Halluzinationen mit Frau Holle von DuchessOfBoredom ================================================================================ Kapitel 3: Wenn Taten Früchte tragen (oder auch nicht)... --------------------------------------------------------- Der Morgen kam schneller als der momentan vom Schicksal gebeutelte Wilhelm es sich gewünscht hätte. Obwohl er noch mindestens drei Stunden hätte weiter schlafen können, stand er auf, kurz nachdem die Sonne den Horizont überschritten hatte. Eine Stunde ließ er den Prinzen noch schlafen, während er sich wusch, anzog und schon mal anfing die Koffer und Taschen seines Herrn hervor zu kramen, sodass er direkt anfangen konnte zu packen, wenn sich der Prinz für ein Outfit entschieden hatte. Anschließend trat er hinaus auf den Gang und klopfte sachte, aber bestimmt an Dorotheas Zimmertür, um sie aus den Federn zu holen, denn sie brauchte für gewöhnlich auch ihre Zeit, bis sie abreisefertig war. Nicht, dass der Prinz darauf immer Rücksicht genommen hätte; Will jedoch wollte ihr ersparen, noch einmal im Nachthemd hinter der Kutsche her rennen zu müssen. Er hörte ein leises Rascheln im Zimmer, das ihm signalisierte, dass die Hexe aufgestanden war. So ging er zurück in das Zimmer, das er sich mit dem Prinzen teilte, und machte sich, wie jeden Morgen, an die schwierige Aufgabe Ludwig zu wecken. Heute gestaltete sich dieser Prozess glücklicherweise weniger kompliziert als sonst. Ein leichtes Rütteln an des Prinzen Schulter und ein etwas lauter geflüstertes „Prinz, es ist Zeit zum Aufstehen, wir müssen ins nächste Königreich aufbrechen.“ hatten genügt, um den sonst so verschlafenen Lui aus den Federn zu holen. Nachdem dieser sich ankleidet hatte, wurde Will wieder einmal der in seinem Fall sehr fatale Zusammenhang zwischen den Wörtern Ge-päck und pack-en bewusst. Das Letztere dauerte in seinem Fall, da er es nun schon gewöhnt war, nicht mehr ganz so lange, dafür hatte er im Anschluss an Ersterem um so mehr zu schleppen. Als er gerade die Kutsche belud, trat Dorothea samt Koffer aus der Herberge. Wilhelm hatte die Hexe zwar nun schon in den unmöglichsten Situationen erlebt und beobachtet, aber in solch einem Zustand hatte er sie noch nie gesehen. Tiefe Augenringe ließen sie aussehen, als habe sie die ganze Nacht - und vielleicht sogar noch ein paar Nächte mehr - kein Auge zugetan. Auf Wills verwundertes und fragendes „Guten Morgen.“ gab sie nur ein halblaut gemurmeltes „Mo'en“ zur Antwort. Vielleicht hatte sie ja die ganze Nacht über einem Zaubertrankrezept oder ähnlichem gebrütet, wer wusste das schon. Schließlich kam auch der Prinz aus dem Gasthof und so konnten sie nun die Fahrt ins benachbarte Königreich antreten.
  Der Kutschfahrt zog sich ruhig und ohne Zwischenfälle dahin und so kam auch Will ein bisschen zur Ruhe, besah sich aus den Fenstern die malerische Landschaft, durch die sie fuhren, und hing seinen Gedanken nach. 'Was passiert nur im Moment mit mir? Ich habe seltsame Träume - sogar am helllichten Tag - in denen mir Brote Befehle erteilen, ich bin auf einer Zauberwiese unterwegs...wie soll das nur enden, wenn diese Visionen wieder auftauchen und vielleicht sogar schlimmer werden? Der Prinz war ja schon beim letzten Mal so aufgebracht... Woher kann das nur gekommen sein, ich hatte so etwas bis jetzt noch nie...' Schließlich kam Will zu der Ansicht, dass es ihn keinen Schritt weiterbrachte, wenn er sich den Kopf über etwas zerbrach, bei dem es bis jetzt so wenige Anhaltspunkte und so viel Ungeklärtes gab. Nach einigen Stunden Fahrt machten sie Halt in einem etwas größeren Dorf mit vielen kleinen Fachwerkhäusern und einem großen Markt. „Will, du gehst jetzt auf diesen Marktplatz und fragst die Leute über die Prinzessin oder andere schöne Adelstöchter hier aus. Ich werde so lange etwas essen gehen. Wenn du fertig bist, findest du mich dann in diesem Gasthof oder schon wieder in der Kutsche. Und denk dran: wenn möglich ein Bild zeigen lassen!“ befahl der Prinz seinem Diener. „Ja, Prinz.“ Will war innerlich genervt und resigniert. Der Magen hing ihm in den Kniekehlen, aber er musste ja die Leute ausfragen. Wirklich klasse. Nach ca. einer Stunde Interviews mit den immer gleichen Fragen („Haben Sie die Prinzessin schon mal gesehen? Wie sieht sie aus? Wissen Sie vielleicht, ob man irgendwo ein Bild von ihr sehen kann?“) wusste Wilhelm so ziemlich alles, was es über die Prinzessin zu wissen gab und hatte sogar ein Bild von ihr gesehen. Sie hatte glatte dunkle Haare, ein sehr hübsches Gesicht und machte einen sehr zierlichen und sanften Eindruck. Nur die Frage nach der Körbchengröße, die der Prinz ihm wieder stellen würde, blieb ungeklärt, da er sich schlichtweg weigerte, die Leute danach zu fragen, das war einfach zu peinlich. In dieser Hinsicht hatte er auf das Bild gehofft, doch der Busen war leider nicht mit auf dem Porträt gewesen. Das würde ihm wieder mal einen Rüffel vom Prinzen eintragen, aber ihm war das im Moment sowieso herzlich egal. Er hoffte nur, dass er vielleicht noch eine Mahlzeit abbekam. Und Will hatte durchaus Glück, es gab noch etwas zu Essen für ihn und so fühlte er sich schon wesentlich besser, als Ludwig nun endlich die Ergebnisse seiner Recherche zu wissen verlangte. Wills Bericht fiel sehr zur Zufriedenheit des Prinzen aus und Will freute sich, dass der Prinz offenbar nicht bemerkt hatte, dass er den Punkt 'Körbchengröße' einfach großzügig in seinem Bericht ausgespart hatte.
  Da es noch nicht zu spät war, beschloss man noch heute beim König und der Königin vorzusprechen. Der Empfang, der der kleinen Reisegruppe in dem großen und herrschaftlichen Schloss gemacht wurde, war sehr herzlich und das Königspaar begrüßte Ludwigs Wunsch die Prinzessin, Amelie mit Namen, kennen zu lernen. Während der Prinz also mit den Eltern der Prinzessin nach oben geleitet wurde, begann für Wilhelm und Dorothea wieder einmal die Phase des stundenlangen Wartens und Sich-die-Zeit-vertreiben-müssens. Als sich die Hexe in einen dicken Wälzer mit verschiedenen Zauberformeln zu allen möglichen Zwecken vergrub, beschloss Wilhelm auf eigene Faust, den Garten und das Außengelände des Schlosses zu erkunden. Nach ungefähr zehn Minuten kam er in den hübsch angelegten Schlossgarten. Hier gab es Blumen in allen erdenklichen Farben, hohe Bäume, unter die man sich an heißen Tagen wahrscheinlich mit Freuden legen würde und einen großen, tiefblauen See, auf dem Enten und Schwäne ihre Bahnen zogen. Ja, hier konnte er sich endlich ein wenig von dem ganzen Stress der letzten Tage erholen und dann würde es ihm sicherlich auch wieder besser gehen. Und diese seltsame Einbildungs-Sache war dann ein für alle mal vorbei... Mit diesem Gedanken setzte sich Will an das sonnenbeschienene Seeufer und war schneller eingeschlafen als man 'Körbchengrößenmessung' sagen konnte.
  Lui befand sich derweil ein paar Stockwerke weiter oben in einem Turm des Schlosses, das ihm gerade von der, wie er fand, wirklich bezaubernden Amelie gezeigt wurde. Gut, dass er Will immer herumfragen ließ. Sie sah wirklich hübsch aus und hatte ein nicht zu verachtendes Dekolleté. Obwohl er davon nichts erzählt hatte, musste Will wirklich darauf geachtet haben und ihm die Prinzessin mit diesem Hintergedanken so sehr ans Herz gelegt haben. 'So wünsche ich mir das!' war Ludwigs Gedanke, bevor ihm durch den Kopf schoss, dass er vielleicht lieber wieder der Prinzessin zuhören sollte. „Wenn Ihr nun einen Blick aus dem Fenster werft, Prinz Ludwig, habt Ihr einen wunderschönen Blick auf den Schlossgarten, den mein Vater eigens nach den Wünschen meiner Mutter und mir anlegen ließ. Der See wurde … wurde...ähm … ist … ist das nicht Euer Diener da unten? Der, der da so den Baum...“ „...“ Ein genauerer Blick aus dem Fenster und Ludwig sah es ebenfalls: Da unten stand tatsächlich Will und rüttelte wie verrückt an einem Baum herum. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Der Prinz fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Musste Wills seltsames Verhalten denn gerade hier und jetzt wieder zuschlagen? Gerade vor diesem Mädchen, vor dem er sich solch eine Peinlichkeit nicht erlauben konnte und wollte? Hier musste dringendst eine Lösung gefunden werden, denn ansonsten hatte Lui keine andere Wahl als ernsthafte Konsequenzen in Bezug auf seinen Diener zu ziehen. „Entschuldigt mich bitte, Prinzessin, ich bin so schnell wie möglich wieder bei Euch!“ Und mit diesen Worten stürmte der Prinz auch schon aus dem Raum. Als er gerade aus dem Schloss kam, passierte er auch die Kutsche, an die gelehnt Dorothea saß und ihr Buch studierte. Sie erhaschte die vorbeiziehende Gestalt Ludwigs aus dem Augenwinkel, ließ sofort ihr Buch fallen und folgte ihm. „Was ist denn los?“ fragte sie ein wenig außer Atem, denn Lui hatte einen sehr schnellen Schritt, bei dem Dorothea anfangs Mühe hatte, mitzuhalten. Die Frage blieb unbeantwortet, bis sie den Schlossgarten erreichten, wo nun auch die Hexe erblickte, was den Prinzen nur wenige Minuten zuvor aus seiner sehr anregenden Tour durch das Schloss gerissen hatte. „Er“ , sein Finger zeigte auf Wilhelm, „ist los!!“ Noch immer war Wilhelm damit beschäftigt den Baum zu schütteln, nur unterbrochen von den Pausen, in denen er die „Früchte“ seines Schüttelns aufzusammeln und zu stapeln schien. Wieder einmal war es wohl angebracht den armen Will aus seiner Umnachtung zu erwecken...
  Als er, kurz nachdem er sich an den See gesetzt hatte, die Augen aufschlug, fand Wilhelm sich an einem Ort wieder, der ihm nur zu bekannt vorkam. So langsam fand er die roten und gelben Blüten nicht mehr schön, sondern nervig. Schon wieder war er auf dieser vermaledeiten Zauberwiese gelandet. Das gab es doch einfach nicht, was war denn nur los mit ihm? Es blieb ihm wieder nichts anderes übrig, als den Fußspuren in der Wiesenerde zu folgen. Mal sehen, wohin sie ihn dieses Mal führen würden...vielleicht bekam er es ja jetzt mit sprechenden Zitronen zu tun... Mit seinen eigentlich ironischen Gedanken hatte er gar nicht so enorm falsch gelegen, stellte er fest, als er mitten auf der Wiese einen Apfelbaum erblickte. Resignierend fragte er sich schon, was die Äpfel ihm wohl zu erzählen oder zu befehlen hatten...und wirklich, der Apfelbaum samt Äpfeln begann zu reden: „Schüttle mich, schüttle mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif!“ Will atmete einmal tief durch und begann tatsächlich zu schütteln. Er begründete das für sich damit, dass er keine Lust darauf hatte, dass die Äpfel ihm damit ewig in den Ohren lagen. Immer dann, wenn er wieder viele Äpfel vom Baum herunter gerüttelt hatte, machte er eine kurze Pause, sammelte die Früchte auf und legte sie zu einem Haufen zusammen. Er war gerade fertig, als er spürte, dass er sich wieder von der Wiese entfernte und war in seinem Innern sehr dankbar dafür.
  Lui hatte genau wie beim letzten Mal an Wilhelm herumfuchtelt und gezerrt, bis dieser endlich wieder zu sich kam. Als er in das besorgte Gesicht von Dorothea und das wütende Gesicht des Prinzen blickte, fragte er nur: „Was hab ich diesmal gemacht?“ „Du hast mir meine kleine private Schlossführung ganz allein mit der Prinzessin versaut, indem du einen verdammten Baum im Schlossgarten geschüttelt hast wie ein Verrückter! Es ist mir echt egal, was du gedenkst gegen deine komischen Träume zu unternehmen, aber, verdammt, mach IRGENDWAS! Denn wenn das nicht besser wird, bin ich leider gezwungen mir einen neuen, halluzinationslosen Diener zu suchen!“ Das hatte gesessen. Nach diesen Worten rauschte der Prinz wütend davon und ließ seinen "Noch-Diener" und Dorothea allein. Es dauerte einen kleinen Moment, bis der geschockte Will seine Sprache wiederfand. „Was soll ich denn nur machen?“, fragte er die Hexe in einem Ton, in dem die Verzweiflung nur zu offensichtlich mitschwang und rutschte mit dem Rücken an dem Baum herunter, den er bis eben noch gerüttelt hatte. Dorothea hockte sich neben ihm auf die Wiese, tätschelte ihm die Schulter und gab Wilhelm wieder ein wenig Hoffnung: „Die letzten Tage und Nächte habe ich viel über Halluzinationen und Träume nachgelesen und wie man sie hervorrufen und beeinflussen kann. Vielleicht kann ich dir bei deinem Problem helfen...“ Wilhelm wusste nicht recht, ob er eher Hoffnung oder Angst haben sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)