Happy ohne Ende? von Schumeriagirl ================================================================================ Kapitel 60: Die Liebe lässt mich nicht -------------------------------------- Ich bleibe an dieser Stelle standhaft: Keine der in meiner Story vorkommenden Personen gehört mir und alles, was hier zu lesen ist, ist definitiv frei erfunden und entspricht zu keinem Zeitpunkt der Wahrheit. Als kleine Musikempfehlung darf ich für dieses Kapitel Silbermond mit „Die Liebe lässt mich nicht“ empfehlen. Kurze Passagen aus dem Lied habe ich auch für meinen Rückblick übernommen, also wunder euch nicht, wenn euch da ein paar Sätze bekannt vorkommen werden. Wie immer möchte ich an dieser Stelle meinen Leserinnen und Leserin danken, denn für sie (und natürlich auch für mich) schreibe ich diese Geschichte rund um Lena und ihre Jungs. Dieses mal hat zwar "nur" Sunny kommentiert, aber ich weiß, dass diese Geschichte auch noch von ein paar anderen gelesen wird und das freut mich sehr. Kraftlos rieb Lena sich mit der linken Hand über die Augen. Dieses Gespräch hatte sie nie führen wollen, es wühlte sie viel zu sehr auf und zehrte alte Wunden wieder ans Tageslicht. Eigentlich hatte sie diesen Abschnitt ihres Lebens damals mit Lionel abschließen wollen, er hatte ihr schließlich die Schulter zum Ausweinen geboten, ihr zugehört und mit seinen Worten wieder Licht in ihre Dunkelheit gebracht – auch wenn er es nie für möglich gehalten hatte. Jetzt wieder darüber zu sprechen und noch einmal alles zu erleben, tat aus vielen verschiedenen Gründen weh. Aus dem gemütlichen Eisessen mit Per, auf das sie sich tierisch gefreut hatte, war eine quälende Fragestunde geworden, die ihr unmissverständlich ihre Fehler vor Augen führte – so hatte sie sich die Zeit mit Per nicht vorgestellt. Aber sie konnte dem Innenverteidiger auch keinen Vorwurf machen, dass er die Schnauze voll hatte von ihrem widersprüchlichen Verhalten. Er wollte Klarheit und hoffte gleichzeitig darauf ihr damit zu helfen – ein unerschütterlicher Optimist. Und genau das war einer seiner Charakterzüge, die Lena so sehr an ihm mochte. „Was soll schon geschehen sein, nachdem Ricardo weg war? Ich bin nach Hause, also zu Paolo, Adriana, Christian und Daniel“, erklärte Lena dem langen Innenverteidiger von Werder Bremen. Ihr war natürlich klar, worauf er eigentlich hinaus wollte, doch so leicht wollte sie es ihm dann doch nicht machen – sollte er doch direkt die Fragen stellen, die ihn interessierten. Dass Per nämlich genau das viel Überwindung kosten würde, darauf setzte Lena. Schließlich hatte sie ihn als konfliktscheuen, harmoniebedürftigen Menschen kennen gelernt, der die Dinge, im Gegensatz zu ihrem forschen Bruder, ungern direkt beim Namen nannte. Aus ihrer Sicht hoffte Per eigentlich immer eher darauf, dass sein Gesprächspartner durch seine Andeutungen verstand, was er meinte, bevor er all die Hässlichkeiten aussprechen musste. Diesen Gefallen wollte Lena ihm aber nicht tun, denn wenn er sie dazu bringen wollte, die Dinge auszusprechen, dann sollte er es im Gegenzug genauso tun. Das hielt die blonde Psychologin nur für fair, auch wenn es den gebürtigen Pattensener unruhig hin- und her rutschen ließ. „Und? Wussten sie von dir und Ricardo oder hast du ihnen ein Märchen erzählt, warum du vollkommen verheult nach Hause kamst?“ „Paolo war zu dem Zeitpunkt der einzige, der von uns wusste. Ich hatte keine Geheimnisse vor ihm.“ Der letzte Satz versetzte Lena einen Stich, doch sie wusste, dass sie sich damit arrangieren mussten. Es bliebe ihr auch nicht viele Alternativen, denn die Wahrheit kam nicht in Frage. Manchmal war es einfach besser, wenn man den Menschen nicht alles erzählte, versuchte die Wahl-Spanierin ihr schlechtes Gewissen gegenüber ihrem langjährigen Wegbegleiter zu beruhigen. „Hast du mit ihm darüber gesprochen oder hast du dich eingeigelt und keinen an dich rangelassen?“, fragte Per, der Lenas Konfliktverhalten sowohl durch eigene Erfahrung als auch durch ihre Erzählungen kennen gelernt hatte: Sie war nicht der Typ Frau, der einem weinend um den Hals fiel, weil sie Probleme hatte. Sie machte das mit sich selbst aus, versuchte stark zu sein und allen anderen etwas vorzumachen. Kurz gesagt tat Lena Pers Meinung nach normalerweise all das, wovon sie ihren Patienten dringend abriet. Aber man selbst war nun einmal schon immer der schlechteste Patient gewesen. Umso mehr überraschte den Abwehrmann da Lenas fast schon etwas patzige Antwort. „Ob du es glaubst oder nicht Per: Ich musste gar nichts sagen, Paolo wusste schon Bescheid. Und was er noch nicht wusste, hat er geahnt oder mir dann angesehen“, fauchte Lena schon fast in Pers Richtung, bevor sie dann etwas leiser hinzufügte: „Ich hätte ihm nie etwas so wichtiges verheimlichen können. Nicht, wenn ich ihm gegenübersitze und er mir in die Augen schaut.“ Dass sie Paolo jetzt etwas sehr Wichtiges verschweigen konnte, weil sie sich nicht regelmäßig sahen, ließ Lena lieber unerwähnt. Das musste Per nicht wissen, dann würde er nur noch mehr auf ihr rumhacken und ihr, wie Timo, zu erklären versuchen, warum es so entscheidend war, immer ehrlich mit seinen Mitmenschen zu sein – besonders mit denen, die einem viel bedeuten. Dabei log man die doch häufig an, weil man sie vor Schmerz bewahren wollte. Darüber, wann es moralisch war zu lügen und wann nicht, wollte Lena jetzt aber nicht nachdenken, deshalb konzentrierte sie sich wieder auf Per, der mit der Fragestunde noch lange nicht fertig war. „Also habt ihr euch über deine Entscheidung unterhalten.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, aber trotzdem nickte Lena wortlos. „Und was hat er dazu gesagt? Was hielt er überhaupt von eurer Beziehung? Er ist doch bestimmt wie alle Italiener katholisch und so.“ Mit einer ausladenden Handbewegung unterstrich Per sein „und so“ und blickte erwartungsvoll zu Lena, die sich ein müdes Lächeln nicht verkneifen konnte. Selbst nach all der Zeit und so vielen Italienern, die mittlerweile in Deutschland lebten und arbeiteten, hielten sich manche Vorurteile immer noch hartnäckig. Wie erstaunlich! Würde sie immer noch in Mailand leben, hätte sie ihre Freunde aus der Alpen-Republik vielleicht in Schutz genommen, so aber zuckte die Psychologin nur gleichgültig mit den Schultern und antwortete: „Er hat es kommen sehen. Und natürlich war er nicht begeistert, als ich ihm von unserer Nacht in Istanbul erzählt habe, aber er hat mich verstanden.“ Kurz zögerte Lena, so als ob sie erst noch überlegen müsste, wie sie ihre Gedanken in Worte fassen konnte, dann fuhr sie aber unbeirrt fort: „Paolo wollte mich immer nur glücklich sehen und das war ich mit Ricardo – zumindest wenn wir allein waren und unsere Liebe nicht verstecken mussten.“ „Also hielt sich seine Begeisterung in Grenzen?“, fragte Per mit hochgezogenen Brauen und einem fast schon spöttischen Tonfall nach. Er hatte zwischen den Zeilen gelesen und Lenas Zögern auf seine eigene Art und Weise gedeutet. „Ja. Es ist nicht so, dass Paolo Ricardo nicht gemocht hätte. Im Gegenteil, er hat sich mit seinem Kollegen immer gut verstanden, aber Paolo hat wohl von Anfang an geahnt, dass das mit uns kein gutes Ende nehmen konnte und ich am Ende mit gebrochenem Herzen dastehen würde.“ „Und das hat ihm nicht gefallen, weil du ihm viel bedeutet hast.“ Pers Scharfsinn und seine rasche Kombinationsgabe behagten der Wahl-Spanierin so langsam ganz und gar nicht mehr. Der Innenverteidiger zog viel zu viele Schlüsse, die meistens genau ins Schwarze trafen. Trotzdem brachte sie es nicht übers Herz seine Worte zu bestreiten – er hatte Ehrlichkeit von ihr gewollt und sollte sie auch bekommen. Vielleicht half es ihr ja tatsächlich über Ricardo und den damit zusammenhängenden Schmerz hinweg zu kommen. Es war zwar eine unorthodoxe Therapiemethode, aber war sie nicht in Barcelona immer die gewesen, die auf ungewöhnliche Methoden gesetzt und Erfolg gehabt hatte? Also nickte sie wieder leicht und fuhr stockend fort Paolos Ansichten näher zu erklären, soweit Lena sie denn selbst durchschaut und verstanden hatte. „Auch, ja, aber vor allen Dingen schien er gewusst zu haben, dass ich nicht länger bei ihnen bleiben würde, wenn das mit Ricardo endet. Davor hatte er Angst und das wollte er eigentlich verhindern – bis Paolo eingesehen hat, dass es das Beste für mich ist, Mailand zu verlassen und woanders mein Glück zu suchen.“ „Es muss ihm wehgetan haben, dich gehen zu lassen.“ Bei diesem Worten griff Per automatisch nach Lenas Hand und strich ihr beruhigen mit dem Daumen über den Handrücken. Im ersten Moment erwartete er noch, dass die kleine Schwester des „Lutschers“ sich ihm sofort wieder entziehen würde, doch sie ließ den Körperkontakt zu, auch wenn sie ihm dabei nicht ansehen konnte. Stattdessen beobachtete Lena die sich wogenden Bäumen und sprach leise weiter: „Nicht nur ihm tat es weh mich gehen zu lassen. Christian hat lange nur geweint und war bockig. Er wollte nicht, dass ich gehe und ich wollte sie eigentlich auch nicht verlassen, aber es ging einfach nicht mehr anders.“ Nur ungern dachte Lena an das Gespräch mit Paolo zurück, als sie ihm von ihrem Entschluss erzählt hatte. Regungslos saß Lena auf einer der Poolliegen und starrte und das stille Wasser vor ihr. Hin- und wieder verursachte ein laues Lüftchen leichte Wellen, die das kühle Nass überschwappen ließen, aber sonst war es vollkommen ruhig. Eine absolute Seltenheit im Maldini-Haushalt, wo die beiden Jungs, Christian und Daniel, normalerweise immer für Aufregung sorgten. Heute jedoch waren die beiden mit ihrer Mama unterwegs und hatten Lena ihren trübsinnigen Gedanken überlassen – ihre Anwesenheit hätte ja sowieso nichts verändert. So, wie Lena sich seit der Trennung von Ricardo verhalten hatte, war sie weder Adriana noch Paolo eine große Hilfe oder Stütze. Eher im Gegenteil, die Familie versuchte sie zu stützen und aufzuheitern. Ohne Erfolg. Die Shoppingtour mit Adriana, das Planschen mit Daniel oder auch die langen Gespräche mit Paolo hatten an ihrer Gemütslage nichts geändert. Nur Christian hatte es einige Mal geschafft, sie aus ihrer Lethargie zu reißen und ihr ein liebevolles Lächeln abzuringen, das sich jedoch auf Grund der Situation später in bittere Tränen verwandelte, was sie den Kleinen aber nicht hatte sehen lassen wollen. Bei jeder Gelegenheit war er nämlich zu ihr gekommen, hatte sie in den Arm genommen, ihr ein Küsschen auf die Wange gedrückt und ihr zugeflüstert, wie doll er sie doch lieb habe. In diesem Augenblicken hatte sie sich ebenfalls an den kleinen Jungen gekuschelt und gehofft, dass sie bald aus diesem Alptraum aufwachen und dann alles wieder gut sein würde, aber nichts dergleichen war passiert. Außer, dass Lena sich bewusst geworden war, dass Ricardo in einigen Monaten zusammen mit seiner Caroline so einen kleinen Wonneproppen im Arm halten würde, der irgendwann einmal zu ihm kommen und ihm sagen würde, wie sehr er seinen Papa doch lieb hätte. Dieser Gedanke wiederum trieb Lena unaufhörlich die Tränen in die Augen. Die Schiebetür zur Terrasse quietschte und Sekunden später ließ sich Ricardo neben die Blondine auf die Poolliege sinken. Seine Haare waren noch nass vom Training, doch abgesehen davon sah der Milan-Star wie immer blenden aus. Ganz im Gegensatz zu Lena, die sich schon länger keine Gedanken mehr um ihr Aussehen und Auftreten gemacht hatte. Es störte sie nicht, dass sie hier in ausgewaschener Jogginghose und labbrigen T-Shirt saß. Warum auch? Natürlich war der jungen Deutschen klar, dass sie sich gehen ließ, aber sie fand einfach nicht die Kraft sich aufzuraffen und etwas am Status Quo zu ändern. Für wen denn auch? Für sich selbst? Im Augenblick verweigerte sie ihrem Körper die Nahrung und den Schlaf, weshalb sollte sie sich dann für sich besser kleiden und auf ihre Haare und ihr Make up achten? Das wäre blanker Hohn. Und für andere wollte sie sich nicht mehr hübsch machen. Denn den einzigen Mann, den sie wirklich wollte und für den sie selbst auf den unbequemsten Stöckelschühchen um die Welt gelaufen wäre, konnte sie nicht haben. Den hatte sie weggeschickt, weil sie geglaubt hatte das Richtige zu tun und die Heimlichkeit nicht länger ertragen zu können, aber scheiße, die Einsamkeit war um einiges schlimmer als das Bisschen Ausreden erfinden und Gefühle verstecken. „Wie geht es dir heute, Lena?“ Paolos Frage überraschte die kleine Schwester des „Lutschers“ nicht. Ihr war klar gewesen, dass der Italiener sich nicht zu ihr gesetzt hatte, um mit ihr zu schweigen. Er wollte reden – wie so oft in der letzten Zeit. Nur dass Lena keine Ahnung mehr hatte, was sie ihm noch sagen sollte. Es war alles geklärt, ihre Beziehung beendet, da gab es kein Zurück mehr, keine Alternativen, die man durchdiskutieren müsste. Es war endgültig und unwiderruflich vorbei. Und wenn es nach einem Teil von Lenas Gehirn ginge, nämlich dem, in dem sich der Schmerz, die Enttäuschung und all die anderen Gefühle breit gemacht hatten, würde sie diese Episode ihres Lebens am liebsten vergessen. Ausradieren – so als hätte es sie nie gegeben. Dagegen wehrte sich ihr Herz aber vehement, schließlich vergaß man seine erste große Liebe nicht so einfach, auch wenn sie einem das Herz gebrochen hatte. Die erste Liebe blieb unvergesslich. „Ich fühle mich immer noch so, als hätte ich mir das Herz rausgerissen. Und mit jedem Bild, auf dem Ricardo und Caroline glücklich lächeln, und mit jedem Artikel, in dem sie betonen, wie sehr sie sich über ihr Baby freuen, wird es weiter zertreten“, murmelte Lena leise und spürte sofort Paolos Arm, der sich um ihren Körper schlang und sie in eine Umarmung zog. Vor Körperkontakt hatten sich die Italiener noch nie gescheut, aber trotzdem der Wärme seines Körpers fühlte Lena sich weiterhin kalt. „So kann es nicht weitergehen, Principessa. Du gehst daran kaputt und wir können nur hilflos dabei zusehen.“ Paolos Sorge und Verzweiflung schwangen in seiner Stimme mit und auch wenn es garantiert kein Vorwurf sein sollte, verstand es Lena als solchen. Nicht als einen Bösartigen, aber trotzdem. Sie wusste ja schließlich, dass sie mit ihrem Kummer nicht allein stand. Solange sie traurig war, konnte auch der Rest der Maldini-Familie nicht richtig glücklich sein. Dabei waren sie an sich immer sehr, sehr glückliche Menschen gewesen. Sie hatten es nicht verdient ihretwegen zu leiden und trotzdem konnte Lena nicht lächeln und so tun, als sei wieder alles in Ordnung. Paolo hätte sie mit einem Blick durchschaut und ihr dann einen Vortrag darüber gehalten, dass sie ihre Gefühle niemals vor ihnen verstecken müsste – schließlich waren sie eine Familie. Zwar nicht dem Blute nach, dafür aber im Herzen. Und das hätte die Schuldgefühle der Blondine dann bloß noch weiter verstärkt. „Ich weiß, dass es so nicht weitergehen kann. Deswegen habe ich auch eine Entscheidung getroffen: Ich werde Mailand verlassen. In einem Western würde man wohl sagen, dass die Stadt einfach nicht groß genug ist für uns zwei“, versuchte Lena ihre Neuigkeiten mit einem gequälten Lächeln fröhlich zu verpacken. Auf den Scherz ging Paolo jedoch nicht ein, sondern fragte nur leise und eindringlich, immer noch überrascht von Lenas Entscheidung: „Ist es wegen Ricardo?“ Es dauerte keine fünf Sekunden, bis der Abwehrmann sich vor den Kopf schlug und seine Frage selbst beantwortete. „Ach, was soll die Frage überhaupt, natürlich ist es wegen Ricardo. Aber als ich sagte, dass es so nicht weiter gehen kann, meinte ich nicht, dass du die Stadt verlassen sollst, Lena. Ich meinte eher, dass du – “ „Aus meinem Zimmer kommen und nicht mehr weinen soll? Dass ich nicht jedes Mal den Raum verlassen soll, wenn das Gesprächsthema zufällig auf Ricardo und Caroline kommt? Dass ich wieder anfangen soll mein Leben zu leben, wie ich es vor Istanbul getan habe?“, zählte Torsten Frings’ kleine Schwester all die Dinge auf, die Paolo gemeint haben könnte. Der lächelte zaghaft und nickte leicht, bevor er sich ein „So in etwa, ja“ in den nicht vorhandenen Bart murmelte. „Ich hab’s versucht, Paolo. Ich wollte nicht mehr an ihn denken, glaub mir, ich hab’s probiert. Aber es geht nicht. Es klappt einfach nicht.“ Resigniert schüttelte Lena den Kopf und ließ sich dann an die starke Schulter des Verteidigers sinken, der ihr immer noch beruhigen über den Rücken streichelte. Sie hatte es satt, sie hatte so vieles satt und konnte doch rein gar nichts dagegen tun – außer vielleicht mit Paolo darüber reden. Aber würde er sie verstehen können? Gerade er, der Mann mit einer zauberhaften Ehefrau und zwei fantastischen Kindern? Wahrscheinlich schon, schließlich hatte er sie in den letzten Tagen auch verstanden, weshalb Lena stockend fortfuhr: „Ich bin heut morgen aufgewacht und wusste nicht wofür. Hab meine Augen aufgemacht und nichts lag neben mir. Kein Ricardo, keine süße, kleine Nachricht, dass er schon beim Training ist, so wie sonst immer, wenn ich mal wieder bis in die Puppen geschlafen habe. Nichts. Absolut nichts. Ich hab mir geschworen damit klar zu kommen – so gut wie’s eben geht. Doch sieh’ mich an, Paolo, schau mal genau hin: Ich bin nichts mehr wert, wie ein Herz, das nur aus Mitleid lebt.“ Zuerst wollte Paolo ihr widersprechen, ihr versichern, wie viel sie ihnen allen doch wert war, aber bevor der Abwehrmann im Diensten des AC Mailands überhaupt ansetzen konnte, hatte Lena schon weiter gesprochen. „Wenn ich rausgehe, sehe ich sie überall. Von jedem Kiosk lächeln mir Ricardo und Caroline entgegen, überall werde ich auf sie angesprochen, weil ich ja angeblich eine gute Freundin der beiden bin. Und wenn ich dann zufällig Caroline begegne, könnte ich nur noch schreien und heulen zur gleichen Zeit, weil es so wehtut dabei zuzusehen, wie sie sich gedankenverloren ihr Bäuchlein reibt.“ Instinktiv hatte die Blondine ihre Hände zu Fäusten geballt und erst, als Paolo sie vorsichtig bei der Hand nahm, löste sich ihre Verkrampfung. Sie wollte dem Mann neben sich so gerne verständlich machen, wie sie sich gerade fühlte und warum die Flucht aus Mailand ihre einzige Chance war, doch alle Worte kamen ihr so unzulänglich vor. Denn letztlich blieb eine Tatsache bestehen: Weil sie selbst nicht stark genug war eine gescheiterte Liebe zu verkraften, ließ sie die Maldinis im Stich. „Weißt du Paolo, ich würde ihn so gerne dafür hassen können, dass er bei Caroline bleibt, dass sie zusammen ein Baby bekommen, aber ich kann es einfach nicht. Die Liebe lässt mich nicht. Immerhin habe ich es von ihm verlangt.“ „Principessa, nicht, bitte versuch’ erst gar nicht ihn zu hassen. Liebe wen du liebst und hasse wen du hasst, aber hasse niemals den Menschen, den du einmal geliebt hast.“ Wieder eines der typisch-maldinischen Hausrezepte, nach denen man sein Leben gestalten sollte. Als wäre es so einfach. Wenn es danach ginge, hätte sie munter so weiter gemacht wie bisher und Ricardo würde mittlerweile sogar Frau und Kind betrügen – aber das hatte er ja auch vorher schon, nur dass sie noch nichts von dem Kind gewusst hatte. Und da meldete sich die kleine, leise Stimme in ihrem Kopf zu Wort, die sie fragte, ob sie so dann nicht glücklicher wäre – als böse Verführerin eines Ehemanns und Vaters. „Das sagt sich so leicht daher, Paolo. Aber tröste dich: Ich werde Ricardo niemals hassen können, egal, wohin mein Weg mich führen wird und wen ich noch kennen lernen werde. Dafür liebe ich ihn doch noch viel zu sehr. Mailand wird immer in meinem Herzen bleiben, ganz egal, wo ich in ein paar Wochen sein werde, versprochen.“ Zaghaft versuchte Lena sich in die Umarmung ihres väterlichen Freundes zu kuscheln, doch der ließ seinen Arm von ihrer Schulter rutschen und starrte sie entsetzt und fassungslos an, so als sei die Endgültigkeit ihres Entschlusses erst jetzt so wirklich zu ihm vorgedrungen. Vorher hatte er anscheinend noch geglaubt, dass es bloß eine Phase sein könnte, ein kurzfristiger Entschluss, von dem man sie wieder abbringen könnte. Jetzt erkannte Paolo aber den Ernst der Lage. "Das ist alles, was du dazu sagst, Principessa?", fragte er und murmelte nur halblaut hinterher: „Dass du mal aufgeben würdest..." Gerade weil Lena den Mann an ihrer Seite, der sie seit vier Jahren hier in Italien begleitet hatte, so sehr mochte, konnte sie seine Anschuldigungen nicht einfach so auf sich sitzen lassen und versuchte sich zu erklären, damit Paolo verstand, warum sie letztlich genau diese Entscheidung getroffen hatte. "Manchmal ist der Rückzug die einzige Möglichkeit, eine Schlacht zu beenden. Und wenn du einen Kampf kämpfst, in dem es keinen Sieger, sondern nur Verlierer gibt, solltest du zumindest versuchen, den Schaden so gering wie möglich zu halten." To be continued So langsam nähern sich die Mailand-Enthüllungskapitel ihrem Ende, vielleicht noch ein oder zwei, dann sollte es das gewesen sein. Schade oder freut ihr euch, wenn es dann mit den Bremer Jungs weiter geht? Per bleibt hartnäckig und fragt immer weiter nach, will immer mehr wissen und versteht doch trotzdem noch nicht, was an dieser tragischen Liebe so fesselnd gewesen sein soll, dass Lena sie immer noch nicht hat loslassen können. Könnt ihr es verstehen oder seid ihr noch genauso ratlos wie Per, der zwar mittlerweile Verständnis aufbringen kann, aber eben doch noch nicht wirklich versteht? Paolo und Lena haben mit einzelnen Aussagen beide Recht, finde ich. Paolo, wenn er sagt, dass man einen Menschen nicht hassen sollte, wenn man ihn mal geliebt hat, und Lena, wenn sie meint, dass ein Rückzug nicht immer eine feige Variante ist. Oder haltet ihr ihre Erklärung für eine unsinnige Ausrede, weil sie sich nicht eingestehen will, dass sie davon läuft? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)