geld für ein bisschen Elektrozeug, mein Vater musste einfach seinen Spartick in vollen Zügen ausleben. Endlich fand ich Hähnlein – was für ein Minikaff! – auf der Karte und gleich daneben unser Ziel. Gernsheim, mein zukünftiger Wohnort. Mein Vater bog von der Autobahn ab, tuckerte durch ein kleines Waldstück, an einer Ampel vorbei und schließlich tauchte ein Ortschild vor uns auf. Schöfferstadt Gernheim, Kreis Groß-Gerau. Musste die Stadt sich gleich bei mir unbeliebt machen, indem sie irgendwelche Dinge dermaßen angeberisch auf ihr Schild drucken ließ? Ich wusste ja nicht mal, was ein Schöffer war, konnte man das essen? Oder auslachen? „Siehst du, gleich sind wir da“, meinte mein Vater schon fast erfreut. „Suchst du bitte die Goethestraße auf der Karte?“ „Müsstest du nicht wissen, wo die liegt?“ Immerhin war er schon öfter hier gewesen, um sich das Haus anzusehen und die meisten Möbel hier abzuladen; man brauchte höchstens 45 Minuten von Mainz bis hier, wenn kein Stau auf der Autobahn herrschte, deshalb hatte er beschlossen, die Sachen persönlich hier abzuliefern. Sonst hätte man ja den Möbelpacker bezahlen müssen. „Dennis, stell dich nicht so künstlich an und such sie, ich merk mir doch nicht auf Anhieb jeden Straßennamen hier.“ „Ist ja gut.“ Ich bemerkte zum Glück immer rechtzeitig, wenn ich ihm zu sehr auf den Geist ging. Eigentlich tat ich es nicht oft, aber manchmal musste es sein, obwohl man das von einem siebzehnjährigen Jungen nicht unbedingt erwartete, dass er wie ein siebenjähriger seine Umgebung nervte. Nach zwanzig Minuten und einer Erkundung der halben Innenstadt – dass die sowas überhaupt hatten wunderte mich ziemlich – hielten wir vor einem kleinen schlichten Haus mit der Nummer 7. Dafür, dass mein Vater es ausgesucht hatte, sah es von außen gar nicht so schlecht aus, hoffentlich galt das auch für drinnen. Ich fegte alles von mir herunter, öffnete die Autotür und hoffte auf das Beste. Bei meinem Vater wusste man nie, was er als nächstes für seltsame Sachen tat, also musste man bei seinem neuen Zuhause doppelt aufpassen. Viel Garten besaß es wirklich nicht, aber darauf legte ich nicht viel Wert, ich verbrachte meine Freizeit eher in geschlossenen Räumen, da konnte man sich besser beschäftigen. Auch an den umliegenden Gebäuden hatte man bei der Grünfläche gespart, gehörte wahrscheinlich hier zum Standardbild der Nachbarschaft. Neugierig folgte ich meinem Vater durch die Haustür und schaute mich gründlich um. Dafür, dass sich theoretisch alle Möbel an ihrem Platz befanden, wirkte es hier ziemlich karg. Früher war nunmal meine Mutter für die Dekoration der Räume zuständig gewesen, mein Vater und ich verstanden davon nicht viel. Allerdings würde ich mich die meiste Zeit in meinem Zimmer aufhalten, da musste mich die Farbe der nicht vorhandenen Gardinen im Wohnzimmer nicht interessieren. „Ich pack meine Sachen aus“, verkündete ich, schlenderte an den Kofferraum und zerrte nacheinander vier Kisten mit meinen persönlichen Gegenständen heraus. Nicht viel, doch zum Leben reichte es mir, mehr als ein paar Bücher, CDs, Computerspiele, meinen Zeichenblock und meinen Laptop benötigte ich nicht, um meine Freizeit zu gestalten. Und meine Klamotten befanden sich ebenfalls dort drin. Mühsam transportierte ich die Kisten in mein Zimmer im ersten Stock und verstaute das ganze Zeug im Schrank, in den zwei Regalen und auf dem kleinen Nachttisch. Die Zimmerfarbe gefiel mir zwar kein Stück – ein seltsames Hellblau –, aber mit genügend Postern ließ das sich sicher gut verstecken. Sollte ich mich gleich auf Erkundigstour durch Gernsheim machen mit der Gefahr, vor Langweile einzuschlafen? Nein, lieber nicht, ich würde früh genug erkennen, wie wenig Geschäfte es hier gab und außerdem hatte mich das Kartenlesen ziemlich angestrengt, beim nächten Umzug durfte mein Vater das übernehmen. Oder endlich dieses bekloppte Navi besorgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)