Happy ohne Ende? von Schumeriagirl ================================================================================ Kapitel 43: Mit dem Rücken zur Wand und der Pistole auf der Brust ----------------------------------------------------------------- Ich bleibe an dieser Stelle standhaft: Keine der in meiner Story vorkommenden Personen gehört mir und alles, was hier zu lesen ist, ist definitiv frei erfunden und entspricht zu keinem Zeitpunkt der Wahrheit. Danke dir, dass du mich weiterhin unterstützt. Entspannter als sie eigentlich wahrscheinlich sein sollte lehnte Lena sich in die Sitzpolster des Busses. Für einen einzigen Augenblick konnte sie die Augen schließen und sich ganz auf sich selbst konzentrieren. Neben ihr saß ihr Bruder mit Stöpseln in den Ohren vollkommen versunken in seinen eigenen Gedanken an das Spiel. Ausnahmsweise war in seinen Gedanken kein Platz für Sorgen um sie, das merkte sie ihm deutlich an und dafür war Lena unheimlich dankbar. Immerhin wollte sie nicht für ein schlechtes Spiel ihres großen Bruders verantwortlich sein. Überhaupt konnte Lena sich nicht entscheiden, welcher Mannschaft sie an diesem Abend den Sieg mehr gönnte: Ihrem Bruder und seinen Kollegen, mit denen sie die letzten Tagen verbracht hatte und von denen sie schon so manch einen mehr ins Herz geschlossen hatte als für eine Frau wie sie gut war, oder aber den Spaniern, wo sie selbst ebenfalls die meisten Spieler kannte und drei davon sogar zu ihren besten Freunden zählte. Irgendwie steckte sie in einem Dilemma, zumindest in einem innerlichen, denn sie ging nicht davon aus, dass sich heute Abend auch nur irgendwer für die unerhebliche Meinung einer einfachen Physiotherapeutin interessieren würde, wenn man die Möglichkeit hatte die gesamte deutsche Fußballprominenz wie den Fußballkaiser selbst nach ihren Einschätzungen fragen zu können. Trotzdem versuchte Lena im Moment herauszufinden, wem sie dem Sieg mehr wünschte: Wäre es ihr Bruder gewesen, hätte sie ihm dann nicht wenigstens mit ihrem Wissen um die Stärken und Schwächen „ihrer“ Spieler helfen müssen? Immerhin kannte sie Andres und Co in- und auswendig, hatte sie ihnen ja schon unzählige Male beim Training zugesehen und bei den Taktikbesprechungen neben ihnen gesessen. Sie wusste vermutlich mehr über „ihre“ Männer als die professionellen Scouts des DFBs. Also wäre es doch eigentlich ihre Pflicht als gute Schwester gewesen ihrem großen Bruder so gut es ging auf sie vorzubereiten, oder? Wenn schon nicht direkt, dann zumindest über Timo, der alles als seine eigene Erfahrung hätte ausgeben können. Vielleicht wäre den Jungs damit wirklich geholfen gewesen. Aber sie hatte es nicht getan, hatte darauf verzichtet. Eigentlich war ihr der Gedanke daran bis eben noch nicht einmal gekommen. War diese Entscheidung ein Indiz dafür, dass sie es eher Andres, Carles und Bojan gönnte den Münchener Rasen als Sieger zu verlassen? Irgendwie auch nicht, immerhin hatte sie sich nur dagegen entschieden das Vertrauen ihrer Freunde zu missbrauchen. Sie hatte dieses Wissen im Vertrauen erhalten und würde ihnen damit nicht die Pistole auf die Brust setzen. Egal welche Überlegung Lena anstrengte, sie drehte sich im Kreis und kam nicht voran, deshalb entschloss sie sich es einfach dem Zufall zu überlassen, ändern konnte sie an dem kommenden Ergebnis sowieso nicht. Die junge Psychologin wurde aus ihren Gedanken gerissen, als der Bus anhielt und sich alle Spieler zum Aussteigen bereit machten. Mit einem Mal war wieder richtig Leben im Bus und auch Schweini und Poldi, die vorher noch ungewöhnlich ruhig auf ihren Plätzen gesessen hatten, fingen nun wieder an munter zu scherzen. „Wunder dich nicht, Lena, das ist hier immer so. Die beiden müssen vor dem Spiel noch einmal richtig aufdrehen um auf dem Platz auch ordentlich zu funktionieren.“ Vollkommen unbemerkt hatte Per sich an Lena herangeschlichen, die nur noch wenige Schritte von der Bustür entfernt stand und darauf wartete, dass ihr großer Bruder endlich den Weg frei machte. Einen Augenblick lang hatte der große Innenverteidiger mit angesehen, wie Lena wartend vor ihm herumgetänzelt war und sich über die Scherze von Schweini und Poldi amüsiert hatte. Wie nicht anders zu erwarten, hatte er sich zu ihr herunter gebeugt um ihr die Erklärung für dieses Verhalten der beiden ins Ohr zu hauchen. Diese zwei halbgeflüsterten Sätze hatten in Lena jedoch eine Gänsehaut ausgelöst, denn Pers leichter Atem hatte sanft auf ihrer Nackenhaut geprickelt und sie an andere Gelegenheiten erinnert, in denen ein Mann ihr mit einer so bezaubernden Stimme etwas zugeflüstert hatte. Zögernd lächelnd drehte die Blondine sich zu Per um und sah zu ihm auf. Manchmal verfluchte sie es wirklich so klein zu sein, auch wenn sie mit Lionel in Barcelona nie solche großen Probleme gehabt hatte. Er war ja selbst kaum größer als sie, genauso wie Andres und da hatte es einfach immer wunderbar gepasst. Nicht so bei ihr und Per, der sie um mehrere Köpfe überragte. Trotzdem machte es der jungen Psychologin nichts aus sich ein wenig den Kopf zu verrenken, um in das freundliche Gesicht des gebürtigen Pattensener zu blicken. „Die einen toben sich mit Späßen aus, die anderen bereiten sich anders vor. Jeder nach seiner Facon.“ Gemeinsam verließen die beiden den Bus und gesellten sich zu den anderen Spielern, die nur darauf warteten endlich die Katakomben der Allianzarena betreten zu dürfen. Da Lena selbst jedoch auf der Tribüne Platz nehmen würde, verabschiedete sich jetzt schon einmal von Torsten. „Großer, viel Glück. Du schaffst das.“ Eine kurze Umarmung und ein kurzes Zerwuscheln der fringsschen Lockenpracht waren alle „Zärtlichkeiten“, die die Geschwister in Anwesenheit der Mannschaft austauschten, aber es genügte auch vollkommen. Wenn es um Glückwünsche vor wichtigen Spielen ging, war Lena noch nie besonders einfallsreich gewesen. Auch in Barcelona hatte sie den Jungs selten viele Worte mit auf den weg gegeben, denn eigentlich wussten sie ja alle, dass sie voll hinter ihnen stand und ihnen die Daumen drückte. Genauso hatte die Psychologin es auch schon von klein auf mit ihrem Bruder getan: Er wusste, dass mit ihm fieberte, da bedurfte es keiner großen Reden um es noch einmal zu betonen. Ganz anders sah es jedoch bei Per aus, der völlig überrascht war, als Lena sich ihm lächeln näherte um ihm alles Gute für das bevorstehende Spiel zu wünschen. Sicher, sie waren so etwas wie Freunde, aber dass die junge Psychologin extra noch einmal zu ihm und nicht zu Clemens gehen würde, das erstaunte den langen Innenverteidiger nun doch ein wenig. Und irgendwie auch nicht, denn diese Handlung zeigte, dass Lena eben doch die Frau war, die er in ihr sah und dass er sich nicht fürchterlich getäuscht hatte. Vielleicht, hoffte der Pattensener, hatte er doch eine kleine Chance gegen Clemens. „Per, ich wollte dir alles Gute für das Spiel wünschen und lass dich nicht von den Spaniern verunsichern, du bist ein absolut wunderbarer Verteidiger und wirst der Welt heute Abend schon zeigen, aus welchem Holz du geschnitzt bist.“ Ein wenig zögerlich umarmte Lena den langen Verteidiger und legte dabei ihre linke Hand auf seine Hüfte und die rechte auf seine Brust, da sie schlicht und ergreifend zu klein war, um sorglos an seine Schulter zu kommen. So perplex wie er war, brauchte Per erst einen Augenblick um vollkommen zu begreifen, was da gerade mit ihm geschah. Automatisch umarmte er die kleine Frau vor ihm zurück und zog sie ein kleines bisschen näher an seine Brust. Diese leichte Berührung hatte die Schmetterlinge ins einem Bauch toben lassen und Per wünschte sich, dass dieser Moment, in dem er Lena so halten konnte, niemals aufhören würde, doch leider erfüllte sich Pers Wunsch nicht und schon nach viel zu kurzer Zeit fühlte Merte wie Lena sich sanft, aber bestimmt aus seiner Umarmung befreite. Er warf ihr einen unsicheren Blick zu, zweifelnd, ob sie böse auf ihn war, weil er sie ein wenig näher zu sich gezogen hatte und weil er sie nicht sofort wieder freigegeben hatte. Doch zu seiner Beruhigung lächelte sie ihn immer noch genauso freundlich an wie zuvor, als sie ihm viel Glück gewünscht hatte. Den meisten anderen Spielern winkte sie nur locker zu, warf ein formloses „viel Glück“ in die Runde, bevor sie sich auf den Weg zu den Tribünen machte. Dabei konnte die jüngere Frings jedoch nicht sehen, wie sich sowohl Bastians als auch Clemens’ Mundwinkel verdächtig tief nach unten bewegten und fast schon einen Schmollmund formten. Zwar hätten sie es in dieser Situation niemals laut zugegeben, doch im Stillen hatten auch diese beiden auf persönliche Glückwünsche gehofft, so wie Per und Torsten sie bekommen hatten. Zusammen mit Oliver Bierhoff ließ Lena sich von einem Angestellten der Allianzarena in die für den Deutschen Fußballbund reservierten VIP Logen bringen, wo bereits die gesamte Prominenz versammelt schien. Klassische Musik lief im Hintergrund und immer wieder schlängelten sich dezent gekleidete Kellner und Kellnerin durch die Schar der Gäste. Überall sah man kleine Männergrüppchen mit Champagnergläsern in den Händen und zumeist einer jungen, gut aussehenden Frau an ihrer Seite, die im normalen Leben sicherlich einige für die Tochter der Herren gehalten hätten. Eigentlich hätte ein solcher Anblick die Psychologin aus Barcelona nicht weiter überraschen dürfen, immerhin saß sie selbst hin- und wieder bei Barca-Spielen auf der Tribüne neben all den Spielerfrauen und Sportfunktionären, für die das Spiel manchmal tatsächlich nur dazu diente gesehen zu werden und neue Geschäftskontakte zu knüpfen. Und genau deshalb zog Lena es vor, wenn sie schon nicht mit auf der Trainerbank Platz nehmen konnte, sich zu den einheimische Fans in eine der Kurven zu gesellen, wo es zwar weniger komfortabel und auch ein wenig rauer zuging, dafür aber das Spiel völlig im Mittelpunkt des Interesses stand. Hier fühlte sich die Blondine immer so ein wenig wie auf dem Präsentierteller, von allen begafft und absolut ohne Schutz vor den zumeist bissigen Kommentaren der anderen Spielerfrauen, die zumindest in Barcelona immer eine Gefahr in ihr gesehen hatten, eine Konkurrentin, die viel zu viel mit den Männern zu tun hatte, die auf dem Rasen um die Sieg kämpften. Ein bisschen konnte sie die Frauen sogar verstehen, es musste ihnen ja schon irgendwie komisch vorkommen, wenn sie als einzige Frau überall mit hin durfte und überall mehr als nur erwünscht war. Selbstverständlich hatten nicht alle in ihr eine Bedrohung gesehen, mit einigen Spielerfrauen und –freundinnen kam Lena sogar ausgesprochen gut klar, man konnte fast behaupten sie wären Freundinnen, aber die meisten konnten einfach nur unheimlich verletzend sein, wenn sie es darauf anlegten. Aber das hatten vermutlich alle Menschen gemein. „Lena, ich möchte dir unbedingt jemanden vorstellen und ich denke, ihr beide werdet euch sehr gut verstehen.“ Erstaunt blickte Lena den Manager der Nationalmannschaft an. Eigentlich hatte sie damit gerechnet sich still und unauffällig auf ihren Platz zurückziehen zu können um so dem ganzen Trubel und vor allen Dingen den vielen Menschen aus dem Weg zu gehen, aber scheinbar hatte Oliver Bierhoff es darauf angelegt ihre Pläne, von denen er selbstverständlich nichts wissen konnte, zu durchkreuzen und sie an diesem Abend allen möglichen Menschen vorzustellen. Natürlich meinte er es nicht böse, das wusste Lena schon, er wollte ihr halt helfen, wollte ihr die Wartezeit bis zum Anpfiff so angenehm und kurzweilig wie möglich gestalten, doch im Grunde genommen machte er damit für die junge Psychologin alles nur noch schlimmer. Regelmäßig musste Lena sich umschauen, ob ihr auch ja niemand Bekanntes über den Weg lief oder gar die Presse von ihrer Anwesenheit Wind bekam. Immer wieder hielten sie auf ihrem Weg zu der Person, die Lena unbedingt kennen lernen sollte, bei anderen an, wechselten höfliche Worte, Oliver stellte sie vor und immer wieder beantwortete sie die selben Fragen über sich selbst und vor allen Dingen auch über Torsten. Schon nach dem „Gespräch“ mit einem der hohen deutschen Funktionäre hatte Lena keine Lust mehr auf den ganzen Haufen. Hier schien sie einfach nichts anderes zu sein als seine kleine Schwester. Ähnliches war sie zwar aus Barcelona auch gewöhnt, wo man sie immer wieder mehr oder weniger dezent auf ihre Beziehung zu Lionel, Bojan und Andres ansprach, aber da wurde sie wenigstens nach etwas gefragt, was ihre eigene Entscheidung war und nicht etwas, für das sie nichts, aber auch gar nichts konnte. Oliver Bierhoff, der aus ihrem Gespräch bei ihrer ersten Begegnung ganz genau wusste, wie sehr sie es hasste nicht mehr zu sein als ein Anhängsel ihres großen, berühmten Bruders, zog jedes Mal weiter, wenn sie das Gespräch all zu lange nur um dieses eine Thema drehte. Außerdem wollte er endlich Lenas Gesicht sehen, wenn er ihr einen ganz besonderen Mann vorstellte und ihr somit vielleicht zu einem äußerst angesehenen Traumjob verhalf. Eigentlich nutzte er selten seine Position beim Deutschen Fußballbund um anderen einen Vorteil zu verschaffen, doch der Manager hatte seit seiner ersten Begegnung mit Lena einfach das Gefühl, das sie diese Fürsprache zwar nicht benötigte, aber dafür aber durchaus verdient hatte. Von ihrem Bruder ließ sich die Blondine, so schätzte Bierhoff sie ein, sicherlich nicht helfen, dazu hatte sie viel zu viel Stolz. Er aber würde es zu mindest versuchen und deshalb lenkte er Lenas Schritte leicht in Richtung des VIP-Tribünenbereichs, in dem die spanischen Funktionäre Platz nehmen würden. Leicht berührte Oliver Bierhoff einen Mann im eleganten Anzug an der Schulter, der sich nur einen Augenblick später umdrehte und überrascht auf die beiden Neuankömmlinge starrte, die ihm aus dem angeregten Gespräch gerissen hatten. Dass der Teammanager der deutschen Nationalmannschaft ein paar Worte mit ihm wechseln wollen würde, damit hatte er gerechnet, irgendwie riss sich jeder darum ein wenig mit ihm zu plaudern und ihm diesem oder jenen Spieler ans Herz zu legen, aber die junge Frau an seiner Seite warf ihm vollkommen aus der Bahn. Sie sollte nicht hier sein, sie sollte noch nicht einmal in der Nähe sein, wenn es nach ihm ginge und trotzdem stand sie jetzt vor ihm, ebenso überrascht wie er. „Señor Guardiola, ich freue mich, dass sie es einrichten konnten extra hier her nach München zu reisen um sich dieses Freundschaftsspiel anzusehen. Sie haben in Barcelona sicherlich sehr viel zu tun, aber so eine Gelegenheit sollte man sich meiner Meinung nach einfach nicht entgehen lassen, denn unter Umständen findet man gerade an solchen Abenden ohne wirklich intensiv danach zu suchen die nötige Verstärkung, die einem vieles einfacher macht. Oh, Verzeihung, ich war unhöflich, darf ich ihnen Lena Frings vorstellen, sie kümmert sich im Augenblick als Physiotherapeutin um die Jungs meiner Mannschaft.“ Mit einem unverbindlichen Lächeln beobachtete Bierhoff, wie sich der Trainer des FC Barcelonas und Lena schweigend musterten. Ihre Blicke schienen nur so einander zu haften und erstaunlicherweise lächelte der sonst immer recht reservierte Fußballlehrer der Katalanen. „Hola Señora Frings, es freut mich außerordentlich sie kennen zu lernen.“ Galant ergriff Josep die Hand der jungen Frau und hauchte ihr einen scheuen Kuss auf den Handrücken. Nicht umsonst sagte man ihm zumindest in der Presse nach, dass er ein äußerst höflicher und teils sogar charmanter Mann sein konnte, wenn er es darauf anlegte. Manche trieben es sogar soweit und behaupteten, er wäre ein Mann, der Frauen mit einer Leichtigkeit um den Finger wickeln konnte. Zwar war er verheiratet und hatte eine ein Jahr alte Tochter, aber von solchen Kleinigkeiten ließ sich die spanische Boulevardpresse nicht irritieren. Da rätselten sie schon eher, warum er bei Spielen und Pressekonferenz eher grimmig daherkam und nicht seinen scheinbar angeborenen Charme ausspielte. Wenn sich der Spanier auch nur irgendwie unwohl fühlte so zu tun, als würde er die junge Psychologin nicht kennen, so verbarg er es ausgezeichnet. Lena hingegen konnte nur mühsam das Lächeln ihres Chefs erwidern. Es war eher ein Automatismus, den sie sich irgendwann im laufe ihrer Zeit in Barcelona angeeignet hatte. Denn wenn man ständig damit rechnen musste von Paparazzi abgelichtet zu werden, achtete man automatisch darauf, dass man seine Gefühle nicht allzu offen zur Schau trug. Ein nichts sagendes Lächeln war da regelmäßig an der Tagesordnung gewesen und nun halfen ihr diese Erfahrungen nicht in Joseps Gegenwart die Contenance zu verlieren. „Encantada.“ Mehr brachte die junge Deutsche nicht zu Stande bevor, sie sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und die beiden Männer stehen ließ. Ihr war klar, dass ihr Verhalten nicht höflich war, dass sie in jeder anderen Situation, mit jedem anderen Gesprächspartner, Oliver Bierhoff durch ihren plötzlichen Abgang ziemlich blamiert hätte, aber jetzt, in diesem Augenblick und in dieser Situation, war es ihr vollkommen egal, was der Teammanager der Deutschen von ihr dachte. Sie wusste nur eins: Wenn sie nicht schnell einen sicheren, unbeobachteten Platz finden würde, an dem sie sich verkriechen konnte, würde es heute Abend noch eine unheimliche Katastrophe geben. Und Katastrophen hatte Lena während der letzten Tage definitiv mehr als genug gehabt. Ein paar Minuten hatte Pep Guardiola sich noch mit Olivier Bierhoff unterhalten, der sichtlich verwirrt über das Verhalten seiner hübschen Begleiterin war. Immer wieder entschuldigte der Deutsche sich bei ihm und der Katalane musste sich schwer zurück halten um ihm nicht zu erklären, dass Lenas Reaktion absolut verständlich war, sobald man die äußeren Umstände kannte. Sie hatten beide nicht damit gerechnet den jeweils anderen hier zu treffen, glaubte er die junge Deutsche doch in Bremen und sie ihm vermutlich daheim in Barcelona. Manchmal hatte das Schicksal jedoch anderes mit ihnen vor und Pep wollte diese günstige Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Er hatte die junge Blondine nun schon lange nicht mehr gesehen oder gar gesprochen und so, wie er sie einschätzte, gab es einiges zu besprechen. Und so machte er sich während des Spiels auf die Suche nach der jungen Frau, die er nun schon seit ihrer Ankunft in Barcelona kannte und mit der er bereits schon ebenso lange zusammengearbeitet hatte. So konnte er sicher sein, dass sie in Ruhe würden reden können, ohne dass sie jemand störte oder gar belauschte, alle würden sie viel zu sehr auf die Geschehnisse auf dem Rasen konzentrieren als auf die beiden. Überraschenderweise fand Pep Lena relativ schnell, sie saß nicht auf ihrem Tribünenplatz, sondern stand, mit den Armen auf das Edelstahlgeländer gestützt, im Schatten und verfolgte aufmerksam das Spiel. Zwar konnte man von ihrer Position aus nicht ganz so gut sehen, wie man es von dem reservierten Sitzplatz hätte tun können, doch der jungen Frau war der Platz abseits des Rampenlichts vermutlich bei weitem lieber. Noch bevor er eine Hand auf ihre Schulter legen konnte, um auf sich aufmerksam zu machen, hatte Lena sich schon umgedreht und lächelte ihn matt an. Sie wirkte nicht mehr so erschrocken wie noch vorhin, als man hatte denken können ihr wäre ein Geist begegnet. Es war fast so, als hätte nur darauf gewartet, dass er käme um mit ihr zu sprechen. Und vielleicht hatte sie es sogar gewusst, bei Lena konnte man nie wissen. „Lena.“ „Pep.“ Für einen Außenstehenden mochte es komisch aussehen, wie sie dort schweigend zusammen standen, die Arme auf dem Geländer abgestützt, den Blick wieder auf das Spielfeld gerichtet, wo gerade die deutsche Mannschaft einen erneuten Konter einzuleiten versuchte. „Welchen der Jungs würdest du mir empfehlen?“ Mit dieser Frage hatte Lena nicht gerechnet, sie hatte erwartet, dass ihr Chef und Freund ihr eine Strafpredigt halten würde, was sie hier, im Epizentrum des Medieninteresses zu suchen hatte, aber kein Wort des Vorwurfs war bisher über seine Lippen gekommen. Noch nicht einmal ein vorwurfvoller Blick. Guardiola war einfach ruhig und lächelte versonnen, während er beobachtete, wie Carles Bastian Schweinsteiger den Ball abnahm um selbst einen Gegenangriff einzuleiten. „Per würde in unser System passen. In unsere Mannschaft.“ „Warum nicht einer der anderen. Ich weiß doch, dass du nicht besonders gut auf Victor zu sprechen bist. Wieso rätst du mir nicht ihn durch Tim Wiese zu ersetzen? Der Junge ist gut, talentiert und er schüchtert seine Gegner ein.“ Es war Intern kein großes Geheimnis, dass Lena zwar mit allen Spielern ganz gut klar kam, mit dem Torhüter Victor Valdés, der schon seit Jahrzehnten für Barca spielte, jedoch so ihre Probleme hatte. Während ihrer Zeit in Barcelona waren die beiden in schöner Regelmäßigkeit wegen irgendwelcher Kleinigkeiten aneinander geraten und beide waren so stur gewesen, dass es oft recht lange gedauert hatte, bis wieder alles in Ordnung war. Immer wieder hatte vor allen Dingen Carles zwischen dem Keeper und der Psychologin vermittelt, zählten schließlich sowohl Lena als auch Victor zu den besten Freunden des katalanischen Kapitäns. „Glaub mir Pep, du willst keinen weiteren Exzentriker im Team, es ist gut so, wie es ist. Tim passt nicht nach Barcelona.“ Um ihre Aussage zu unterstreichen schüttelte Lena den Kopf. Für sie war es unvorstellbar Tim im Trikot der Blau-Grana auflaufen zu sehen. Sie zweifelte zwar nicht an seinen ausgezeichneten Fähigkeiten als Torhüter, der zwar hin- und wieder mal richtig schlimme Patzer fabrizierte, ansonsten aber auch problemlos die „Unhaltbaren“ hielt, aber tief in ihr drin wusste Lena, dass Tim Wiese nicht der Mann war, den sie im Camp Nou sehen wollte. Zumindest nicht als Mitglied der Heimmannschaft. „Und Per schon? Warum ausgerechnet Mertesacker?“ Gerade in diesem Augenblick schaffte der lange Innenverteidiger es Andres Iniesta elegant vom Ball zu trennen ohne ihn zu foulen. So unsicher und unkoordiniert er manchmal vielleicht auch im alltäglichen Leben wirken mochte, so wusste er auf dem Fußballfeld seine Größe sicher und vor allen Dingen vorteilhaft anzuwenden, jedoch ohne dabei grob zu werden. Es gab nicht viele Verteidiger, die in der Lage waren einen technisch so versierten Spieler wie Andres „sauber“ vom Ball zu trennen. Und dann auch noch schnell genug einen eigenen Gegenangriff einzuleiten, bevor Iniesta sich die Kugel zurückholen konnte. Per aber schickte seinen Freund und Kollegen Clemens Fritz, der über die Außenbahn versuchte die Spanier auszukontern. „Da hast du deine Antwort. Er ist ein ausgezeichneter Verteidiger und er würde vom menschlichen sehr gut zu Andres und Lionel passen.“ Darauf wusste der Katalane nichts Gegensätzliches zu erwidern, immerhin kannte Lena diese beiden Männer sehr gut und wenn sie der Meinung war, dass Per Mertesacker sich mit den beiden Ausnahmetalenten der Katalanen gut verstehen würde, so konnte er davon ausgehen, dass es der Realität entsprach. Damit war er aber immer noch nicht bei dem eigentlichen Thema angelangt, das ihn beschäftigte und weswegen er sich auf die Suche nach der jungen Deutschen gemacht hatte. „Und wie sieht es mit Torsten Frings aus?“ Seine Frage war nicht besonders subtil, aber Pep hatte auch keine Lust mehr länger um den heißen Brei herum zu reden. Man würde ihn schon bald vermissen und es war besser für sie beide, wenn sie nicht zusammen gesehen wurden. Schon lange nicht, wenn sie so nah beieinander standen und fast flüsterten. „Lass es Pep, bitte. Ich habe heute Abend keine Lust auf deine Spielchen.“ Genervt wandte sich Lena ihrem Chef zu, der versuchte so unschuldig wie möglich zu schauen. Natürlich hatte er Lena absichtlich auf Torsten angesprochen und gehofft, dass sie ohne weiteres nachfragen anfangen würde zu erzählen, wie es ihr in der letzten zeit ergangen war, aber dem war anscheinend nicht so. „Was für Spielchen meinst du denn.“ „Wenn du mit mir über meinen Bruder sprechen möchtest, dann frag mich einfach, was du wissen willst und vielleicht erzähle ich es dir dann, aber lass diese kleinen Andeutungen.“ Eigentlich hätte Pep nicht überrascht sein dürfen von ihren klaren Worten, doch trotzdem war er es. Lena mochte zwar selbst gern die Wahrheit von anderen hören und Spielchen verabscheuen, sie selbst aber umgab sich gern in einem Dunst aus Geheimnissen, von denen sie immer nur bestimmten Menschen gewisse Teile enthüllte. Es gab wahrscheinlich keinen Menschen, der wirklich von sich behaupten konnte, dass er all ihre Geheimnisse kannte. Und das war vermutlich auch besser. „Ich will wissen, ob du deinem Bruder mittlerweile reinen Wein eingeschenkt hast, so, wie du es versprochen hast. Denn wenn nicht, ist es an der Zeit, dass ich ihm einen Besuch abstatte. Er wird die Wahrheit erfahren, entweder von dir, mir oder der Presse, noch kannst du dir aussuchen, was dir lieber ist.“ Entsetzt schaute Lena den Trainer des FC Barcelonas an. Sie hatte mit vielen gerechnet, aber nicht damit. Nicht, dass ausgerechnet Josep ihr die Pistole auf die Brust setzte, während sie mit dem Rücken zur Wand stand. Das sah ihm nicht ähnlich, das passte nicht zu ihm, aber an seinem entschlossenen Gesichtsausdruck konnte sie erkennen, dass er seine Worte bitter ernst meinte. Seine nächsten Worte bestätigten Lenas Befürchtungen da nur noch. „Es wird nicht allzu schwer sein den lieben Herrn Bierhoff um ein Gespräch unter vier Augen mit Torsten zu bitten. Wenn ich mich beeile, kann ich ihn sogar noch in der Halbzeit erwischen und danach fragen, ob er mich wohl morgen zu deinem Bruder lassen könnte.“ Unwillkürlich umklammerte Lena das Geländer fester bei den Worten Guardiolas. Sie zweifelte keinen Moment, dass er seinen Worten sogar heute Abend noch Taten folgen lassen würde. Pep war kein Typ der leeren Drohung, wenn er drohte, dann folgten meist die Konsequenzen stehenden Fußes. „Nun Lena, es liegt an dir: Entweder, du erzählst Torsten bis morgen Abend die Wahrheit oder ich übernehme das für dich. Du hast die Wahl.“ Eigentlich wollte die Psychologin fragen, wo denn ihre Wahlmöglichkeit lag, wenn in beiden Szenarien Torsten am Ende doch alles erfahren würde, aber sie verkniff sich ihre Frage, schließlich verstand sie nur zu gut, wie Pep das gemeint hatte. Es bestand nun einmal definitiv ein Unterschied darin, ob man einen Sachverhalt selbst darstellte, oder ob es Dritte taten oder gar die Boulevardpresse. Und so wandte Lena sich schweren Herzens an ihren Trainer, sah ihn einen Augenblick lang in die Augen und flüsterte dann: „Ich werde es ihm sagen, Pep, ich verspreche es dir, aber bitte lass mich selbst den Moment wählen. Setz mir keine Frist.“ „Wenn ich dir keine Frist setze, wird es niemand tun und dann wirst du immer und immer wieder ausreden finden um es ihm weiter zu verschweigen. Das muss aufhören Lena und zwar sofort. Wie oft hattest du bisher Gelegenheit ihm die Wahrheit zu sagen? Wie viele ideale Momente hast du verstreichen lassen?“ Dass Lena nicht antwortete, war für den Katalanen allein schon Antwort genug. Keine Antwort war auch eine Antwort und in diesem Fall lautete sie: Definitiv viel zu oft. Und auch wenn Pep in diesem Moment hart und herzlos erscheinen mochte, so tat er das alles nur um Lena zu helfen. Ihm war klar, dass die Frau Angst davor hatte ihrem Bruder die Wahrheit zu sagen, ihm von ihrer bewegten Vergangenheit zu erzählen und er konnte die Angst nachvollziehen, doch es war einfach nötig, dass Torsten davon erfuhr. Dass er alles erfuhr. Es musste einfach sein. Und genau aus diesen Gründen würde er Lena diesmal keine Gelegenheit zur Flucht geben. Dass es letztendlich am nächsten Morgen alles anders kommen sollte als von ihnen allen gedacht, konnte Josep Guardiola an diesem Abend während des Freundschaftsspiels der Spanier gegen die Deutschen noch nicht ahnen. Er hatte Lena zwar die Pistole auf die Brust gesetzt, aber abdrücken würde ein anderer. Jemand, von dem es niemand erwartet hätte. To be continued Nein, in diesem Kapitel gab es noch nicht den großen Knall, dafür aber das definitive Versprechen, dass es im kommenden Kapitel endlich soweit sein wird. Lena hat jetzt immerhin keine Chance mehr: Entweder kommt es so oder so, doch auf jeden Fall kommt es. Was sagt ihr zu Lenas mutigen „Verabschiedung“ von Per? Da hat sie sich ja mal richtig vorgewagt um Per zu zeigen, dass sie ihn mag. Und seine Reaktion? War das alles eher zu viel oder realistisch? Und natürlich auch Basti und Clemens, die eifersüchtig sind und auch gern ein Küsschen bekommen hätten… Das Leben ist halt kein Ponnyhof… Wer ist wohl derjenige, der den Auslöser der Pistole drückt? Und wie macht er das wohl? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)