Der Musiker und der Pirat von Sengo-sun (der Schatz des John Silver) ================================================================================ Kapitel 9: Die Legenden der Töchter Calypsos -------------------------------------------- Die Legenden der Töchter Calypsos. Dorothee wusste gar nicht wie ihr geschah, als Johann sie höflich - was sie ziemlich verunsicherte - in sein Haus bat, aber nur sie - sobald Jack versucht hatte ihr zu folgen, hatte der alte Mann einen Warnschuss scharf an ihm vorbei geschossen. Nun stand Jack eingeschnappt vor der verschlossenen Tür und zu allem Überfluss schüttete es, wie aus Eimern. Murrend ließ er sich auf den Boden fallen, verkreuzte seine Arme vor der Brust und stierte gen Himmel. Im Haus saß Dorothee auf einem pompösen Sofa, was sie dem alten Johann nie zugetraut hätte, er sah nicht reich oder sonder gleichen aus. Er hatte ihr seinen leicht gekrümmten Rücken zugedreht und kramte zwei Flaschen Rum aus einer alten Truhe hervor, mit einem Ächzen setzte er sich neben sie, stellte das Gewehr ab und reichte ihr mit einem schiefen Lächeln eine der Flaschen. “Hier, trink das, dann siehst du nicht mehr so bleich aus.” er setzte seine Lippen an die Flasche, trank ein, zwei große Schlucke daraus und seufzte zufrieden auf, als er den Rum vor sich auf einen kleinen Tisch stellte. Völlig sprachlos beobachtete sie ihn, vergaß so vollkommen ihren eigenen Rum. Mit leicht geöffnetem Mund stellte sie ihre unberührte Flasche neben die seine. Johann sah sie die ganze Zeit über kein einziges mal an, er schien in Gedanken zu sein und blickte in eine weite Ferne, die irgendwo im spärlich erleuchteten Raum war. Plötzlich viel ihr etwas eigenartiges an ihm auf, neben seinen stechend grünen Augen, prangte ein seltsames Tattoo auf seiner Glatze, es sah aus, wie das Skelett eines normalen Menschen, nur hatte dieser komischerweise eine Fischflosse gehabt, anstatt der Beine. Verwirrt zog sie die Brauen nach unten. Anscheinend hatte sie ziemlich lange auf Johanns Kopf gestarrt, denn dieser räusperte sich verlegen und brach somit das Schweigen, was seid den ersten Schlucken Rum zwischen ihnen beiden geherrscht hatte. Errötend sah Dorothee schnell auf ihre Finger. “Woher habt ihr das?” fragte sie schüchtern. Er musste grinsen, ein liebes Kind, dachte er, fast wie ihr Vater. “Es ist das Zeichen von John Silver, das Skelett einer Nymphe.” beantwortete er ihre Frage, erneut sah sie ihn an, in ihrem Gesicht konnte er deutlich lesen, dass sie jetzt vollkommen irritiert war. Tja, nun musste er wohl anfangen zu erklären, innerlich musste er aufseufzen, wie er es doch hasste die alten Geschichten noch mal zu erleben, indem er sie anderen erzählte. Mit finsterer Miene schaute er auf seine Flasche Rum. “Weißt du -” er wechselte absichtlich ins Du, er mochte diese höfliche Ansprache nicht, “- das Meer birgt viel mehr Geheimnisse als du denkst. All das, was man sich auf See erzählt beinhaltet einen gewissen Grad an Wahrheit, so wie auch die Legenden über die Nymphen und Sirenen. Es gibt sie wirklich...” erwartungsvoll sah er sie an. “Aber sind Nymphen und Sirenen nicht das Gleiche?” in ihren Augen blitzte etwas geheimnisvolles auf, das ihn kurz stutzen ließ. “Nein sind sie nicht! Verwechsle nie diese beiden Töchter der Göttin Calypso! Nymphen sind wunderhübsch und haben eine betörende Stimme, die jeden Mann in den Bann zieht, im völligen Gegensatz zu den Sirenen, das sind hässliche, hinterhältige und brutale Wesen, die aus den Mooren ins Meer gewandert waren und an Land wollen. Sie betören die Männer, indem sie ihnen vorgaukeln eine hübsche Frau zu sein, dann töten sie den Kerl, der sich auf sie eingelassen hat, mit ihrem schrecklichen Schrei. Hör mir gut zu! Sirenen können nur Männern etwas vormachen, aber dem Auge einer Frau können sie nichts vorenthalten... deshalb ist es eigentlich gar nicht so schlecht eine Frau an Bord zu haben - ach, wäre nur damals Nephtys...” er hielt inne. Sie starrte ihn an, Nymphen und Sirenen sollte es wirklich geben? Sein Schweigen stimmte sie nachdenklich, wer war diese Nephtys, von der er sprach und was war mit ihr passiert. Gerade wollte sie nachfragen, als er fortfuhr: “Damals als ich an Bord der Frozen Gold war, hat Silver oft über diese Fabelwesen geredet und beteuert, dass es sie wirklich gab, keiner von uns glaubte ihm, bis wir eines Tages die liebliche Stimme einer Nymphe hörten. Beim Neptun, wir waren damals so betrunken von ihrem Lied, dass wir beinahe auf ein Riff aufgelaufen wären, hätte unser Captain nicht einen kühlen Kopf bewahrt -” er hielt inne und schien sich in Gedanken ein weiteres mal bei seinem toten Captain zu bedanken, “- Na ja, was ich dir eigentlich sagen will ist folgendes: Silver hatte ein besonderes Verhältnis zu den Nymphen gehabt, dank ihnen hatte er es geschafft den Jungbrunnen zu verstecken... um an diesen zu kommen musst du es schaffen eine Nymphe zu beeindrucken!” er sah sie an, ob sie ihm folgen konnte. “Eine Nymphe beeindrucken?” hauchte sie, wie sollte das denn gehen? Sie war nur ein normaler Mensch, sie hatte keine wirklich beeindruckende Fähigkeiten und außerdem, sie war kein Mann. Johann schaute sie an. “Aye, beeindrucken, aber nicht mit den Mitteln, die du meinst.” er grinste sie breit an. “Ach und welche Mittel dann? Ich bin kein Mann, also kann ich einer Nymphe nicht imponieren, außerdem sieh mich an! Ich sehe vollkommen durchschnittlich aus und -” “Und ihr habt es geschafft einem paradiesischem Spatzen zu imponieren.” vollendete er ihren Satz. Entsetzt sah sie ihn an, bitte was? Imponiert? Wie denn? Sie sah an sich hinab, sie hatte nicht mal eine aufreizende Figur, sogar ein klein wenig Speck hatte sie, dafür schämte sie sich jedoch nicht, es war eben eine Figur einer durchschnittlichen Frau. Als Johann ihren abwertenden Blick an sich selbst herab sehend sah lachte er laut auf. Etwas erschrocken sah sie den alten Mann an. “Selbst ein Schürzenjäger, wie dieser Sparrow sieht nicht nur auf die Äußerlichkeiten, bestimmt hat er gemerkt, dass er ohne dich nicht an den Schatz kommt.” zwinkernd holte er sich den Rum und trank daraus. “Ja, er ist wirklich ein Casanova.” schnaubte sie, und unmöglich noch dazu, fügte sie in Gedanken hinzu. Das laute Lachen - das sie als sehr angenehm empfand - Johanns brachte sie auch dazu leicht zu grinsen. “Ha, ha! Du mist mir mal eine!” frech grinsend strich er sich ein paar einzelne Lachtränen aus den Augenwinkeln, dann wurde sein Gesicht wieder ernst, er hatte keine Zeit für irgendwelche Spielchen, er musste ein Versprechen erfüllen! “Aber -” durchdringend sahen sie grüne Seen an. “Dorothee, die Mittel eine Nymphe zu beeindrucken liegen nicht im Äußeren, das ist für sie rein oberflächlich, so sehr dass sie es kaum wahr nehmen, sie sehen mehr die Seele eines Menschen. Du kannst eine Nymphe dadurch beeindrucken, in dem du sie durch deine Lieder aus dem Wasser lockst...” Sie sollte einer Meeresnixe etwas vorsingen? Unmöglich! Verzweifelt griff sie nach dem Rum und setzte diesen an ihre zitternden Lippen, während sie trank spürte sie den prüfenden Blick des Piraten auf sich. “Ich, ich glaub nicht, dass ich das schaffe -” sie fuhr sich zweifelnd mit der Zunge über die Lippen, leckte nebenbei die restlichen Tropfen Rum von ihrem Mund, “- Und ich weiß nicht einmal, wo ich welche finde.” sie sah ihn hilfesuchend an. Stumm stand er auf, wandte ihr den Rücken zu und ging erneut auf die Truhe zu, aus der er den Rum geholt hatte, kramte eine Weile darin herum, bis er endlich das gefunden hatte, dass er gesucht hatte. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, befand sich ein großer Umschlag in seinen knöchernen Händen. “Ich kann dir leider nicht sagen wo sich Nymphen befinden aber es gibt eine Frau, die dir genau sagen kann wo sie sind, noch dazu kann sie dir in anderen Dingen bestimmt helfen.” freundlich drückte er ihr den Umschlag in die Hände, “Darin befinden sich einige Lieder, die Silver des öfteren gespielt hat auf der Frozen Gold. Hoffentlich findest du dort etwas um eine der Töchter der Meeresgöttin zu beeindrucken.” Sie nickte, es war wohl Zeit zu gehen, mit dem Umschlag fest in den Händen stand sie auf. Johann legte einen Arm um sie und führte sie zur Haustür, bevor sie jedoch nach draußen ging, steckte er - ihr völlig unbemerkt - einen kleinen Gegenstand in ihre Hosentasche. Sie hielt beim öffnen der Tür inne, drehte sich zu ihm um und fragte: “Wer genau wart ihr auf dem Schiff?” Fragend kräuselte er seine Stirn. “Also, ich meine welche Position hattet ihr auf der Frozen Gold gehabt?” versuchte sie es erneut. Nun erhellte sich sein Gesicht und er leckte sich nachdenklich über die rissigen Lippen. “Ich war so eine Art erster Maat.” meinte er und schob Dorothee nach draußen, bevor sie noch weitere Fragen stellen konnte. Beinahe wäre Dorothee über Jack gestolpert, als sie aus der Tür trat - diese wurde mit einem leisen Ächzen schnell geschlossen - und nichtsahnend einen Schritt nach vorne tun wollte, zum Glück hatte sie, während der Fuß in der Luft schwebte, ihn erkannt und starrte ihn entsetzt an. “Ich glaube nicht, dass du vorhast hier zu übernachten oder?” fragte sie und sah zu Gibbs, der vom Strand her, auf sie zukam. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen sah Jack sie von unten her an, schielte kurz noch auf den, in der Luft schwebenden Fuß, dann stand er blitzschnell auf. “Nein, hatte ich nicht vor.” sagte er schnell und wischte sich etwas Schmutz von seinem Rücken. Er hatte die ganze Zeit vor dem Haus gelegen und hatte sich vom Regen begießen gelassen, in der Hoffnung dass diese verdammte Tür endlich aufgehen würde und Dorothee heil wieder rauskommen würde. Er wollte es nicht zugeben, aber er hatte sich schon ein - klitzeklein - wenig um sie gesorgt. Er betrachtete sie, sie war zwar ein klein wenig blass um die Nase, sah aber noch ziemlich lebendig aus, als sein Blick auf ihre - immer noch leicht zitternden - Hände fiel, schaute er sie mit großen Augen an. Er öffnete seinen Mund, doch kein Ton kam aus ihm heraus, mit wild wedelnden Händen, versuchte er seinen Worten form, anstatt Ton zu geben, wurde dafür jedoch von ihr und Gibbs, der sich neben ihn gestellt hatte, nur seltsam angesehen. Etwas verlegen sah er kurz nach unten, dann räusperte er sich. “Hast du etwas über den Aufenthaltsort vom Jungbrunnen herausgefunden?” stellte er seine Frage. Dorothee sah zu ihm, dann zu Gibbs und schließlich auf den Umschlag. Herausgefunden? Nun ja, nur wie sie an diesen Jungbrunnen kommen würden. Also ja oder nein?, stellte sie sich innerlich die Frage, nach kurzem Zögern nickte sie und sie konnte deutlich sehen, wie Jack innerlich sich freute, wie ein kleines Kind, seine Augen fingen an aufzuleuchten und brachte sie zum schmunzeln. Er trat auf sie zu legte einen Arm um sie und führte sie sicherheitshalber weg von diesem “bewaffnetem Herrenhaus”, wie er es getauft hatte. “Also Liebes, erzähl mir mal, was du herausgefunden hast.” Über den ganzen Weg zurück zur Pearl, versuchte Jack vergeblichst etwas von Dorothee herauszufinden, bis sie an Deck waren und er langsam die Geduld verlor, gerade wollte er sich wegdrehen als ihn ihre Stimme inne halten ließ: “Wenn du Jemanden kennst, der sich mit Nymphen auskennt, kann ich dir alles sagen.” leise kamen ihre Worte über die Lippen, sie hatte wieder dieses ungute Gefühl, als würde bald etwas schlimmes passieren. Sie drehte sich von ihm weg und sah zum unendlichen Horizont hin. Sie konnte unter der dunklen Wolkendecke schmale Strahlen der untergehenden Sonne erkennen, wie sie den Himmel zu erhellen versuchten. Tief in ihren Gedanken schoss ihr plötzlich ein Name durch den Kopf: Johann! Ob es ihm gut geht? fragte sie sich, tief in ihr fühlte sie, dass ihre erste Begegnung mit ihm ihre letzte gewesen war. Sie hatte keine Ahnung, wie recht sie hatte, denn der alte Pirat, der engste Freund John Silver, lag blutend in seinem Haus. Er hatte es gewusst, er hatte es geahnt, irgendwann würde er sterben, nicht den Tod eines alten Mannes, nein er würde durch einen elenden Feigling sterben, genau wie sein guter alter Freund. Schwach lächelte er und sah seinem Mörder fest in die Augen. “Du... wirst sie nie wieder haben...” leise lachte er, rau fühlte sich seine Kehle an, konnte dieses verdammte Schwein ihm nicht wenigstens seinen Rum geben, kein Pirat wollte ohne seinen ewig treuen Freund sterben. Er spürte, wie Blut seinen Hals nach oben kroch und sich in seinem Mund sammelte. Er musste husten und spuckte sein eigenes Blut vor die Füße der Person, die ihn töten wollte. Die Welt um ihn herum verschwamm, er grinste, bald... bald durfte er für immer schlafen. Lebe wohl kleine Dorothee, dachte er. Er hörte, wie Jemand laut fluchte und etwas zu Boden warf. Einen, nur noch einen Streich will ich machen, müde schloss er seine Augen und flüsterte leise in den Raum: “Du... du ... wirst es nicht finden -” stöhnend schloss er seinen Mund, der metallische Geschmack von Blut benebelte seine Sinne, “... du... bist zu-... zu... spät... ge-” seine Stimme erstarb, ein letztes mal sog sich seine Lunge mit Luft, bevor diese komplett aus seinem Körper entwich. Sein Herz wurde langsamer, bis es einen letzten Hüpfer machte und mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen starb Johann, erster Maat von John Silver. Fluchend wurde sein toter Körper erneut angeschossen, die Pistole glitt aus den Fingern des zitternden Täters, der blind vor Wut aus dem Haus brauste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)