Happy ohne Ende? von Schumeriagirl ================================================================================ Kapitel 22: La dolce Vita ------------------------- Ich bleibe an dieser Stelle standhaft: Keine der in meiner Story vorkommenden Personen gehört mir und alles, was hier zu lesen ist, ist definitiv frei erfunden und entspricht zu keinem Zeitpunkt der Wahrheit. Lena hörte wie die Musik langsam lauter wurde. Ihr Handy hatte die penetrante Angewohnheit immer lauter zu werden, je länger sie es ignorierte. Weil sie es verdammt oft und sehr gerne ignorierte, sie war einfach nicht einer dieser Menschen, die ihr Handy selbst nachts neben dem Kopfkissen liegen haben mussten. Die meiste Zeit konnte man sie über ihr Handy sowieso nicht erreichen, da sie es aller Wahrscheinlichkeit nach immer in irgendeiner Tasche hatte. Ganz unten, versteht sich. Und bis sie soweit war, dass sie das Geräusch identifiziert und geortet hatte, hatte der Anrufer fast immer auch schon wieder die Geduld mit ihr verloren, außer natürlich es war jemand aus ihrem Freundeskreis, die kannten ihre Beziehung zu diesen Neumodernen Dingern und ließen extrem lange klingeln. So wie jetzt. Mittlerweile war es so laut, dass sie das Lied sogar schon identifizieren konnte. Die ersten rockigen Töne von Gianna Nanninis „Bello e impossibile“ waren verklungen und unmerklich schlich sich ein leichtes Lächeln auf ihr Gesicht. Ihr Fuß tappte leicht auf den Boden und Lena merkte, wie sie leise mitsummen musste. Sie konnte einfach nicht anders. Dieses Lied weckte so viele Erinnerungen in ihr, doch diesmal waren sie nicht so schmerzhaft wie die ihrer Kindheit, sondern eher angenehm. Schön. Natürlich wusste sie ganz genau, wer anrief, sie kannte zwar mehrere Männer, auf die diese Beschreibung schön und unmöglich gepasst hätte, aber es gab nur einen Mann, dem sie dieses Lied zugeordnet hatte. Langsam stand Lena auf und ging ans Sofa-Ende, wo sie ihre Tasche achtlos hingeschmissen hatte, als sie sich von Petra hatte trösten lassen. Ihr Blick war zielsicher auf die Erde gerichtet, wo Signora Nannini mittlerweile zum zweiten Mal anfing ihren Evergreen zu singen. Zum Glück wusste der Anrufer um ihre Angewohnheit ständig ihr Handy erst suchen zu müssen, denn jeder andere hätte vermutlich schon lange wieder aufgelegt. Er jedoch nicht, er kannte sie dafür schon viel zu lange und auch viel zu gut. „Ciao.“ „Ciao Pricipessa. Come va?“ Seine fröhliche Stimme klang durchs Telefon. Sie konnte sein breites Grinsen beinahe schon sehen und die strahlende italienische Spätsommersonne auf ihrer Haut fühlen. Womöglich saß er gerade auf der Terrasse und genoss das Leben. La dolce Vita. Im Augenblick wünschte sie sich auch nichts sehnlicher als dem Chaos zu entfliehen, das derzeit ihr Leben ausmachte. Eine Zeit lang überhaupt nicht denken zu müssen, diese Vorstellung war für Lena sehr reizvoll. Denn vielleicht hieß diese Flucht vor dem Denken dann auch eine Flucht vor den Gefühlen und Problemen, die das „normale“ Leben unweigerlich mit sich brachte. Aber de facto war sie ja schon geflohen, nur dass ihr diese Flucht rein gar nichts gebracht hatte. Realistisch gesehen hatte sie sich nur noch mehr Probleme bereitet, für die sie weder Zeit, Kraft noch Nerven hatte. „Bene, grazie, Paolo.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung wurde ernster, strenger und Lena konnte erahnen, dass er sich mittlerweile richtig hingesetzt hatte und gerade angestrengt irgendeinen Punkt fixierte. Das machte er immer so, wenn er nachdachte. „Du lügst.“ Zwei kleine Worte. Eine Feststellung, die ihr mal wieder bewies, dass sie ihn auch über die Distanz zwischen Bremen und Mailand genauso wenig belügen konnte, wie wenn sie ihm gegenüberstand. Manchmal war es wirklich zum Verrückt werden mit den Menschen. Einen Augenblick überlegte Lena ernsthaft, ob es sich zu widersprechen lohnte, doch dann entschied sie sich dagegen. Warum eine Lüge mit einer weiteren Lüge bekräftigen, wenn die erste doch schon als solche erkannt worden war? Nein, sie hatte wahrhaftig keinen Grund Paolo zu belügen, er konnte ruhig wissen, wie es ihr wirklich ging. „Wenn du einen Moment Zeit hast, sage ich dir, wie es wirklich in mir aussieht.“ Langsam, fast schlafwandlerisch, bewegte Lena sich mit dem Handy ans Ohr gepresst in Richtung ihres Zimmers. Dabei achtete sie nicht auf die raschelnde Bewegung des Vorhangs, der Wohnzimmer und Flur voneinander trennte. Sie sah auch nicht die großen Füße, die unter eben jenen Vorhang hervorschauten. Das leise Schnaufen drang nicht bis an ihr Ohr, Lena war vollkommen in Gedanken und bereitete sich auf das unweigerlich anstrengende Gespräch vor. Sie wusste zwar, dass Petra kein italienisch sprach und sie sich keine Sorgen machen musste, dass ihre Schwägerin da etwas hören konnte, was nicht für ihre Ohren bestimmt war, aber sie wollte trotzdem lieber allein sein, wenn sie mit Paolo sprach. So wie sie ihn kannte, würde er wieder ziemlich unangenehme Fragen stellen, die den Nagel genau auf den Kopf trafen und ihre tiefsten Gefühle berührten und dann konnte selbst die sonst so beherrschte und kontrollierte Lena meist für nichts mehr garantieren. Und einen weiteren emotionalen Zusammenbruch wollte sie Petra nun doch nicht mit ansehen lassen. Die würde zwar, da war die jungen Blondine sich relativ sicher, nicht schlecht von ihr denken oder sie für schwach halten, aber ein letztes bisschen Würde wollte Lena sich doch noch bewahren. Deswegen würde sie mit Paolo hinter geschlossen Türen sprechen. „Was soll denn das, Principessa, du weißt doch, dass ich für dich immer Zeit habe. Da brauchst du nicht extra fragen. Und fang bitte nicht an mich schon in deinem zweiten Satz zu belügen, das steht dir nicht.“ Ein zynisches Lächeln umspielte Lenas Lippen, als sie sich schwerfällig auf das Gästebett im fringsschen Haushalten fallen ließ. Unmerklich schloss Lena die Augen und versuchte sich wieder nach Italien, wieder nach Mailand in Paolos geräumige Villa zurück zu denken, wo sie vier glückliche Jahre verbracht hatte. Zusammen mit ihm, seiner Frau und seinen beiden Söhnen, Christian und Daniel. Und natürlich seinen zahlreichen Freunden und Kollegen, von denen besonders einer ihr Herz im Sturm erobert hatte. „Ich weiß, Paolo, ich weiß, aber hast du schon Mal etwas davon gehört, dass man auf diese Frage nach dem Befinden standardmäßig immer mit gut antwortet, weil es die meisten Menschen eh nicht interessiert, ob es dir wirklich gut geht oder du nur der Höflichkeit halber freundlich lügst?“ „Klar habe ich davon schon gehört, bin aber davon ausgegangen, dass es bei uns beiden nicht so ist. Also nun sag schon, wo bist du und wie geht es dir?“ Irritiert setzte Lena sich auf und überlegte, woher Paolo wissen konnte, dass sie nicht mehr in Barcelona war. Hatte es sich etwas schon rum gesprochen, dass sie die Flucht ergriffen hatte? Und genau das fragte sie ihn dann auch, doch als Antwort bekam sie zuerst nur ein heiseres Lachen. „Du kennst mich, Principessa, ich habe meine Quellen.“ „Also hat dich irgendwer angerufen und gefragt, ob ich bei dir bin, habe ich Recht? Wann war das? Und wer war es? Lionel? Wohl eher nicht. Carles oder doch eher Andres?“ Das Schweigen am anderen Ende der Leitung war Lena schon Antwort genug. Scheinbar hatte irgendwer von Barcelona aus nach ihr gesucht und war selbstverständlich als erstes auf Paolo gekommen. Auf wen auch sonst, immerhin wusste keiner von ihnen von ihrem Bruder, von Torsten. „Nun sag schon, wer ist es gewesen?“ Lenas Stimme konnte man die Neugier und die Ungeduld anhören, sie interessierte es wirklich brennend, wer nach ihre Nacht- und Nebelaktion sofort darauf gekommen war ausgerechnet in Mailand nach ihr zu suchen. Lionel konnte es wohl wirklich nicht gewesen sein, denn der wusste ja schließlich, welche schmerzhaften Erinnerungen Lena mit dieser Stadt verband und dass dort bestimmt nicht der richtige Ort für sie war um die Wunden der vergangenen Wochen zu lecken. Nicht mit ihm in unmittelbarer Nähe. „Direkt den Morgen nach deinem Verschwinden und es wird wohl Carles gewesen sein, glaube ich.“ „Glaubst du? Du musste doch wissen, mit wem du telefoniert hast, Paolo! So etwas vergisst man nicht, auch in deinem Altern noch nicht.“ „Hey, hey, ganz ruhig junge Dame, was heißt denn hier in meinem Alter, vierzig ist doch noch nichts, also bitte. Und du kannst mir vertrauen, wenn mich jemand aus Barcelona angerufen hätte, dann wüsste ich es jetzt noch.“ Das ließ sie einen Augenblick stutzen. Augenscheinlich hatte Carles nicht bei Paolo angerufen, sondern bei einem anderen Mailänder. Aber warum? Und vor allen Dingen bei wem? „Also hat Carles gar nicht bei dir angerufen, sondern bei wem anders?“ „Richtig erkannt, Principessa.“ „Bei wem?“ Das erneute Schweigen am Ende der Leitung ließ Lenas Magen sich unangenehm zusammenziehen und ihr Herz ein paar Schläge schneller schlagen. Ihre Vermutung gefiel ihr nicht und innerlich versuchte sie sich für Paolos Antwort zu wappnen, die jedoch auch nach einigen Augenblicken immer noch nicht gekommen war. Deswegen nahm sie selbst das Heft in die Hand und äußerte ihre Befürchtung. „Er hat bei ihm angerufen, oder? Ich meine Carles, er hat ihn gefragt, ob ich bei ihm bin.“ „Si.“ Lenas gequältes Seufzen und die Art, wie sie es vermied seinen Namen auszusprechen, verriet Paolo, dass die junge Deutsche immer noch nicht über das hinweg war, was damals geschehen war oder ihn einfach nicht vergessen konnte. Oder wollte. Es kam ja irgendwie dasselbe bei raus: Jede Menge Tränen, Schmerz, Enttäuschung und Wut. Und das fand er verdammt traurig, denn seine Prinzessin hatte sich ihr Glück verdient, sie sollte nicht immer noch um eine verlorene Liebe, einen vergebenen Mann trauern, der es seiner Meinung nach gar nicht Wert war. Aber wer fragte schon nach seiner Meinung? „Und was hat er ihm gesagt?“ Wieder kam Lenas Frage nur zögerlich und Paolo wusste, dass sie mit sich gerungen haben musste sie wirklich zu stellen. Ihre ganze Tonlage war unentschlossen und vorsichtig, zwiespältig, als würde sie die Antwort unbedingt wissen wollen, aber auch genauso fürchten. Lena hatte die Angewohnheit am liebsten Fragen zu stellen, deren Antwort sie bereits sicher oder zumindest mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kannte, da sie schmerzlich hatte lernen müssen, wie es war, wenn einem eine unbedachte Frage wieder um die Ohren flog und einem den Boden unter den Füßen entzog. Ein absolut grausames Gefühl und der damit verbundene Kontrollverlust war für einen Menschen wie Lena nur schwerlich zu ertragen. Sie musste einfach ein gewisses Maß an Kontrolle behalten um nicht zu verzweifeln. Natürlich stellte sich unweigerlich die Frage, warum Lena überhaupt noch fragte, wenn sie letztendlich doch die Antwort schon wusste, aber darauf hatte sie immer gesagt, dass es durchaus einen Unterschied machte, ob man etwas im stillen wusste oder ob ein anderer sich die Mühe machte es laut auszusprechen. Einen himmelweiten Unterschied, denn eine leise innere Stimme ließ sich leichter verleugnen als das laut ausgesprochene Wort eines anderen. Das Risiko, das sie jetzt mit dieser Frage einging, war aus ihrer Sicht enorm, denn Paolo war sich sicher, dass sie absolut keine Ahnung hatte, was zwischen dem Spanier und dem Brasilianer gesprochen worden war. „Du musst dich etwas genauer ausdrücken, Principessa. Sie haben beide etwas gesagt, aber was willst du davon wissen?“ Er wollte ihr noch einmal eine letzte Chance geben einen Rückzieher zu machen. Ein Schlupfloch lassen, falls sie es sich jetzt doch anders überlegt hatte. Denn im Augenblick ahnte sie nur, was die beiden einander erzählt hatten, sobald Paolo jedoch zu antworten beginnen würde, würde aus ihrer Vermutung unter Umständen Realität werden. Also hatte sie jetzt ein letztes Mal die Chance auf die Wahrheit zu verzichten um ihren Seelenfrieden nicht zu gefährden. „Ich will alles wissen, Paolo, alles, was du mir sagen kannst. Aber zu aller erst möchte ich wissen, was Carles zu-“ To be continued Na, was sagt ihr dazu? Handys können schon eine ziemlich nervtötende Angelegenheit sein…^^ Ich hoffe ich konntet mein etwas verwirrendes Geschwafel über das Prinzip von Fragen und Antworten bei Lena halbwegs verstehen… Ich wollte auch in diesem Übergangskapitel ein wenig tiefer gehen und etwas mehr von ihr zeigen, keine Ahnung, ob mir das nun gelungen ist oder nicht. Konntet ihr alle Männer, von denen die Rede war, zuordnen, oder gibt es da noch Probleme? Könnt ja raten, wessen Namen ich da wohl absichtlich weggelassen habe zum Schluss, bin ja mal gespannt… ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)