Nothing And Everything von -Moonshine- ================================================================================ T w o ----- Es wird Zeit, zu erzählen, was passiert war: gar nichts, so einfach ist das. Ich ging zur Schule, machte meinen Abschluss, ging auf's College, machte meinen Abschluss, ging arbeiten, mein Arbeitgeber ging pleite, ich wurde gefeuert - und das war nun die Stelle, an der etwas hätte passieren müssen. Doch das tat es nicht. Es war schwer, in New York einen Job zu finden, für den man nicht über- oder unterqualifiziert war. Tag und Nacht kellnern? Nein. An der Wall Street arbeiten? Nein. Die würden mich nur auslachen. Ein Job musste her, und zwar dringend. Einer, bei dem ich wenigstens nachts über zu Hause schlafen konnte. Und so kam ich auf das hier. "Eine Haushaltshilfe gesucht" lautete das Inserat, und ich glaubte es. Ein Wunder nur, dass Mr. Cooper mich eingestellt hat, wenn er doch nur nach einem Babysitter gesucht hatte - ich hatte weder Referenzen noch irgendwelche Erfahrung mit Kindern vorzuweisen. Und ich wusste ja auch nicht, dass ich das hätte tun müssen, als ich mich zum Vorstellungsgespräch meldete... Tja, man sieht, bekam ich den Job trotzdem. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder ärgern sollte. Den ganzen Tag aufräumen, Matheaufgaben lösen, kochen, aufräumen, jemandem hinterher wischen, aufräumen. Aber hey. Wenigstens schlief ich nachts in einem eigenen Bett. Und zwar wie tot. Wie jeden Vormittag kümmerte ich mich um das Haus. Obwohl ich hier nicht wohnte, liebte ich diese Straße mit den alten Reihenhäusern aus rötlich-braunem Sandstein, die hohen Treppen, die zu den Haustüren führten, mit ihren schwarzen, verzierten Geländer, dem vielen Grün in der Gegend und der eher ruhigen Verkehrslage. Und das alles mitten in Brooklyn, New York, wer hätte das gedacht? Die Requisiten des Frühstücks entfernen, spülen, die Küche putzen. Die Kinderzimmer ließ ich Nicky, Simon und Maddy immer selbst aufräumen, schließlich sollten sie bei mir auch etwas für's Leben lernen, mit den Fenstern beschäftigte ich mich nur einmal die Woche, es sei denn, es war dringend notwendig, Staub wischte ich jeden zweiten Tag. Um die Wäsche musste ich mich auch kümmern, ebenso bügeln, und das nahm eigentlich die meiste Zeit in Anspruch. Natürlich noch Staub saugen und die Holzdielen wischen, die unangenehmste Tätigkeit - ich robbte nur ungern auf allen Vieren auf dem Boden herum und schrubbte mir einen Muskelkater an, aber was sein musste, musste eben sein. Dann natürlich: kochen. Gott sie dank blieben die Kinder bis nachmittags in der Schule und bekamen dort etwas zu Mittag, deshalb war ich nur für das Abendessen zuständig. Ich wurde erst entlassen, nachdem der Tisch gedeckt und Mr. Cooper nach Hause gekommen war, denn zu Abend wurde immer im Kreis der Familie gegessen, genauso wie beim Frühstück auch. Während sie also reinhauten, verkrümelte ich mich nach Hause, schmiss mich ins Bett und schlief ein, noch während der Fernseher lief. Privatleben? Fehlanzeige. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass ich samstags und sonntags immer frei hatte. Na gut - meistens. Es sei denn, Jack Cooper hatte etwas Dringendes im Büro zu erledigen, was bis Montag nicht warten konnte. Aber das war bis jetzt nur zwei Mal vorgekommen, was angesichts der Tatsache, dass ich seit zweieinhalb Monaten hier arbeitete, eine Quote von 20% war. Damit konnte ich leben, vor allem deshalb, weil ich ja sowieso nicht nein sagen konnte. Freunde, fragt man sich dann? Klar hatte ich Freunde. Die Art von Freunden, die man schon seit halbes Leben lang kennt und mit denen man die erste Liebe, den ersten Korb, den ersten Liebeskummer und alles, was danach noch so alles kommt, durchmachte. Was danach kommt, ist natürlich noch mehr Liebeskummer, nur dass man irgendwann erwachsen geworden zu sein scheint, oder es zumindest von einem erwartet wird, und noch andere Probleme hinzukommen wie Arbeit, Heiraten, Kinder, Umzüge, Scheidungen, unheilbare Krankheiten, Tod der Eltern, und so weiter, und so fort. Tja, und das erklärte auch den Verbleib meiner Freunde: sie hatten alle viel zu tun und während ich Glückspilz mich nur mit einer Option herumschlug - Arbeit - hatte es manche von ihnen knüppeldick erwischt. Ray war gerade mit seiner neuen Flamme auf Hawaii, während sich seine Bald-Ex-Frau mit Anwälten und Scheidungspapieren herumschlug, die Kinder versorgen und nebenbei noch Geld verdienen musste. Ich kannte beide vom College und da waren sie schon seit Jahrhunderten ein Paar gewesen. Tja, nichts hält ewig. Laura hatte einen neuen Freund - und sie verbrachten Tag und Nacht zusammen. Wenn man sie zu einem gemütlichen Videoabend einlud, schleppte sie ihn mit, als hätten sie sich beide in eine einzige Person verwandelt. Irgendwann habe ich aufgehört, sie einzuladen, und sie meldete sich auch gar nicht mehr. Da ihre Beziehungen nie lange hielten, nahm ich an, sie würde bald anrufen. Kelly's Dad war vor kurzem gestorben, weshalb sie sich jetzt intensiv um ihre senile Mutter kümmerte - Kelly's Eltern waren schon älter gewesen, als sie geboren wurde. Das fand ihr Freund allerdings alles andere als prickelnd und schlug eine Beziehungspause vor. Was das heißt, wissen wir ja alle, und nun verbrachte Kelly den ganzen Tag damit, sich um ihre Mutter zu kümmern, die nicht in ein Pflegeheim sollte, und die ganze Nacht damit, sich die Augen auszuheulen. Julie war gerade voll und ganz in die Hochzeitsvorbereitungen vertieft - allerdings nicht in ihre eigenen, sondern in die von ihrem Bruder Steve, der ein kleiner, liebenswerter Idiot ist, der nichts auf die Reihe kriegt. Also hat seine Braut ihn abgeschoben und sich stattdessen seine Schwester geschnappt - natürlich nur, um die Hochzeit zu planen. Julie steht nämlich nicht auf Frauen, und ich bin mir fast sicher, Steve's Zukünftige auch nicht. Blieb also nur noch das Telefon als Kommunikationsmittel und ich erfuhr zumindest etwas von Kelly und Julie, da alle anderen entweder keine Zeit hatten oder aber Männer waren. So durfte ich mir Julie's Begeisterung und Schwärmereien über Brautkleider, Sahnetorten mit Zuckerguss und alte Gebäude, in denen möglicherweise die Hochzeit stattfinden würde, anhören, genauso wie Kelly's herzerweichende, aber nach einiger Zeit auch deprimierende und nervtötende Litanei, wie schlimm die derzeitige Situation war und wie alles nur so schrecklich aus dem Ruder laufen konnte. Das war allerdings etwas, was ich mich von Zeit zu Zeit auch fragte. Etwa gegen Mittag - ich war gerade vollkommen versunken in mein tagtägliches Selbstmitleid, das mich während des Putzens immer einholte -, hörte ich die Haustür ins Schloss fallen. Erschrocken fuhr ich zusammen. Jeder andere würde natürlich an einen Einbrecher denken oder sonst was, aber mein erster Gedanke galt der Möglichkeit, dass Mr. Cooper früher von der Arbeit nach Hause gekommen sein könnte - sehr viel früher! Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich stellte mich gerade hin, steif auf die Küchentür starrend, doch es war nur Simon, der mit langem Gesicht hereintrat und mich nicht einmal begrüßte. Erleichtert und besorgt zugleich entspannte ich mich wieder. "Simon, mein Gott, hast du mich erschreckt. Was machst du so früh schon zu Hause?" Selbst wenn Unterricht ausgefallen wäre, war es den Schülern nicht gestattet, vor zwei Uhr nachmittags nach Hause zu gehen. Sie sollten stattdessen ins Computerzentrum oder zur Betreuung. "...suspendiert...", nuschelte er, doch ich konnte nur dieses eine Wort verstehen. "Wie bitte?" "Sie haben mich suspendiert", wiederholte er, diesmal lauter und zorniger. Ich erstarrte schon wieder. "Was? Aber... warum?" Ich wollte noch mehr fragen, aber ich hielt den Mund, um ihn selbst erzählen zu lassen. Doch Simon zuckte nur mit den Schultern und setzte sich an den Tisch, hielt mir einen weißen Umschlag mit dem Schulsiegel hin, den er die ganze Zeit in der Hand gehabt hatte. "Äh.... der ist doch sicher für deinen Vater", protestierte ich, nur allzu neugierig, was da wohl drinstehen mochte. "Den haben sie schon angerufen", murmelte er missmutig und verzog genervt das Gesicht, stur auf einen Punkt starrend. "Oh." Mir fiel nichts ein. Das war das erste Mal, dass ich mich in dieser Situation befand. Was sollte ich machen? Was sollte ich sagen? Es gab eigentlich nur eins: "Oh-oh..." Würde Mr. Cooper sauer auf mich sein, dass ich das zugelassen hatte? Aber was hab ich überhaupt zugelassen? Würde er mich feuern?! Wortlos nahm ich den Umschlag und riss ihn auf, warf einen kurzen Blick auf den Inhalt und legte ihn wieder beiseite, schaute Simon bedauernd an. "Du hast dich geprügelt? Warum?" "Er ist'n Arschloch." Kurz und prägnant. "Simon!", rief ich vorwurfsvoll. Wenn sein Vater hörte, dass er solche Ausdrücke benutzte, war ich geliefert! "Ja, aber es ist so", beharrte der Junge trotzig. "Und er hat mich beschimpft." Ich ließ mich ihm gegenüber nieder und seufzte. "Und dann?" Er zuckte mit den Schultern, als würde es ihn nicht im geringsten angehen. "Dann hab ich ihn zurückbeschimpft." Da kann kaum die ganze Geschichte gewesen sein... "Und dann?" "Dann hab ich ihn geschubst." "Aha." "Dad wird mich umbringen." Das war eine reine Feststellung, aber es war so ziemlich dasselbe, was ich in diesem Moment auch gedacht hatte. Und mich auch, fügte ich in Gedanken hinzu. Eine Weile lang saßen wir schweigend am Küchentisch und harrten der Dinge, die da kommen mochten, doch es passierte nichts, also stand ich wieder auf und seufzte, öffnete den Kühlschrank, um Butter und Eier herauszuholen. Auf der Anrichte lag schon die Schokolade bereit. Ich nahm die Tafeln und legte sie vor Simon auf den Tisch, während ich nach Schüssel und Rührbesen kramte. "Wir backen Cookies", verkündete ich auf seinen fragenden Blick hin, platzierte die Schüssel ebenfalls auf dem Tisch und gab ihm Schneidebrett und Messer. "Du darfst die Schokolade zerhacken. Aggressionen rauslassen und alles." Nur zögerlich langte er danach; sein Gesichtsausdruck verkündete mehr als nur bloße Skepsis. "Weiberkram", murmelte er, machte sich aber dennoch daran, die Schokolade aufzureißen und mit dem Messer zu bearbeiten. So verbrachten wir die Mittagsstunden, ohne viel Reden, dafür aber mit viel Backen. Ab und zu stellte ich eine Frage oder Simon sagte etwas von sich aus - ich wollte ihn nicht drängen, endlich den Mund aufzumachen - und auf diese Weise erfuhr ich, dass er für die nächsten zwei Tage suspendiert war - bis einschließlich Freitag also -, von dieser Tatsache aber ganz und gar nicht angetan war. Ich wäre an seiner Stelle begeistert gewesen! Zwei Tage schulfrei, und das auch noch ganz legal! Aber das hier war eine andere Welt. Jeder versäumte Tag hinterließ eine Brandmarke, die besagte: du bist ein Versager. Du hast es nicht drauf. Du fällst durch. Und für einen zwölfjährigen Jungen war das sicherlich keine leichte Last zu tragen. Nach sechs Backblechen - was zwar viel klingt, aber im Grunde fast gar nichts ist -, verzog er sich auf sein Zimmer und ich machte eine kleine Mittags- und Fernsehpause, behielt jedoch stets im Hinterkopf, dass ich noch den Lieferservice würde anrufen müssen, um ein elegantes Abendessen zu ordern. Kein Wunder also, dass ich nervös war - ein elegantes Abendessen belief sich bei mir auf Käsemakkaroni mit Billigrotwein und ich hatte so die leise Ahnung, dass das hier nicht auf große Begeisterungsstürme stoßen würde. Also, was servierte man einem reichen, anspruchsvollen Mann, der seiner Freundin das erste Mal seine Familie vorstellte? Hummer? Lachs? Kaviar? Zu gewöhnlich, zu abgedroschen... Nudeln kamen auch nicht in Frage, ganz zu schweigen von irgendwelchen Kartoffelgerichten. Trotzdem wurde von mir erwartet, ein anständiges Menü zusammenzustellen und die Cateringfirma damit zu beauftragen. Oder sollte ich einfach...? Ich wischte die Gedanken an meine weitere Tagesplanung beiseite und versuchte, mich auf die sinnlose Comedyserie zu konzentrieren, solange ich noch die Zeit dafür hatte. Heute Abend würde ich wieder wie tot ins Bett fallen, also waren sinnlose Comedysendungen am Nachmittag wohl das mindeste, was ich mir gönnen konnte. Wie ein Wirbelsturm, der plötzlich über einen kam, stürmte Nicky herein, ihre kleine Schwester im Schlepptau. In ihrer vollen Größe - was nicht halb so beeindruckend wirkte, wie sie wahrscheinlich dachte - baute sie sich vor mir auf, die ich gerade am Küchentisch hockte und eifrig telefonierte - vier Kataloge vor mir aufgeschlagen und mit den Nerven kurz vor dem Ende der Spätschicht. Dabei war es erst 16 Uhr! "Warum hast du mir nicht sofort Bescheid gesagt?", meckerte sie mich sogleich vorwurfsvoll an und warf mir ebensolche Blicke zu. Da ich sowieso in der Warteschleife hing, konnte ich mich auch ebenso gut mit ihr unterhalten - worüber auch immer. "Weswegen?" Sie rollte genervt die Augen. "Na, wegen Simon! Und seiner Suspendierung! Ich habe es von meinem Klassenlehrer erfahren, erst hinterher!" Ich war verwirrt. "Und wieso hätte ich dich informieren sollen?" Nicky war sichtlich erbost über meine Ignoranz und Einfalt - ich konnte es an ihrem Blick erkennen. Ich wusste sogar, was sich jetzt gerade in ihrem Kopf abspielte, denn ihre Gedanken waren so einfach zu lesen, waren ihr sofort in ihr hübsches Gesicht geschrieben, egal, wie sehr sie es zu verstecken suchte. Sie hielt mich für ahnungslos und nicht selten hatte ich mir schon anhören müssen, wie wenig ich über diese Welt - ihre Welt - und diese Art zu leben wusste. Na klar, ich war ja nur eine dumme Hausmagd. Was wusste ich schon? "Hör zu, Nicks", versuchte ich sie zu besänftigen, "das Ganze geht nur Simon und euren Vater etwas an, also lass ihn bitte in Ruhe damit, okay?" Der Arme tat mir sowieso schon leid, dass er auch noch die Erziehungsmethoden seiner nur um zwei Jahre älteren Schwester ertragen musste! "Es ist nur eine Suspendierung", hängte ich - zu meinem Leidwesen, wie ich später feststellen musste - dran und zuckte desinteressiert mit den Schultern. Alle machten so ein großes Aufhebens darum, dass es langsam anstrengend wurde. Nicky schnaubte, ganz so, als fehlten ihr die Worte, doch ich wurde immer wieder eines Besseren belehrt. "NUR eine Suspendierung! Annie, das ist eine wirklich schlimme Sache und darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden!", ermahnte sie mich todernst und stemmte die Hände in die Hüften. Auf die leichte Schulter genommen? Woher hatte das Mädchen nur solche hochtrabenden Ausdrücke? Ich konnte mir ein leises Kichern nicht verkneifen, woraufhin ich einen höchstbeleidigten Blick erntete. "Was ist so lustig?", presste sie halb verunsichert, halb empört, hervor. Ich grinste. "Du bist 14 und klingst wie 41." Das war gemein - aber so war Nicky nun mal. Sie dachte, sie hätte hier das Sagen und müsste auf alles aufpassen, nur, weil sie die Älteste war. Darüber vergaß sie aber vollends, das vierzehnjährige Mädchen zu sein, das sie letztendlich war. Und ich war der Meinung, sie musste sich einfach mal ein wenig entspannen, denn diese aufgesetzte Ernsthaftigkeit bekam ihr gar nicht gut, machte sie mürrisch, traurig. Als lastete die Welt auf ihren Schultern, die ganze Verantwortung. Sie knurrte irgendetwas - ich war mir sicher - Unflätiges und setzte schon wieder an, etwas zu sagen, als sich am Telefonhörer, den ich mir zwischen Ohr und Schulter geklemmt hatte, jemand meldete. Etwas aus dem Konzept gebracht, da ich über die Unterhaltung mit Nicky schon beinahe vergessen hatte, was ich eigentlich ursprünglich wollte, setzte ich mich gerade hin und stammelte ein paar unbeholfene Worte in den Hörer, kramte in den Zeitschriften vor mir herum, bis ich endlich die Richtige vor mir liegen hatte. Nicky hatte ich schon längst vergessen und bemerkte nur noch abwesend, wie sie sich murrend verzog, nicht, ohne mir einen letzten, grimmigen Blick zuzuwerfen. Maddy, sich bislang eher im Hintergrund haltend, gesellte sich zu mir, während ich der recht schnippischen Dame am Telefon meine Vorstellungen eines Dinners schilderte, und nahm sich einen Keks, die ich auf einem Teller drapiert hatte. Schweigend aß sie und wartete geduldig, bis ich das Gespräch beendete und den Kopf verzweifelt in beide Hände stützte. Ich hatte erreicht, was ich wollte - aber ich brauchte dringend Urlaub. Die ganzen Menschen um mich herum schienen in den geheimen Club eingetreten zu sein, dessen offiziell erklärtes Ziel es war, mich in die Klapse einweisen zu lassen. Ich kann euch sagen, ich war ganz kurz davor! "Annie?" Ich blickte auf. "Ja?" Maddy runzelte die Stirn. "Was ist mit Simon? Nicky hat gesagt, er darf nicht mehr zur Schule, stimmt das etwa?" Besorgt sah sie mich an. Ich schüttelte den Kopf und rang mir ein müdes Lächeln ab. "Nein, nein. Es ist nur für zwei Tage, weil er ein wenig... na ja, über die Stränge geschlagen ist...", versuchte ich ihr behutsam begreiflich zu machen. "Nicky hat gesagt, er hat Mist gebaut", erklärte sie es in absolut kindlicher Einfachheit. "Äh... ja. Genau." Sie setzte wieder ein ernstes Gesicht auf, das so gar nicht zu ihren neun Jahren passte. "Ist das schlimm? Kriegt er jetzt Ärger?" Ich überlegte hin und her. Ich war mir sicher, dass Simon Ärger bekommen würde, aber wie sollte ich das Maddison klarmachen, ohne sie zu ängstigen? Doch ohne auf meine Antwort zu warten, zog sie bereits ihre eigenen Schlüsse. "Glaubst du, Daddy wird..." Sie wurde leiser. "Na... du weißt schon..." Mit vor Angst geweiteten Augen sah sie mich flehend an. Ich bekam ein ungutes Gefühl. "Nein... was?", wollte ich alarmiert wissen und versuchte, die Bilder und Gedanken in meinem Kopf der Logik unterzuordnen, die anscheinend dabei war, sich schleunigst zu verziehen. Was würde Mr. Cooper tun?! "Ach...", murmelte Maddy und wandte den Blick schnell von mir ab, als hätte sie ein schlechtes Gewissen, zu viel gesagt zu haben, "nichts..." Schnell sprang sie vom Stuhl und erklärte mir, dass sie noch Hausaufgaben machen müsste, und dann ließ auch sie mich alleine in der Küche sitzen. Doch ihre Worte beunruhigten mich zutiefst. Was würde Mr. Cooper tun? Was meinte Maddy mit "du weißt schon"? Ich wusste gar nichts! Aber konnte es sein, dass die Kinder nicht umsonst solche Angst vor ihrem Vater hatten? Nein! Daran konnte und wollte ich nicht denken... Und ich versuchte wirklich, den ganzen restlichen Tag über, es nicht zu tun... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)