Der Musiker und der Pirat von Sengo-sun (der Schatz des John Silver) ================================================================================ Kapitel 3: Deckschrubben gehört dazu ------------------------------------ Deckschrubben gehört dazu. Als Dorothee mit Gibbs die Treppe aufs Deck der Pearl hinter sich gelassen hatte kam sie zum ersten mal in den Genuss von frischer Meeresluft, dem Rauschen der Wellen und das sanfte Knarren des schwarzen Schiffes, das sie auf jedem Schritt begleitete. Während sie auf dem Deck entlang gingen - den neugierigen Blicken der Crew ausgesetzt waren - erzählte Gibbs ihr eine spannende, wie unrealistische Gesichte von Captain Jack Sparrow und der Crew nach der anderen. Seinem munteren Gerede schenkte sie wenig Gehör, ihre ganze Aufmerksamkeit galt ihrer Umgebung. Staunend sah sie nach oben um die schwarzen, voll mit Flicken besäten, Segeln genauer zu betrachten. Nebenbei, damit Gibbs nicht merkte, dass sie seine Erzählkunst - wie er es nannte - nicht würdigte gab sie ein paar einzelne Kommentare zu den Gesichten ab. Ein kleiner, kahlköpfiger Mann kam auf sie zu, kurz musterte er Dorothee, die immer noch im Bann der Pearl lag, und stellte eine Frage an Gibbs. “Wer ist denn die?” Marty nickte zu Dorothee rüber, die ihren Mund vor Staunen leicht geöffnet hatte. Gibbs zog die Augenbrauen hoch und beugte sich zu ihm runter. “Der Captain hat sie gerade eingestellt, ist sozusagen ein neues Crewmitglied, in etwa könnte man das sagen.” raunte er Marty leise zu. “Also wird sie Ragetti und Pintel beim Schrubben helfen?” meinte Marty. Gibbs zuckte mit den Schultern. “Für heute schon, sie soll die Nacht schrubben.” “Nachtschrubben?” Er nickte. Marty schüttelte sich. Nachtschrubben war eine lausige Arbeit! Es wurde ungemein klirrend Kalt auf See. Einen Anfänger in der Nacht schrubben zu lassen war schon - ja, eigentlich gemein, dachte er. Normalerweise würde Jack eine Frau nie Schrubben lassen - eher würde er andere Dinge mit ihr anstellen, die beiden Parteien gefallen würden. Ihm fiel Dorothees normales Aussehen auf. Keine wahrhaftige Schönheit, dachte er sich im Stillen. Er streckte sich leicht hoch und flüsterte leise: “Was kann sie denn noch außer schrubben?” Grübelnd fuhr sich Gibbs über die ergrauten Kotletten. “Sie hat erwähnt, dass sie Musiker ist.” “Aha...” noch einmal musterten beide Dorothee, die nun zu ihnen sah und fragend den Kopf schief legte. Während Dorothee auf Deck mit dem Leben der Piraten vertraut gemacht wurde, man erklärte ihr was sie tun müsste, schritt Jack unruhig in seiner Kajüte auf und ab. Es fuchste ihn dass ein Pirat vor ihm - Jack Sparrow - an den Jungbrunnen gekommen war und diesen auch noch gestohlen hatte! Wütend schnaubte er. Abrupt blieb er stehen und zog aus seiner Hosentasche einen vergilbten Zettel hervor. Es war das Einzigste was er im Versteck des Jungbrunnen gefunden hatte, einen lausigen Brief! Zum Hunderten mal las er die verwischten Worte durch: “Es ist erstaunlich, mir ist das gelungen was vor mir keiner geschafft hat, ich hab den Schatz der Schätze gestohlen, ohne einen Wert darin zu finden auf ewig mein Leben hier zu fristen... Wie du siehst - habe ich mir aus Gier den Schatz genommen. Er soll das Erbe sein für meine Nachkommen - falls... Sonst niemand soll es bekommen, das ewige Leben! Sommernächte fliegen ohne Hast... Kuss mit viel Gefühl... ...anze Gerd - ...” Die Buchstaben waren so sehr verwischt das er sie nicht mehr entziffern konnte. Nachdenklich zog er die Brauen kraus und fuhr sich mit den Fingern über den Bart. Es war zum verrückt werden! Die Sätze ergaben keinen Sinn, sie waren nur wirr dahingeschriebene Worte, die ihm den letzten Nerv raubten. “Was haben Sommernächte und Küsse mit viel Gefühl -” er verdrehte die Augen “mit dem Jungbrunnen zu tun oder mit dessen neuem Aufenthaltsort! Jeder anständige Pirat hinterlässt eine brauchbare Spur zum Schatz, den er gestohlen hat, auch wenn diese Spur zuerst recht unbrauchbar erscheint ist sie da noch brauchbar, da sie die einzige Spur zum Schatz ist. Aber diese hier -” böse funkelte er das unschuldige Stück Papier an “- ist in seiner kompletten Form unbrauchbar. Dieser Silver muss, als er dich - “ drohend zeigte er auf das Papier - das sich so langsam unwohl fühlte in seiner Rolle - “- geschrieben hat, vollkommen verrückt oder bis zur Ohnmacht betrunken gewesen sein!” mit einem unzufriedenen Seufzer auf den Lippen ließ sich der Captain der Pearl in sein Bett fallen. “Nicht fair, ganz und gar nicht fair.” murmelte er in die Kissen. Und was zum Henker hat ein gewisser Anze Gerd mit dem Ganzen zu tun? Jack setzte sich auf, ein Grinsen umspielte seine leicht mitgenommenen Zügen. “Vielleicht ist dieser komische Gerd der Hinweis auf die Spur!” schnell sprang er auf und wankte auf seinen Tisch zu, wo sein Kompass lag. Ungeduldig klappte er diesen auf, nach einer kurzen Zeit, in der die Nadel des Kompass wie wild sich gedreht hatte, zeigte sie nun stur nach Oben. Verwirrt klopfte er gegen den Kompass, schüttelte ihn sogar, doch die Nadel veränderte sich nicht. “Ich habe keinen Gerd in meiner Crew!” motzte er den Gegenstand an, der weiterhin stur nach oben zeigte. Da zuckte ein Lichtblitz durch sein Hirn, er hatte zwar keinen Gerd aber jemand anderes! Ein lauter Knall erschütterte das Schiff. Aus seinem Gleichgewicht gebracht ruderte Jack wild mit den Armen in der Luft rum, bis er sich sicher sein konnte, dass er nicht auf den Boden fallen würde. Fluchend rannte er an Deck. Dort vernahm er den Geruch von Schießpulver und Ruß. Gegröle und Gejohle empfangen ihn als er endlich oben angekommen war. “Was in drei Teufelsnamen ist hier los?” Das Bild, das sich ihm bot ließ ihn schmunzeln, die halbe Mannschaft war voll Ruß und ihre Haare - soweit sie welche hatten - standen wirr ab. Mit einem schwarzen Gesicht und einem breiten Grinsen kam sein erster Maat, Gibbs, auf ihn zu gelaufen. Jack lehnte sich leicht nach hinten und sah seinen Maat von oben bis unten, mit hochgezogenen Brauen an, dann machte er eine ausholende Bewegung. “Würden sie dieses Chaos erklären, Master Gibbs?” Gibbs sah ich etwas konfus um und musste husten. “Nun ja, wir haben unser neustes Crewmitglied eingeweiht, Captain.” antwortete er. “Du siehst aus wie ein schwarzes Loch, das Augen und Mund hat, und Groteskerweise spricht, mein Freund, genauso wie der Rest der Crew.” ohne auf das Gesagte von Gibbs einzugehen lugte Jack an seinem Freund vorbei und entdeckte Dorothee, die mit großen Augen in die Runde sah, bei diesem Anblick fing Jack an zu grinsen. Da fiel ihm wieder ein was er eigentlich machen wollte, bevor seine Crew ein rußiges Chaos verbreitet hatte. “Wie war eigentlich noch mal der Name der Missy?” fragte er Gibbs, der verwirrt dem Blick seines Captains folgte und Dorothee sah. “Ich glaube sie hat gesagt Silver.” “Glauben ist nicht wissen, Master Gibbs.” sagte Jack und ging an ihm vorbei auf die einzige Frau an Bord zu, diese versuchte vergebens den Ruß aus ihrem Gesicht zu wischen. Ein paar einzelne Strähnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst und hingen, total geschwärzt vom Ruß, in ihrem Gesicht. Kurz musste sie deswegen schielen, ein belustigtes Räuspern holte sie aus der Betrachtung ihrer Haare. Durch ein Räuspern wurde sie auf Jack aufmerksam. “Was gibts?” fragte sie Jack, der selbst beim gerade stehen Gleichgewichtsstörungen zu haben schien. “Nun, ich wollte Euch nur sagen dass ihr heute für das nächtliche Schrubben verantwortlich seid.” ein fieses Grinsen huschte über sein Gesicht. Ohne über sein Verhalten diesbezüglich nachzudenken - sie schätze den Captain immer noch als unzurechnungsfähig ein - nickte sie knapp und drehte sich zum gehen um. “Das gehört wohl dazu...” murmelte sie. “Was habt ihr gesagt?” fragte er, stutzig über ihr - recht widerstandloses Verhalten. Dorothee drehte den Kopf leicht zur Seite und sah ihn an. “Das Deckschrubben, bei nächtlicher Kälte, werter Captain.” Verrücktes Weib, schoss es ihm durch den Kopf. Ob der Kompass sie meinte? Mit zusammen gekniffenen Augen lugte er ein weiteres mal auf den Kompass, dessen Nadel in Dorothees Richtung wies. “Irgendwas wisst ihr über den Jungbrunnen, aber was werde ich bald wissen...” murmelte er. Dorothee bekam von Jacks Gemurmel kaum etwas mit, leise vor sich hinsummend fing sie an Ragetti und Pintel bei den Takelaken zu helfen. Neugierig sah Ragetti sie an, wie ihre sanften und sehr gepflegt wirkenden Hände am rauen Seil zu schaffen begannen. Schüchtern zeigte er auf diese. Fragend sah ihn Dorothee an. “Wie...” fing er an wurde aber von Pintel unterbrochen, “Man hast du schöne Finger! Fasst wie bei einer Puppe, fast so wie bei Püppchen, nicht wahr Ragetti.” er stieß Ragetti in die Seite, dieser nickte nur. Irritiert sah Dorothee auf ihre Hände, dann wieder in die grinsenden Gesichter der beiden Piraten. “Keine Ahnung.” sie zuckte mit den Schultern. “Aber ich bin keine Puppe.” meinte sie. “Nein, so siehst du auch nicht aus! Dafür bist du zu einfach.” Pintel lächelte verlegen. Betreten sah Dorothee auf ihre Hände. Ragetti sah den traurigen Ausdruck in ihren Augen und stupste seinen Freund in die Seite, dieser sah ihn verwirrt an. Böse funkelte er ihn aus einem Auge an, dann drehte er seinen Kopf wieder Dorothee zu. “Guck uns doch an, wir sind auch keine wahren Schönheiten.” meinte er grinsend, sie sah ihn an und fing an zu schmunzeln. Stimmt, ich bin nicht die einzige, die nicht hübsch ist. Keiner hier sah wirklich berauschend aus und dennoch - sie alle hatten etwas an sich, an ihrer Art, fand sie. Kurz musste sie an ihren jetzigen Captain denken, der die Ausnahme auf dem Schiff zu sein schien. Ein Spatz in einem Schwarm voller Meisen, dachte sie. “Sag mal, man hat uns gesagt du wärest ein - “ fing Ragetti wieder an und riss sie aus ihren Gedanken. “Hm?” aufmerksam sah sie ihn an. “Na ja - “druckste er herum und wurde von Pintel zur Seite gedrückt. “Wir würden gerne wissen ob du -” er schielte zu Ragetti rüber “ein Musiker bist.” kam es von beidem im Chor. Dorothee wandte sich wieder an ihre Arbeit und nickte stumm. Die beiden Piraten sahen sich an und grinsten. Langsam beugten sie sich zu ihr rüber. “Wirst du auch mal was singen?” fragten sie gleichzeitig. Sie sah den beiden in die Augen und lachte auf. Etwas verwirrt schauten sich die Freunde an. Was war denn nun los? “Ich habe gesagt das ich ein Musiker bin, aber ob ich singen tue hab ich nie behauptet.” kicherte sie. “A- aber als Musiker singt man doch oder?” unsicher sah Pintel sie an. Ein breites Grinsen überzog ihr Gesicht als sie, sie ansah. “Nicht jeder der sich Musiker nennt ist einer. Musiker können singen und musizieren, müssen es aber nicht, das heißt ein Musiker der singt muss nicht musizieren können, sowie ein Musiker der Musik macht mit einem Instrument muss keineswegs singen können.” “A- also bist du ein nicht singender Musiker?” fragte nun Ragetti. “Das habe ich auch nicht gesagt.” sie lachte über die verwirrten Mienen der beiden. “Und was bist du jetzt?” fragte Pintel leicht gereizt. “Zur Zeit ein Crewmitglied dieses Schiffes, das Musiker ist.” beendete sie das Gespräch und wandte sich erneut der Takelake zu. Pintel fühlte sich leicht veräppelt und ging wütend schnaubend davon. “Und als was für einen Musiker würdest du sagen bist du?” versuchte es Ragetti ein letztes mal. Ohne zu ihm aufzublicken antwortete Dorothee knapp: “Ein musizierender Musiker der nur schlecht als recht singen kann.” Nachdenklich nickte er. Die Zeit verging auf See ziemlich schnell fand Dorothee, als sie der Sonne zusah, wie sie in einem Schleier aus Rottönen hinter dem Horizont versank. Sie lehnte sich an die Reling und sog die Meeresluft tief ein. Es war ein komplett anderes Gefühl auf dem Meer zu sein als auf dem Land, es fühlte sich an als wäre man - Frei. Sie seufzte. Unwillkürlich musste sie an ihr Hab und Gut denken, ihre Gitarre. Sie fehlte ihr, ihr fehlte irgendwie ein Stück von ihr selbst. Musik war ihre Leidenschaft, in ihr konnte sie all ihren Gefühlen freien lauf lassen, all die Gefühle die sie nicht gerne anderen preis gab. Ein leichte Gänsehaut überkam sie, ihr wurde kalt. Und ich muss noch das doofe Deck schrubben, dieser Mistkerl von einem Captain, fluchte sie leise in Gedanken, sie konnte diesen Captain, wie er von sich behauptete, nicht einschätzen und so wusste sie nicht was sie von ihm halten sollte. Dorothee wusste nicht das Jack sie in diesem Moment beobachtete. Zum erstenmal, seid sie aus dem Kerker geflohen waren, wirkte sie verletzlich und - wie zuvor - sah sie so unschuldig aus. Ihre reservierte und zurückhaltende Art verwirrten ihn, auch dass sie genauso gut austeilen wie einstecken konnte. Sie war anders als Elizabeth, ehrlicher und, bei diesem Gedanken musste er schmunzeln, um einiges verrückter. Er konnte sie einfach nicht einschätzen - wie sie ihn. Als der klare Sternenhimmel mit dem Meer sich vereinigt hatte, so wirkte es auf Dorothee, und als kein Mann mehr an Deck war, schrubbte sie die dunklen Planken des Schiffes. Ihr Atem stieg in weißen Dampfwölkchen in den Nachthimmel. Ihre Knie fühlten sich wund an und langsam aber sicher verlor sie das Gefühl in ihren Fingern, diese waren vom vielen Wasser aufgeweicht und schrumpelig, an manchen Stellen waren sie sogar aufgeplatzt. Verzweifelt nahm sie den Schmutzlappen und warf ihn von sich fort. So geht das nicht! Einzelne Tränen bildeten sich in ihren Augenwinkeln, die sie schnell weg blinzelte. Ich muss mir was anderes einfallen lassen. Sie stand auf und hörte, wie es in ihren Knien laut Knackte. Kurz verzog sie das Gesicht. Stöhnend drückte sie ihr Kreuz durch und sah in den sternenklaren Himmel. “Schön.” murmelte. Ihr Körper fing an zu zittern. “Kalt hier.” sie schlang ihre Arme um ihre Brust und sah auf ihre Füße, da bekam sie eine Idee. Freude funkelte in ihren blauen Augen. Ja, so würde es gehen und um einiges mehr Spaß machen. In neuer Euphorie schnappte sie sich einen Lappen und den, den sie weggeworfen hatte. Jack saß zu dieser Zeit in seiner Kajüte und starrte seinen Kompass wütend an. Was hatte Dorothee mit dem Jungbrunnen zu tun?! “Oder hat sie gar nichts damit direkt zu tun sondern eher indirekt?” er drehte den Kompass hin und her. “Was hat Dorothee Silver mit John Sil-” seine Augen weiteten sich. Hastig zog er den Zettel ein weiteres mal aus der Tasche. “Es soll das erbe sein für deine Nachfahren, Silver? Was ist wenn Dorothee, zufälliger weise...” er ließ den Satz im leeren Raum stehen und sah erneut auf den Kompass, der wieder stur nach oben zeigte. “Müsste Miss Silver nicht in der Kajüte liegen und friedlich schlafen?” fragte er sich. “Nein, da du sie zum nächtlichen Schrubben verdonnerst hast.” tönte es von seinem Bett aus, wo ein weiterer Jack lag und gelangweilt mit seinen Haaren spielte. Fragend hob Jack, der an seinem Tisch saß, die Augenbrauen hoch. “Hab ich das?” “Ja hast du, Jacky. Und ich wette mit dir dass sie noch oben an Deck ist und schrubbt.” kam es nun von der Tür, wo ein weiteres Ich von ihm lässig an die Tür lehnte und ihn aus kohleumrandeten Augen vorwurfsvoll ansah. “Seid wann bist du so gemein zu Frauen?” fragte es weiter. Jack hob abwehren die Hände. “Das hat sie sich selbst eingebrockt.” Das Bett bewegte sich leicht als sein Double sich erhob und trocken meinte: “Bei der Kälte erfriert sie sicher, dann wars das womöglich mit dem ewigen Leben.” Eilig rannte Jack an den beiden Ichs vorbei nach oben ans Deck. “Musstest du das so sagen?” fragte der Jack an der Tür den anderen. Dieser zuckte nur mit den Schultern und grinste ihn an. “Ja, sonst wäre er nie hoch gerannt, dieser Kavalier.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)