Nothing And Everything von -Moonshine- ================================================================================ E l e v e n ----------- Eine sich leise schließende Tür weckte mich, aber ich wagte es noch nicht, die Augen zu öffnen. Hinter meinen roten Augenlidern erahnte ich das morgendliche Sonnenlicht, aber ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Ich war mir der fremden Laken, des fremden Kissens, des fremden Bettes und des fremden Zimmers sehr wohl bewusst, und während ich so mit geschlossenen Augen dalag, damit die Realität mich nicht einholte, bevor ich für sie bereit war, überschlug ich kurz in Gedanken die letzten Geschehnisse. Ich hatte mit meinem Chef geschlafen. Dem gefühlskalten Mr. Cooper, der eigentlich gar nicht so gefühlskalt war. War das nun gut oder schlecht? Einerseits war er mein Boss und ich war für seine Kinder verantwortlich. Wie sollte ich das den dreien erklären? Er bezahlte mich für meine Arbeit- und das könnte auf Dauer zu vielen Missverständnissen führen. Andererseits aber war er ein erfolgreicher, attraktiver und pflichtbewusster Mann - und ein Knaller im Bett. Ich seufzte, entschied mich weder für die eine, noch für die andere Seite, und stellte fest, dass ich ihm gar nicht mehr kritisch gegenüberstand. Ganz im Gegenteil... wenn ich über ihn nachdachte, war da plötzlich so etwas Weiches... etwas... Sentimentales. Gefühle. Ich schluckte und schlug die Augen auf. Gefühle. Das konnte niemals gut gehen. Das Schwierigste war es, aus dem Zimmer zu schleichen. Wenn die Kinder mich sahen - sie würden sonst was denken. Tolles Vorbild, das ich da war. Gestern hielt ich Maddy noch Predigten über Jungs und das Küssen und ein paar Stunden später werfe ich selbst alle Bedenken über Bord. Ich öffnete die Tür einen Spalt breit und lugte heraus. Niemand war zu sehen. Von unten hörte ich Stimmen aus dem Fernseher, vermischt mit Nicky's hellem Aufschrei und Simon’s "Aua!". Sie waren also alle unten. Außer vielleicht Mr. Cooper - Jack -, also schlich ich mich schnell heraus, nachdem ich meine Schlafsachen eingesammelt hatte, und unterzog mich im Bad einer schnellen Katzenwäsche. Als ich den Fuß auf die Treppe setzte, begann mein Herz höher zu schlagen. Heute war ein ganz normaler Tag. Es war hell, nicht mehr Nacht. Wir waren nüchtern, nicht mehr angetrunken. Mr. Cooper hatte mir seine persönliche Lebensgeschichte erzählt, was ihm bestimmt viel Überwindung und Mut gekostet hatte. Und dann hatte er mich geküsst. Und dann... Aber jetzt, jetzt sah alles anders aus. Im grelllen Licht des Tages fühlte sich alles nur noch... seltsam an. So fremd. Aber zugleich so aufregend. Was würde ich zu ihm sagen? Was er zu mir? Wie würde es weitergehen? Nach vergangener Nacht konnte ich nicht anders, als mir einzugestehen, dass ich wie auch immer geartete Gefühle für Mr. Cooper hegte. Und nach gestern Nacht hatte ich auch eine Ahnung, wie diese Gefühle aussahen. Das machte mir Angst. Er war mein Chef - aber andererseits war er auch Jack. Und es war sicher nicht in seiner Rolle als mein Chef, in der er mit mir geschlafen hatte. Seine private Seite, dieses Verletzliche, zugleich aber Starke, leichte Verzweifelte, aber Entschlossene an ihm - das machte ihn unglaublich menschlich - und mich unglaublich an. Ich nahm all meinen Mut zusammen und stieg die Stufen hinab. Ein Blick in das Wohnzimmer signalisierte mir, dass Nicky und Simon fernsahen. Sie schienen sich beruhigt zu haben, oder aber sie hatten sich so gestritten, dass sie kaum mehr miteinander redeten, jedenfalls waren sie ruhig. Ich hielt den Atem an, als Mr. Cooper aus der Küche trat. Er hatte seine Frühlingsjacke umgeworfen, trug eine Jeans und einen schwarzen Pullover. So leger gekleidet hatte ich ihn noch nie gesehen. Er sah aus, als ob er wegfahren wollte, denn in seiner Hand klimperten die Autoschlüssel. Er hob den Kopf und sah mich. Plötzlich schaute er zutiefst ertappt und betroffen drein und wandte sich von meinem Anblick ab. Sein Blick signalisierte mir nichts Gutes. Ich ahnte zu wissen, was jetzt passieren würde. Eine innere Stimme flüsterte es mir zu. Ein flaues Gefühl setzte sich in meinem Bauch fest und mein Magen begann zu rumoren. Aber schlimmer als alles war das Herz, das sich wie krampfhaft zusammenzog. Schmerzlich. "Anna..." Er räusperte sich. "Guten Morgen." Er konnte mir kaum in die Augen sehen. Es war ihm offensichtlich total unangenehm. "Ich... kann ich Sie bitte in der Küche sprechen?" Er drehte sich um und ich folgte ihm schweigend. Alles in mir wappnete sich auf das Kommende. Alle Schutzwände wurden hochgefahren, alle Erwartungen fallen gelassen. "Schauen Sie..", begann er peinlich berührt. "Das gestern, das war..." Er warf mir einen Blick zu. "Mir tut das unglaublich leid. Ich habe mich hinreißen lassen und dafür möchte ich mich aufrichtig entschuldigen. Was passiert ist, ist ein Fehler gewesen und es ist selbstverständlich alles meine Schuld. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut." Alles, was ich erwartet hatte, war nicht so schlimm wie das, was ich da von ihm zu hören bekam. Sämtliche Schutzwälle reichten nicht aus, um das zu verdauen. Ich starrte Mr. Cooper nur ausdruckslos an. Es war ein Fehler.... konnte jemand noch verletzender sein? Er nahm die Schuld auf sich - die Schuld! Als ob es ein Verbrechen gewesen wäre. Als sei es... falsch gewesen... Ich weiß nicht, ob mein Schweigen ihn nervös machte oder ihn dazu ermutigte, fortzufahren mit dieser Farce. Vielleicht interpretierte er es als stille Zustimmung. Ganz bestimmt dachte er nicht daran, dass ich ihn möglicherweise mochte. Wie sollte er auch? Er hatte keine Ahnung! "Verstehen sie mich nicht falsch... Sie sind eine, äh, sehr attraktive, äh, Frau. Aber... na ja... Ich fahre Maddison abholen-" Ich machte den Mund auf, um ihm zu widersprechen - Maddy abzuholen war ja mein Job gewesen -, aber er kam mir zuvor. "Ich hatte sowieso Zeit und... nehmen Sie sich doch einfach die Woche frei. Ich habe mir heute früh Urlaub genommen und vielleicht..." Er beendete den Satz nicht, starrte aber geradeaus an mir vorbei. "Nächste Woche können Sie eine Stunde später anfangen. Ich werde die Kinder zur Schule bringen. Sie ähm... Ich lege Ihnen den Schlüssel unter den Blumenkübel." Ein kurzes, peinliches Schweigen folgte. Er wollte mich nicht mehr sehen. Ich sollte mir Urlaub nehmen. Ich sollte später kommen. Wenn er längst außer Haus war. Er wollte mir nicht einmal mehr begegnen. Und seine Haltung vorhin ließ sich nur so interpretieren, dass er abhauen wollte, noch bevor ich ihn zu Gesicht bekam. Oder er mich. Noch nie, niemals in meinem Leben, war ich so schmachvoll von einem Mann abgeblitzt worden - ach was - abgeschmettert! Dazu aber von einem Mann, der offensichtlich keine Ahnung hatte, was er mit seinen - vermutlich - gut gemeinten Worten alles anrichtete. Zu spät bemerkte ich, dass er mich fragend musterte - beunruhigt sogar - und auf eine Antwort wartete. Eine positive Antwort. "Toll", erwiderte ich matt, ihm zuliebe. "Urlaub." Er lächelte erleichtert, ganz kurz nur. Wahrscheinlich fühlte er sich, als hätte er zumindest etwas von seinem schlimmen Fehler von gestern Nacht wieder gutmachen können. Dann drehte er sich um, murmelte einen Abschiedsgruß und ging. Ließ mich allein und verloren in seiner Küche. Orientierungslos sah ich mich um und mein Blick fiel auf die Morgenzeitung auf dem Tisch und die leere Kaffeetasse. Wie automatisch setzte ich mich in Bewegung, faltete die Zeitung zusammen und stellte die Tasse in die Spüle. In meinem Kopf hämmerten unaufhörlich seine Worte. "Es war ein Fehler. Ich nehme die Schuld auf mich." Dann schnappte ich plötzlich nach Luft, als erreichte die Bedeutung jetzt erst mein Gehirn. War das nicht eine Unverschämtheit? War das nicht dreist? War es nicht... einfach traurig? War es nicht Ironie des Schicksals? In nur ein paar lausigen Stunden zu erkennen, wen man liebte, ihn haben zu können und ihn dann wieder zu verlieren? Das war mein Rekord - bisher. Ich schnappte mir meine Jacke und meine Tasche und flüchtete aus dem Haus. Ich glaube nicht einmal, dass Nicky und Simon es mitbekommen hatten. Mir fiel jetzt nur eine einzige Person ein, die ich in diesem Moment sehen wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)