Es war einmal ... von BigLeoSis ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 "Johannes!" sagte sein Vater streng und sah seinen Sohn an der dort gekrümmt auf dem Bett saß. "Steh auf! Ich muss mit dir reden! Wegen deines Bruders." Johannes riss sich zusammen und stand auf, blieb gerade stehen ohne einen Mucks von sich zu geben. "Ja Vater?" fragte er und sah eher verunsichert zu ihm auf. "Gnade euch Gott, wenn mir noch einmal zu Ohren kommt, dass ihr euch ein Bett teilt! Du wirst dich von deinem Bruder fern halten, schon schlimm genug, dass du so ein schwächlicher Junge bist! Es ist eine Schande für mich!" sagte er streng. "Ich habe verstanden" sagte Johannes emotionslos. Er war sich im Klaren das sich durch diese Anweisung seines Vaters sein Gesundheitszustand nicht gerade verbessern würde, aber er musste es tun, für seinen Bruder. Er sollte nicht auch noch den Zorn seines Vaters auf sich ziehen. "Ich werde dir keine Schande mehr bereiten" sagte Johannes und nickte einwilligend. Die Zeit verging und so vergingen auch die Tage, Wochen und Monate. Johannes Arm verheilte aber seine seelischen Wunden wurden nur noch Größer. Er verriegelte die Tür seines Zimmers nachts und sprach auch so wenig wie möglich mit William. Es zermürbte ihn innerlich. William hatte an diesem Tag noch an der Tür seines Bruders gelauscht und war bei den Worten seines Vaters weinend zu Boden gesunken. Wieso musste Johannes das alles für sie Beide ertragen? Er war es doch gewesen, der des nächtens immer wieder in das Bett seines Bruders kroch und sich nach ihm verzehrte. Er war es gewesen, der sie Beide in diese Situation gebracht hatte. Es war alles seine Schuld, seine Schuld allein und Johannes musste es jetzt ausbaden. William hatte gewusst, wie sehr der Ältere unter dieser Liebe gelitten hatte, wie sehr er ihn damit verletzte und trotzdem hatte er nicht aufgehört ihn zu lieben, ihn für sich zu beanspruchen. Lisette hatte ihn zu seinem Bett tragen müssen. Er kam die nächsten Tage gar nicht so recht auf die Beine und wie es schien hatte William jeglichen Lebensmut verloren. Nach seiner Mutter hatte man ihm nun das wichtigste auf der Welt genommen. Es fand schon bald ein großes Tunier statt, an dem die beiden Söhne des Grafen teilnehmen sollten und Johannes war wieder einmal, wie so oft, am Schießstand zu gange. Er schoss einen Pfeil nach dem anderen ab, um seine Leistung zu verbessern. Am Tag des Tuniers befand sich der Jüngere auf der Reitanlage, obwohl ihm gar nicht nach einem Wettstreit war. Er sah schrecklich aus, wie er selbst fand. Keine Nacht fand er mehr Ruhe, seit er nicht mehr bei Johannes schlief. Ständig quälten ihn Albträume und er vermisste seinen Bruder so sehr. Katharina, die ältestete Tochter aus dem Hause Luttenberg hatte sich auf Grund des Turniers am Hofe eingefunden und wartete am Rand des Schießstandes auf Johannes. Sie musste dringend mit ihm sprechen, seitdem sie William gesehen hatte. Doch wie es schien, ging es keinem der Zwillinge besonders gut. "Johannes!" rief sie ihren jüngeren Bruder. Mürrisch ließ Johannes seinen Bogen sinken und ging zu seiner Schwester. "Was ist Katharina?" fragte er, machte aber keinen besonders intressierten Eindruck. Auch er hatte sich verändert in den letzten Monaten, war immer mehr in sich zurück gegangen, sprach selten ein Wort. Nur selten, wenn er nicht mehr wusste was er tun oder denken sollte war er zu Lisette gekommen und hatte sich bei ihr ausgeweint. Nur sie verstand es ihn zu trösten. Sie war ihm die liebste Person, nach seinen Bruder, hier am Hof. Sie ignorierte die Ignoranz von Johannes. Er war schon immer ein verschwiegener Mensch gewesen, aber sie hatte ihre Geschwister doch so sehr lieb. Und ihre Brüder so leiden zu sehen, machte sie unglücklich. Sie war vor vier Jahren verheiratet worden, an einen österreichischen Adligen und vermisste ihre Familie schrecklich. Charlotte hatte man mit einem Ungarn verheiratet, was hieß, dass sie heute nicht hier sein würde. Nur ihre Brüder waren da und sie so zermürbt und traurig zu sehen, tat der Dunkelblonden in der Seele weh. "Könnte ich dich alleine sprechen, unter vier Augen." Sie atmete ruhig aus. "Es geht um William." Sofort senkte sich sein Blick. "Ich wüsste nicht, was du da mit mir besprechen willst" sagte er und versuchte dem Thema auszuweichen. Sie schnaubte abfällig. "Das dachte ich mir schon fast. Wenn ich dem trauen darf, was ich hörte, als ich gestern Abend hier ankam, hat Vater dir verboten dich mit William zu treffen." Ihr Blick war kalt, was jedoch ihrem Vater galt und nicht Johannes. "Er zerbricht an dieser Trennung Johannes, genau so sehr wie du! Warum lasst ihr euch so sehr verletzen?" "Du hast doch keine Ahnung, Schwester" sagte Johannes und wandte den Blick ab. "Red nicht so, als ob es so einfach wäre sich gegen Vater zu richten" sagte er kühl und umfasste seinen Bogen schroff. "Aber es fällt dir anscheinend leichter, William an seinem Kummer sterben zu lassen!" fauchte Katharina so leise, dass nur Johannes es hören konnte. "Wo ist dein Tatendrang Johannes, deine Impulsivität?" "Sei still!" fuhr Johannes sie scharf an. Leise fing wieder der Schnee an, zu Boden zu fallen und bedeckte die Erde mit weißen Flocken. Sie landeten in Johannes Haaren und bedeckten diese schließlich ganz. "Das Tunier fängt bald an, ich muss gehen" sagte er, fasste seinen Bogen und wandte sich zum gehen. "Wenn William etwas passiert Johannes" Katharinas Stimme bebte vor Zorn. "Werde ich es dir nie verzeihen, dessen sei dir Gewiss!" Sie wandte sich um und ging zurück zu den Pferden, wo sie den Jüngsten der Familie gerade entdeckt hatte. Er lehnte an seinem schwarzen Hengst, den Blick trostlos ins Leere gerichtet. Für einen kleinen Moment schien Leben in ihn zu kommen, als Katharina die Arme um ihn schloss und er sich an ihr schönes Kleid klammerte. Stille Tränen bahnten sich den Weg über seine Wangen, wie so oft in den letzten Monaten. Schnell verschwand Johannes im Schießstand und zerbrach vor Zorn auf sich selber den Pfeil, den er bis eben noch in der Hand hielt. Er hasste sich dafür, was er tat, aber was sollte er tun? Er war hilflos wenn sein Vater ihm diese Bedingung stellte. Er konnte sich dagegen nicht wehren. Wieder überkam ihn ein Kratzen in Hals und er hielt sich keuchend die Hand vor den Mund. Als er die Augen wieder öffnete war sein, bis eben noch weißer Handschuh mit roten Flecken beschmutzt. Er fluchte leise und ließ sich zu Boden sinken. Sein Kopf glühte förmlich, er fühlte sich seit Monaten schon so elend. Aber er wollte jetzt nicht aufgeben. William sah Johannes nur zu Boden sinken. Ohne weiter groß darüber nachzudenken, löste er sich aus der Umarmung seiner Schwester, die ihm nun nicht weniger entsetzt folgte. Flink sprang er über die Absperrung und rutschte das letzte Stück auf den Knien zu seinem Bruder. "Hannes!" flüsterte er leise. Er zog sich schnell die Jacke aus und legte sie über seinen Zwilling. "Hannes ich bin hier, hörst du mich?" Seine Stimme bebte vor Angst. Katharina blieb hinter William zurück. Es war so richtig, die Beiden zusammen zu sehen. "Will, bitte geh, wenn Vater das sieht" flüsterte Johannes heiser und sah zu seinem Bruder, der vor ihm kniete. Er hatte Angst vor dem was sein Vater sagte. Er sagte, dann Gnade euch Gott. Himmel, er fürchtete sich so sehr davor, was er mit William anstellen würde. Das wollte er auf keinen Fall riskieren. Stur schüttelte der Jüngere den Kopf. "Ich werde nicht gehen. Nicht jetzt, du musst in dein Zimmer Hannes." Er hielt die Hand seines Bruders fest in seine geschlossen. Auch er fürchtete die Worte seines Vaters, doch nicht so sehr, wie er die Einsamkeit fürchtete, in der er leben musste, wenn sein geliebter Bruder nicht bei ihm war. Katharina legte William die Hand auf die Schulter. "Komm William, sonst können sie Johannes nicht in sein Gemach bringen. Wir sehen später nach ihm." Wiederwillig löste sich William von Johannes und sah ihm wehmütig nach. Doch später war Johannes nicht mehr dort. Kurz nachdem man ihn auf sein Zimmer gebracht hatte, war er auch schon wieder verschwunden. Er war zum Tunier, wie geplant, gegangen und trat nun dort an. Es fand im Wald statt und viel Söhne reicher Familien nahmen daran Teil, um ihrer Familie Ehre und einen großen Pokal zu bringen. Und so trat auch Johannes an. Sie schossen mit dem Bogen, ritten um die Wette und traten später auch im Schwertkampf gegen einander an. Johannes wartete noch, da er noch nicht an der Reihe war. Mit noch immer zittrigen Fingern hielt er sein Schwer umfasst. Auch trug er unter den Ledernen die blutigen Handschuhe. Er verfolgte jede Bewegung des gerade augetragenen Kampfes. Charlotte war reichlich spät für das Turnier angekommen und eilte in den Wald. Im Schlepptau hatte sie William. Katharina hatte ihr erzählt, was dem älteren Zwilling zugestoßen war und hatte eine Idee. Sie fürchtete ihren Vater schon längst nicht mehr und wenn es um die Gesundheit ihres Bruders ging, würde sie kein Wiederwort dulden. Für was zum Donnerwetter waren die beiden Zwillinge. "Johannes" flüsterte sie aus dem Schatten eines Baumes. "Johannes! Komm her!" Johannes ignorierte die Rufe und rutschte nach vorn durch die Menge, näher an den Rand des Geländers. Er hörte seine Schwester, wollte jedoch nicht zu ihr, da er sich vorstellen konnte, weswegen sie mit ihm reden wollte. "Johannes komm sofort her!" Charlotte hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, aber das brachte ihr auch nichts. So verließ sie den Schutz der Bäume, legte lächelnd den Arm um ihrem Bruder und zerrte ihn regelrecht in den Wald. Dort nahm sie ihm das Schwert ab und drückte es William in die Hand. Dieser war als Jüngerer nicht berechtigt am Turnier teilzunehmen. "Pass auf dich auf!" meinte Charlotte leise. Der Brünette nickte, warf noch einmal einen Blick auf seine Schwester und Johannes und nahm schließlich dessen Platz ein. "Warum verhältst du dich so törricht Johannes. Die Idee mit William hätte auch dir kommen können." "Nein nein nein, halt Will daraus! Das ist nicht fair, gib mir mein Schwert zurück!" forderte Johannes wütend. "Hört auf, ich will nicht das William das tut!" sagte er und versuchte nach dem Schwert zu greifen doch seine Schwester hielt ihn fest im Schwitzkasten. "Sei still Johannes!" Charlotte legte ihm vorsichtig die Hand über den Mund, damit er sich nicht mehr so lautstark beschweren konnte. "Wenn du stirbst, bringt das keinem was und du hast Fieber, dass kannst du nicht leugnen. Du glühst förmlich!" Sie sah ihm tief in die blauen Augen. "Er schafft das Johannes. Er ist genauso gut wie du." Sie küsste ihn beruhigend auf den braunen Schopf. "Lass mich los" murmelte Johannes, aber es sollte wie kein Befehl klingen. Er hatte aufgegebn sich zu wehren und hing jetzt schlaff in den Armen seiner Schwester. Er schloss die Augen, lehnte sich an sie. "Ich kann nicht mehr" murmelte er noch und hielt sich an ihren Armen fest. Charlotte, die ein ausladendes blaues Winterkleid trug, ließ sich mit Johannes im Arm auf den Boden sinken. Sie zog ihn noch etwas mehr in ihre Arme und legte ihren Schal etwas um seine Schultern. Sie küsste ihn erneut sanft auf die Stirn. "Es wird alles gut." Und damit meinte sie nicht nur das Turnier, sondern auch ihre gesamte Situation. Wenn ihr Vater sich weiterhin gegen die Gefühle seiner Söhne stellen würde, hatte Charlotte für sich beschlossen, die beiden nach Ungarn zu holen. Katharina unterstützte dieses Vorhaben, auch wenn sie nicht so offen dazu stehen konnte, wie ihre jüngere Schwester. "Lotte?" murmelte Johannes und sah fragend zu siener Schwester auf. "Ich hab eine Bitte" sagte er und richtete sich vorsichtig auf. "Welche denn?"Sie sah ihn aus den blauen Augen fragend an. "Ich würde dir alles erfüllen Johannes, das weißt du." "Nimm William zu dir, bitte" flehte er und sah sie bettelnd an. Ihre Gesichtszüge entgleisten für einen Moment, doch sie hatte sich sofort wieder unter Kontrolle. "Und warum sollte ich nur William mit mir nehmen?" fragte sie leise. "Du weißt, dass ich dich auch mitnehmen kann Johannes." "Was soll Vater denn sagen? Ich kann nicht. Ich will das es William besser geht als mir. Wir müssen damit aufhören, es hat doch keinen Sinn" sagte Johannes und richtete sich auf. "Bitte Lotte, ich hab doch keine Chance." Charlotte zog Johannes noch tiefer in die Umarmung. "Das ist das Letzte, was ich tun werde. Euch zu trennen lag mir nie im Sinn Johannes und du weißt, dass es weder dir, noch William gut tun würde. Ihr gehört zusammen. Und es war Gottes grausamster Scherz, euch beide als Geschwister zur Welt kommen zu lassen." Ihre Hand strich sanft über das brünette Haar von Johannes. "Du siehst doch, wie sehr William bereits jetzt darunter leidet. Wie soll das erst sein, wenn er in Budapest ist und du hier?" Johannes hielt sich am seidenen Stoff ihres Kleides fest und schmiegte sich in die Umarmung. "Bitte bitte, nimm ihn mit!" Erneut hustete Johannes und ohne es zu wollen, liefen die ersten Tropfen über seine Lippen und fanden sich auf dem Stoff des Kleides seiner Schwetser wieder. Er blickte sie verzeihend an. "Verzeih mir" murmelte er wehleidig. Charlotte schüttelte wiederwillig den Kopf. Nie würde sie die Zwillinge trennen. "Ich musste Mutter etwas versprechen Johannes" flüsterte sie unter Tränen. "Euch nie zu trennen. Ihr wart ihr Herz, ihre Seele und wenn sie noch leben würde, würde sie es nicht zulassen. Sie würde euch mit aller Macht schützen. Und das werde ich jetzt tun." Sie strich ihm über die Lippen, wischte das Blut mit ihrem Handschuh weg. "Du machst dich doch nur selbst kaputt Johannes. Das ist alles Vaters Schuld!" "Nein hör auf, ich möchte nicht das du dich gegen Vater stellst. Das wird schlimm. Wenn ich könnte, wenn ich könnte würde ich William gehen lassen, aber ich hab angefangen. Ich würde ihm so gern den Schmerz nehmen, den ich ihm bereite, aber ich kann nicht, was soll ich nur tun? Ich bin doch vollkommen hilflos" jammerte Johannes. "Ich weiß es nicht. Ich kann dir nicht sagen, was gut oder falsch ist. Ich weiß nur, dass ich an dem Versprechen festhalten werde und wenn ich deswegen aus Budapest zurückkommen muss. Niemand wird euch trennen. Ihr gehört zusammen Johannes, bitte glaub mir das." Charlotte schluchzte leise. "Tut mir Leid" lachte sie schließlich. Sie war einfach viel zu sentimental "Hör auf zu weinen, lass uns lieber schauen, wie Will sich schlägt" sagte Johannes und hielt ihr die Hand hin um ihr auf zu helfen. Er wollte nicht weiter darüber sprechen. Es fraß das ganze lieber in sich hinein und ging daran zu Grunde. Charlotte wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie nahm die Hand von Johannes und ließ sich aufhelfen. "Hör auf dich selbst zu verletzen Johannes" ermahnte sie ihn nocheinmal. "Und sprich mit William darüber, auch über das, was Vater dir angedroht hat." "Aber dann macht er sich darüber auch noch Sorgen" sagte Johannes und sah zu seiner Schwester. "Und dennoch könntet ihr zusammen eine Lösung finden!" antwortete sie ermunternd. "So wie ich Lisette einschätze, wird sie euch sicherlich behilflich sein. Und du weißt, dass du auf Katharina und mich auch immer zählen kannst." "Ja, aber ich will euch da doch nicht mit reinziehen. Du weißt was Vater gesagt hat, ihr seid zwar älter, aber ich bin der erstgeborene Sohn. Er würde außer sich sein vor Wut, wenn er erfahren würde, dass ich zu dir nach Budapest gehen würde" erklärte Johannes. Charlotte lächelte leicht, während sie sich mit Johannes an der Hand den Weg durch die Menge bahnte. William war bereits im Schwertkampf und wie es schien, führte der Jüngste. "Darin sind wir verwickelt, seit ihr geboren wurdet. Weißt du, was eure Hebamme gesagt hat, nachdem feststand, dass auch William überleben würde?" Sie blickte auf Johannes, da er sie bereits um einen Kopf überragte. "'Sie werden ein gemeinsames Schicksal teilen. Ihre Verbindung ist etwas besonderes und niemand wird sie trennen können.' Mutter hat oft davon gesprochen und ich denke, die Hebamme hatte Recht." Johannes lächelte leicht und blickte dann zu seinem Bruder. Er war erstaunt von seinen Kampfkünsten, gebannt blickte er zu ihm. Charlotte legte die Arme um Johannes Mitte und blickte ebenfalls zu William. Er war gut und ein kluger Kopf, der seinem Gegner immer einen Schritt voraus zu sein schien. Schließlich gewann er das Duell und wurde zum Sieger gekürt. Johannes stand zum Schluss nur stumm am Rand und ließ sich von Charlotte die Hand halten. Sie entfernten sich ein wenig von der Menge nachdem diese sich auflöste. Sie warten bis Jüngerer zu ihnen kam, um seinen Pokal zu präsentieren. Johannes starrte zu Boden, wagte es nicht den Blick seines Bruders zu kreuzen. William kam zu Johannes und Charlotte, wobei er seine Schwester leicht auf die Wange küsste und seinem Bruder den Pokal hinhielt. "Ich denke, dass ist deiner" flüsterte er leise. Er ertrug es nicht, wenn Johannes ihn gar nicht ansah. Charlotte rammte Johannes unauffällig den Ellbogen in die Seite, damit er William ansehen musste. "Sei nicht so kaltherzig" mahnte sie Johannes leise. "Nein es ist deiner" sagte Johannes und schob den Pokal zurück. "Gehen wir lieber rein. Mir ist kalt, ja?" fragte er und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn. Kalter Schweiß hatte sich darauf gebildet und ließ den Brünetten frieren. "Tut mir leid, William" sagte er, als sie sich auf den Heimweg begeben hatten und William neben ihm lief. "Es braucht dir nicht leid tun" antwortete der Jüngere und ließ den Pokal uninteressiert an seiner Seite baumeln. "Ich habe jedes Wort gehört, das Vater damals zu dir sprach. Ich wünschte, er hätte es nie erfahren, aber daran lässt sich wohl nichts mehr ändern." Er seufzte resigniert. "Es wird nie mehr wie früher werden. Erst wenn er stirbt, werden wir wieder zusammen sein können." Eine gnadenlose Bitterkeit lag in seiner Stimme und er meinte jedes Wort ernst. "Sag sowas nicht, er ist doch unser Vater" mahnte Johannes und sah zu William. "Wir sollten gehen, einfach verschwinden. Er kann uns zu nichts zwingen, wir sind eigene Lebewesen und brauchen sein Einverständis nicht, um zu existieren. Das schaffen wir auch allein" erklärte Johannes und sah ernst zu Boden. Zur gleichen Zeit beschloss er auch mit seinem Vater reinen Tisch zu machen, er würde ihm alles sagen was er fühlte und hoffte. Ob es seinem Vater nun gefallen würde oder nicht. Er würde es ihm sagen und dannach aus seinem Leben verschwinden. William biss sich auf die Lippen, statt seine Antwort auszusprechen. Johannes hatte ja Recht, er war ihr Vater, aber kein Vater sollte so gegen seine Söhne aggieren und sie von ihrem Glück fernhalten. "Du ... du willst mit mir weglaufen?" Williams Augen glänzten. "Das würdest du tun?" Nun kehrte augenblicklich Leben zurück in den Jüngeren. Er wünschte sich nichts sehnlicher als das. "Aber, wohin wollen wir gehen? Niemand würde uns unterstützen." "Wir finden schon einen Platz" erklärte Johannes ruhig. "Und so allein sind wir garnicht" fügte er noch hinzu und warf seiner Schwester einen dankenden Blick zu. Charlotte sah zu ihrem Bruder und erwiederte dessen Blick. "Ich werde für euch da sein." William wusste nicht, ob er Johannes Hand nehmen durfte. Was, wenn ihr Vater nicht für sie war, wenn er sie nun endgültig trennen würde. "Ich will dich nicht verlieren Johannes." "Das wirst du nicht, keine Angst, ich schaff das" versicherte er Jüngerem. Sie gingen zurück zum Hof und saßen noch ewig zusammen. Erst spät am Abend wagte Johannes sich zu seinem Vater. William hatte er gebeten auf seinem Zimmer zu bleiben. Der Brünette nahm all seinen Mut zusammen und klopfte an der Tür der großen Halle, in der sein Vater immer vorm Kamin abends saß. Charlotte hatte ihren jüngsten Bruder begleitet und wartete nun mit diesem auf die Entscheidung. Jedoch konnte sie William nicht dazu bewegen, still zu sitzen und dieser lief ständig nervös auf und ab. Sie hatte mit Johannes eine Vereinbarung getroffen, als William kurz weg war. Sie würde ihn mit nach Budapest nehmen, wenn ihr Vater sich weiter weigern sollte. Der Graf saß auf seinem Platz und sah erstaunt auf, als man ihm seinen Sohn ankündigte. "Johannes, was willst du zu so später Stunde noch hier?" "Ich will mit Euch reden Vater, es geht um William" sagte er und blieb einige Meter von ihm entfernt stehen um seine Reaktion abzuwarten. "William?" Fragend sah der Graf zu seinem Sohn. "Was ist mit deinem Bruder." "Ich liebe William!" sagte er entschlossen und sah zu seinem Vater auf. Blickte ihn durch eher trübblaue Augen an und zeigte noch keinerlei Reaktionen. Seine Miene ließ nicht vermuten, wie schwer es ihm fiel, dies zu sagen und auch so rüber zu bringen, wie es gedacht war. "Das tut jeder hier" antwortete Josef erst, doch dann wurde er sich der wahren Wirklichkeit von Johannes Worten bewusst. "Du liebst William? Wie ... Johannes! Wie kannst du dich erdreisten zu so später Stunde noch hier aufzutauchen und mir solchen Unsinn zu erzählen. Du weißt, was ich zu dir gesagt habe, als wir uns das letzte Mal gesehen haben!" "Natürlich, wie könnte ich das vergessen, aber selbst Ihr müsstet bemerkt haben, wie mir diese Situation zu schaffen macht und auch ihm, ich will nicht wieter mitansehen wie das so weiter geht!" sagte er und machte einen Schritt nach vorn. "Ich werde bei ihm bleiben und Ihr müsst das akzeptieren!" forderte er. Josefs Blick wurde immer finsterer, während Johannes sprach. "Ich muss es akzeptieren? Du bist dir bewusst, dass ich dich oder William ohne Umschweife trennen könnte. Das ist unnatürlich Johannes! Und ich denke, William sieht das ähnlich wie ich!" Er war nun aufgestanden und hatte den Sessel umrundet. "Ich bleibe bei meiner Entscheidung Johannes und wenn du dich ihr nicht beugst, werde ich dich in ein Sanatorium schicken lassen, um dich von diesen ... diesen leidlichen Gefühlen befreien zu lassen!" "Es liegt doch wohl nicht an Euch zu entscheiden wie er das sieht oder? Und ihr könnt tun was ihr wollt, uns kann man nicht trennen! Wir sind nicht umsonst Zwillinge! Ihr werdet es nicht schaffen, mich von ihm fern zu halten und es ist mir egal, wie er zu mir steht, aber ich werde immer die Person sein die bei ihm ist und ihn beschützt!" schrie Johannes schon fast und ballte die Hände zu Fäusten. Er fasste es nicht, wie konnte sein Vater ihm nur so drohen. Josef ballte seine Hände zu Fäusten. "Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen Johannes! Ich bin dein Vater und weiß wohl am Besten, was gut für dich und William ist!" Er stand nun direkt vor ihm. "Ich habe dir gesagt, ich werde aus deinem Verhalten Konsequenzen ziehen." Zwei Wachen traten hinter den brünetten Jungen. "Ich werde dich in das Sanatorium von Bad Wiessee bringen lassen! Ich kann nicht zulassen, dass du William auch noch verdirbst. Er ist jünger als du, er weiß nicht, zuwas du ihn zwingst." "Er ist jünger?! DU bist doch nicht mehr ganz richtig! Das sind nur ein paar Stunden und ich bin mir im Klaren darüber, was ich tue! Ich würde nie etwas tun, dass er nicht will! Ich bin nicht so grausam wie du!" schrie Johannes und seine Stimme war durchs ganze Schloss zu hören. Als die Wachen nach seinem Arm greifen wollten, rang er einen zu Boden und bevor er sich dem Anderen zuwenden konnte, fasste er sich an die Brust. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und lähmte seine Glieder. Er schaffte es nicht, sich gegen deren Kraft zu erwehren und wurde von beiden, jeder an einem Arm, fest gehalten. Sein Vater schüttelte den Kopf. "Du enttäuscht mich Johannes. So sehr. Mal abgesehen von deinen unnatürlichen Gefühlen für deinen Bruder, deinen Bruder Johannes, bist du auch noch mit dieser schwächlichen Gesundheit gesegnet." Er seufzte. "Ich verstehe nicht, wie ich mit soetwas bestraft werden konnte. Was ich falsch gemacht habe, um das zu verdienen." Er wandte sich an die Wachen. "Führt ihn ab. Vor dem Schloss wartet bereits eine Kutsche. Dr. Bauer wird in in Bad Wiessee bereits erwarten." Nach diesen Worten drehte er sich um und ging zurück an den Kamin, doch bevor er sich setzte, sah er nochmal zu seinem Sohn. "Wenn du wieder klar bist, erwarte ich dich zurück am Hof Johannes. In der Zeit werde ich eine passende Braut für dich suchen. Vielleicht wird es dann auch besser." Laut schreiend wurde Johannes den Flur entlang geschliffen. "IHR SEID DOCH NICHT MEHR BEI VERSTAND! LASST MICH SOFORT LOS!!" schrie der Junge vollkommen außer sich. "Lasst los! Sofort!" Er wehrte sich nach Leibeskräften, konnte jedoch gegen die körperlich Stärkeren nichts ausrichten. Lisette lief gerade den Gang entlang, als die Rufe von Johannes hörte, sie lauschte auf und eilte zu dem Jungen. "Lisette sags Will nicht! Sag nichts, bitte!" flehte er und ohne ein Wort zu sagen nickte sie nur. Tränen bildeten sich ihn ihren Augen. Es tat ihr so unendlich Leid, was mit Johannes geschah. Und dies zu unrecht, es war grausam ihn so zu behandeln, als habe er eine ansteckende Krankheit. Sie seufzte und lief schnell zu Williams Zimmer. William sprang sofort auf, als Lisette das Zimmer betrat. Doch sofort blieb der Brünette stehen, als er die Tränen seiner Amme sah. Schnell ging er zu ihr und schloss sie in die Arme. "Lisette, liebste Lisette, was ist los?" fragte er leise. "Wo ist Johannes?" "Er ist fort" antwortete sie leise und senkte den Blick. Charlotte blickte entsetzt zu Lisette, als sie ihre Worte hörte und beobachtete die Reaktion von William. Doch dieser lächelte sanft und wischte Lisette die Tränen von der Wange. "Lisette, bitte hör auf mit mir zu Scherzen. Sag, wo ist er?" "Er ist gegangen, er ist weg. Verzeih, mehr kann ich nicht sagen" sprach sie und senkte den Blick noch weiter, da sie es nicht schaffte dem Jungen in die Augen zu blicken. Entsetzt trat William einen Schritt zurück. "Er ... Hannes ist weg? Aber, wieso? Wieso ist er gegangen. Er wollte doch mit Vater reden und dann kommen!" Er sah verzweifelt zwischen seiner Amme und Charlotte hin und her. William verstand in diesem Moment die Welt nicht mehr. Warum war Johannes weg? Hatte ihn allein gelassen, dass war doch nicht normal. "Er liebt mich doch" flüsterte er leise. Sein Kopf sank nach unten und er sah auf den Boden. "Bitte ... lasst mich allein." "Er liebt dich, aber es gibt Dinge gegen die selbst er nichts tun kann. Verzeih mir" sagte Lisette und verschwand schnell aus dem Raum. Draußen trat sie zu Charlotte die ihr gefolgt war. "Habt Ihr ihn nicht schreien gehört? Es war herzzereißend" meint Lisette traurig. Charlotte schüttelte den Kopf, nachdem sie die Tür zu Williams Zimmer geschlossen hatte. Sie hatte wirklich nichts gehört, dafür hatten sie sich zu gut unterhalten. "Was ist wirklich mit Johannes Lisette?" fragte die Dunkelhaarige. "Er würde William doch nie alleine lassen." "Euer Vater hat ihn ins Sanatorium von Bad Wiessee eingewiesen, wegen seinen Gefühlen für William. Ich konnte ihn noch sehen, bevor man ihn fort brachte. Er bat mich, William nichts davon zu sagen. Er hat fürchterlich geschrieen. Ich bezweifle, dass ihm dies gut tun würde. Es wird ihn kaputt machen, ohne William wird er zu Grunde gehn" sagte Lisette und wischte die letzte Träne von ihrer Wange. "Es tut mir so Leid" sagte sie. "Oh nein" keuchte Charlotte. Das durfte doch nicht wahr sein. "William wird sich nie mit dieser lausigen Antwort zufrieden geben. Sie werden beide daran zu Grunde gehen. Keiner überlebt lange ohne den Anderen. Ich werde sehen, was ich tun kann. Kümmer du dich derweilen um William Lisette, ich bitte dich." Charlotte hatte die Hände auf die Schulter der Frau gelegt, während sie ihre Worte wohl gewählt hatte. Sie würde nun doch Katharina auch noch damit belästigen müssen. Doch diese hatte ebenfalls ihre Unterstützung zugesagt. Katharina befand sich im Moment gerade bei ihrem Vater, da ihr das Geschrei von Johannes nicht entgangen war. "Ihr lasst ihn wirklich wegbringen?" fragte sie erstaunt. "Es ist besser ihn wegzusperren, als das mit ansehen zu müssen. Außerdem, ich habe zwei Söhne, sie sind gleich alt, niemanden wird es kümmern. Es ist das Beste für alle, er ist doch krank" erklärte ihr Vater kurz und wandte sich ab. "Geh, ich bin beschäftigt!" befahl er seiner Ältesten und schickte sie fort. Katharina sah den Mann, der sich ihr Vater nannte, entrüstet an. "Als was mitansehen zu müssen? Wie Eure Söhne ihr Glück ineinander gefunden haben?" Für gewöhnlich wagte sie es nicht, so gegen ihren Vater zu rebellieren, doch in diesem Fall war es selbst ihr nicht unmöglich. "Ich werde gehen Vater, aber seid Euch gewiss, dass nächste Mal, dass Ihr mich sehen werdet, ist vermutlich auf der Beerdigung Eurer Söhne." Sie raffte ihr Kleid hoch, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer. "Natürlich" sagte Lisette und trat wieder ein. "William?" fragte sie und blickte zu ihm. Der Brünette stand noch immer an der Stelle, an der ihn Charlotte und Lisette verlassen hatten. Sein Blick war leer und es fühlte sich alles kalt an. Schon wieder war er verlassen worden und allein. Warum taten das immer die Personen, die er am meisten liebte? Schnell ging die eher rundliche Dame zu William und schloss ihn in ihre Arme. "Sssch" flüsterte sie und strich ihm behutsam über den Kopf. "Es wird alles gut mein Junge" sagte sie leise und setzte sich mit ihm auf sein Bett. Er lehnte leicht an ihr und blieb stumm. Sie würde bei ihm bleiben, dass war das Mindeste, was sie tun konnte. Charlotte hatte Katharina im Salon des kleinen Schlosses gefunden. Die Älteste hatte beschlossen, Johannes morgen nach Bad Wiessee zu folgen und dort ein Auge auf ihn zu haben. Da es ihrem Sohn Peter selbst nicht so gut ging, war dies die beste Möglichkeit, ein Auge auf den Jüngeren zu haben. William saß schweigend neben Lisette, lehnte nur stumm an ihr und starrte den gleichen Punkt an. Vielleicht war es wirklich falsch gewesen, Johannes alleine gehen zu lassen. Sollte er etwa auch zu seinem Vater gehen? Es ihm sagen, wie er für Johannes fühlte, vielleicht konnte er ihn dazu bewegen, wieder zurückzukommen. "Ich brauche ihn doch!" "Er dich auch, aber es war nicht seine Entscheidung zu gehen, es ist nicht deine Schuld William" antwortete Lisette und strich weiterhin über Williams Schopf. Er schüttelte wiederwillig den Kopf. "Es war immer meine Schuld" hauchte er leise. "Auch Mutters Tod. Wenn ich nicht so töricht gewesen wäre und bei dem Regenwetter nach draußen gelaufen, hätte sie nicht die Lungenentzündung bekommen." Nun war es wieder da, dieses nagende Gefühl, dieses Trauma, dass ihn seit über drei Jahren beschäftigte. Für das er sich immer noch die Schuld gab. "Sag nicht so etwas! Deine Mutter war krank und das schon vorher, sie hatte nicht mehr viel Kraft. Johannes war auch auf der Suche nach dir und ist stundenlang bei dem Regen durch den Wald geirrt und er lebt noch" meinte die Amme sanft. "Wie lange noch?" Das war eine rhetorische Frage und er erwartete keine Antwort von Lisette. Seine Mutter hatte nur etwas Schnupfen gehabt, ehe er weggelaufen war. Und drei Tage später war sie tot gewesen. Es war seine Schuld, seine ganz allein. *~~+~~+~~+~~* Es war ein regnerischer Frühlingstag. Johannes und William hatten den Vormittag damit verbracht, mit einem Ball im Salon zu spielen, unter den wachsamen Augen ihrer Amme und ihrer Mutter. Maria-Johanna fühlte sich schon seit einer Weile nicht sehr wohl. Ein lästiger Schnupfen quälte die junge Gräfin bereits seit Wochen, immer wieder bekam sie Fieber. Ihr Arzt hatte gemeint, sie solle sich schonen, darum war sie heute mit ihren beiden Söhnen hier im Salon. Die beiden hatten sich wirklich gemacht und waren zu prächtigen Burschen herangewachsen. William hatte sich trotz anfänglicher Schwierigkeiten zu einer starken Persönlichkeit entwickelt und Johannes achtete stets auf den Jüngeren. Nichts hätte Maria-Johanna stolzer machen können. Lisette und sie saßen an einem großen Stickbild, dass sie nun schon seit Tagen beschäftigte, aber langsam kamen sie wirklich vorwärts. „Mutter, dürfen wir in die Küche? Uns einen Kuchen holen?“ fragte Johannes sie plötzlich. Sie tat sich bei weitem leichter, als Josef, die Zwillinge zu trennen. Das einzige körperliche Merkmal war das Muttermal auf Williams Nacken. Doch für sie waren beide so unterschiedlich, dass es nicht unterschiedlicher gegangen wäre. Mit einem Lächlen nickte sie. „Natürlich dürft ihr. Aber bleibt bitte nicht zu lange weg.“ Der Ältere war bereits bei der Tür verschwunden, während William ihr noch einen Kuss auf die Wange hauchte. „Ich liebe Euch Mutter!“ Nun musste Maria-Johanna lachen. „Ich dich auch William.“ Und schon waren die beiden Wirbelwinder verschwunden. Ein Stich durchfuhr Maria-Johannas Lungen und sie musste husten. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, eine leidliche Grippe, wo doch bald der große Blumenball in ihrem Hause stattfand. Sie musste dringend morgen ihren Arzt konsultieren. Dr. Unger wusste schließlich immer Rat. Es war bereits eine volle Stunde vergangen, als Johannes ganz aufgeregt zu ihnen zurück in den Salon kam. „Mutter! Mutter! William ist verschwunden!“ Erschrocken blickte Maria-Johanna zu Johannes auf. „Verschwunden? Was hast du wieder angestellt?“ Sie wollte nicht vorwurfsvoll klingen, doch sie konnte es nicht ganz vermeiden. Betreten sah der Brünette zu Boden und scharrte mit dem Fuß. „Einer der Küchenjungen meinte, William sei dumm, weil er nur mit mir allein spielen wolle und mich mit niemanden teilt.“ Die Gräfin seufzte, wie auch Lisette neben ihr. Das war ständig der Grund, warum William das Weite suchte. Er hing einfach viel zu sehr an Johannes und irgendwie lag es ihr fern, die Beiden auch nur eine Minute von einander zu trennen. Sie gehörten zusammen, wie es bereits die Hebamme erwähnt hatte. Und wenn Josef das ungern sah, noch wagte er es nicht, sich gegen seine Frau Gemahlin aufzulehnen. Bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr waren sie ihrer Obhut überlassen worden. Doch dann würde für die Zwillinge eine harte Zeit beginnen. Maria-Johanna legte die Nadel beiseite und stand auf, ehe sie Lisette anwieß, ihren Umhang holen zu lassen. William, dass wusste sie, würde mit niemanden gehen, außer ihr und Johannes. So war es wohl angebrachter, sie würde zusammen mit ihrem Sohn und der Amme nach ihm suchen. Seitdem Charlotte und Katharina verheiratet worden waren, verging kein Tag ohne etwas Trubel. Die beiden Mädchen hatten ihre Brüder noch besser unter Kontrolle gehabt. Allen voran Katharina, die mit ihrer Strenge ihrem Vater sehr große Ehre bereitete. Doch trotzdem konnte das die Liebe unter ihnen nicht trüben. Als Lisette wiederkam, machten sich die drei auf die Suche nach William. Noch immer fiel strömender Regen vom Himmel und erschwerte ihnen ihre Aufgabe. Die Amme hatte viel daran gesetzt, die Gräfin von ihrem Vorhaben abzubringen, doch nichts konnte die Frau überzeugen. Johannes war es schließlich, der seinen Bruder in einem verlassenen Baumstumpf fand. Völlig durchnässt und verstört. Zusätzlich zum Regen hatte es auch noch ein Gewitter gegeben, was den Jüngsten immer wieder verängstigte. Weinend barg ihn Maria-Johanna schließlich in den Armen und wartete bis er eingeschlafen war. Sie hatte noch nichteinmal Zeit gefunden, sich umzuziehen, doch das war ihr im Moment egal. Hauptsache ihren beiden Kindern ging es gut und sie waren wohl auf. William jetzt auch noch zu schimpfen, lag ihr fern. Er handelte einfach noch viel zu instinktiv und brachte sich so ständig in große Schwierigkeiten. Gemeinsam mit Lisette brachte sie Johannes und William in ihre Gemächer. Da noch immer Blitze vom Himmel zuckte, war es wohl besser, William bei Johannes schlafen zu lassen. So zog sie den brünetten Jungen um, wartete bis Johannes zu ihm ins Bett kam und deckte Beide liebevoll zu. Anschließend löschte sie die Kerzen und kehrte in ihr eigenes Gemach zurück. Sie spürte bereits, wie sich das Fieber wieder ihres Körpers bemächtigte und sank erschöpft vor dem Bett zusammen. Es war einfach nur die Aufregung um William, versuchte sie sich einzureden. *~~+~~+~~+~~* "Mach dir bitte keine Vorwürfe, was würde Johannes dazu sagen?!" fragte sie ganz unveblümt und meinte dies wirklich ernst. Sie wusste genau was er antworten würde, laut protestieren würde er und mit dem Fuß aufstampfen. 'Jetzt hör aber auf Will, dafür kann niemand was, das ist Schicksal. Wenn du das nochmal sagts bin ich dir ernsthaft böse!' Ja das würde er sagen und Lisette musste schmunzeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)