Black Cat: Charon von Mr-F ================================================================================ Mr. Smith --------- Unbewusst befingerte Linslet Walker immer und immer wieder ihre Handtasche. Ohne die 9mm in der Tasche hätte sie dieses Viertel von Stranger City niemals betreten. Die Banden die es beherrschten waren viel zu stark, als das die Polizei der Megacity etwas gegen sie hätte ausrichten können und zu unwichtig, um Kronos auf dem Plan zu rufen. Die junge Frau mit den eigentlich violetten Haaren und den blonden Toupet wusste um ihre Wirkung auf Männer – und auf Verbrecher. Während sie durch die dunklen, nach Urin stinkenden Gassen lief, langsam, unauffällig; ging sie in Gedanken noch einmal ihren Auftrag durch: Einer Bandenbosse hatte eine CD-Rom mit brisanten Daten über den Bürgermeister gestohlen – und sie sollte sie zurückstehlen. Ein einfacher, gutbezahlter Job, würde er sie nicht in eine solche Gegend treiben, dachte Linslet zum unzähligsten Male. Es fröstelte ihr, als sie plötzlich eine Bewegung hinter sich spürte. Blitzschnell zog sie die Waffe aus der Handtasche und drehte sich um, doch da war nichts. Wahrscheinlich nur eine streunende Katze, beruhigte sie sich und steckte die Pistole wieder ein. Bei den Gedanken dachte sie an Train. Wieso hatte sie Heartnet eigentlich nicht mitgeschleift? Er und Sven wären hervorragende Bodyguards gewesen… Schließlich erreichte sie den Wolkenkratzer, in dem der Boss sein Penthouse hatte. Im obersten Stock, wo denn sonst. Helles Licht strahlte aus dem Foyer durch die Glastür auf die Straße hinaus. Linslet atmete tief durch, straffte sich innerlich und trat ins Warme. Der Raum war groß, blitzblank geputzt und so gut wie leer. Hinter einem ebenso glänzenden Tresen stand ein Mann im Anzug, der sie bereits gesehen hatte. „Madame; dieses Haus hier gehört Mr. Smith. Hier haben nur autorisierte Personen zutritt. Wenn ich Sie also bitten dürfte…“ Linslet spürte sofort, dass hinter der ausgesuchten Höflichkeit ein eiskalter Killer steckte, der schon mehr als einmal getötet hatte. „Nun, Mister, zufällig gehörte ich zu diesen „autorisierten Personen“ .– Ich bin Journalistin und will Mr. Smith über den Kindergarten interviewen, den er gestiftet hat.“, antwortete sie betont lässig. Doch so einfach war es nun auch wieder nicht: „Wenn Sie mir bitte Ihren Presseausweis zeigen würden?“ „Natürlich. Warten Sie, ich suche ihn schnell heraus.“ Sie zog ihre Geldbörse aus der Handtasche und holte den (gefälschten) Presseausweis heraus, den sie vom Bürgermeister erhalten hatte. Sie hoffte er würde der strengen Prüfung ihres Gegenübers standhalten. „Alles in Ordnung, Madame Bouvier. Mr. Smith ist derzeit nicht anwesend, aber Sie können in seinem Büro auf ihn warten, wenn Sie etwas Zeit haben. Es liegt im 10. Stockwerk.“, erklärte der Mann. „Aber schleichen Sie nicht durch das Gebäude. Die Wächter hier im Haus sind nicht alle so… höflich wie ich.“ Linslet schenkte ihn ein Auf-so-eine-Idee-würde-ich-doch-niemals-kommen-Lächeln, und wandte sich dann in Richtung Aufzüge, die sich direkt gegenüber dem Eingang des Gebäudes befanden. Erst als sich die Aufzugstüren vor ihr schlossen, wagte sie es durchzuatmen und den Knopf für das 20. Stockwerk zu drücken. Eigentlich, dachte sie sich, konnte ja jetzt nicht mehr viel schief gehen… Doch schon als sich die Türen des Lifts wieder öffneten, erkannte sie ihren Irrtum: Zwei Männer flankierten die Tür, die sich am anderen Ende des kurzen Korridors, der sich vor Linslet ausbreitete und zum Penthouse führte, befand. Sie konnte sich glücklich schätzen, die Wachen überrascht zu haben, denn die erste Salve aus den hastig gezogenen Pistolen kam zwar schnell, war aber ungezielt und zerstörte nur die Vasen, die zu ihren Seiten stand und ein wertvoll aussehenden Gemälde rechts von ihr. „Amateure“, murmelte die falsche Blondine und zog ihre eigene Waffe aus der Handtasche, während ihre Gegner hastig nachluden. Doch es war zu spät, denn auch wenn sie es nicht mit Train aufnehmen konnte, so war sich doch nichtsdestotrotz eine passable Schützin. Wenige Sekunden später lagen die beiden Wachen mit Schusswunden in ihren rechten Ellenbögen auf den Boden. „Ihr solltet doch eigentlich wissen, dass man Damen nicht so empfängt.“, sagte die Diebin, als sie an den Wachen vorbeischritt und das Schloss der Tür aufschoss. Eines musste Linslet „Mr. Smith“ lassen: Er hatte Stil: Sein gesamtes Penthouse war mit wertvollen Kunstgegenständen gespickt, ohne dass es übertrieben gewirkt hätte. Die Wände seines Arbeitszimmers waren mit Bücherregalen übersät; lediglich die Wand gegenüber der Tür bildete eine Ausnahme: Sie war ein einziges Fenster mit einer fantastischen Aussicht über die Stadt. Davor stand ein Schreibtisch mit einem ziemlich teuer aussehenden PC. Dort vermutete sie die CD-Rom. Ohne Hektik fingerte sie eine Taschenlampe aus ihrer Handtasche, schaltete sie an und suchte zu erst die Bücherregale ab. Sie wagte es nicht, die Hauptbeleuchtung an zu schalten; nichtsdestotrotz konnte eine genauere Untersuchung des Zimmers nicht schaden. Vielleicht fand sie sogar heraus, wer „Mr. Smith“ wirklich war, diese Info ließ sich bestimmt teuer verkaufen… Doch abgesehen von einigen alten, vergilbten und wertvoll aussehenden Bänden in einer ihr unbekannten Sprache, entdeckte sie nichts vom besonderen Interesse. Also trat sie an den Schreibtisch und öffnete einige Schubladen. Die ersten Beiden enthielten nur einige Steuerformulare, die für Linslet vollkommen undurchsichtig waren (sie selbst hatte sich mit der Thematik nicht beschäftigt), doch in der dritten fand sich ein kleiner Stapel CDs. „Bingo“ murmelte sie und startete den Computer. Während der hochfuhr, versuchte sie heraus zu finden, welche die richtige war. Ein Datenträger mit der Aufschrift „Charon“ erweckte ihre Aufmerksamkeit. Als das Betriebssystem (unvorsichtigerweise nicht Passwort geschützt) bereit war, legte sie die CD ein – und war erschrocken: Auf den Bildschirm öffneten sich von selbst mehrere Dateien gleichzeitig. Das meiste von dem was die Diebin sah, verstand sie kaum: Bilder von DNA-Ketten; Ausschnitte einzelner Gene, Reaktionsgleichungen. Doch zwei Dateien schienen interessant: Die erste enthielt detaillierte Aufzeichnungen über das Nanitenprogramm der „Apostel des Planeten“, mit dem Linslet bereits genug schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Am Ende befand sich der Kommentar: „Für uns nicht zweckdienlich“. Doch das, was selbst bei ihr die Nackenhaare aufstellen ließ, enthielt die zweite Datei: Offenbar hatte „Mr. Smith“ mehrere seiner Gegner gefangengenommen und an ihnen eine Art Super-Virus getestet. Alle von ihnen waren nach den Aufzeichnungen unter großen Schmerzen gestorben. Ein schrecklicher Verdacht keimte in ihre… Schnell nahm sie die CD an sich und untersuchte noch die anderen. Keine von ihnen enthielt, wie sie es befürchtete hatte, irgendwelche Daten über den Bürgermeister. Und wenn nicht noch irgendwo ein entsprechender Datenträger herumlag, so ließ das für Linslet nur einen Schluss zu: Der Bürgermeister wollte den Virus nur selbst in die Hände bekommen um damit wer weiß was anzustellen. Sie wollte gerade den PC herunterfahren, als plötzlich das Licht anging und eine unbekannte, kalte Stimme hinter ihr sagte: „Ah, Mrs. Walker. Ich dachte mir schon, dass Sie mich eines Tages hier besuchen würden. Und jetzt drehen Sie sich bitte langsam um. Und machen Sie keine unbedachten Bewegungen, meine Leute sind leider etwas… zittrig dieser Tage.“ Linslet machte, was man ihr gesagt hatte und sah sogleich ihre Vermutung bestätigt: Hinter einem älteren Mann mit bereits ergrauten Haar und einem kalten Lächeln auf den Lippen standen ein halbes Dutzend Wachen. Und alle richteten ihre Pistolen auf sie. „Mr. Smith, was für eine Überraschung. Hat Ihnen das Stück nicht gefallen? Wie auch immer, Sie müssen mich verwechseln. Meine Name ist Janet Bouvier und ich arbeite für…“ „HALTEN SIE MICH NICHT ZUM NARREN!“, schrie sie der Gangsterboss an. Linslet hatte sich bereits gedacht, das die Finte nicht funktioniert; aber dass seine Fassade von Zivilisation so dünn war, hätte sie nicht erwartet. „Ich weiß genau, wer Sie sind und vor allem was Sie sind.“, fuhr er nun schon ruhiger fort. „Und Sie wissen genau so gut wie ich, dass ich Sie jetzt nicht mehr gehen lassen kann. Leben Sie wohl, Mrs. Linslet Walker.“ Langsam drehte er sich um und wollte gerade den Befehl geben, Sie zu ermorden, als er plötzlich stehen blieb. Linslet konnte hören, dass seine Atmung schwerer wurde. Und dann brach er ohne scheinbaren Grund zusammen, genau wie die Männer um ihn herum auch. Drei Männer in schwarzen Anzügen traten ins Arbeitszimmer. Jener mit den grünen Haaren und einen Mitleidigen Gesichtsausdruck war anscheinend der Anführer. Die zwei Anderen, einer mit einem kleinen Dolch in der Hand und einer Merkwürdigen Maske auf dem Kopf und der dritte mit einem Spitzbart und mörderischen Augen folgten ihn. „Janus. Gott sei dank, dass du gekommen bist. Diese Männer wollten mich umbringen.“ Linslet war sofort klar, dass die drei Numbers nicht wegen ihr gekommen waren. Doch sie hoffte auf ihre Unterstützung, wenn sie an Janus Libido appellierte und das hilflose Mädchen spielte. „Soll ich sie liquidieren, Janus?“, fragte Baldur begierig, doch der der Angesprochene winkte ab: „Hast du nicht gehört, was der Boss gesagt hat? Keine Unnötigen Opfer. Und ich bin sicher, Linslet wird uns geben, was wir wollen.“ Er drehte sich zu ihr um, mit einem Blick in den Augen, der offenbar um Verzeihung bitten sollte. Diese Verdammten Numbers und ihr verdammtes Pflichtgefühl, dachte die Diebin zerknirscht. Sie wusste, dass sie es nicht einmal mit einen von ihnen aufnehmen konnte, geschweige denn mit drei von ihnen. Ihre blieb nur noch eine Möglichkeit… „Und was will Kronos mit einem Super-Virus?“, fragte Linslet provokativ, während sie begann, möglichst unauffällig in ihrer Tasche zu suchen. „Ich meine, Saphiria hätte kaum gleich drei der Numbers geschickt, wenn es nur darum ginge die Daten zu vernichten, oder?“ „Entschuldige Linslet, aber das kann ich selbst dir nicht…“ Doch Janus wurde von Kranz eiskalter Stimme unterbrochen: „Kronos höchstes Ziel ist die absolute Stabilität der Welt. Die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass das mit normalen Mitteln nicht zu erreichen ist. Deswegen muss die Welt von allen instabilen Elementen gesäubert werden.“ Die Diebin blickte Kranz entsetzt an und vergaß darüber sogar das Kramen in ihrer Handtasche. Der Ältestenrat wollte den Virus also wirklich einsetzen. Und das wurde ihr nur gesagt, weil es anscheinend egal war, ob sie lebte oder starb... „Linslet,“, appellierte Janus. „Diese Sache ist von äußerster Wichtigkeit. Ich will dir wirklich nicht wehtun, also gib uns die CD.“ Doch sie hatte ihre Entscheidung bereits getroffen: Mit einer schnellen Bewegung zog sie ihre Pistole, wirbelte herum und zerschoss das Fensterglas, um gleich darauf die CD aus der Öffnung zu werfen. In diesem Moment rettete nur die Überraschung der Numbers Linslet das Leben. Janus warf sich den Datenträger hinterher aus dem Fenster und Baldurs „Heimdall“ kam zu spät um sie daran zu hindern, ebenfalls aus dem Hochhaus zu springen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)