Riddle's Assassins von stone0902 (Im Auftrag des Dunklen Lords) ================================================================================ Prolog: Prologue ---------------- Hogwarts – der Ort mit dem sie ihre schönsten und schlimmsten Erlebnisse verband. Sie empfand Freude, da dies der Ort war, an dem sich wohl jeder Schüler wohl fand. Der magiereichste Ort Schottlands, ein zweites Zuhause, in dem man Freundschaften schloss und Erfahrungen für das Leben sammelte, aber andererseits brachen hier die Erinnerungen über sie ein, die ihr das Leben schwer machten. Erinnerungen an die Zeit, in der der Dunkle Lord sie benutzt und sie unwillentlich unschuldigen Schülern – ihren Mitschülern – Schaden zugeführt hatte. Und nun traf sie wieder auf Harry Potter, der Junge der Ginevra Weasleys Herz gebrochen hatte, in dem er im letzten Schuljahr mit Cho Chang zusammen gekommen war. Sie würde einfach versuchen ihm aus dem Weg zu gehen und dieses Vorhaben würde ihr sicher gelingen, denn die ZAG's würden ihre volle Aufmerksamkeit beanspruchen. Mit gemischten Gefühlen sah sie nun durch die Halle, lauschte der Rede Dumbledores nur halbherzig und lies den Blick über die verschiedenen Haustische wandern. Am Tisch der Ravenclaws saß Luna Lovegood, mit dem verträumten Gesichtsausdruck, der immer ihr Gesicht zierte. Dicke Radieschenohrringe baumelten an ihren Ohrläppchen und in ihren Händen hielt sie eine Ausgabe des aktuellen Quibblers, dem sie jedoch im Moment keine Aufmerksamkeit schenkte, da sie Dumbledores Worten lauschte. Er hielt nun nach dem Festessen, welches die Jungen und Mädchen nach der langen Fahrt mit dem Hogwarts Express gierig verschlungen hatten, seine Rede. Ihr Blick wanderte weiter zum Tisch der Hufflepuffs. Dort saß Justin Finch-Fletchley und Ginnys Hände ballten sich auf ihrem Schoß unter dem Tisch zu Fäusten. Er war ebenfalls ein Opfer des Basilisken gewesen, der vor vier Jahren durch Hogwarts gestreift war und zum Glück seine Opfer "nur" versteinert hatte. Schuldgefühle durchströmten sie und sie zwang sich den Blick von dem ahnungslosen Jungen zu lösen. Zu guter letzt drehte sie sich halb, um zu dem Tisch sehen zu können, dem sie den Rücken gekehrt hatte, zu den Schülern die man wohl am ehesten als Konkurrenten, wenn nicht sogar als "Feinde" bezeichnen konnte. Jüngere Schüler des Hauses Slytherin lauschten stumm den Worten des Schulleiters, die älteren wiederum, waren in Gespräche vertieft und gaben nicht den Anschein von sich, als wäre der Schulleiter es wert, das man ihm Aufmerksamkeit schenkte. Sie überflog die Gesichter und traf Malfoys Blick. In dem Moment fuhr ein Raunen durch die Menge und die Schüler begangen zu flüstern und zu tuscheln. Ginny sah sich um, nicht ahnend, was Dumbledore gerade gesagt hatte. Am Tisch der Gryffindors vernahm sie das Gerede ihrer Mitschüler. "Snape ist Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste?" "Das ist nicht möglich!" Überrascht sah sie zum Lehrertisch auf in das selbstgefällige Gesicht von dem Tränkemeister. Snape würde dieses Jahr den Posten für sein langersehntes Fach erhalten... Nun, dann war also anzunehmen, dass er – so wie seine Vorgänger – spätestens am Ende des Jahres nicht mehr an dieser Schule sein würde. Während sie in ihren Gedanken verweilte, tauchte plötzlich ein anderer auf. Hatte Malfoy sie gerade angesehen? Sie drehte ihren Kopf, ganz langsam und bemüht unauffällig in Richtung der Slytherins. Er fiel ihr sofort ins Auge. Seine silberblonden Haare gaben einen krassen Kontrast zu den dunklen Roben der Schüler und sie stutze, als sie erneut seinen Blick kreuzte. Zögernd sah sie sich um, ob er vielleicht irgendwen oder irgendetwas hinter ihr anstarren mochte, aber da war nichts Besonderes, das Aufmerksamkeit erregen konnte. Sie sah erneut über ihre Schulter, erkannte durch die geringe Entfernung der nebeneinander stehenden Haustische sein Gesicht. Er sah sie wirklich an, den Kopf leicht gesenkt fielen ihm die blonden Strähnen ins Gesicht. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu definieren, kein arrogantes oder selbstgefälliges Grinsen, keine Abscheu oder Spott waren darin zu finden. Sein Blick war kalt und sie bekam ein mulmiges Gefühl. Als sie den Blickkontakt gebrochen und sich abgewandt hatte, gähnte sie. Die ersten Schüler erhoben sich und wurden von den Vertrauensschülern, zu denen auch ihr Bruder gehörte, in die Gemeinschaftsräume geführt. Sie war ebenfalls erschöpft. Vielleicht spielte ihr die Müdigkeit einen Streich und sie verscheuchte das Gesicht des Slytherins aus ihren Gedanken. Sie schloss sich der Gruppe Gryffindors an und ging mit ihnen gemeinsam in die siebte Schlossetage, durch das Portrait der fetten Dame und letztendlich, in den Schlafsaal. In ihrem Bett fielen ihr dann die Augen zu. In ihrem Traum befand sie sich in einer langgezogenen Halle. Sie ging den feuchten Weg entlang und sah zu den hohen Säulen hinauf. Sie kannte diesen Ort genau und schon oft war sie hier gewesen, nicht nur in ihren Träumen. An der Rückwand der Halle blieb sie stehen, direkt vor der riesigen Statue Salazar Slytherins. Zögerlich streckte sie ihre Hand aus und ihre Finger berührten das kalte, steinige Gesicht des alten Zauberers. Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich und als sie sich umdrehte, trat eine Person aus den Schatten. Durch das dämmrige grüne Licht konnte sie ihn erst erkennen, als er näher trat. Ihre Augen weiteten sich. Es war ein hübscher Junge in ihrem Alter in Schuluniform. Ein charmantes Lächeln lag auf seinen Lippen. Seine dunklen Locken fielen ihm ins Gesicht und sein Blick lag auf ihr. Mit jedem Schritt den er näher trat, schlug ihr Herz schneller. Mittlerweile stand er nah vor ihr und unfähig sich zu bewegen beobachtete sie, wie er seine Hand nach ihr ausstreckte. Er berührte ihre Wange und seine Finger strichen über ihre Haut. Die Augen schließend genoss sie diese zärtliche Berührung. Als er von ihr abließ, öffnete sie ihre Augen und sie verlor sich in seinen dunklen Augen, die sie hypnotisierten. Für sie gab es keinen schöneren Anblick... Er verzauberte sie und sie war ihm machtlos ausgeliefert, wie schon vor einigen Jahren. Sie versuchte ihm näher zu kommen, legte ihre Hände an seiner Brust ab und berührte dabei die grün-silber gestreifte Krawatte, die mit einer Schlange verziert war. Ihr Gesicht näherte sich seinem immer mehr. "Tom..." flüsterte sie atemlos. Auf seinen Lippen erschien ein zufriedenes Lächeln und dann sprach er mit seiner betörenden Stimme. "Wir werden uns schon bald wieder sehen, Ginny Weasley." Kapitel 1: Diary ---------------- Sie hatte die Bibliothek aufgesucht, da dies der beste Ort zum Lernen war und lernen würde wohl ihre Hauptbeschäftigung werden für dieses Jahr. Ihr fünftes Schuljahr würde die ZAG-Prüfungen mit sich bringen und es gab einiges zu tun um die angeforderten Erwartungen, die ihre Familie hatte, zu erfüllen. Bereits in den ersten Tagen gaben die Lehrer Hausaufgaben auf, die alle bisherigen Rekorde gebrochen hatten, doch im Moment vermochte sich die erste weibliche Weasley, die es seit Generationen gab, nicht zu konzentrieren. Allein saß sie an einem kleinen Tisch in der Nähe der Regale und blätterte genervt in dem Buch Geschichte der Zauberei herum. Schon seit etlichen Minuten versuchte sie sich auf den Text zu konzentrieren, doch jemand hielt sie davon ab, sodass sie immer wieder zurück blättern musste, da sie die Sätze, die sie bereits gelesen hatte, gar nicht wirklich realisierte. Ihre Aufgabe bestand darin, Hintergrundinformationen über Yardley Platt in Erfahrung zu bringen, da sie in Zaubereigeschichte das Thema Kobolde behandelten und Yardley Platt zu seiner Zeit viele von ihnen ermordet hatte. Aber bis auf sein Geburts- und Todesdatum hatte sie noch nichts heraus gefunden, da sie sich so sehr beobachtet fühlte. Ginny sah von ihrem Buch auf, ihr Kopf bewegte sich nicht, lediglich ihre Augen wanderten zu demjenigen, der sie beobachtete. Sie sah in zwei graue Augen die ihr aus einiger Entfernung kalt entgegen blickten. Er sah also immer noch zu ihr. Schnell senkte sie wieder ihren Blick. Schon seit Beginn des Schuljahres fühlte sie sich von dem Slytherin und Malfoyerben beobachtet. Zuerst dachte sie, es sei nur Einbildung, doch dann ertappte sie ihn immer wieder, wie sein Blick auf ihr lag. Jedoch brach er nie den Augenkontakt, im Gegenteil, er hielt ihrem Blick stand und diese eisigen Augen schienen sie über all hin zu verfolgen. Malfoy schien sich nach den Ferien verändert zu haben. Er wirkte älter und erwachsener, seine üblichen dummen Sprüche und Beleidigungen blieben aus, dafür schien er auch skrupelloser geworden zu sein, so hatte er noch vor dem Eintreffen in Hogwarts dem wehrlosen Harry Potter die Nase gebrochen. Und jetzt saß er einige Tische entfernt in Begleitung von Vincent Crabbe und Gregory Goyle, beide schienen recht Fehl am Platz zu wirken. Vor ihm lag ein Buch aufgeschlagen aber sie sah ihn nicht ein einziges Mal darin lesen. Es nervte sie gewaltig. Wieso musste er gerade sie anstarren? Konnte er nicht einfach einen blöden Spruch ablassen und dann wieder verschwinden. Hatte er denn nichts Besseres zu tun - Erstklässler ärgern, zum Beispiel? Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder dem Geschichtsbuch zu widmen. Der Zauberer Yardley Platt lebte im Mittelalter, um 1446-1557,... Ginny sah auf. Er guckte immer noch. ...hat er seine Opfer wohl nicht bei den kriegerischen Auseinandersetzungen um Rechte in der magischen Welt getötet, sondern aus Gier nach deren Goldschätzen. Sie runzelte die Stirn. Sie war in der Zeile verrutsch. Verärgert biss sie sich auf die Lippe, sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. So sehr sie auch versuchte, diese Blicke zu ignorieren, es gelang ihr beim besten Willen nicht. Verärgert schlug sie den dicken Wälzer zu und stand auf, nachdem sie sich ihre Schultasche geschnappt hatte. Mit eiligen Schritten ging sie auf die Bücherregale zu, nicht ohne Malfoy noch einmal einen giftigen Blick zu zu werfen. Ihr Ziel war die Geschichtsabteilung. Sie beschloss, das Buch zurück zu geben und in die Große Halle zu gehen. Mit dem dicken Buch in der Hand betrat sie den gesuchten Gang. Diese Bücherei war nun auch wirklich riesig und überall flogen Bücher herum, die einen an den Kopf knallten, wenn man ihnen nicht auswich. Ginny las die Titel und überlegte, wo das Buch hingehörte, als sie auf die weiteren Bücher über Kobolde stieß. Zufrieden stellte sie sich davor und hob die Hand, um das Buch zurück zu stellen, als sie eine Bewegung registrierte. Sie zwang sich, die Person zu ignorieren. Es wäre lächerlich, wenn es wirklich er wäre. Das hieße ja, er würde sie verfolgen... Trotzdem war die Gryffindor nicht fähig sich zu bewegen. Und als sie dann doch einen Blick zur Seite wagte, musste sie innerlich fluchen. Gab es auf dieser Schule vielleicht noch jemanden, der ebenso helles Haar besaß, wie er? Vielleicht, aber die kalten silbernen Augen waren einmalig... Das Buch, steckte schon halb im Regal, doch sie konnte sich aus ihrer Starre nicht befreien. Aus den Augenwinkel sah sie, wie er ihr näher kam, mit seinem Finger strich er über die Buchrücken und kam immer näher. Seine Hand stoppte genau neben ihrer und sie sah die blasse Haut. Einige Sekunden verweilte er und Ginny hörte, wie ihr Herz aufgeregt in ihrer Brust schlug. Dann zog er das Buch aus dem Regal heraus. Dass sie die Luft anhielt, bemerkte sie gar nicht und als nach einigen Sekunden nichts passierte, wagte sie es einen Blick über die Schulter zu werfen. Er war weg. Erleichtert atmete sie aus. Für einen Augenblick, hatte sie sich wirklich gefürchtet. Wer weiß, wozu ein Slytherin fähig war, vor allem allein in einem verlassenen Gang in der Bibliothek. Mit einem Mädchen. Mit einer Gryffindor... Vorsichtig ging sie einige Schritte und hielt sich mit der zittrigen Hand am Regal fest. Sie lugte um die Ecke in die Bücherei, aber unter den wenigen Schülern, die sich hier aufhielten, befand sich kein einziger Slytherin. Der Tisch an dem sie gesessen hatten, war nun unbesetzt. Aber bekanntlich sollte man sich nicht zu früh freuen, also schaute sie sich misstrauisch um, ließ den Blick über die kleine Menge der noch anwesenden Schüler schweifen. Zufrieden konnte sie feststellen, dass von dem blonden Slytherin keine Spur war. Beim Verlassen der Bibliothek drückte sie ihre Tasche fest an sich und während des Weges zur Großen Halle verweilte sie in ihren Gedanken. Was hatte er vor und wieso bei Merlin machte er ihr so eine Angst? Es war doch nur Malfoy... Mehr als Sprüche klopfen konnte der nicht. Aber er hatte sie nicht beleidigt, er hatte weder etwas gesagt, noch etwas getan und das war es, was ihr Angst machte, denn er benahm sich seltsam und vor allem... Wieso verfolgte er sie? Als sie ihn dann beim Abendessen in der Großen Halle sah, wie er zurück gelehnt und mit verschränkten Armen da saß und ihr ein zufriedenes Grinsen zuwarf, bestätigte sich ihr ungutes Gefühl. ~ Wütend stampfte sie die Stufen der Treppe empor, die sie zum Turm der Gryffindors führen sollte. Mit zusammengepressten Zähnen und hochrotem Kopf ging sie ihren Weg. Dieser blöde Kerl läuft einfach mit einem Buch durch die Schule, das ihm irgendwelche Anweisungen gibt und mit denen er sich durch den Zaubertränkeunterricht mogelt. Nicht wissend, was der Verfasser dieser Mitschriften für eine Absicht bezweckt hatte. Nach dem Abendessen wollte sie die Halle verlassen, als sie an Harry und den anderen vorbeigegangen war und zufällig das Gespräch aufgeschnappt hatte. Es hatte sie wirklich umgehauen, dass der Held der Zaubererwelt, der auf den sich alle verlassen und von ihm erwarten, dass er mal die Welt retten würde, sich von einem alten Schulbuch manipulieren lässt und tut, was es ihm sagt. Sofort hatte sie an das Tagebuch gedacht, dass sie einst zu einer Marionette werden ließ und ihr ihre Lebensenergie ausgesaugt hatte. Die Angst und die Befürchtung, dass es sich um das Buch handeln würde, hatte ihr den Atem geraubt, doch als sie sich über Hermine gebeugt und das alte, ramponierte Buch, das völlig abgenutzt war, sah, erkannte sie, das es sich nur um ein Exemplar von Zaubertränke für Fortgeschrittene gehalten hatte. Beruhigt hatte sie es zur Kenntnis genommen, dennoch ihre Meinung kund getan, in dem sie Harry Vorwürfe machte, wie er nur Anweisungen eines Buches befolgen könne, denn schließlich hatte er es damals miterlebt, wie sie selbst zum Opfer geworden war. Zähneknirschend schleuderte sie das Passwort der fetten Dame entgegen und betrat den Gemeinschaftsraum. Eilig machte sie sich auf den Weg in ihren Schlafsaal. Dachte der Typ wirklich, ihm könnte nichts passieren und für ihn wäre alles ungefährlich? Sie war doch das beste Beispiel dafür, wie leicht es geschehen konnte, das man ausgenutzt wurde, dass selbst Hogwarts nicht immer sicher war. Wie konnte er es so leicht hinnehmen und sie damit so demütigen? Im Schlafsaal angekommen warf sie ihre Tasche aufs Bett und zog ihren Umhang aus, den sie über einen Stuhl legte. Ihre Zimmerkameradinnen waren nicht da, vermutlich waren sie noch beim Abendessen und es würde sicher auch eine Weile dauern, bis sie hier oben auftauchen würden, da es noch lange keine Schlafengehenszeit war. Die Schuhe pfefferte sie in eine Ecke und langsam verebbte ihre Wut. Sie ließ sich aufs Bett fallen, dass unter ihrem Gewicht nachgab, starrte abwesend an die Decke und ihr kam ein anderer Gedanke... Was wäre gewesen, wenn es wirklich Riddle's Tagebuch gewesen wäre? Eine Weile dachte sie darüber nach, dann schüttelte sie den Kopf und setzte sich auf, stütze sich mit den Armen nach hinten ab. Bei dem Gedanken an das Tagebuch erfüllte sie eine gewisse Sehnsucht, die sie nicht leugnen konnte. Ginny kaute auf ihrer Unterlippe und gab sich ihren Erinnerungen hin, bis sie sich seufzend erhob und zum Fenster schritt. In Erinnerung schwelgte sie in letzter Zeit zu oft. Mit festem Griff öffnete sie das Fenster und die frische Abendluft strömte in das Zimmer. Vom Turm aus konnte sie auf die Ländereien Hogwarts schauen. Es war noch hell, die Sonne würde erst spät untergehen und auf den Ländereien erkannte sie ein paar schwarze Punkte. Vermutlich Schüler, die die Zeit vor der Nachtruhe noch genießen wollten. Ginny setzte sich wieder auf ihr weiches Bett und griff nach ihrer Tasche, die nun halb auf dem Kissen und halb auf der Decke lag. Sie öffnete sie und sah ihre vielen Schulbücher, doch ihr Blick blieb an einem bestimmten hängen. So lange hatte sie die neuen Bücher noch nicht, denn ihr fünftes Schuljahr hatte gerade erst begonnen, doch ein Buch fiel ihr ins Auge und ließ sie ihre Stirn in Falten legen. Fragend griff sie danach und zog es heraus, doch als sie das Buch, das in schwarzes Leder gebunden war, genauer sehen konnte, ließ sie es augenblicklich fallen. Ein erstickter Schrei entfloh ihrer Kehle, ruckartig stand sie auf und starrte auf das Buch, das nun aufgeschlagen auf dem Boden lag, mit dem Buchdeckel nach oben. Das war kein Schulbuch. Dieses würde sie unter Tausenden wieder erkennen. Panisch griff sie nach ihrem Zauberstab. "Diffindo!" Der Spruch traf, doch das Buch zerriss nicht, sondern blieb unversehrt, so als ob der Zauberspruch einfach an einem unsichtbaren Schutzschild abprallen würde. Mit zitternder Hand hielt sie ihren Stab weiterhin auf das Buch gerichtet. "Bombada!", schrie sie und als der Fluch das Buch traf, knallte es laut, doch es wurde nur ein paar Zentimeter über den Boden geschleudert. Wieso bewirkten ihre Zaubersprüche nichts? Schutzzauber, dachte sie und das Zittern ihrer Hand hatte sich auf ihren gesamten Körper ausgebreitet. Vorsichtig ging sie, einen Schritt nach dem anderen, auf das Buch zu, starrte es voller Abscheu an. Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus, wartete darauf, dass vielleicht irgendetwas passieren würde, dass es sie ansprang oder explodierte, doch dann griff sie danach und nichts geschah. Sie hob es auf und betrachtete das Ding, das ihr so einen Schrecken eingejagt hatte. Wieso beim Dunklen Lord hatte sie sein Tagebuch in den Händen? Es wurde doch zerstört, sie hatte es selbst gesehen. Durchbohrt von einem Zahn des Basilisken, woraufhin sich die Gestalt der Seele, die sich in diesem Buch aufbewahrte, aufgelöst hatte. Damit war doch der Spuk damals vorbei gewesen, aber sie hielt es in ihren Händen und es sah unversehrt aus. Ginny schloss die Augen, als die Erinnerung zurück kam. Erschöpft ließ sie sich aufs Bett sinken, den Blick weiter auf das Tagebuch gerichtet. "Malfoy!", zischte sie. Er musste es ihr in der Bücherei zugesteckt haben, in dem Moment, als er an dem Bücherregal so nah hinter ihr gestanden hatte. Sie war so von seiner Anwesenheit abgelenkt gewesen, dass er es ihr zugesteckt haben musste. Deswegen hatte er sie in letzter Zeit wohl auch so oft beobachtet, um einen günstigen Moment abzupassen und es ihr unauffällig zustecken zu können. Wäre sie jetzt nicht so geschockt gewesen, hätte sie vermutlich gelacht über die Tatsache, dass es wieder ein Malfoy war, der ihr das Tagebuch untergejubelt hatte. Schließlich war es in ihrem ersten Schuljahr sein Vater gewesen, durch den sie an das Buch geraten war. Aber was hatte Malfoy vor? Wie kam er an das Buch? Und wieso wollte er, dass sie es hatte? Die Schritte, die sie hinter der Zimmertür hörte ließen sie zusammenfahren und hastig versteckte sie das Buch unter ihrem Kissen, als die Tür geöffnet wurde. "Ginny, was war das für ein Lärm?" Ein Mädchen mit kurzen Locken kam herein. Demelza Robbins, ein Mädchen aus Ginnys Jahrgang, das genauso gern Quidditch spielte wie sie. Die Dunkelhaarige schloss die Tür und sah sich forschend im Zimmer um, so, als erwartete sie einen knallrümpfigen Kröter, der jeden Moment unter dem Bett hervor gekrochen kommen könnte. "Ich habe nur für den Unterricht geübt", sagte Ginny, lächelte dabei und hoffte, dass Demelza ihr diese Lüge abkaufen würde. Diese sah sie mit leichter Skepsis in den Augen an, sah sich noch einmal misstrauisch im Zimmer um. "Aha ... Kommst du mit runter? Romilda Vane hat angeblich einen Liebestrank entwickelt und das wollen wir uns mal ansehen." "Oh. Klingt spannend, ich komme gleich nach." Sie winkte mit der Hand in der sie noch immer ihren Zauberstab hielt, als Zeichen dafür, dass sie noch "übte", wie sie gesagt hatte. Demelza beäugte einige Sekunden den Stab in Ginnys Hand, schien sich mit der Antwort zufrieden zu geben und verließ das Zimmer. Sobald die Tür geschlossen war, atmete die Weasley erleichtert aus und nahm eine entspanntere Haltung an. Das wäre beinahe schief gegangen Auch wenn ihre Mitschülerin das Buch nicht erkannt hätte, wollte sie nicht, dass es jemand sah, denn sie wusste immer noch nicht, ob es gefährlich sein könnte. Ihre Finger fuhren unter den weichen Stoff des Kissens und zogen das Buch heraus. Keine zwanzig Zentimeter entfernt hielt sie es sich vor die Augen. Es war also kein Traum, es war wirklich da. Sie blätterte durch die leeren Seiten. Wie damals waren die Pergamentseiten unbeschrieben und sie schloss es wieder. Das Leder unter ihren Fingern fühlte sich kalt an und geistesabwesend glitt sie darüber. Langsam drehte sie es in ihren Händen und betrachtete die Rückseite. Fast schon zärtlich streichelte sie über den Namen, der in goldenen Lettern eingeprägt war... Tom Marvolo Riddle. Alte Erinnerungen holten sie ein, sie sah Bilder der Vergangenheit, sah einen hübschen Jungen, der ihr Trost gespendet hatte, sie sah sich selbst, viele Jahre jünger, wie sie in das Buch hinein geschrieben hatte, wie sie sich ihm anvertraut hatte. Ihr Herz schmerzte und ruckartig wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Sie erschrak vor sich selbst. Das Buch war böse, sie durfte es nicht behalten! Sollte das Buch tatsächlich zu ihr gekommen sein, damit sie wieder Kontakt mit ihm aufnahm, damit sie wieder als wehrlose Puppe durch Hogwarts lief und im Auftrag des Dunklen Lords handelte? Wütend pfefferte sie das Buch gegen die Wand und stand auf, um zu den anderen Mädchen im Gryffindorgemeinschaftsraum zu gehen. Diesmal würde sie schlauer sein, sie war älter geworden, reifer und vernünftiger. Sie würde sich nicht noch einmal kontrollieren lassen. "Als ob ich noch einmal in dieses Buch schreiben würde!" Sie griff nach dem Türknauf, als sie plötzlich hinter sich eine Stimme hörte. "Das wird nicht nötig sein." Ginny erstarrte mitten in der Bewegung, mit der Hand schon am Griff drehte sie sich langsam um. Sie musterte mit vor Schreck geweiteten Augen den dunkelhaarigen, gut aussehenden Jungen in einem schwarzen Anzug, der auf einmal neben ihrem Bett stand. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, denn sie kannte diesen Jungen gut. Sie kannte ihn zu gut. "Tom Riddle", flüsterte sie. --------------- A/N: Die Angaben über Yardley Platt habe ich von harrypotterwiki.de übernommen und bei mir in der Story werde ich den Originalnamen, also Tom Marvolo Riddle, verwenden. Kapitel 2: Reunion ------------------ Sprachlos stand sie an der Tür und starrte den jungen Mann an, der plötzlich in ihrem Schlafsaal aufgetaucht war. Wie er hier herein gekommen war, wusste sie nicht, ebenso wenig ahnte sie, wieso er hier war, doch das alles war unwichtig, denn sein Auftreten würde Gefahr bedeuten. Keine guten Absichten könnten dahinter stecken, dass er ihr erschienen war. Sie versuchte sich von seinem Anblick loszureißen, doch kein Muskel wollte sich in ihrem Körper bewegen und so blieben ihre Füße an Ort und Stelle. "Lange nicht gesehen." Seine Stimme war ruhig und er hatte einen Plauderton angeschlagen, so als wären sie zwei alte Freunde, die sich nach langer Zeit wieder trafen. "Wer hätte gedacht, dass wir uns einmal wieder sehen würden? Von Angesicht zu Angesicht." Seine Mundwinkel hoben sich leicht und zeigten ein Schmunzeln, dazu hob er leicht das Kinn und sah amüsiert auf sie hinab. Derweilen löste sich Ginny langsam aus ihrer Starre, nahm die Hand von der Türklinke und trat einen Schritt auf ihn zu. In ihrem Kopf rasten die Gedanken umher und es gab so viele Fragen die sie stellen wollte, doch stellte sie diejenige, die sie am ehesten beantwortet haben wollte. "Bist du es wirklich?", flüsterte sie und ließ ihren Blick über ihn wandern. Der schwarze Anzug den er trug passte sehr gut zu seinem ebenso schwarzen Haaren und den noch dunkleren Augen. Sein Gesicht war dagegen blass und sie fand, dass seine Haut aussah wie Porzellan. Er war schön und jung, vielleicht so alt wie sie. Doch Ginny kannte sein Alter genau, denn damals hatte er sein sechzehnjähriges Ich ins Tagebuch gebannt und nun sah er so aus, wie der Tom, denn sie in seinen Erinnerungen, die er ihr gezeigt hatte, kennen lernen durfte. Ihr Blick huschte zu dem Buch, das nur wenige Zentimeter entfernt zu seinen glänzenden Schuhen lag, aufgeschlagen aber immer noch unbeschrieben. Tom legte den Kopf schief und lächelte. Auch wenn sie sich immer noch wünschte, aus diesem Traum so schnell wie möglich aufzuwachen, beschloss sie erst einmal, dass es die Wirklichkeit war, dass sie hier und jetzt mit Tom Riddle in ihrem Schlafsaal stand. Mit Lord Voldemort. Dem dunkelsten und bösartigsten Zauberer aller Zeiten. Es kam ihr vor, wie in einem ihrer Träume, die sie so oft hatte, doch schien dieser wirklich real zu sein und wahrhaftig vor ihr zu stehen. In Wirklichkeit sah er noch besser aus als in ihren Erinnerungen und Träumen. "Den Tom Riddle aus der Vergangenheit, den du kennen lerntest, gibt es nicht mehr, aber ich kann dir versichern, dass ich es bin. Ich bin Tom aus der Gegenwart. Jedoch kennst du mich jetzt unter einem anderen Namen." "Wieso erscheinst du mir dann als 16 jähriger Schüler?", fragte sie. "Wäre es dir lieber, ich würde in Gestalt von Lord Voldemort erscheinen?" Hektisch schüttelte sie den Kopf. Beim Gedanken an das blasse, kahle Gesicht, Schlitzen an Stelle einer Nase und leuchtend roten Augen musste sie schlucken und ihr Herz begann ihr gegen die Brust zu hämmern. Auch wenn sie ihn noch nie selbst in dieser Form zu Augen bekommen hatte, reichten die Erzählungen der anderen, um ihr das Fürchten zu lehren. "Leider konnte ich nicht persönlich erscheinen. Es steht außerhalb meiner Macht in Hogwarts einzudringen, daher befindet sich hier nur mein Geist. Ich dachte, es wäre nett, wenn ich dir als der Schüler, der ich damals war, begegne. Außerdem weckt es so schöne Erinnerungen." Er lächelte selbstgefällig und Ginny wusste, worauf er anspielte. "Glaube mir, ich weiß alles, was du damals in mein Tagebuch geschrieben hast." "Was willst du von mir?" Die Hände ballte sie zu Fäusten und versuchte das Zittern zu unterdrücken und sie hoffte, ihre Stimme klänge tapferer, als sie sich jetzt fühlte. "Du liegst richtig in der Annahme, dass ich nicht ohne Grund hier bin." Sein Lächeln verschwand und er ging einen Schritt auf sie zu. "Du wirst mir wohl einen Gefallen tun müssen. Es gibt niemanden sonst, der es tun kann und ich weiß, dass du für diese Aufgabe wie geschaffen bist." "Was... was für eine Aufgabe?", fragte sie. Seine Gesichtszüge wurden ernst und er machte eine kurze Pause, bevor er sprach. "Potter ist mir ein Dorn im Auge. Ich weiß, dass er und Dumbledore etwas planen, um gegen mich vorzugehen. Ich kann es mir nicht leisten diesen Widerstand zu dulden. Vorteilhaft wäre es jemanden in Hogwarts zu haben, der sich darum kümmert, ihn aufzuhalten. Wie eine lästige Fliege soll er zerquetscht werden. Leider war mir bisher das Glück vergönnt, es selbst zu tun. Da ich mich nun mit weitaus wichtigeren Dingen beschäftige, sollst du ihn aufhalten, denn es wäre zu schade, sollte er mir wieder einmal meine Pläne zunichte machen." Die letzten Worte zischte er gefährlich und Ginny spürte seinen Zorn, den er Harry gegenüber verspürte. Zum Glück war er nicht auf sie so sauer. "Halte ihn auf, mach was immer du willst, aber sorge dafür, dass dieser verdammte Blutsverräter mir nicht noch einmal in die Quere kommt! Wenn es sein muss, töte ihn!" "Ich soll was?" Ihr Stimme klang in ihren Ohren seltsam hoch. Okay, sie mochte Harry in letzter Zeit nicht besonders, und auch wenn sie ihm im Moment nichts Gutes wünschte war das doch etwas übertrieben. Doch wie kam er auf den Gedanken, dass gerade sie dazu in der Lage wäre, schließlich hatte sie ihm vor Jahren in den Ohren gelegen, wie unglücklich sie mit ihrer unerwiderten Liebe war. "Wieso sollte ich Harry das antun?", fragte sie. "Ich weiß, was du empfindest und wie verletzt du bist. Deine Gefühle ihm gegenüber sind nicht mehr vergleichbar mit denen von früher" Überrascht öffnete sie den Mund und wollte zum Widersprechen ansetzen. Doch wozu sollte sie es leugnen? Jedes Wort stimmte. Harry hatte sie so sehr verletzt und in dem er ihr die kalte Schulter zeigte, machte er es auch nicht besser. Das einzig nette, was er jemals für sie getan hatte, war ihr Leben zu retten, aber was bedeutete das schon? Schließlich war er der Retter der Welt und rettete alles und jeden. "Wieso tust du es nicht selbst? Schließlich schaffst du es doch auch in den Mädchenschlafsaal zu kommen. Wieso kannst du nicht selbst zu ihm gehen?" Er sah sie abwartend an, schien sich wohl eine geeignete Antwort zu überlegen, bis er plötzlich seinen Zauberstab zog und auf sie richtete. "Crucio!" Ginny stolperte zurück und knallte mit dem Rücken gegen die Tür. Die Arme schützend vor sich, den Schmerz abwartend. Doch der Schmerz blieb aus. Vorsichtig blinzelte sie und lugte über ihre Arme hinweg und blickte in das amüsierte Gesicht Riddles, der jetzt den Zauberstab wegsteckte. Sie ließ die schützenden Arme sinken und sah ihn entrüstet an. Schwer atmend, da sie eben noch vor Angst die Luft angehalten hatte. "Ich sagte doch, ich bin nur ein Trugbild. Eine Erscheinung. Ich bin nicht wirklich hier und ich vermag nichts zu verrichten." Prompt lief Ginny auf ihn zu, holte mit der Hand aus und schlug zu, doch anstatt seine Wange zu treffen, fuhr die Hand durch ihn durch und sie verstand. Also hatte sie nichts vor ihm zu befürchten. Vorerst nicht... "Sehr mutig, Ginevra." Heftig atmend sah sie zu ihm auf und der erwartete wütende Gesichtsausdruck blieb aus. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos und nichts konnte sie darin lesen. Langsam wurde sie sich der Tatsache bewusst, wie nahe sie vor ihm stand und auch wenn sie eben noch die Erfahrung gemacht hatte, dass er nicht wirklich anwesend war, sondern es sich nur um eine Illusion, ein Trugbild, Projektion handelte oder wie auch immer man es nennen mochte, erkannte sie auch aus nächster Nähe keinen sichtbaren Unterschied. Er sah so real aus. Zu gerne würde sie ihn noch einmal berühren und prüfen wie sich seine Haut anfühlte, ob sie kalt oder warm wäre, wie er sich unter ihren Fingern anfühlen würde... "Auch wenn ich nicht wirklich hier bin, verfüge ich dennoch über meine mentalen Kräfte", sagte er und sein vergnügter Blick ließ sie in die Realität zurückkehren. Harry hatte einmal erzählt, dass Voldemort Legilimentik beherrschte und es auch über längere Distanzen anwenden konnte. Erschrocken sah sie ihn an und wie zur Bestätigung lächelte er wissend. Ginny drehte sich um, senkte den Blick und versuchte die aufkommende Röte in ihrem Gesicht zu verbergen. Innerlich schalt sie sich für diese Gedanken. Jeder würde wohl schreiend davon laufen wenn der Dunkle Lord persönlich zum Plaudern aufkreuzen würde und was tat sie? Überlegte wie er sich wohl anfühlen würde und genau das wusste er nun. Damals war es schon für ihn ein Leichtes gewesen, ihre Schwächen auszunutzen und sie für sich zu gewinnen und sie hoffte, dass es ihm diesmal nicht so leicht fallen würde, denn seine Bitte, wie man es nennen könnte, würde sie wohl kaum erfüllen wollen. "Zu meinem Bedauern brauche ich dieses Buch", er warf einen Blick zu dem Tagebuch, das auf dem Boden lag, "damit ich dir erscheinen kann. Dieser Weg ist ein wenig lästig, doch wie ich sehe ist es wohlbehalten in deine Hände gelangt." Ginny musste wieder an Malfoy denken und dass er es war, der ihr das Tagebuch zugesteckt hatte. "Wenn du dieses Buch brauchst, dann werde ich es wegwerfen. Ich werde es vernichten!" "Oh nein, das denke ich nicht." Der selbstsichere Klang in seiner Stimme behagte ihr nicht. "Auch wenn du es wollen würdest, es läge nicht in deiner Macht es zu zerstören." Das stimmte wahrscheinlich, denn sie hatte zwei Zauber angewendet und beide waren fehlgeschlagen. Er musste es sehr gut geschützt haben, schließlich diente es einer bedeutenden Mission, da würden läppische Zaubersprüche nichts bewirken. "Dann werde ich es eben verstecken! Ich werde nicht tun was du von mir verlangst!" "Wir werden sehen." Beide sahen sich in die Augen und Ginny versuchte seinem festen Blick stand zu halten. Doch unter den kalten Augen des ehemaligen Slytherins musste sie nachgeben und sah betreten zu Boden. "Kommen wir nun zu deiner zweiten Aufgabe", hörte sie ihn sagen und Ginny biss sich auf die Unterlippe. Reichte das denn noch nicht? Verängstigt aber gleichzeitig auch neugierig wartete sie seine Worte ab. "In Hogwarts gibt es noch jemanden der für mich arbeitet. Der junge Malfoy hat einen Auftrag und es ist fraglich, ob er dieser Aufgabe gewachsen ist. Du wirst ihn im Auge behalten und dafür sorgen, dass er nicht scheitert. Anderenfalls würde es für ihn sehr ungemütlich werden." Die Kälte in seiner Stimme ließ der Gryffindor die Nackenhaare zu Berge stehen. Diese Worte gaben ihr jetzt den Beweis. Den Beweis dafür, dass Malfoy ein Todesser war. Er arbeitete für Voldemort und hatte einen Auftrag. Viele, und dazu gehörte sie wohlmöglich auch, hatten fest angenommen, dass er einmal in die Fußstapfen seinen Vaters treten und wie er ein Todesser und Diener des Dunklen Lord werden würde. Andererseits war die Bestätigung doch überraschend. "Was soll er tun?", fragte sie. "Das brauchst du nicht wissen. Sorge einfach dafür, dass er mich zufrieden stimmen wird." Sie fragte sich, was er wohl tun sollte und ob er eine ebenso schreckliche Tat vollbringen sollte wie sie selbst. Eine Weile dachte sie darüber nach und als sie aufsah, war der Raum wieder leer und still. Tom war weg und mit dieser Feststellung schien sich etwas von ihrer Brust zu lösen, dass sie wieder frei atmen ließ. Noch immer verwirrt griff sie nach dem Buch und vergrub es ganz tief in ihrem Koffer unter den alten selbst gestrickten Pullovern ihrer Mutter, die sie sowieso nicht anziehen würde. Den Koffer verschloss sie, legte all ihrer Bücher oben auf den Deckel und schob es unter das Bett. Ein wenig Erleichterung durchströmte sie, doch war ihr immer noch unbehaglich. Es war gefährlich, dass sie das Buch hier aufbewahrte, doch bis sie einen geeigneteren Ort finden würde, sollte er genügen. Jetzt würde sie erst einmal Ablenkung brauchen. Ihre Kehle war ganz trocken und sie brauchte etwas zu trinken. Als sie die Wendeltreppe hinunterstieg, kamen ihr schon die Stimmen ihrer Mitschülerinnen entgegen, die in einer Sitzecke saßen. Demelza rief Ginny zu sich. "Da bist du ja endlich." "Die besten Tränke sind schon weg", sagte Romilda Vane, eine Schülerin in einem Jahrgang unter Ginny, "aber ein paar gute sind noch da die du dir aussuchen kannst." Sie zeigte auf einige Päckchen und Fläschchen die auf dem Tisch ausgebreitet waren und Ginny brauchte einige Sekunden, bis sie verstand, worum es hier ging. Nun fiel ihr wieder Demelza ein, die vor wenigen Minuten, oder vielmehr einer Ewigkeit, wie es Ginny vorkam, bei ihr oben gewesen war und sie versprochen hatte zu ihnen zu kommen. "Was ist mit dir?", fragte Demelza und sah sie besorgt an. "Du bist so blass. Geht es dir nicht gut?" "Äh... nein, nicht wirklich." Und das war ja auch noch nicht einmal gelogen. "Ich brauche einen Schluck Wasser." Sie wandte sich von den Mädchen ab, und ging zu dem Tisch in der Nähe des schwarzen Bretts. Hier standen immer Kannen mit Wasser oder sonstigen Getränken, die selbstauffüllend waren. Nach der Ausgangssperre war es den Schülern untersagt, außerhalb ihrer Gemeinschaftsräume umher zu wandern und somit wurden sie hier mit etwas Trinkbarem versorgt. Ginny schnappte nach einem der bereit stehenden Becher und füllte ihn mit kaltem, klarem Wasser, den sie in einem Zug leerte. Ihr Mund und ihr Hals fühlten sich gleich viel besser an, doch der dicke Kloß der sich darin befand verschwand dennoch nicht. Und er wurde noch viel größer und schnürte ihr fast den Atem ab, als sich das Portraitloch öffnete und sie sah, wer gerade eintrat. Die verstrubbelten Haare waren das erste, das durch den Eingang kam und ihr Blick blieb an dem Brillenträger hängen. Den beiden anderen, die ihm folgten, schenkte sie keine Beachtung. Harry Potter bereicherte nun den Gemeinschaftsraum der Gryffindors und zog die Aufmerksamkeit der meisten Mädchen auf sich. In der Sitzecke mit den Schülerinnen bei denen Ginny eben noch gestanden hatte, wurde aufgeregt getuschelt, doch Harry schien diese Aufmerksamkeit zu ignorieren. Anscheinend schien er einfach alles um sich herum abzuschirmen, so ging er auch an ihr wortlos vorbei, nicht einmal einen Blick hatte er für sie übrig. Jemand grüßte sie und hätte sie darauf geachtet, wer es gewesen war, hätte sie ihren Bruder erkannt, doch ihr Blick blieb an Harry Potter hängen. Immer noch an dem Tisch gelehnt mit dem Becher in der erhobenen Hand, starrte sie ihn an und ihr Herz wurde ihr schwer bei der Erinnerung an das Gespräch, das noch nicht all zu lange zurück lag. Bei dem Gedanken daran, was von ihr verlangt wurde, zog sich ihr Magen zusammen. Das konnte sie niemals tun. Niemals würde sie einen Freund verraten. Andererseits war Harry kein Freund. Er war der Freund ihres Bruders... Aber dennoch. Es war unmöglich, und das wusste sie. Es stand außerhalb ihrer Macht. Da war sie sich sicher... Kapitel 3: Halfblood -------------------- Die ganze Nacht hatte Ginny in ihrem Bett gelegen und zur Decke gestarrt, bis das Zimmer von Sonnenstrahlen erhellt wurde und ihre Zimmergenossinnen aufstanden, um sich für den Unterricht fertig zu machen. Sie fand keinen Weg sich abzulenken, all ihre Gedanken kreisten um Tom und dem, was er von ihr verlangte. Wenn sie durch die Flure und Korridore ging, vermied sie es, die anderen Schüler anzusehen. Auch beim Unterricht kehrte sie sich in sich, sprach nicht mit den anderen und beteiligte sich nicht am Unterricht. Sie traute sich nicht, auch nur irgendeiner Menschenseele in die Augen zu schauen, denn sie hatte Angst, dass jemand es in ihren Augen lesen konnte, dass jemand ihr Geheimnis erraten würde. Nach dieser Nacht hatte sie annehmen wollen, dass dies alles nur ein Traum gewesen war, doch so sicher, wie die Tatsache, dass sie nicht einmal geschlafen, geschweige denn geträumt hatte, war das ledernde Tagebuch in ihrem Koffer, das zeigte, dass es sich bei diesem Alptraum um die Realität handelte. Ihrem Bruder war sie erfolgreich aus dem Weg gegangen, denn dort wo Ron Weasley war, war auch Harry Potter nicht weit. Ginny versuchte den größten Teil ihrer Zeit allein zu verbringen, doch dieser Plan ging nicht vollends auf, da sie schließlich auch einmal Nahrung zu sich nehmen musste und dies konnte sie nur in der Großen Halle, in der es von Schülern nur so wimmelte. So kam es, dass sie eines Abends am Tisch der Gryffindors saß und sich fast an ihrem Brötchen verschluckt hätte, als ihr Bruder, inklusive Harry und Hermine, sich neben sie setzten. Augenblicklich erstarrte sie und umklammerte das Brötchen so fest, dass es fast zerquetscht wurde. Ihr Bruder saß neben ihr, der Lockenkopf und der Brillenträger den beiden Geschwistern gegenüber. „Hey Ginny, wo warst du denn? Ich habe dich schon ne Weile nicht mehr gesehen“, fragte der Rotschopf. Ginny fühlte sich sehr unbehaglich, da die Aufmerksamkeit nun auf ihr lag und die drei sie fragend ansahen. „Hab gelernt“, beeilte sie sich dann zu sagen und widmete sich wieder ihrem Brötchen, darauf bedacht niemanden anzusehen. Diese nahmen sich nun ebenfalls etwas von dem Abendessen und Ginny warf Harry einen verstohlenen Blick zu. Sie musterte ihn und wog ihre Chancen ab. Ob es ihr gelingen könnte? Gäbe es einen Plan, der funktionieren würde, um den Jungen, der bisher alle Widersacher überlebt und besiegt hatte, in eine Falle zu locken? Und überhaupt, wie würde sie aus dieser Sache wieder heil herauskommen? In Gedanken stellte sie sich vor, wie sie nach Askaban abgeführt und wie sie in einer dunklen und kalten Zelle leben würde, gemeinsam mit Verbrechern, Todessern und Mördern. Wie es wohl war, jemanden zu töten? Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. Sie fühlte sich schuldig, ob dieser Gedanken. Niemals würde sie jemanden umbringen, diese Gedanken waren einfach absurd! Nun ertappte sie sich schon wieder dabei, wie sie über diesen dämlichen Auftrag ernsthaft nachdachte, dabei gäbe es einen viel einfacheren Weg, alles zu beenden. Sie würde einfach das Tagebuch loswerden und diese Sache vergessen. Doch wie sie dies schaffen sollte, war die nächste Frage... Auf einmal drang das Wort Quidditch an ihr Ohr und dieses Thema verscheuchte alle anderen Überlegungen. „Samstag sind die Quidditch-Auswahlspiele?“, fragte sie interessiert und stopfte sich das letzte Stück ihres Brötchens in den Mund. Doch dieses blieb ihr fast im Halse stecken, bei dem Blick, den Harry ihr zuwarf. „Du interessierst dich für’s Quiditch?“, fragte er und machte ein ungläubiges Gesicht. Es klang so, als hätte ihm jemand gesagt, dass Snape Ballet tanzen würde. „Aber Harry“, sagte Ron. „Sie hat doch immer in den Ferien mit uns gespielt, weißt du nicht mehr?“ Der ungläubige Blick wanderte zu Ron und wieder zu Ginny zurück. Bei ihm schien die Erinnerung an die letzten Ferien im Fuchsbau zurückzukehren und er hob eine Augebraue. „Ja, aber das sagt noch nicht, dass sie es gleich in die Mannschaft schafft.“ Ihr klappte der Mund auf und auch Hermine und Ron warfen sich einen fragenden Blick zu. In Ginnys Brust zog sich etwas zusammen. Sie konnte Quidditch spielen und es war noch nicht einmal übertrieben, wenn man ihr Können als gut bezeichnete. Sie hatte immer mit ihren Brüdern gespielt, Fred und George hatten ihr viel beigebracht und sie konnte gewissenhaft behaupten, dass sie besser spielte, als manch anderer Gryffindor in ihrem Jahrgang. Sie liebte diesen Sport und wollte sich unbedingt für die Hausmannschaft bewerben und dafür, dass Harry ihren Traum so mit Füßen trat, wünschte sie ihm den schlimmsten Fluch an den Hals... „Ich glaube nicht, dass du dich bewerben solltest, Ginny“, sagte Harry und fing an seine Brötchenhälfte mit Marmelade zu bestreichen. Er schenkte Ginny noch einen endgültigen Blick, der besagte, dass seine Meinung als zukünftiger Kapitän wohl unbestreitbar sei. Nun wollte sie es nur noch umso mehr ins Team schaffen. ~ Fröhlich summend lief sie durch die Gänge Hogwarts und näherte sich den Treppen, die sie ins nächste Stockwerk bringen sollten. Sie hüpfte die Stufen hinab und tippte mit ihrer Hand gedankenverloren gegen ihre Schultasche, die ihr über die Schulter hing. Diese Fröhlichkeit, die schon seit Tagen nicht mehr bei ihr vorzufinden war, hatte einen bestimmten Grund. Endlich war ihr eingefallen, wie sie das Tagebuch loswerden konnte. Da es vor Zaubersprüchen geschützt war, hatte sie einen natürlichen Weg finden müssen, um es loszuwerden. Allerdings müsste sie darauf achten, dass es niemandem sonst in die Hände fiel, denn dies würde fatale Folgen mit sich bringen. Mitten im Unterricht von Professor McGonagall war ihr die Idee gekommen und sie hatte triumphierend aufgejubelt, was ihr einen strengen Blick von der Professorin eingebrockt hatte. Der Unterricht war für den heutigen Tag beendet und nun war sie auf dem direkten Wege zum See, denn dort würde sie das Buch versenken. In den Tiefen des schwarzen Wassers würde es auf den Grund sinken und niemandem mehr Unheil bringen. Weder die Meermenschen noch der Riesenkraken würde sich an dem Ding vergreifen und wenn doch... na ja, darüber würde sie nachdenken, wenn es soweit war... Sie war so glücklich, dass sie gar nicht bemerkte, wie jemand das untere Ende der Treppe betrat und ihr entgegenkam. Erst als der Junge fast an ihr vorbei war, wurde sie auf ihn aufmerksam. Ohne sie eines Blickes zu würdigen trat Draco Malfoy an ihr vorbei. Verwundert blieb sie auf der Stufe stehen und sah dem Blonden hinterher. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ihn schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen hatte. Genau genommen seit dem Tag in der Bibliothek. In diesem Moment fuhr ein Ruck durch die Treppe und sie änderte ihre Richtung. Entweder würde sie einen großen Umweg machen, oder sie könnte zurück gehen und nachsehen, wieso Malfoy allein durch die Schule herum lief, was sonst nie passierte. Sie erinnerte sich an Toms Worte: "In Hogwarts gibt es noch jemanden der für mich arbeitet.“ Das Interesse war nun geweckt und sie stieg die Treppe empor, beeilte sich um Malfoy nicht zu verlieren. Der See lief ja schließlich nicht weg und sie konnte das Tagebuch auch noch hinterher versenken. Sie folgte ihm in den nächsten Stock und achtete darauf, möglichst leise zu sein. Er war sehr schnell und sie fragte sich, ob er es eilig hatte oder ob er immer so schnell ging. Aufgeregt schlich sie hinter ihm her in der Erwartung ihn bei etwas Unglaublichem zu erwischen. Aber als sie um die Ecke bog, war der Gang plötzlich leer. Ginny fragte sich, ob er wohlmöglich appariert war. Doch dies war Unsinn, man konnte in Hogwarts nicht apparieren. Verwundert sah sie sich um, sie war ihm doch dicht auf den Fersen gewesen, so schnell konnte er gar nicht verschwinden. „Deine Detektiv-Spielchen sind wirklich peinlich“, hörte sie dann schließlich eine Stimme neben sich sagen. Ginny erschrak und erkannte nun, dass sie erwischt wurde. In Gedanken tadelte sie sich wegen ihrer Unaufmerksamkeit. Langsam drehte sie sich um und folgte der Stimme, die aus der Nähe einer der Rüstungen kam. In den Schatten verborgen erkannte sie eine Gestalt und diese trat nun hervor. „Aber viel peinlicher ist es noch, dabei erwischt zu werden.“ Draco Malfoy stand nun da, mit verschränkten Armen vor der Brust und sah sie abschätzend an. Das Hinterherspionieren musste sie wohl noch üben, dabei war sie so vorsichtig gewesen. Wie hatte er sie nur bemerken können? „Dein Gestampfe ist meilenweit zu hören“, sagte er abwertend und beantwortete damit ihre unausgesprochene Frage. „Mach, dass du verschwindest, Weasley, ich habe keine Lust meine Zeit mit dir zu verschwenden.“ Der Slytherin wollte sich gerade abwenden, als Ginny das Wort an ihn richtete. „Ich denke wir sind jetzt quitt, was das Hinterherspionieren betrifft.“ Zufrieden registrierte sie, wie er stehen blieb. Der Slytherin sagte nichts, aber sein Gesichtsausdruck verriet, dass es ihm nicht gefiel, was sie da sagte. Schließlich stimmte es. Bis vor ein paar Tagen hatte er ihr regelrecht an den Fersen geklebt. „Bilde dir nichts darauf ein“, sagte er und er biss die Zähne zusammen. „Ich kann dir versichern, dass ich das nicht gerade freiwillig getan habe“, zischte er. Er wandte sich zum Gehen ab, als Ginny etwas sagte. „Wie läuft deine Aufgabe, Malfoy?“ Der Slytherin erstarrte in seiner Bewegung. Langsam drehte er sich wieder zu ihr um. In seinem Gesicht konnte sie das Entsetzen sehen und er schien noch blasser geworden zu sein, als er es ohnehin schon war. Sie wollte nicht, dass er jetzt ging. Irgendwie hatte sie den Wunsch, sich mit ihm zu unterhalten, denn schließlich gab es etwas, dass die beiden miteinander verband. Sie wollte mehr erfahren. „Ich weiß nicht wovon du redest“, sagte er und es klang beinahe ehrlich. Ginny musterte seinen Rücken, und legte den Kopf leicht schief. „Was ist los, Malfoy? Hattest wohl nicht gedacht, dass jemand hier in Hogwarts davon weiß.“ „Du bluffst doch, du weißt gar nichts!“ Er hatte sich wütend umgedreht und war einige Schritte auf sie zu gekommen. Wütend ballte er die Hände zu Fäusten. „Ich falle auf deine Spielchen nicht rein!“ Ginny hielt seinem Blick stand ohne auch nur eine Miene zu verziehen. „Ich weiß mehr als du ahnst“, flüsterte sie. Sie wusste nicht, ob er eine Ahnung hatte, was er ihr damals in der Bibliothek zugesteckt hatte. Weiterhin wusste sie auch nicht, ob er sich der Tatsache bewusst war, warum er es ihr geben sollte und ob er wusste wie ihr Auftrag lautete. Sie beschloss einfach offen mit ihm zu reden. Doch diese Offenheit schien ihm nicht im Geringsten zu gefallen. Seine grauen Augen verengten sich, bohrten sich geradezu in ihre und sie kam sich plötzlich ganz klein vor. Er ließ den Blick über sie wandern. "Es gibt niemanden sonst, der es tun kann und ich weiß, dass du für diese Aufgabe wie geschaffen bist", hatte Tom zu ihr gesagt. Doch was hatte Ginny, was Malfoy nicht hatte? Wieso wollte er gerade sie? Genau das schien auch der Slytherin zu denken, denn sein Blick sprach Bände. Draco schnaubte und grummelte vor sich hin. „Ich weiß nicht, was er an dir findet. In meinen Augen bist du völlig nutzlos. Außerdem bist du eine dreckige Blutsverräterin!“ Mit dieser Beleidigung hatte er sie getroffen. Ihre Augen weiteten sich geschockt und sie griff unter ihrem Umhang nach ihrem Zauberstab. Auch sie ging einen Schritt auf ihn zu und funkelte ihn an. „Du beschimpfst alle und beleidigst sie! Du denkst du wärest was Besseres als alle anderen und bildest dir etwas auf deine Reinblütigkeit ein! Dabei ist Voldemort selbst nur ein Halbblut“, spottete sie. Empört schnappte er nach Luft und seine Gesichtzüge verhärteten sich. Mit großen Schritten überwand er die letzte Distanz und packte sie grob am Kragen. Graue Augen funkelten sie an. „Du wagst es?“, zischte er. Seine Augen blitzten gefährlich, doch Ginny schien davon unberührt. Draco erstarrte plötzlich, als er ihren Zauberstab an seiner Kehle spürte. „Lass mich sofort los.“ Ihre Stimme war leise und gefährlich und duldete keinen Wiederspruch. Einen Moment starrte er sie noch zornig an, dann lies er sie abrupt los, ging einige Schritte zurück, um einen schützenden Abstand zwischen sich und der Gryffindor zu bringen. Er rieb sich die schmerzende Stelle am Hals, in die sie den Stab hinein gepiekt hatte. Sein Gesicht wurde rot und er presste die Lippen aufeinander, den Blick weiterhin auf ihren Zauberstab gehalten. Man sah ihm an, dass es ihm schwer fiel, eine weitere Beleidigung zu unterbinden, doch die Waffe in ihrer Hand ließ ihn Vorsicht walten. Der Blick der Rothaarigen war nicht weniger aufgebracht. Er hatte es gewagt, sie anzufassen und sie hätte nicht gezögert, wäre er noch weiter gegangen. Sie beherrschte den Flederwichtfluch perfekt und scheute sich nicht ihn zu gebrauchen. Sie reckte ihr Kinn hoch und steckte den Stab wieder weg. Jetzt würde er nicht mehr zu weit gehen, dafür hatte er zu viel Angst. „Es ist wahr“, sagte sie. „Es überrascht mich nicht, dass du es nicht weißt. Aber das ändert nichts daran, dass Voldemort selbst nur ein Halbblut ist.“ Draco schnaubte nur verächtlich, so als würde er auf das Gerede einer Gryffindor und dazu noch einer Weasley, nichts geben. Die Temperatur schien in diesem Flur rapide zu sinken. Fast zeitgleich wandten sich die beiden Hogwartsschüler um und gingen in entgegengesetzten Richtungen davon. Ginny ging zurück zu ihrem Gemeinschaftsraum und fragte sich, was sich dieser Idiot nur einbildete. In ihrer Wut hatte sie völlig vergessen, zum See zu gehen. Kapitel 4: Choice ----------------- An diesem Samstagmorgen sollten die Quidditch-Auswahlspiele stattfinden. Zeitig war Ginny zu Bett gegangen um ausgeruht am Spielfeld zu erscheinen und ihr Können zu demonstrieren, doch wie seit Längerem hatte sie kaum ein Auge zu gemacht. Und daran war nicht nur die Aufregung schuld. Letztens erst hatte sie sich in der Bibliothek panisch vor einem Jungen erschrocken, der durch seine schwarzen Haare von hinten ausgesehen hatte wie Tom Riddle. Er hatte sich jedoch nur als irgend so ein Ravenclaw-Schüler entpuppt, dennoch war sie daraufhin flüchtend aus der Bibliothek gerannt. Nach einem knappen Frühstück – mehr als eine halbe Schüssel Müsli war es nicht gewesen – stand sie vor dem Kleiderschrank um sich anzukleiden. Am Besten waren sportliche und bequeme Kleidungsstücke geeignet, also zog sie sich eine normale Jeans an. Dazu noch einen roten ausgewaschenen Kapuzenpullover. Obwohl draußen noch sommerliche Temperaturen herrschten, würde sie sich etwas langärmeliges überziehen, da es auf dem Besen in der Luft schon einmal sehr zugig werden konnte. Die Erfahrungen im Fliegen hatten sie dies gelehrt. Von ihrem Bruder Ron hatte sie seinen Sauberwisch Elf ausgeliehen, den er im letzten Jahr zur Ernennung zum Vertrauensschüler von seinen Eltern geschenkt bekommen hatte. Für das heutige Spiel wollte sie darauf fliegen und am gestrigen Tag hatte sie nach dem Unterricht damit einige Runden um das Quidditchfeld gedreht. Sie wollte unbedingt die Position des Jägers in der Mannschaft einnehmen. Entschlossen machte sie sich auf den Weg. Wenn Harry ihr Talent nicht wahrhaben wollte, dann würde sie es ihm heute beweisen. Bis auf Bill und Percy waren alle Weasleys in die Hausmannschaft gekommen und auch wenn ihre Brüder sie immer beim Spielen ausgeschlossen hatten, war das für sie kein Grund gewesen, diesen Sport nicht auszuüben. Sie erinnerte sich noch an die Quidditch Weltmeisterschaften von vor zwei Jahren und wenn es nicht schon vorher gewesen war, dann war es an diesem Tag, dass sie sich vorgenommen hatte, Quidditchspielerin zu werden. Es gab kein schöneres Gefühl als auf einem Besen zu sitzen und frei wie ein Vogel durch die Luft zu fliegen, die Geschwindigkeit und den Wind in den Haaren zu spüren, der so laut an den Ohren vorbei rauschte, dass man seine eigenen Gedanken nicht mehr hören konnte. Diese Freiheit suchte sie gerne auf, um sich abzulenken, sich aufzuheitern oder in Ruhe nachdenken zu können. Obwohl sie mehr als pünktlich war, tummelten sich schon dutzende Schüler auf dem Quidditchfeld. Ginny staunte, wie viel Interesse bei den Gryffindors herrschte, doch als sie sich genauer umsah, erkannte sie, dass wohl die wenigsten wirklich wegen den Auswahl-Spielen hier waren. Viele jüngere Schüler waren gekommen. Erstklässler, die gerade erst mit dem Fliegenlernen bei Madam Hooch begonnen haben mussten, sowie kichernde und giggelnde Mädchen aus den unteren Jahrgängen, die Ginny niemals mit Quidditch in Verbindung zu bringen gewagt hätte. Plötzlich ging ein Gemurmel durch die Leute und als Ginny sich umsah, erkannte sie Harry, der sofort die gesamte Aufmerksamkeit erlangt hatte. Die Mädchen kicherten noch mehr und die Umherstehenden starrten den Brillenträger an. Somit war geklärt, wieso hier so ein Andrang herrschte. Wieder einmal bestand der Großteil der Freiwilligen aus Schaulustigen, die versuchten, einen Blick auf den Jungen aus der Prophezeiung zu erhaschen. Ginny verzog das Gesicht und schnaufte missbilligend. Im Tagespropheten berichteten sie über nichts anderes mehr und sie fragte sich, ob es überhaupt noch jemanden gab, der diesem Schundblatt Glauben schenkte, welches Harry Potter zuerst kritisiert hatte und ihn nun in den höchsten Tönen lobte. Jetzt war es auch bei den Letzten angekommen, dass der dunkle Lord wieder da war, selbst der Tagesprophet konnte es nicht mehr leugnen und drehte somit den Spieß um und machte eine Sensation daraus. Nun lobten sie den Jungen aus der Prophezeiung. Dieser Titel hatte sich in ganz Hogwarts herum gesprochen und ihm selbst schien das zu gefallen, hatte sie doch bemerkt, wie er die Blicke der Mädchen genoss und er immer herum stolzierte. Dieses überhebliche und eingebildete Gehabe widerte sie an. Sie selbst war dabei gewesen, hatte den Todessern gegenübergestanden. Hatte mit den Mitgliedern der DA mutig gekämpft, bis sie im Gehirnraum ein Fluch getroffen hatte. Es schauderte sie, wenn sie daran dachte, wie nah sie Tom an diesem Tag gewesen war. In der Mysteriumsabteilung. Plötzlich wurden ihre Gedanken unterbrochen, als sie jemand bei ihren Namen rief. Verwirrt sah Ginny auf und erkannte Demelza Robbins aus ihren Jahrgang, die mit einem nervösen Lächeln auf sie zu kam. „Hey Ginny, bist du auch so aufgeregt wie ich?“, fragte Demelza und fummelte nervös an ihrem Besen herum. „Na ja...“ sagte Ginny und überlegte eine Antwort. Eigentlich war sie nicht nervös, im Gegenteil, sie konnte es kaum erwarten. „Guck mal, da hinten ist Katie Bell.“ Demelza zeigte auf eine Siebtklässlerin, die ruhig und ausgelassen den Anweisungen Harrys lauschte, der gerade erklärte, dass er zum Aufwärmen einen Probeflug machen wollte, in dem sich die Teilnehmer in Zehnergruppen einfliegen sollten. „Wenn Harry nicht dumm ist, wird er sie wieder ins Team aufnehmen. Sie ist eine ausgezeichnete Jägerin.“ „Du sagst es“, entgegnete der Rotschopf und sie stellten sich mit Katie und sieben anderen Spielern zu einer Zehnergruppe auf. „Viel Glück“, flüsterte Demelza und bevor sie eine Antwort geben konnte, ertönte auch schon der Pfiff des Kapitäns und die Gruppe erhob sich in die Lüfte. Ginnys Sauberwisch schoss in die Höhe und sie sah noch aus den Augenwinkel, wie die anderen es ihr gleich taten. Diese Gruppe schien um einiges Besser zu sein, als diejenigen, die sich kaum auf den Besen halten konnten. Ginny flog an den Tribünen vorbei, die von den übrigen Mitschülern des Hauses Gryffindor belagert wurden. Aus den übrigen Häusern waren ebenfalls zahlreiche Besucher zu sehen, die gekommen waren um die neue Konstellation der Gryffindormannschaft zu sehen. Elegant flog sie ein paar Loopings, flog durch einige der Torringe und ihr kam es so vor, als wäre sie nur einige Sekunden in der Luft gewesen, als auch schon der Pfiff ertönte und sie enttäuscht zurück gen Boden flog. Lieber wäre sie noch ein bisschen geflogen. Wenig später wurden diejenigen, die sich auf dem Besen gehalten hatten, zu einem Übungsspiel aufgerufen um die Jäger zu bestimmen. Es dauerte nicht lange, da hatte Ginny schon das erste Tor geschossen und in der Menge der Tribüne war Beifall zu hören. Nebenbei flogen die Klatscher an ihr vorbei, doch sie war so flink auf ihrem Besen, dass sie ihnen gefahrlos ausweichen konnte. Der Sauberwisch war wirklich fantastisch. Zu schade, dass Ron ihn nach den Auswahl-Spielen wieder benutzen würde. Sie hatte sich fast schon an diesen Rennbesen gewöhnt. Katie Bell war wie zu erwarten eine super Jägerin, nicht umsonst hatte sie schon seit vielen Jahren diese Position eingenommen. Das sie es ins Team schaffen würde stand außer Frage und Ginnys Ziel war, ihr in dieser Position Gesellschaft zu leisten. Sie schnappte sich den Quaffel, flog auf den Torring zu. Da kam ihr auch schon ein Spieler entgegen. Es ging so schnell, dass sie gar nicht erkennen konnte wer es war, als auch schon ein Klatscher auf sie zu donnerte. Ginny riss den Besen rum und wich dem gefährlichen Geschoss aus, flog eine leichte Kurve und holte aus um den Quaffel direkt durch den Torring zu schießen. Das war knapp gewesen. Aber auch aufregend! Die Weasley wischte sich den Schweiß von der Stirn und strahlte über das ganze Gesicht. Quidditch war wirklich ein fantastisches Spiel. Die trübe Stimmung der letzten Tage war wie weggeblasen und kein schwarzhaariger Todesser tauchte vor ihrem inneren Auge auf, der in ihr dunkle Gedanken auslöste. Hier war sie einfach frei von allem. Einige Minuten und fünfzehn Torschüsse später, standen die Spieler auf dem Spielfeld. Vor ihnen der Kapitän, der jeden der Reihe nach ansah. „Ihr seid alle gut geflogen, aber wir können nur drei Jäger in die Mannschaft aufnehmen“, sagte er. „Ginny du bist am Besten von allen geflogen und du hast siebzehn Tore geschossen. Das war wirklich grandios. Hoffen wir, dass es in der Mannschaft genauso gut läuft.“ Harry lächelte, schien aber doch ein wenig überrascht. Sie erkannte hinter ihm Ron, der angelaufen kam um seiner Schwester zu gratulieren. Er winkte aufgeregt. Sie kam nicht umhin, ein wenig stolz auf ihre Darbietung zu ein. „Demelza, dich möchte ich auch gerne in der Mannschaft sehen. Du bist den Klatschern fabelhaft ausgewichen. Willkommen im Team.“ Demelza errötete und lächelte zaghaft, während Ginny ihr kameradschaftlich auf die Schulter klopfte. Zuletzt wandte Harry sich Katie zu. „Ich denke, es bedarf keiner großen Worte. Du bist toll geflogen, Katie. Willkommen zurück.“ Harry hielt ihr die Hand hin, in die sie sogleich einschlug. „Ich freue mich, Kapitän.“ Die zwei Gryffindors lächelten sich an und schienen in gemeinsame Erinnerung in alte Quidditchzeiten zu verfallen, als Harry sich den restlichen Spielern zu wandte. „Ich möchte jetzt die Treiber zu mir bitten!“ rief er über das gesamte Spielfeld. Ausschließlich Jungen kamen auf den Kapitän zu, dieses Mal war fast jeder von ihnen mit einem Besen erschienen, was vielversprechender schien, als die Auswahl der Jäger. Ginny ging gemeinsam mit Demelza, ihrer neuen Quidditchpartnerin, zum Rande des Spielfeldes. Die Dunkelhaarige legte einen Arm um Ginnys Schultern und jubelte auf. „Klasse! Wir sind Jäger! Ich kann’s kaum glauben“, strahlte sie und ihre Locken kitzelten Ginny an der Wange. Sie war seit Langem nicht mehr so glücklich gewesen. Ein Traum hatte sich erfüllt. Sie war in der Quidditchmannschaft und nun hatte sie einmal beweisen können, dass sie auch etwas auf dem Kasten hatte. Heute hatten alle sie angesehen und sie bewundert, denn sie hatte von allen am Besten gespielt, sogar Harry hatte das gesagt. Ein verzücktes Grinsen legte sich auf ihre Lippen, als sie die Umarmung erwiderte und einen Jubelschrei von sich gab, woraufhin die beiden Mädchen lachten. Am Rand des Spielfeldes setzten sie sich ins Gras um das weitere Geschehen beobachten zu können. Gemeinsam mit den wartenden Hütern, unter denen sich der nervöse Ron befand, verfolgten sie die Auswahl der Treiber. Hinter sich vernahm sie die arrogante Stimme von Cormac McLaggen, der wohl an jedem etwas auszusetzen hatte. Sein Nörgeln ging ihr gewaltig auf die Nerven. Hoffentlich würde er nicht in die Mannschaft kommen. Mit ihm konnte sie sich wirklich keine Teamarbeit vorstellen. Um sein Geplärre zu umgehen, startete sie eine Unterhaltung mit Demelza. Sie unterhielten sich über ihre Flüge, analysierten die Treiber und diskutierten, wer wohl ausgewählt werden würde. Leider waren Fred und George nicht mehr in Hogwarts. Sie waren ausgezeichnete Treiber und es wäre sicher lustig gewesen, mit ihnen in einem Team zu sein. Zwei Hüter später war die Auswahl der Treiber an der Reihe und Ginny drückte Ron seinen Sauberwisch Elf in die schweißnassen Hände. Auf das zuversichtliche Zureden hin nickte er nur stumm und ging mit grünem Gesicht zum Spielfeld. Na das konnte ja was werden. Am Ende hatte sich Ron dann doch gar nicht so schlecht geschlagen. Er war zwar nur knapp ins Team gekommen, andererseits hatte McLaggen wirklich sehr gut gespielt, obwohl Ginny angenommen hatte, er würde nur große Reden schwingen. Trotzdem legten sich einige Zweifel in ihr und der Gedanke, dass Harry ihren Bruder bevorzugen würde, kam in ihr auf. Wenn McLaggen mehr Tore gehalten hätte als Ron, hätte Harry ihn dann auch aufgenommen oder hätte er den besseren Spieler gewählt? Der Gedanke, dass Harry schummeln würde, passte irgendwie überhaupt nicht, doch es brachte sie zum schmunzeln. Wer weiß, schließlich war er auch nicht perfekt und sie konnte sich schon vorstellen, dass Ron bevorzugt wurde, nur damit Harry sich hinterher nicht sein Gejammer und Selbstmitleid anhören musste. Denn in diesen Dingen übertrieb ihr Bruder immer maßlos. Nach Beendung der Auswahl-Spiele und der Verkündung des ersten Trainingsspiels begaben sich die Gryffindors und die zusätzlichen Zuschauer auf den Weg zurück zum Schloss. Es war eine wahre Menschenschar, die sich den Berg hinauf begab um rechtzeitig zum Mittagessen zu kommen. Ginny beeilte sich, da ihr Magen lautstark nach Nahrung verlangte und so ging sie hinter einen kleinen Gruppe von Ravenclaws. In Gedanken machte sie sich eine Notiz, ihren Eltern zu schreiben um die erfreuliche Nachricht mitzuteilen. Vielleicht würden sie dann ja auch einmal auf ihre Tochter stolz sein. So wie auf Ron, den Vertrauensschüler, Fred und George mit ihrem Scherzartikelladen oder Bill, der bald heiraten würde... auch wenn sie nicht so ganz mit der Braut einverstanden waren. Endlich konnte Ginny einmal etwas erzählen und ihre Familie stolz machen. Sie war nicht mehr Ginevra Weasley – die kleine Schwester von Ron. Nein, sie war nun Ginny Weasley, Jägerin von Gryffindor! Das erste Spiel würde gegen Slytherin stattfinden und denen würde sie es ordentlich zeigen. Ein leichtes Lächeln huschte ihr über ihre Lippen. Dieser Tag war wirklich schön und zufriedenstellend gewesen. Müde und erschöpft stapfte sie durch das Eingangsportal von Hogwarts. Auf dem Weg zur großen Halle sah sie ein paar Slytherins und im Vorbeigehen erkannte sie Crabbe und Goyle, sowie die Parkinson und den Jungen der ebenfalls bei Professor Slughorn eingeladen war. Zabini oder so. Verwundert stellte sie fest, dass in ihrer Mitte jemand fehlte, denn Crabbe und Goyle hatte sie eigentlich immer nur an Malfoys Seiten gesehen. Merkwürdig. Nun, vielleicht war er ja krank und befand sich im Krankenflügel. Doch all die Gedanken über den blonden Slytherin rutschten in den Hintergrund, als sie die große Halle betrat und ihr der angenehme Geruch des köstlichen Mittagessens in die Nase stieg. Kapitel 5: Grief ---------------- Während des Frühstücks hatte ihr Errol, die Posteule der Familie Weasley, einen Brief ihrer Eltern gebracht. Die Quidditch-Auswahlspiele lagen bereits einige Tage zurück und sie hatte sich nicht viel Zeit nehmen lassen, die erfreuliche Nachricht, dass sie nun Bestandteil des Gryffindorteams war, ihren Eltern mitzuteilen. Das die Antwort jedoch einige Tage auf sich warten ließ, war kaum verwunderlich, da Errol bereits seine besten Tage hinter sich hatte und bereits auf dem Haustisch vor Erschöpfung zusammen gebrochen war. Die japsende alte Eule bekam jedoch keine Aufmerksamkeit. Ginnys Gesicht verfinsterte sich mit jeder weiteren Zeile die sie las und gerade als sie das letzte Wort gelesen hatte, zerknüllte sie das Pergament und stopfte es unachtsam in ihre Schultasche. Der Tag hätte so gut beginnen können: Zwei Freistunden und somit ein entspanntes Frühstück, anschließend Unterricht bei Professor Binns, was einen langweiligen, jedoch auch unanstrengenden Unterricht beinhaltete. Der Brief ihrer Eltern, den sie mit Aufregung erwartet hatte, nahm ihr jedoch diese Freude. Sie hatte gedacht, ihre Eltern würden stolz auf sie sein, so stolz, wie sie immer auf ihre Brüder waren. Hier ein Vertrauensschüler, da ein Schulsprecher. Nun konnte die jüngste und einzige weibliche Weasley einmal etwas vorweisen und dann zeigten ihre Eltern keinerlei Regung. In dem Brief hatten sie nur von Harry gesprochen. Sie machten sich Sorgen um ihn, weil er seinen Paten verloren hatte. Sie machten sich Sorgen um ihn, weil er der Junge aus der Prophezeiung war. Sie machten sich Sorgen um ihn, weil er das schwere Schicksal hatte, Voldemort zu bekämpfen. Und sie möge doch ein Auge auf ihn werfen. Ja, als ob sie sonst nichts zu tun hätte... Ihr kam es in letzter Zeit nicht so vor, als ob es Harry schlecht ginge. Natürlich war es furchtbar was ihm wiederfahren war und sie konnte sich nicht annähernd vorstellen, wie es war ein Familienmitglied – vor allem, das einzige welches man besaß – zu verlieren. In den vergangenen Tagen hatte Ginny das Verhalten des Gryffindors studiert und ihn beobachtet. Aber im Gegenteil zu dem erwarteten Gefühlswrack sah sie einen Jungen, der einen starken Eindruck machte. Ihre Eltern waren von Harry begeistert, sahen ihn schon fast als eigenen Sohn an, aber Ginny fand, dass sie es allmählich mit ihrer fürsorglichen Liebe übertrieben. Sie hatte geschrieben, dass sie nun Jägerin war und das einzige, dass sie als Antwort erhalten hatte, war, dass der ausgezeichnete Kapitän der Mannschaft ein gutes Team zusammengestellt hatte. Dies hatte die Weasley zutiefst verletzt. Dabei hatte sie sich nur ein wenig Anerkennung gewünscht und das Vater und Mutter stolz auf sie waren. Sie fühlte sich im Stich gelassen. Ihre Augen wurden feucht, doch dann sah sie Hermine auf sich zukommen und sie blinzelte die verräterischen Tränen schnell weg. Der Lockenkopf winkte ihr aufgeregt und kam fröhlich auf sie zu gelaufen. „Guten Morgen Ginny. Wie geht es dir?“ Der Blick Hermines gefiel ihr gar nicht. Die prüfenden Blicke von ihr waren ihr in den letzten Tagen vermehrt aufgefallen. „Super, Hermine. Aber verzeih bitte, ich muss zum Unterricht. Gerade du verstehst es doch, dass ich nicht zu spät kommen möchte.“ Innerlich klopfte sie sich für diese perfekte Ausrede auf die Schulter, denn nicht einmal Hermine würde es sich erlauben dafür zu sorgen, dass jemand ihretwegen zum Unterricht zu spät kam. Ginny setzte ihren Weg fort und wollte gerade übertrieben fröhlich winken, als Hermine ihr folgte. „Wenn ich mich nicht irre, hast du doch jetzt Geschichte der Zauberei, oder? Ich kann dich ein Stück begleiten. Ich muss in die gleiche Richtung.“ Verdammt! Studierte Hermine etwa ihren Stundenplan? Das sah ihr ähnlich über alles im Bilde zu sein, nur um das Gespräch nach ihrem Belieben verlaufen zu lassen. Ihr schien es wirklich wichtig zu sein, Ginny auszuquetschen. „Sag mal Ginny, gibt es etwas was dir zu schaffen macht?“ Hermines braune Augen sahen sie neugierig an. „Mag sein, dass dein Faulpelz von Bruder nur Augen für sich hat und nichts bemerkt, aber ich bin nicht wie Ronald“, sagte Hermine und tippte sich an die Brust. „Ich bemerke es, wenn mit dir etwas nicht stimmt.“ Ginny verdrehte die Augen. In ihrem Kopf ging sie sämtliche Ausreden durch, die glaubwürdig genug klangen um diesen lästigen Bücherwurm abzuwimmeln, doch diese plapperte bereits weiter darauf los, die Schultasche in ihrer Hand aufgeregt vor sich hinbaumelnd. „Das fünfte Jahr ist dein ZAG-Jahr und natürlich musst du viel lernen und kannst dem Leistungsdruck kaum standhalten. Merlin weiß, wie ich das alles geschafft habe. Aber das lernen hört nie auf! Im siebten Jahr sind bereits die UTZe und wer die nicht besteht...“ Sie schüttelte sich bei dem Gedanken daran, der anscheinend zu grässlich war um ausgesprochen zu werden. „Wenn ich mir überlege, dass meine Abschlussprüfungen bereits nächstes Jahr sind...“ Hermine stoppte plötzlich. Anscheinend hatte sie selbst gemerkt, dass sie sich in ihrer eigenen Rede verrannt hatte. Ginny fragte sich, ob diese Mädchen wohl auch nur ein einziges Mal nicht an irgendwelche Hausaufgaben oder Prüfungen dachte. „Hermine, es ist nichts.“ „Ginny mach dir doch nichts vor. Ich sehe dir doch an, dass dich etwas bedrückt.“ Hermine fasste Ginny am Arm und hinderte sie am Weitergehen. Ihr Blick schien sie fast zu durchbohren und es sah so aus, als wäre sie nicht sicher, ob sie die nächsten Worte aussprechen sollte. „Kann es sein, dass es wegen Harry ist?“ Der Rotschopf riss sich verärgert los. Schon wieder drehte sich alles um Harry Potter! Wie oft musste sie noch sagen, dass ihre Schwärmerei für ihn vorbei war? Dabei hätte sie es sich denken können. Hermine dachte, sie habe Liebeskummer wegen diesem Mistkerl. Ha, dass sie nicht lachte. „Harry interessiert mich nicht die Bohne“, zischte sie und reckte das Kinn. „Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest!“ Sie warf Hermine einen endgültigen Blick zu, der besagte, dass das Thema gegessen war. „Wenn du doch einmal mit jemanden reden möchtest“, rief ihr Hermine nach und klang ein wenig verzweifelt. „Ich bin für dich da. Wir sind doch Freundinnen.“ Ginny schnaubte ungläubig, doch das hörte die Brünette nicht mehr. Tze, Freundinnen... Dabei sprachen sie nie ein Wort miteinander, es sei denn, Hermine verbrachte ihre Ferien im Fuchsbau, ansonsten konnte sie sich nicht daran erinnern, jemals mehr mit ihr gesprochen zu haben, als mit Peeves dem Poltergeist. Hierbei handelte es sich nur um Hermines ausgefallenes Helfersyndrom. Wenn sie wirklich erfahren würde, was Ginny belastete, würde sie ihr auch nicht weiterhelfen können. Sie würde auf dem ersten Wege zu McGonagall, wenn nicht sogar zu Dumbledore rennen. Ihr Geheimnis konnte sie niemanden anvertrauen. Niemand durfte auch nur das kleinste Detail erfahren. Mit schlechter Laune betrat sie den Klassenraum von Professor Binns, der wenige Augenblicke nachdem sie Platz genommen hatte durch die Tafel geschwebt kam und mit dem Unterricht begann. Wieder einmal schenkte ihm keiner seiner Schüler auch nur die kleinste Aufmerksamkeit. ~ Am Abend lag Ginny in ihrem Bett im Schlafraum der Mädchen des fünften Jahrgangs. Ihre Vorhänge waren zugezogen und die Gespräche der anderen Mädchen verstummten langsam, was bedeutete, dass sie ins Land der Träume fielen. Ginnys Augen waren zwar geschlossen, doch sie fand keinen Schlaf. Dafür war sie noch viel zu wach. Der Kummer über die Nachricht ihrer Eltern hatte sich im Laufe des Tages nicht gelegt und nun lag sie einfach im Bett herum und versank im Selbstmitleid. Gerade in Momenten wie diesen musste sie an Tom denken. Früher, wenn sie sich einsam gefühlt hatte oder wenn sie traurig war, hatte sie sich dem Tagebuch anvertraut. Das erste Jahr in Hogwarts war furchtbar für sie gewesen, denn sie war alleine und auf sich gestellt gewesen. Nur der charmante Junge der über das Tagebuch mit ihr kommuniziert hatte, war für sie da. Es war tröstlich, auch wenn die Tatsache, dass Tom nie wirklich da gewesen - und sie zu der damaligen Zeit nicht wirklich verstanden hatte, wer dieser jemand war - war es schön gewesen zu wissen, dass jemand für sie da war. Doch dieses Glück war ihr nur dieses eine Jahr vergönnt geblieben. Das Buch hatte sich als Vermächtnis des dunklen Lords entpuppt, der das junge Mädchen nur benutzt hatte um erneut zu Kräften zu kommen und die Kammer des Schreckens zu öffnen. Die Wahrheit über ihren Tom hatte sie zutiefst getroffen. Sie war nur benutzt worden. Tom war wie ihr bester Freund gewesen... Und auch wenn es Wochen, fast Monate gedauert hatte, bis sie über diesen Kummer hinweggekommen war, dachte sie unentwegt an ihn. Vor allem in Zeiten, in denen sie traurig war, wünschte sie sich das in schwarzes Leder gebundene Tagebuch, um einfach ihr Herz ausschütten zu können. Sie wünschte sich die saubere, geschwungene Handschrift herbei, die ihr Mut zu sprach und ihr aufbauende Worte schrieb. Ginny seufzte bei der Erinnerung an die Zeit, in der Tom einfach nur ein Freund gewesen war und nicht der dunkle Lord, der Tod und Unglück über die magische Welt brachte. Jetzt, nach vier langen Jahren des Wünschens und Herbeisehnens, in denen sie ihn zutiefst vermisst hatte, war er zu ihr zurück gekehrt. Und er sah noch so aus, wie sie ihn kennen gelernt hatte, in den Visionen, die er ihr gezeigt hatte und in den Träumen, in denen er ihr des Öfteren begegnete. Sie wusste, dass es nicht gut war, dass er sie aufsuchte und sie wusste auch, dass er gefährlich war. Dennoch wollte ein Teil von ihr ihm nah sein. Also öffnete sie die Augen und blickte in die Dunkelheit, die ihren Schlafsaal ausfüllte. Langsam rappelte sie sich auf und griff nach ihrem Zauberstab, der auf ihrem Nachttischchen lag. „Lumos“, flüsterte sie und schob den Vorhang beiseite. Leise stieg sie aus ihrem Bett um ihre Mitschülerinnen nicht zu wecken. Die Vorhänge ihrer Betten waren allesamt zugezogen. Sie kniete sich vor ihren Schlafplatz und zog den Koffer der darunter lag hervor. Während sie mit der rechten Hand den Zauberstab hielt, öffnete die andere flink den Koffer und wühlte darin herum. Achtlos warf sie die Kleidungsstücke zur Seite und hielt erst inne, als sie keinen Stoff mehr spürte sondern etwas festes und geschmeidiges. Mit leichter Aufregung zog sie das Buch hervor und ihre Augen verweilten kurz auf dem eingravierten Namen, bis sie auch schon wieder ins Bett krabbelte. Als sie wieder unter der Decke auf der weichen Matratze lag, hielt sie das Tagebuch fest gegen ihre Brust gedrückt, in der ihr Herz zu rasen begonnen hatte. Sie beugte sich zu ihrem Nachttisch, zog die oberste Schublade auf, in der allerlei Zeug zerstreut herum lag und zog ihre Feder heraus, eine selbstauffüllende aus dem Scherzartikelladen ihrer Brüder. Das Tagebuch legte sie in ihren Schoß und betrachtete es wie einen Schatz. Ihre Finger strichen über den ledernden Einband und für einen Moment fühlte sie sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Es war gar nicht so lange her, da hatte sie noch fest entschlossen behauptet, dass Buch loswerden zu wollen. Dies hatte sie auch versucht, doch im Nachhinein stellte sie fest, dass es alles lausige Versuche waren und sie vielleicht unbewusst gegen die Vernichtung des Buches angekämpft hatte. Ihre Finger zitterten, als sie die erste Seite aufschlug. Der Zauberstab spendete ihr immer noch Licht. Es reichte gerade aus um ein wenig sehen zu können. Sie setzte die Feder an und schrieb: Tom... Die Vernunft schien sie verlassen zu haben und all die möglichen Nebenwirkungen ihres Vorhabens schienen in Vergessenheit zu geraten. Das Verlangen ihm zu schreiben war größer und so setzte sie erneut an. Tom. Ich brauche dich. Ihre Worte verschwanden wieder. Die Tinte schien im Pergament zu versinken und das Blatt war wieder leer und unbenutzt. Ginny wartete auf eine Antwort, doch nichts geschah. Sie verspürte einen Stich in ihrer Brust. Wieso bekam sie keine Antwort? Sie schrieb ein großes Fragezeichen auf das Blatt, das wenige Sekunden später wieder verschwand. Ihre Augen huschten über die Seite, doch wieder geschah nichts. Ihre Atmung beschleunigte sich und leichte Panik stieg in ihr auf. Sollte sich dieses Tagebuch etwa als nutzlos erweisen? War das alles nur ein Bluff gewesen? Ein dämlicher Witz? War das am Ende nur ein Trick von Malfoy gewesen, der ihr mit schwarzmagischer Zauberei ein Trugbild von Tom Riddle gezeigt hatte. Hatte sie sich umsonst geplagt und grundlos über seinen Auftrag nachgedacht? Verzweifelt legte sie die Hände vor das Gesicht. Wieso erfüllten sich ihre Wünsche nicht? Sie wollte doch nur, dass es so war wie früher. Sie brauchte ihn jetzt. Sie unterdrückte die aufkommenden Tränen und griff erneut nach der Feder. Mit zitternder Hand schrieb sie: Wo bist du? Auch dieses Mal verschwanden die Worte, doch dafür tauchten neue auf. Eine andere Schrift, die Ginny sofort identifizieren konnte. Ihre Augen weiteten sich als sie tatsächlich seine Handschrift erkannte. Ich bin bei dir. Wie betäubt starrte sie auf die Seite und ihren Körper durchströmte ein atemberaubendes Gefühl, das sie alles um sich herum vergessen ließ. Ihr Puls beschleunigte sich, als auch schon ein weiterer Satz erschien. Es freut mich von dir zu hören, Ginny. Erleichtert lehnte sie sich zurück, sah auf die Wörter die ein Gefühl der Befriedigung in ihr auslösten. Jetzt schien alles fiel einfacher zu sein. Sie brauchte jemanden, der sie verstand, der für sie da war und genau hier war er. Enttäuscht sah sie, wie seine Schrift langsam verblasste, bis auch sie völlig verschwunden war. Doch die Schrift sollte nicht verschwinden, sie wollte mehr von ihm lesen. Sie wusste, er wartete auf eine Antwort von ihr, bezüglich seines Auftrages und auch wenn sie felsenfest davon überzeugt war, Harry nichts antun zu können, war dieser Entschluss ins Wanken geraten. Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich bin sicher, du weißt es. Ihre Träume schienen in diesem Moment Realität zu werden. Jetzt konnte sie ihre Tränen, die sie den ganzen Tag über zurück gehalten hatte, nicht mehr aufhalten. Der Kummer schien ihr das Herz zu zerreißen. Sie fühlte sich unverstanden und allein. Niemand konnte ihren Schmerz lindern und es gab niemanden der sie verstand. Ginny war oft allein und es gab nur wenige, denen sie vertraute. Endlich hatte sie denjenigen gefunden, dem sie sich anvertrauen konnte. Ich brauche dich, Tom. Ich bin so einsam. Ich kann dir helfen. Ich bin für dich da. Sie wischte sich die Tränen weg und schloss die Augen. Diese Worte taten so gut. Sehnsüchtig strich sie über die Seite, als weitere Wörter erschienen: Aber ich kann dir nur helfen, wenn du mir gibst wonach ich verlange. Ihre Augen waren gebannt auf diese Worte. Sekunden wurden zu Minuten in denen die Erinnerung an ihr Treffen im Geiste an ihr vorbei zog. Er war zu ihr gekommen und brauchte ihre Hilfe. Sie sollte für ihn arbeiten und eines seiner größten Hindernisse aus der Welt räumen. Ginny schloss kurz die Augen und nahm einen tiefen Atemzug, ehe sie ihm antwortete. Ich werde es tun. Ich würde alles für dich tun. Kapitel 6: Armistice -------------------- Wie es letztendlich dazu gekommen war, dass sich ihre Gedanken in die völlig falsche Richtung wandten, konnte sie sich nicht erklären. Ihr Vorhaben war alles andere als richtig, das wusste sie natürlich, jedoch verspürte sie keinerlei Bedürfnis ihr Tun zu überdenken. Alles was ihr fehlte war nun ein guter Plan. Vielleicht musste sie es ja gar nicht selbst tun? Es gab viele Wege, Harry weh zu tun. Ginny war die Idee gekommen, ihn in den verbotenen Wald zu locken, da dort viele gefährliche magische Geschöpfe lebten. In Hogwartszeiten war es bereits mehrmals geschehen, dass Schüler hineingegangen waren, jedoch nie wieder zurück kehrten. Allerdings war es Harry jedes Mal geglückt den gefährlichen Abenteuern des verbotenen Waldes zu entkommen. Er besänftigte Hippogreife, flüchtete vor hungrigen, menschenfressenden Acromantulas und sprach mit Zentauren. Es schien fast so, als hätte er Felix Felicis in Massen getrunken. Ginny musste zugeben, dass sie kein Experte in schwarzer Magie war. Sie hatte zwar schon einmal ein paar Todesser kennen gelernt, konnte sich aber nicht in ihr Denken und Handeln hineinversetzen. Also hatte sie beschlossen sich Hilfe zu suchen. Derjenige würde ihr zwar nie freiwillig helfen, aber vielleicht konnte er ihr ja indirekt behilflich sein. Draco Malfoy, ein Slytherin, der in die Fußstapfen seinen Vater zu treten schien. Tom sagte, er hätte ebenfalls eine Aufgabe. Worum es sich dabei aber handelte, war ihr immer noch unbekannt, auch wenn sie bei dem Treffen mit Malfoy etwas anderes behauptet hatte. Es kam ihr merkwürdig vor, dass sie gerade an ihn geraten war und noch erstaunlicher war es, dass Malfoy tatsächlich Verbindungen zu den Todessern oder wohl eher zum dunklen Lord persönlich hatte. Dabei hatten die meisten nur angenommen, dass er sich wichtig machte und letzten Endes zu feige wäre um Derartiges zu tun. Nun war sie auf dem Weg zum Slytherin. Sie würde einfach versuchen mit ihm zu reden, erhoffte sich dabei jedoch nicht viel. Man musste schließlich realistisch bleiben. Heute Morgen hatte sie gehört, dass Ron und die anderen am Nachmittag eine Doppelstunde Zaubertränke hätten. Die vier Häuser des sechsten Jahrgangs würden nach den ZAG’s zusammen gelegt werden. In der Nähe des Klassenzimmers wartete sie darauf, dass Professor Slughorn den Unterricht beendete. Einige Minuten vergingen, in denen Ginny sinnlos hin und her ging und die wenigen Gemälde, die sich in den Kerkern befanden, betrachtete, die ihr sonst nie aufgefallen waren. Die Tür öffnete sich und die Schüler strömten hinaus. Zwischen einigen unbekannten Gesichtern erkannte sie die drei Gryffindors. Das Trio, dass seit ihrem ersten gemeinsamen Schuljahr in Hogwarts bestand: Harry, Hermine und ihr Bruder Ron. Er grüßte im Vorbeigehen, schien sich jedoch nicht zu wundern, was seine kleine Schwester unten in den unheilerregenden und angsteinflößenden Kerkern machte. Vielleicht würde er später noch einmal darauf zurück kommen. Harry hielt ein Buch in der Hand und Ginny erkannte es als das Buch des Halbblutprinzen, welches sie schon einmal zu Gesicht bekommen hatte. Nach den Gryffindors kamen drei unbekannte Slytherins aus dem Klassenzimmer und Ginny dachte schon, Malfoy hätte nicht am Unterricht teilgenommen, jedoch trat er wenig später ebenfalls hinaus und verstaute etwas eilig in seiner Schultasche. Er schien der Letzte zu sein, denn die Kerkertür fiel hinter ihm zu. Professor Slughorn machte es sich bestimmt in seinem Lehrerzimmer gemütlich, denn für heute war der Unterricht beendet. Malfoys Blick streifte sie kurz, jedoch schien er kein Zeichen geben zu wollen, sie bemerkt zu haben. Erstaunlicherweise ging er jedoch nicht wie seine Mitschüler aus Slytherin tiefer in die Kerker, sondern nahm den Weg Richtung Treppe. Ginny beeilte sich ihm lautlos hinter her zu kommen und noch abzufangen, bevor er die Treppe erreichen konnte. „Psssst!“, versuchte sie es, war jedoch erfolgreich. „Hey Malfoy!“, flüsterte sie etwas lauter. Obwohl er sie gehört haben musste, ging er mit wehendem Umhang weiter. Schließlich hatte sie ihn eingeholt und ging mit ihm auf gleicher Höhe. Jetzt sah er sie endlich an, setzte seinen kleinen Spaziergang jedoch fort, mit der Gryffindor an seiner Seite. „Was?“, fragte er nur und Ginny stellte fest, dass es sehr gehetzt klang. Anscheinend war er in Eile. Sie erreichten die Treppe. Die anderen Schüler waren bereits außer Sichtweite. „Was hältst du von einem Waffenstillstand?“, fragte sie gerade heraus und bemühte sich mit seinem Tempo mitzuhalten. Er schien es wirklich eilig zu haben. Der Slytherin warf ihr einen skeptischen Blick zu und hob eine Augenbraue. Bevor er etwas daran aussetzen konnte, sprach sie weiter. „Ich meine, wir sitzen doch schließlich im selben Boot, Malfoy.“ Sie kam ihm noch ein Stückchen näher und flüsterte ihm hinter vorgehaltener Hand zu, obwohl niemand in der Nähe war. „Meinst du nicht, dass wir gemeinsam mehr erreichen könnten?“ „Keine Zeit, kein Bedarf“, war seine knappe Antwort, mit der sich seine Gesprächspartnerin nicht zufrieden gab. „Komm schon, Malfoy. Denk darüber nach. Wenn wir uns gegenseitig helfen, wird uns das schon gelingen. Ich könnte dir behilflich sein.“ Daraufhin blieb er stehen, starrte jedoch mit wütendem Blick auf sie hinab. „Hilfe von einer Weasley?“ Er sprach zwischen zusammen gebissenen Zähnen und Ginny trat automatisch einen Schritt zurück. „Ich brauche keine Hilfe. Weder von dir noch von sonst wem. Und jetzt hör auf mir auf die Nerven zu gehen! Ich habe wichtigere Angelegenheiten als mich mit einer Nervensäge wie dir herum zu plagen!“ Er setzte seinen Weg die Treppe hinauf mit wehendem Umhang fort, der seinem Ausbruch einen beeindruckenden Nachdruck verlieh. Ginny wollte ihm folgen, als er ihr über die Schulter einen mahnenden Blick zu warf, so als hätte er es gespürt, dass sie ihm hinter her gehen wollte. Tatsächlich schaffte er es, dass sie wie angewurzelt stehen blieb. „Sturkopf!“, brüllte sie ihm hinterher, doch Malfoy reagierte nicht und war wenig später verschwunden. Aufgebracht schüttelte sie den Kopf und stampfte nun die restlichen Stufen hinauf und verließ durch das große Schlossportal die Schule. Die Ländereien waren der richtige Ort um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Von weitem sah sie das Quidditchfeld und einige umherfliegende Punkte. Eine Schulmannschaft ging gerade ihrem Training nach. Ginnys Wut war schon wieder zur Hälfte verflogen, als sie den See erreicht hatte. Sie ließ sich am Ufer nieder, zog die Beine an und legte die Arme darauf, um ihren Kopf abzustützen. Mit grimmigem Blick sah sie über den See. Liebend gerne hätte sie es jetzt gehabt, wenn ein Grindeloh an Land gekommen wäre. An ihm hätte sie ihre schlechte Laune auslassen können. Ihr Wunsch blieb unerhört und sie fragte sich, ob denn alles schief gehen musste. Wieso sind Slytherins nur so stur und dickköpfig? Ihr musste unbedingt etwas einfallen, um Malfoy für sich zu gewinnen, denn mit ihm auf ihrer Seite würde es ihr schon gelingen, Harry eins reinzuwürgen, denn schließlich tat er genau das seit nun fast schon sechs Jahren. Er war zwar darin eher weniger erfolgreich und sein größter Erfolg war die gebrochene Nase, die er am Anfang des Schuljahres Harry verpasst hatte, jedoch hatte sie gehofft, dass eine Zusammenarbeit eben dieses Ziel erreichen würde. Und sie hätte ihm bei seiner Aufgabe geholfen. Worum es sich auch immer hierbei handelte. Über dieses Thema hatte sie sich ebenfalls Gedanken gemacht. Sollte Malfoy vielleicht geheime Informationen über Dumbledore beschaffen? Schließlich war der Schulleiter für den dunklen Lord ein Dorn im Auge. Wahrscheinlich war es besser, das Thema Malfoy auf sich beruhen zu lassen und sie würde, wie Tom es ihr aufgetragen hatte, ihn einfach weiterhin im Auge behalten. Das mit Harry würde sich schon von selbst ergeben. Vielleicht gab es ja beim Quidditch einen günstigen Moment, ihn vom Besen zu werfen... So verweilte sie in Gedanken und die Sonne beendete allmählich ihre Runde über den Himmel und näherte sich schließlich dem Untergang. Es war Zeit für das Abendessen und bald war auch dieser Tag vorbei. In der großen Halle waren die Lichter bereits entzündet, obwohl es noch hell genug war. Die verzauberte Decke zeigte einen wunderschönen Sonnenuntergang. Ginny hatte den ersten freien Platz gewählt und fand sich einem Erstklässler gegenüber wieder, der fasziniert an die Decke starrte. Sein erstes Schuljahr hatte gerade erst begonnen und er schien immer noch von der Magie die ihn umhüllte bezaubert zu sein. Ginny griff schmunzelnd nach dem Kürbissaft. Früher war sie auch beeindruckt gewesen. Alles war so neu und so faszinierend gewesen. Doch der Zauber hatte nicht lange angehalten, ihr erstes Schuljahr war nicht so verlaufen, wie für die meisten Erstklässler. Ihr Blick wanderte über den gedeckten und voll beladenen Haustisch und weder das Rührei, noch die Knödel, die sie sonst so mochte, konnten ihr Interesse wecken, also ging sie gleich zum Nachtisch über. Sie nahm sich etwas von dem Schokopudding und löffelte darin herum. Eigentlich brachte Pudding sie immer auf Wolke sieben, doch im Moment konnte sie nicht einmal ihr Lieblingsnachtisch aufheitern. Wo bei Merlins Bart war sie da nur hinein geraten? Auf dem Weg in den siebten Stock erlebte sie jedoch eine Überraschung. Aus der Ferne konnte sie schon das Portrait der fetten Dame sehen, doch dann fiel ihre Aufmerksamkeit auf eine blonde Person. Draco Malfoy stand neben einer Rüstung gegen die Wand gelehnt, mit verschränkten Armen vor der Brust und sah sie an. Fast schien es so, als würde er auf sie warten. Aber war dies möglich? Ginny dachte an das Gespräch, das erst wenige Stunden her war und an seine ausdrückliche Aussage, dass sie ihm auf die Nerven ginge. Doch was hatte ihn sonst in den siebten Stock verschlagen? Dies musste unbekanntes Gebiet für einen Slytherin sein, der in den Kerkern lebte. Mutig, wie eine Gryffindor nun einmal war, versuchte sie es heraus zu finden und ging auf ihn zu. Bei ihm angekommen, sah sie ihn fragend an. Bis jetzt hatte er sie noch nicht beleidigt. Ein guter Anfang. Er schien unschlüssig zu sein, sein Gesicht wirkte angespannt und Ginny fragte sich schon, ob er die Sprache verloren hatte, als er niedergeschlagen seufzte und ihr bedeutete ihm zu folgen. Er verschwand in dem leeren Klassenzimmer, neben dem sie gestanden hatten und Ginny folgte ihm hinein. Das leere Klassenzimmer war nicht sehr groß und nichts ließ mehr darauf hinweisen, was hier einmal unterrichtet wurde. Ihr Blick war jedoch auf den Blonden gerichtet. Sie beschloss in der Nähe der Tür zu bleiben, nur für den Fall der Fälle. Man wusste schließlich nie, was ein Slytherin vorhatte. Er stand etwas zwei Meter von ihr entfernt, trug immer noch den schwarzen Umhang und sah sie aus verengten Augen an. „Wozu braucht dich der dunkle Lord?“ In Ginnys Gesicht regte sich nichts. Er war also gekommen weil er neugierig war. Natürlich war er das. Wer wollte nicht wissen, was der mächtigste und böseste Zauberer an einer unwichtigen, kleinen Weasley fand. Sie beschloss die Karten offen auf den Tisch zu legen, denn wenn sie mit ihm zusammen arbeiten wollte, wäre die Wahrheit von Vorteil. Er würde sie nicht verraten, denn sie teilten das gleiche Schicksal. „Ich soll für ihn ein Hindernis aus dem Weg räumen.“ „Hindernis?“ Sein Blick war skeptisch. „Was meinst du? Oder sollte ich besser fragen ‚wen’?“ Draco schien sofort zu begreifen und Ginny war dankbar, dass sie an ihn geraten war und nicht an jemanden wie Crabbe oder Goyle. Sie zögerte kurz mit ihrer Antwort. „Harry.“ Die Augen des Slytherins weiteten sich überrascht und Sekunden später lachte er laut. „Potter? Das ist ein Witz! Du verarscht mich! Haha!“ Doch aufgrund ihres ernsten Gesichtsausdruckes fing er sich wieder, schien die Sache jedoch immer noch nicht ernst zu nehmen. „Wie willst du das anstellen? Du beherrscht keinen einzigen unverzeihlichen Fluch. Willst du seine Schokofrösche vergiften?“ „Lass das mal meine Sorge sein, Malfoy!“ Ginny stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn aus ihren braunen Augen gefährlich an. „Wieso gerade du?“ Er kam zwei Schritte auf sie zu und seine Augen musterten sie neugierig. „Das Tagebuch. Du hattest es schon einmal.“ Er sagte es mehr zu sich selbst, als das er es zu ihr sagte. Ginny erwiderte nichts und er sah sie weiterhin nachdenklich an. „Du hast damals die Kammer des Schreckens geöffnet.“ Nun, man konnte schlecht behaupten, dass sie es gewesen war. Körperlich schon, aber im Prinzip war sie nicht sie selbst gewesen. Tom hatte sie dazu gebracht es zu tun. Sie war zu seiner Marionette geworden, zu seinem Spielzeug und nun war sie im Begriff dies erneut zu tun. Malfoy kam noch einen Schritt auf sie zu und beugte sich zu ihr hinunter. Ihre Augen weiteten sich, aufgrund der geringen Entfernung. Sie konnte seinen Atem in ihrem Gesicht spüren. „Waffenstillstand.“ Sie nickte ihm knapp zu und als er sich wieder abwandte, atmete sie erleichtert aus. Erstens, weil er ihr nicht mehr so nahe war und zweitens, weil sie nun endlich sicher war, dass sie sich an ihn wenden konnte. Und da sie ja jetzt schon so weit gekommen war, versuchte sie die Gelegenheit zu nutzen. „Um was handelt es sich bei deiner Aufgabe?“ Ginny versuchte es bemüht uninteressiert klingen zu lassen. Nur nicht zu neugierig klingen. Aber Malfoy sah sie nur verständnislos an. „Ich dachte du wüsstest davon?“, sagte er irritiert und als Ginny nur mit den Schultern zuckte, klappte ihm der Mund auf. Auf seinem Gesicht zeigten sich Verständnislosigkeit und Wut. Bevor er jedoch einen Wutausbruch bekommen konnte, hob sie beschwichtigend die Hände und lächelte ihn entschuldigend an. „Du Miststück! Du hast mich reingelegt!“ Er wollte sich an ihr vorbei quetschen und durch die Tür verschwinden. Ginny versuchte ihn aufzuhalten, indem sie ihm am Arm festhielt. Dieses Bemühen war leider vergebens, da er sich problemlos von ihr los riss und die Tür öffnete, aus der er auch sogleich hinaus spazierte. Sie eilte ihm hinter her. „Hey! Sei doch nicht so empfindlich.“ Mit diesem Satz schien sie es nur noch schlimmer zu machen, denn sein Blick war mörderisch. So kam sie nicht weiter und sie beschloss eine andere Seite auf zu ziehen. „Was ist wenn du scheiterst?“, flüsterte sie. „Was ist, wenn es dir nicht gelingt?“ „Es wird mir aber gelingen“, entgegnete er, es klang jedoch schwach. „Warum bist du dann zu mir gekommen, hm? Weil du Hilfe brauchst.“ Über Malfoys Lippen kam keine Widerrede und dies war die Bestätigung, dass sie recht hatte. Er schien wirklich Hilfe zu brauchen, sonst hätte er sich auf dieses Abkommen niemals eingelassen. Sie hatte ihm angesehen, wie sehr es ihm missfiel mit ihr gemeinsame Sache zu machen. „Wer ist es, Malfoy?“ Für einen Moment dachte sie, er würde nachgeben und ihr antworten, doch dann sah er zur Seite und in seinen Augen erkannte sie für den Bruchteil einer Sekunde eine Kälte, wie sie sie noch nie zuvor in seinen Augen gesehen hatte. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und Ginny wollte etwas sagen, als sie Schritte hinter sich hörte. „Miss Weasley?“ Erschrocken fuhr sie zusammen, hatte sie doch angenommen, dass sie in dem Gang alleine gewesen wären. Die Stimme hatte sie natürlich sofort erkannt. Sie konnte nur hoffen, dass er sie nicht zusammen mit Malfoy gesehen hatte. Langsam drehte sie sich um und vor ihr stand der Schulleiter Hogwarts, wie immer mit einem freundlichen Lächeln und der bekannten Halbmondbrille. „Ich wollte Sie nicht erschrecken. Könnten Sie dies bitte Mister Potter überreichen?“ Professor Dumbledore hielt ihr eine Pergamentrolle hin, die mit einem roten Band zugeschnürt war. Bevor sie danach griff, versuchte sie noch in seinem Gesicht irgend etwas zu erkennen, doch er schien nichts gesehen zu haben. „Natürlich, Sir.“ Kapitel 7: Hogsmeade -------------------- „Und? Hast du schon eine Idee wie du Sankt Potter ins Jenseits befördern willst?“ Die Antwort, die der blonde Slytherin erhielt, war ein einfaches Schulterzucken. Ginny saß auf einem Stuhl, die Beine übereinander geschlagen und drehte eine ihrer langen roten Haarsträhnen zwischen ihren Fingern. Ihr gegenüber stand Draco mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Sie hatten sich wieder im ehemaligen Klassenzimmer getroffen. „Zu schade, dass der dunkle Lord diese Aufgabe nicht mir anvertraut hat. Ich würde Potter beim Quidditch einfach vom Besen hauen!“ Ja, so weit war Ginny mit ihren Gedanken auch schon gewesen. Etwas Besseres als ein getarnter Quidditchunfall war ihr bisher leider noch nicht eingefallen. Das Problem bestand darin, dass es Fragen geben würde, wenn die Mannschaftsmitglieder sich schon untereinander vom Besen werfen würden. Für Malfoy waren diese Gedanken jedoch nichts neues. Seit seinem ersten Schuljahr hatten er und Harry Potter sich zu Erzfeinden und ewigen Rivalen erklärt und seitdem nutzte der Slytherin jede erdenkliche Möglichkeit um den Jungen mit der Blitznarbe fertig zu machen. Leider war das Glück selten auf seiner Seite und Harry schaffte es nicht nur im Quidditch besser zu sein, sondern auch in allen anderen Angelegenheiten. Nun war es bereits Mitte Oktober. Morgen war das erste Wochenende an dem es den Schülern von Hogwarts erlaubt war ins Zaubererdorf Hogsmeade gehen zu dürfen. Ein Tag, auf den sich viele Schüler freuten. Sie würden zu Madam Puddifoots gehen, dem beliebten Treffpunkt für Liebespaare, zum Süßwarenladen Honigtopf, in die Buchhandlungen und in Zauberutensilienläden stöbern oder sich in den Drei Besen ein Butterbier genehmigen. Die Pläne für Ginny sahen in diesem Schuljahr jedoch anders aus. Sie würde nach Hogsmeade gehen, aber nicht wie die andern Schüler in die prächtigen und überfüllten Straßen, sondern sie würde einen anderen Weg nehmen. Sie wollte an einen Ort an dem sie mit Tom sprechen konnte. Und dafür hatte sie die heulende Hütte gewählt. In das Tagebuch hatte sie bereits geschrieben, dass sie am Samstag plante sich mit ihm zu treffen. Sie freute sich schon auf diesen Tag. Voller Aufregung fieberte sie dem Wochenende entgegen. Die heulende Hütte war ein Ort, zu dem sich die Schüler nicht trauten. Ihr selbst war er ebenfalls nicht so ganz geheuer, aber es war viel zu gefährlich Tom hierher zu bitten, wenn sie sich im Mädchenschlafsaal befanden. Dieses eine Mal war es gut gegangen, doch was würde geschehen, wenn ihn jemand sehen würde? Die Person würde ihn vielleicht nicht erkennen, da Tom in seiner jüngeren Gestalt erscheinen würde. Doch ein Junge im Mädchenschlafsaal war nicht gerne gesehen und außerdem war es nicht möglich, da der Zutritt durch einen Zauber alle männlichen Wesen fern hielt. Trotzdem wollte sie auf Nummer sicher gehen und Tom an einem geeigneten Ort treffen. Sie wollte ihn wieder sehen, doch hatte sie keine Ahnung, was sie zu ihm sagen sollte. „Träumst du, Weasley?“ Malfoys Stimme hatte sie aus den Gedanken gerissen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er mit ihr gesprochen hatte. Sie fing seinen Blick ein, blinzelte zwei Mal und sah ihn neugierig an. Malfoy verdrehte die Augen. Seufzend fuhr er sich durchs Haar, bevor er ungeduldig fort fuhr. „Konzentrationsschwächen scheinen wohl bei euch in der Familie zu liegen.“ Bevor Ginny eine Beleidigung erwidern konnte, stellte er eine Frage. „Hast du schon einmal etwas von verzauberten Galleonen gehört?“ Man könnte schon behaupten, dass sie davon gehört hatte. Im letzten Schuljahr hatte sie selbst eine verzauberte Galleone gehabt, so wie die anderen Mitglieder der DA. Ihre müsste noch irgendwo in den Tiefen ihres Koffers liegen. „Wenn du die meinst, mit denen man untereinander kommunizieren kann... dann ja.“ „Erzähl mir davon. Wie funktioniert das?“ „Es geht mit dem Proteus-Zauber“, begann die Gryffindor und versuchte sich an Hermines Worte zu erinnern. „Du brauchst mindestens zwei Galleonen, die du verzauberst. Eine davon behältst du und die andere gibst du der Person, mit der du in Kontakt stehen willst. Die Münzen ahmen sich nach. Wenn du also auf der einen etwas verändert, wenn du zum Beispiel eine Information darauf setzt, ahmt die dazugehörige Münze sie nach. Das Prinzip ist einfach, nur der Zauberspruch soll schwierig sein. Ich weiß, dass er nur in den Oberklassen gelehrt wird.“ „Du redest so, als ob du selbst mal eine hattest.“ „Ja, das kann man so sagen.“ „Okay. Das mit dem Zauber werde ich hinkriegen“, sagte Malfoy und reckte das Kinn arrogant in die Höhe. „Ich werde dir eine Münze geben. Und du wirst sie für mich jemanden zu kommen lassen.“ Für einen Moment hatte sie gedacht, dass er mit ihr über die verzauberten Galleonen in Kontakt bleiben wollte. Bei dem Gedanken, dass es dennoch ein Mädchen sein könnte, musste sie schmunzeln. „Wer hat denn die Ehre?“ „Das ist unwichtig. Morgen gebe ich sie dir. Du wirst dann damit in den Drei Besen bezahlen.“ „Wieso machst du das nicht, wenn man fragen darf? Du bist doch bestimmt selbst morgen dort.“ „Falsch gedacht.“ „Du gehst nicht nach Hogsmeade? Jeder geht doch dahin!“ „Ich werde aber nicht gehen. Ich muss nachsitzen bei McGonagall. Außerdem muss ich nicht in Hogsmeade sein um an meinem Plan weiter zu arbeiten.“ Ginnys Ohren spitzten sich. Da war sie wieder: Malfoys Aufgabe! Und sie wusste immer noch nicht, worum es sich dabei handelte. „Was genau ist das denn für ein Plan?“, versuchte sie unauffällig nachzufragen. Doch Malfoy hob nur eine Augenbraue, wegen dieses schwachen Versuches und ließ die Frage unbeantwortet. „Ich werde jetzt gehen.“ „Komm schon. Wenn du es mir nicht sagst, sagt er es mir.“ „Wer?“, fragte Malfoy, klang dabei reichlich uninteressiert. „Tom.“ „Wer?“, fragte er zum zweiten Mal, nun irritiert. „Dein Lord. Er hatte auch einmal einen menschlichen Namen, weißt du?“ „Ach was. Ich dachte seine Eltern hätten ihn Du-weißt-schon-wie genannt“, sagte er sarkastisch. „Aber wieso bei Salazar nennst du ihn so?“ „Alte Gewohnheit“, sagte sie schulterzuckend. Damals hatte Ginny ihn immer mit ‚Tom’ angesprochen, nicht ahnend, wer er wirklich war. Und für sie ist er immer Tom geblieben. Ungläubigkeit zierte noch einige Sekunden Malfoys Gesichtszüge, ehe er sie mit einem leichten Kopfschütteln verwarf. „Also dann. Es gibt noch andere Dinge mit denen ich meine kostbare Zeit verschwenden muss.“ Er raffte sich und schon trat der gehetzte Ausdruck in sein Gesicht zurück, den die Gryffindor in den letzten Tagen nur allzu oft bei dem Slytherin gesehen hatte. Er trat zu Tür. „Was ist mit der Galleone, Malfoy?“ „Keine Sorge, ich finde dich schon. Die roten Haare sind ja nicht zu übersehen.“ Malfoy warf noch einen Blick auf den besagten Haarschopf und verließ den Raum. Als die Tür ins Schloss fiel, machte Ginny noch eine uncharmante Geste, die der Slytherin jedoch nicht mehr sehen konnte. ~ Aufgeregtes Geplapper erfüllte den Schlafsaal. Die Mädchen aus Gryffindor konnten es kaum erwarten endlich das Schloss verlassen und nach Hogsmeade gehen zu dürfen, wo sie für ein paar Stunden den Schulalltag vergessen und das Leben eines Teenagers nachgehen würden. Die Mädchen des fünften Jahrgangs waren bereits zum Gehen fertig, nur Ginny ließ sich noch etwas Zeit. So langsam wie heute hatte sie sich noch nie angezogen, nur damit sie sicher gehen konnte, dass sie die Letzte im Schlafsaal war. Gerade als sie sich ihre Jacke übergezogen hatte, hörte sie wie die Tür zu fiel und das Stimmengewirr abschwoll. Mit einem Blick über die Schulter stellte die Weasley fest, dass sie allein im Schlafsaal war. Ein Lächeln huschte ihr über die Lippen, als sie den alten mitgenommenen Koffer unter dem Bett hervorzog. Sie ließ sich daneben nieder und kramte darin herum, bis sie das Tagebuch fand, welches sie heute nach Hogsmeade begleiten sollte. Bald würde es so weit sein und sie würde ihn wieder sehen. Sie würde seine Stimme hören und sein Gesicht erblicken, das sich nach all der Zeit schon längst in ihre Gedanken geprägt hatte. Heute würde sie ihm wieder nah sein können. Das Tagebuch versteckte sie in ihrer Schultasche, die sie kurz zuvor über ihrem Bett entleert hatte. Die Schulbücher lagen achtlos auf der Matratze, doch das scherte sie im Augenblick nicht. Auf dem Weg zum Schlossportal hielt sie ihre Tasche wie einen kostbaren Schatz an sich gedrückt, sodass sie ihr auf keinen Fall abhanden kommen konnte. Als sie an der Großen Halle vorbei ging, erkannte sie Malfoy, der ihr entgegenkam. Die Schüler strömten nach dem Frühstück geradezu zum Schlossportal um endlich nach Hogsmeade gehen zu dürfen. Es herrschte eine Aufregung und ein Gewusel, sodass niemand bemerkte, wie Draco Malfoy Ginny im Vorbeigehen eine goldene Galleone in die Hand drückte. Sie nickte ihm zu und verstaute die Münze in ihrer Hosentasche, bevor sie in der Großen Halle verschwand um vor dem Ausflug noch etwas zu sich zu nehmen. In einem Rekordtempo, welches ihrem Bruder Konkurrenz machte, schlang sie ihr Frühstück hinunter. Sie wollte nicht die kostbare Zeit verschwenden, die sie hatte und von daher beeilte sie sich. Sie näherte sich der Menschenmasse von Schülern, die darauf warteten, endlich zum Zaubererdorf aufzubrechen. Die Dritt- bis Siebtklässler mussten sich erst der Kontrolle von Filch unterziehen und die Einverständniserklärung ihrer Eltern vorzeigen. Als Ginny endlich an der Reihe war und der Hausmeister einen Blick in ihre Tasche warf, pochte ihr Herz vor Aufregung und Anspannung bis zum Hals. Mit diesem Buch erwischt zu werden würde furchtbare Konsequenzen mit sich bringen. Doch Argus Filch schien nichts Besonderes an dem alten Buch zu finden und der Geheimnisdetektor, den Filch dieses Jahr gebrauchte um die Schüler zu durchsuchen, schlug auch nicht bei ihr an. So konnte sie den Weg nach Hogsmeade anstreben. Es schien kein schöner Tag zu werden. Der kalte Wind blies ihr um die Ohren, doch nichts in dieser Welt würde sie von diesem kleinen Ausflug abhalten können. ~ An der Hauptstraße von Hogsmeade betrat sie die Drei Besen und auch heute war das Wirtshaus wieder gut besucht. Ginny erkannte einige Gesichter aus Gryffindor wieder, doch nicht nur Schüler, auch ältere Herrschaften waren hier anzutreffen. Zielstrebig ging sie zur Theke. Sie würde nur diese kleine Mission erfüllen und sich dann auf den Weg zur heulenden Hütte machen. Während sie wartete, drang Gelächter und Geschnatter an ihre Ohren. Es wurde angestoßen und gefeiert. Es dauerte nicht lange, da erschien auch schon eine Frau in ihrem Blickfeld. Madam Rosmerta war zwar nicht mehr die Jüngste, dennoch war sie sehr. Ginny bemerkte die Blicke, welche die Jungs der Wirtin zuwarfen. Doch heute wirkte die Wirtin merkwürdig desinteressiert. Die sonst so fröhlichen blauen Augen hatten heute einen verklärten Blick. Ginny bestellte ein Butterbier. Wenn sie schon einmal mit Malfoys Geld bezahlen konnte, würde sie das auch ausnutzen. Es war viel zu lange her, das sie Butterbier gekostet hatte. Madam Rosmerta kam mit einer Flasche angewuselt und Ginny reichte ihr die Galleone, die sie von Draco bekommen hatte. Ginny nippte an ihrem Butterbier, während sie die Frau beobachtete, wie sie die Galleone einsteckte. Anscheinend gab es eine Verbindung zwischen Madam Rosmerta und Malfoy, oder war die Galleone für jemand anderen bestimmt? Wen könnte es in Hogsmeade geben, der mit Malfoy unter einer Decke steckte? Nach einem weiteren Schluck stand Ginny auf, ließ die halbvolle Flasche einfach stehen. Es zerrte sie fort von hier, von der fröhlichen und freundlichen Gaststube. Sie machte sich auf den Weg zur heulenden Hütte, die am Rande des Dorfes lag. Ihr kamen zwei Schüler entgegen, vermutlich Drittklässler, die sich mit ängstlichen Mienen von der Hütte entfernten. Die beiden Schüler liefen in Richtung der belebten Straßen und Ginny war nun die einzige Person die sich hier befand. Die Fenster des schiefen Hauses waren zugenagelt. Es machte wirklich einen schaurigen Eindruck. Mit ihrem Zauberstab öffnete sie dir Tür und nachdem sie einen prüfenden Blick in ihre Umgebung geworfen hatte, verschwand sie in dem Holzgebäude. Durch die zugenagelten Fenster drang wenig Licht hinein. Eine Staubschicht belagerte den Boden und die Gegenstände die hier herumlagen. Es war alles andere als gemütlich, doch Ginny wollte hier keine Ferien machen, sondern sich mit jemandem unterhalten. Aus ihrer Schultasche zog sie das in schwarzes Leder gebundene Tagebuch. Sie hielt es in ihren Händen und mit einem Mal fragte sie sich, ob er überhaupt kommen würde. Sie hatte hineingeschrieben, gleich an dem Tag, als bekannt gegeben wurde, wann das erste Hogsmeade-Wochenende sein würde, dass es ein günstiger Zeitpunkt wäre um sich zu sehen und sich zu unterhalten. Doch sie hatte nie eine Antwort erhalten und jetzt fragte sie sich, ob ihre Hoffnung umsonst gewesen war. Ihre Fingerkuppen strichen über den Namen auf der Rückseite des Buches. Unter ihrer Haut spürte sie die eingravierten Lettern. „Die heulende Hütte ist kein Ort für Mädchen wie dich.“ Beim Vernehmen der männlichen Stimme schloss sie ihre Augen. Er stand hinter ihr, ganz nah. „Reizt dich so ein düsterer Ort mehr als die beliebten Läden des Zaubererdorfes?“ Als sie sich umdrehte sah sie zu dem Jungen auf, den sie sehnlichst erwartet hatte. Das fünfzehnjährige Ich von Tom Riddle stand vor ihr mit dem charmanten Lächeln, das er ihr so oft entgegenbrachte. „Es kommt nicht auf den Ort an, sondern auf die Gesellschaft in der ich bin.“ Sie spürte wie ihr Puls sich beschleunigte und sie musste sich eingestehen, dass sie sich freute ihn zu sehen. Das Verlangen nach ihm wurde ihr jetzt erst richtig bewusst, als sie ihn vor sich stehen sah. „Wenn ich an eine frühere Begegnung mit dir zurückdenke, erinnere ich mich daran, dass du sagtest, du würdest mein Tagebuch vernichten und dich mir widersetzen.“ „Meinungen ändern sich.“ Das selbstsichere Grinsen seinerseits konnte sie nur allzu gut nachvollziehen. Sie fraß ihm regelrecht aus der Hand, war ihm vollkommen verfallen und das wusste er. Seinem Zauber konnte man sich nur schlecht wiedersetzen, denn Tom verstand es, jemanden um den Finger zu wickeln und die Leute für sich zu gewinnen. „Ich habe nichts anderes von meiner Kleinen erwartet.“ Und dann lächelte er, sodass es sich anfühlte, als würden ihre Beine zu Brei werden. Sie musste sich beherrschen aufrecht stehen zu bleiben und nicht dahinzuschmelzen. Mit dem Kosenamen hatte er sie damals schon für sich gewinnen können. „Nun erzähl mir, was ist in der vergangenen Zeit geschehen? Wie macht sich Malfoy?“ Toms dunkle Augen ruhten auf ihr und sahen ihr aufmerksam ins Gesicht. Ginny musste sich zwingen ihre Gedanken wieder auf die Konversation zu lenken. „Ich habe einen kleinen Einblick erhalten können. Zwar weiß ich nicht, worauf er sich momentan konzentriert, dafür weiß ich jedoch, dass er bereits etwas unternimmt. Er verrät mir noch nicht viel. Ich schätze, dass er sich erst einmal an mich gewöhnen muss.“ „Versuche sein Vertrauen zu gewinnen. Schaffst du das, Ginevra?“ „Ich denke schon. Er ist schon auf einen Waffenstillstand mit mir eingegangen, das ist mehr, als man am Anfang verlangen kann.“ „Behalte ihn im Auge. Unterstütze ihn, wenn er Hilfe braucht. Informiere mich regelmäßig. Du weißt, wie.“ Ginny senkte ihren Blick und sah das Tagebuch, das sie immer noch in ihren Händen hielt. „Genug von dem Jungen. Erzähle mir von dir.“ Augenblicklich spannte sie sich an. Bis jetzt gab es noch nichts zu berichten, da sie noch nichts unternommen hatte. Es war noch nicht lange her, da hatte sie sich erst zu diesem Schritt entschlossen. „Wirst du es tun?“ Sie horchte auf, ihr Blick verfing sich mit seinem. Ihre Finger fummelten an dem Buch herum, da sie eine Beschäftigung brauchten. Er wollt eine Antwort haben und es gab nur eine, die sie ihm geben konnte. „Ja.“ Zufrieden nickte er. Es war nur eine kleine Geste und doch war sie von großer Bedeutung. Es war kaum auszudenken, was geschehen würde, wenn er nicht zufrieden wäre. Doch die Frage war, ob er ebenso gnadenlos mit ihr umgehen würde, wie mit ungehorsamen Todessern. Hierauf konnte sie keine Antwort geben, die sie überzeugte. „Ich kann mich doch auf meine Kleine verlassen, oder Ginevra?“ „Ja, Tom.“ Sie wollte ihn nicht enttäuschen. Das Schicksal hatte sie erneut aneinander geführt, auch wenn sich diese Vorstellung für sie immer nur in ihren Träumen abgespielt hatte. Auf eine Art fühlte sie sich zu ihm hingezogen und sie wollte ihm helfen. Sie wollte ihn glücklich machen, wenn man es denn so nennen konnte. „Tu es und dir wird eine Ehre zu Teil werden, wie du sie dir noch nie erträumt hast. Du kannst es schaffen, das, was selbst mir verwehrt blieb. Ich würde dir jeden Wunsch erfüllen.“ Sie hatte gar nicht bemerkt, wie er näher gekommen war. Nur noch wenige Zentimeter trennten sie von einander. Mit verträumten Blick sah sie zu ihm auf. Einige seiner schwarzen Haarsträhnen fielen ihm in die Stirn, knapp über die Augen. Es hatte ihr die Sprache verschlagen. Sie hätte nicht gewusst was sie sagen sollte und wenn, dann wäre ihr dennoch kein Wort über ihre Lippen gekommen, so traumhaft kam ihr dieser Moment vor. „Du kannst es tun“, sagte Tom und hob seine rechte Hand, die er ihr mit der geöffneten Handfläche nach oben hin hielt. „Und du wirst es tun.“ Ihr Arm bewegte sich von selbst. Ihre Hand näherte sich der seinen, Stück für Stück. Sie wollte ihn berühren, seine Haut spüren, die so blass und schön war, wie der Mond. Doch als sie die letzte Distanz überbrückt hatte, glitt ihre Hand durch ihn hindurch, als wäre er ein Geist. Nur wenige Sekunden lang verharrte sie in dieser Position, ehe sie begriff, dass es ihr nicht möglich war, ihn zu berühren. Er war nicht wirklich hier. Jedenfalls nicht körperlich. Enttäuscht sah sie auf und zog ihre Hand zurück, die ihr nun recht nutzlos vorkam. Für einen Moment hatte sie sich hinreißen und von ihrer Sehnsucht mitreißen lassen. Toms Blick war unergründlich. „Ich möchte dich berühren“, flüsterte sie und senkte den Blick, da sie spürte wie so rot wurde. Sie biss sich auf ihre Unterlippe um den Mund geschlossen zu halten, damit nicht noch mehr von diesem schnulzigen Kram aus ihr herausplappern konnte. „Töte Harry Potter und ich werde dir entgegen kommen.“ Die plötzliche Direktheit überraschte sie. Zögernd nickte sie und warf einen letzten Blick zu ihrem gegenüber. Es war nun alles gesagt und er würde wieder verschwinden. In seinen Augen sah sie es. Sie starrte auf das Tagebuch, das sie an ihre Brust gedrückt hielt, ohne es wirklich zu sehen und näherte sich der Tür. Tom war wieder verschwunden, das spürte sie. Doch wohin er zurück gekehrt war, wusste sie nicht. Nachdem sie den Berg, der zur heulenden Hütte führte, verlassen hatte, nahm sie den kürzesten Weg nach Hogwarts. Mittlerweile hatte sich das Wetter verschlechtert. Sie ärgerte sich über den Schneeregen, eine willkommene Ablenkung, die sie auf andere Gedanken bringen sollte. Plötzlich ertönte ein lauter Schrei. Es klang furchtbar und es ging ihr durch Mark und Bein, dann erkannte sie, dass die Schreie nicht einmal weit entfernt waren. Sie sah ein Mädchen, das in der Luft zu schweben schien. Um sie herum standen weitere Personen, doch Ginny achtete nur auf das Mädchen, das sich die Seele aus dem Leib schrie. Wenn sie sich nicht irrte, war das Katie Bell aus der Quidditchmannschaft. Es sah nicht nach einem Angriff aus, doch hier schien irgendetwas passiert zu sein. Schließlich kam kein Laut mehr aus ihrer Kehle und Katie fiel bewusstlos zu Boden. Nur noch der Wind pfiff ihnen um die Ohren, der die unangenehme und bedrückende Stille übertönte. Ginny wusste nicht, was hier geschehen war, doch ein Gefühl sagte ihr, das Malfoy etwas damit zu tun hatte. Kapitel 8: Solution ------------------- Es war der Sonntag nach dem Hogsmeade-Wochenende. Der Kapitän der Gryffindor-Quidditchmannschaft hatte ein spontanes Treffen im Gemeinschaftsraum einberufen. Eine sogenannte Krisensitzung. Sechs Mitglieder hatten sich zusammen gefunden – eine Person fehlte. Die Sache mit Katie hatte sich überall mit Blitzgeschwindigkeit herumgesprochen. Es war das Thema Nummer eins, mit dem sich nicht nur die Gryffindors beschäftigten. Obwohl jeder davon gehört hatte, wusste niemand, was sich wirklich zugetragen hatte. Untereinander wurden die wildesten und unmöglichsten Spekulationen ausgetauscht, was mit ihr geschehen sein konnte. Ginny war zwar dabei gewesen, hatte Katie gesehen, wie sie in der Luft schwebte und schrie, als würde sie das Grauen erleben, dennoch wusste sie nicht, wieso dies geschehen war. Eines war klar: Die Schülerin war Opfer eines Fluches geworden! Was auch immer mit Katie geschehen war, der Schaden war so stark, dass sie vor Kurzem ins St.-Mungo-Hospital gebracht wurde, da man ihr in Hogwarts nicht mehr helfen konnte. Anscheinend hatte es sie so schwer getroffen, dass Madam Pomfrey nichts mehr auszurichten vermochte. Dies hatte der Kapitän ihnen gerade mitgeteilt. Ginny konnte einfach nicht anders als Malfoy damit in Verbindung zu bringen. Die Ereignisse konnten kein Zufall sein. Sie sollte für ihn eine Münze in die Drei Besen schmuggeln. Madam Rosmerta hatte sie an sich genommen, doch die Galleone hätte auch für jemand anderen bestimmt sein können. Kurz darauf passierte der Unfall mit Katie. Ginny wollte Malfoy finden und ihn zur Rede stellen. Sie würde nicht ruhen, bis sie mit ihm gesprochen hatte. Irgendetwas musste er wissen. Der Kapitän sprach von dem kommenden Quidditchspiel, welches sie gegen Slytherin führen würden. Ginny stand abseits von der Gruppe und hörte zu. Andere Schüler aus Gryffindor, die sich in der Nähe der Gruppe befanden versuchten unauffällig zu lauschen. „Hoffen wir, dass es Katie bald besser gehen wird, ansonsten benötigen wir einen Ersatz für sie im Spiel gegen Slytherin.“ Leises Gemurmel ertönte. Die Spieler waren mit dieser Entscheidung nicht zufrieden. Katie war für sie unersetzbar. Seit Jahren war sie schon im Quidditchteam und bei den Auswahlspielen hatte es niemanden gegeben, der angezweifelt hatte, dass Katie Bell erneut in die Mannschaft kam. Ein Ersatz wäre nur ein schwacher Trost. Aber vielleicht hatten sie ja Glück und es würde der Siebtklässlerin bald wieder besser gehen. Harry erklärte das Treffen für beendet. Gemeinsam mit Ron verließ er den Gemeinschaftsraum. Ihr Bruder hatte still zugehört und machte den Eindruck, als würde er über alles Bescheid wissen. Er war am gestrigen Tag am Ort des Geschehens gewesen und hatte hautnah erlebt, was mit Katie geschehen war, was sie nur aus der Ferne gesehen hatte. Sicher wusste er Details, die sonst keiner kannte. Doch von ihm würde sie nichts erfahren. Ginny verließ den Gemeinschaftsraum. Das Portrait der fetten Dame klappte hinter ihr zu und sie ging den Flur entlang, in Richtung der großen Treppen. Jetzt begann ihre Suche nach Malfoy. Heute hatte sie ihn noch nicht gesehen. Er war weder beim Frühstück, noch beim Mittagessen. Wo könnte ein Slytherin wohl seinen freien Sonntag verbringen? Nach langen Überlegungen befand sie, dass der Slytheringemeinschaftsraum am Wahrscheinlichsten war. Da konnte sie aber schlecht nachsehen. Also begab sich die Gryffindor an andere Orte, die in Frage kamen. Doch sie wurde nicht fündig. Er war weder in der großen Halle, noch in der Bibliothek. Irgendwann gab sie es auf, auch wenn ihr noch weiter Plätze einfielen, an denen sie hätte suchen können. Es machte ihr aber keinen Spaß mehr, ihre Zeit am Sonntag Nachmittag damit zu verschwenden nach dem Slytherin zu suchen. Sie musste Tom noch von dem Zwischenfall berichten und dies reizte sie momentan weitaus mehr. Also begab sie sich ins siebte Stockwerk. Doch als sie dort ankam erlebte sie eine Überraschung. „Was machst du denn hier?“ Malfoy tauchte plötzlich wie aus dem Nichts vor ihr auf. Hinter ihm meinte sie eine verschwindende Tür in der Wand zu erkennen, doch das musste eine Sinnestäuschung gewesen sein. Das war wieder klar, dass sie ihn jetzt fand, obwohl sie die Suche nach ihm aufgegeben hatte. „Wir müssen reden!“ Ginny ließ ihm keine Zeit sich davon zu stehlen, wie er es sonst gerne tat. Sie packte ihm am Ärmel seines Pullovers und zog ihn in einen Geheimgang hinter einem Wandteppich. Dieses Mal ließ er sich widerstandslos mitziehen. In dem dunklen Gang zog sie ihren Zauberstab. „Lumos.“ Die Spitze des Stabes leuchtete auf wie eine kleine Fackel. Ginny stutzte kurz, als sie Malfoys Miene sah. Er sah wie jeden Tag gestresst aus, aber da war noch etwas anderes. Er schien in Sorge zu sein, fast ein wenig verzweifelt. Beinahe hatten diese Gefühle, die auf Malfoys Gesicht so fremd wirkten, sie aus der Fassung gebracht. Doch sie fing sich wieder. „Was ist mit Katie geschehen?“ „Wieso glaubst du, dass ich etwas darüber weiß?“ „Wer sollte sonst etwas damit zu tun haben?“ Malfoy wirkte heute nicht so selbstsicher wie sonst und Ginny hingegen fühlte sich im Moment viel mutiger. Vor dem Slytherin hielt sie sich schon lange nicht mehr zurück. Sie hatte keine Angst mehr vor ihm. Jetzt war es Zeit für ein paar Antworten und die würde sie bekommen. „Die verzauberte Galleone! Die hast du gebraucht um jemanden im Dorf zu kontaktieren. Und die Person hat etwas mit Katie angestellt. Du hast Hogsmeade gestern als Chance genutzt um deinen Plan zu verwirklichen.“ Eine kurze Pause trat ein. Schweigen erfüllte den dunklen Gang, bis Malfoy seinen Mund öffnete und er zögerlich anfing zu sprechen. „Es sollte doch nicht sie treffen.“ Seine Stimme zitterte und es klang, als würde er bedauern, was geschehen war. Im Licht des Zauberstabes erkannte sie sein Gesicht. Er sah bedrückt aus. Hatte er vielleicht Mitleid mit Katie Bell? Ginny kam nicht umhin, Mitgefühl für den Blonden zu verspüren. Ihre Stimme wurde sanfter. „Was genau ist geschehen, Malfoy?“ Ermutigend sah sie ihn an und schenkte ihm ein Lächeln. Sie wollte ihm helfen, denn genau das brauchten sie – gegenseitige Hilfe, damit sie ihre Pläne vollbringen könnten. „Madam Rosmerta steht unter meinem Imperius Fluch.“ Vor Überraschung weiteten sich Ginnys Augen. Malfoy hatte einen Unverzeihlichen angewendet! Der Imperius war zwar der Spruch, der am wenigsten Schaden zuführte, aber er war nicht ohne Grund unverzeihlich. „Das Bell damit hineingezogen wurde war nicht geplant. Sie sollte nur ein Paket ins Schloss schmuggeln.“ „Was war in dem Paket?“, fragte Ginny. Ein Paket oder Päckchen hatte sie nirgends gesehen, aber sie war ja auch erst auf Katie aufmerksam geworden, als diese schon begonnen hatte los zu kreischen. „Eine verfluchte Kette. Von Borgin und Burkes. Ich war mir so sicher damit.“ Den letzten Satz murmelte er eher sich selbst zu. Eine Kette war also der Grund gewesen. Katie musste diese irgendwie berührt haben. Doch für wen war sie wirklich gedacht gewesen? Es musste jemand sein, der nicht in Hogsmeade war. Ansonsten hätte die Person es dort bekommen können. So musste der verfluchte Gegenstand ins Schloss geschmuggelt werden. Genau dafür wurden in diesem Jahr die Kontrollen zunehmend verstärkt. Ginny erinnerte sich noch zu gut an den Geheimnisdetektor vom Hausmeister. „Meinst du, sie wäre damit ins Schloss gekommen? Filch kontrolliert jeden der das Schloss betritt und verlässt.“ „Ich hatte es gehofft“, antwortete er, klang aber nicht sehr überzeugend. „Warst du deswegen beim Nachsitzen? Damit du ein Alibi hast?“ „Ja, Weasley. So etwas ist durchaus von Vorteil.“ Beinahe hatte sie es sich schon gedacht. Der perfekte Draco Malfoy sollte Nachsitzen? Das war ihr von Anfang an merkwürdig vorgekommen. „Jedenfalls muss ich jetzt von vorne anfangen.“ „Nun, ich denke, Hogsmeade ist für uns alle dieses Jahr gestrichen. Super, Malfoy. Das war der einzige Ort, an dem ich mit Tom reden konnte.“ „Tom? Du meinst...“ Sie nickte. Einen Augenblick später wurden seine Augen groß wie Quaffel, als er die Bedeutung ihrer Worte verstanden hatte. „Du redest mit ihm?“ Mit offenem Mund stand er vor ihr und sah sie an, als wäre sie ein wildgewordener Hippogreif. Im spärlichen Licht des Zauberstabes sah es sehr amüsant aus. „Ja. Er erscheint mir durch das Tagebuch, dass ich durch dich wieder erlangt habe“, sagte Ginny und genoss sichtlich seinen ungläubigen Gesichtsausdruck, der sich noch verstärkte, als sie ihm mitgeteilt hatte, dass er derjenige war, der das Erscheinen des dunklen Lords ermöglicht hatte. „Aber geht das denn einfach so? Der dunkle Lord in Hogsmeade? Kann er auch in Hogwarts erscheinen?“ „Nun... ja. Aber er ist nur ein Trugbild. Er ist nicht wirklich hier. Wir kommunizieren nur miteinander. Ich kann ihn also nicht anfassen, das bedeutet, dass er hier nichts auszurichten vermag. Er kann weder etwas berühren, noch einen Zauber anwenden.“ Nur seine Legilimentik Fähigkeiten kann er einsetzen, fügte sie in Gedanken hinzu. Draco sah sie weiterhin geschockt an. Sein Mund klappte auf, als wollte er etwas sagen, doch kein Wort verließ seine Lippen, dann schloss er ihn wieder. Ihn sprachlos zu sehen war noch etwas Ungewöhnliches, was überhaupt nicht zu dem Slytherin passte. „Macht dir das denn keine Angst, dass er hier einfach auftaucht?“ „Angst? Nein. Ich sehe ihn als fünfzehnjährigen Schüler, der er damals war, bevor er zum mächtigsten Schwarzmagier geworden ist. Ich weiß zwar nicht wie er das macht, aber in dieser Gestalt macht er mir keine Angst, nein.“ „Wie sieht er denn aus?“, fragte Malfoy neugierig. Ginny rief sich in Gedanken Toms wunderschönes Gesicht zurück. „Na ja... er sieht sehr gut aus...“ „Das meinte ich nicht!“ „Oh.“ Ein verlegenes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Draco schürzte missbilligend die Lippen. „Er sah mal aus wie ein Mensch, falls du das meinst.“ „Tatsächlich?“, machte er sarkastisch. Ginny bemerkte, dass sie nur Voldemorts jüngeres Ich kannte. Sie kannte nur den hübschen und charmanten Tom Riddle. In seiner jetzigen Gestalt hatte sie ihn noch nicht zu Gesicht bekommen. Damals in der Mysteriumsabteilung hatte ihre Bewusstlosigkeit, aufgrund des Angriffs eines Todessers, ihr die Chance genommen, den dunklen Lord live zu erleben. Die Leute erzählten sich, er sähe grauenhaft aus. Keine menschlichen Züge seien an ihm mehr zu erkennen. Schlangenhaft sollte er sein. Und dann fiel bei Ginny der Knut: Draco hatte ihn gesehen. Er hatte von Angst gesprochen, als er nach seiner Anwesenheit fragte. Wie die meisten der Todesser hatte er Angst, Angst vor der Person und selbst Angst vor seinem Namen. Eine Zeit lang hatte sie sich auch vor ihm gefürchtet. Damals, als sie erkannt hatte, das etwas mit ihr geschah, dass in der Schule Sachen passierten und Menschen verletzt wurden. Dass sie es gewesen war und dass das Buch sie dazu brachte. Das Tom sie dazu brachte. Aber am meisten Angst hatte sie in der Kammer des Schreckens gehabt, als sie erfahren hatte, dass Tom sie benutzt hatte. Ihr Freund, dem sie sich anvertraut hatte, den sie lieb gewonnen hatte. Und als sie dachte, sie müsste sterben. Jetzt waren es andere Gefühle, die sie für ihn empfand. Keine Angst, auch keine Wut, wie es vielleicht zu erwarten wäre, wegen dem, was er ihr angetan hatte. Sie müsste ihn eigentlich hassen, doch das tat sie nicht. „Ich muss jetzt los“, sagte sie plötzlich. Sie warf Malfoy einen Blick zu, und studierte noch einmal seine Mimik bevor sie den Zauberstab sinken ließ und aus dem Geheimgang hervortrat. Jetzt wirkte er nicht mehr so mitgenommen. Hoffentlich hatte sie ihn ein wenig ablenken und auf andere Gedanken bringen können. ~ Der Schlafsaal der Mädchen war friedlich und still. Niemand befand sich darin, nur eines der Betten hatte die Vorhänge zugezogen, hinter denen sich Ginny Weasley befand. Auf dem Bauch liegend stützte sie sich mit den Ellenbogen ab. Vor ihr lag ein Buch aufgeschlagen. Die Seite war noch unbeschrieben, doch dies sollte sich bald ändern, denn das Mädchen hatte eine Feder in ihrer Hand. Sie tunkte diese in das Tintenfässchen, welches neben dem Bett auf ihrem Nachttisch stand und begann zu schreiben. Hallo Tom. Die Buchstaben befanden sich einige Sekunden auf der Seite, bis sich die Tinte auflöste, als würde sie in dem Pergament versickern. Ich habe nicht so schnell mit dir gerechnet. Es ist etwas geschehen. Erzähle mir davon. Noch einmal überlegte sie, ob sie ihm von Malfoy erzählen sollte. Würde es Konsequenzen für den Sechzehnjährigen haben, wenn sie von seinem Scheitern berichtete? Sie fuhr sich durch das rote lange Haar, und biss sich auf die Unterlippe. Tom hatte gesagt, sie sollte ihn im Auge behalten und schreiben, wenn etwas geschah. Erneut hörte man das Kratzen der Feder. Es geht um Malfoy. Es ist gestern geschehen, nach unserem Treffen in der Heulenden Hütte. Ja. Ich erinnere mich. Weiter. Er hat versucht einen verfluchten Gegenstand ins Schloss zu schmuggeln, durch eine Schülerin... Malfoy hat jemanden mit dem Imperius belegt. Von Borgin und Burkes hat er eine verfluchte Kette gekauft. Sie war für jemanden im Schloss bestimmt, aber der Fluch hat die Schülerin erwischt. Sehr ärgerlich. Rasch folgten weitere Buchstaben die sich über die Seite ausweiteten. Sag mir, Ginevra, wer steht unter Malfoys Imperius-Fluch? Madam Rosmerta. Oh ja, ich kenne sie. Nun, ich muss gestehen, Malfoys Plan war nicht schlecht, aber fehlerhaft. Denkst du, die Kette hätte es ins Schloss geschafft? Sie überlegte und erinnerte sich an das Gespräch mit dem Slytherin, das sie vor geraumer Zeit geführt hatte. Ich denke nicht. Sie haben die Kontrollen verschärft. Es war sehr waghalsig. Da stimme ich dir zu. Du wärest sicher gescheiter. Mein Mädchen würde mich nicht enttäuschen. Nein. Das würde ich nicht. Jetzt war der richtige Moment, ihr Bauchgefühl sagte es ihr. Sie wollte die eine Frage stellen um nicht mehr im Dunkeln zu sitzen und alle Details des Plans zu kennen. Die Lösung würde sie voran bringen und sie würde mehr von Malfoy verstehen. Mehrmals hatte sie schon danach gefragt, doch nie eine Antwort erhalten. Jetzt wollte sie einen weiteren Versuch wagen. Ich habe eine Frage. Stell sie. Wie lautet Malfoys Aufgabe? Eure Aufgaben ähneln sich. Malfoy ist in Hogwarts, da er mir jemanden vom Halse schaffen soll. Zu dem Schluss war sie bereits gekommen. Das verfluchte Schmuckstück war dafür vorgesehen gewesen, jemanden zu töten. Die Frage war nur, wen sollte Malfoy ermorden? Wer ist es, Tom? Angespannt starrte sie auf die Seite. Ihre Nachricht verschwand und ehe die Antwort erschien schienen die Sekunden im Schneckentempo zu verlaufen. Ihr Herz pochte aufgeregt in ihrer Brust, doch als die Antwort erschien, schien es plötzlich vor Schreck stehen zu bleiben. Dumbledore. Stumm starrte sie auf den Namen. Sie las ihn noch ein zweites und ein drittes Mal um sicher zu gehen, dass sie sich nicht verlesen hatte und das dort wirklich Dumbledore stand. Der derzeitig amtierende Schulleiter mit der Halbmondbrille, der ständig vor sich hersummt. Der Muggelfreund, der eine Vorliebe für Süßigkeiten hatte. Der alte Mann mit dem Sternchenumhang, der vielleicht ein wenig verrückt war, aber stets ein Lächeln auf den Lippen trug. Der Dumbledore, der einst Grindelwald besiegte. Der mächtigste Zauberer aller Zeiten, der Einzige, den Tom jemals fürchtete... Gegen ihn hatte Malfoy nicht die geringste Chance. Schließlich wurde eine letzte Nachricht sichtbar. Noch ehe dieses Schuljahr auf Hogwarts beendet ist wird der alte Narr tot sein! Kapitel 9: Voice ---------------- Professor Slughorn war für dieses Jahr der neue Lehrer für Zaubertränke. Dazu stieg die Beliebtheit des Faches bei den Schülern, während Verteidigung gegen die dunklen Künste nun für weniger Ansehen sorgte. Snape hatte endlich seinen Willen und die Leitung des Faches bekommen. Horace Slughorn war sein Ersatzmann, ein kleiner runder Mann mit Schnurrbart, der schon vor einigen Jahren dieses Schulfach unterrichtet hatte. Der glatzköpfige Professor gestaltete seinen Unterricht interessant, dennoch ging er den Schülern oft auf den Keks mit seinen Vorlieben für Schüler mit besonderen Eigenschaften. Der Slug-Club war in Hogwarts nicht gern gesehen und Mitglieder wurden eher verhöhnt, als beneidet. Während der Zugfahrt hatte Ginny eine Einladung bekommen, sie versuchte sich aber immer aus der Affäre zu ziehen, wenn sie eine Einladung erhielt, denn sie wollte nicht zu Sluggys Lieblingen gehören. Momentan hatte sie eh andere Sachen im Kopf als Teepartys... Die heutige Zaubertrankstunde verlief ähnlich wie die vorherigen in diesem Schuljahr. In den ersten zehn Minuten redeten sie über den momentanen Lernstoff und versuchten sich auf ihre ZAG’s vorzubereiten, dann verfiel Slughorn in eine seiner aufregenden Erzählungen über eine berühmte Bekanntschaft, die sich beinahe fast die ganze Doppelstunde entlang zog. Diese Erzählungen reichten fast schon an den Unterricht von Professor Binns heran, denn die erhoffte Aufmerksamkeit blieb bei den meisten Schülern aus. Nur wenige lauschten interessiert dem Professor. Unter ihnen Colin Creevey, der rechts neben Ginny saß und glänzende Augen bekam, als Slughorn von seiner Partie Zauberschach mit Celestina Warbeck berichtete. Ein spannendes Spiel, Slughorn hatte sie selbstverständlich gewinnen lassen... Ginny jedoch war meilenweit entfernt von Zauberschach. Ihre Gedanken kreisten um den Jungen, der ihr den Verstand zu rauben schien. Seitdem er wieder in ihr Leben getreten war, hatte es sich verändert, so wie es in ihrem ersten Schuljahr geschehen war. Alles hatte sich damals geändert. Sie ging zur berühmtesten Schule für Zauberei und lernte die Welt der Magie kennen. Sowie die Welt der dunklen Hexerei, als habe das Schicksal sie direkt dazu auserkoren. Dies schien sich alles zu wiederholen. Seit dem Tag an dem sie das Tagebuch erhalten hatte, lief ihr Leben nicht mehr wie es sollte. Im Sommer war ihre größte Sorge noch die ZAG-Prüfungen gewesen. Momentan wirkten sie auf sie belanglos. Es war nun November, die Prüfungen hatten noch genug Zeit. Wer wusste, was bis dahin geschehen würde. Seitdem sie erfahren hatte, dass der dunkle Lord Malfoy damit beauftragt hatte Dumbledore zu töten, hatte sie darüber nachgedacht, wie es dazu kommen konnte, dass gerade Malfoy damit beauftragt wurde. In Hogwarts befanden sich gleich zwei Schüler, die im Auftrag Voldemorts handelten und ein Attentat verüben sollten auf gerade diejenigen, denen es gelungen war, Voldemort die Stirn zu bieten. Albus Dumbledore, der Einzige, den er je gefürchtet hatte, und Harry Potter, der als Baby dem Todesfluch entkommen war, mit nichts weiter als einer blitzförmigen Narbe. Doch wieso sollten sie es tun? Inwiefern hatten sie und Malfoy die Chance das zu erreichen was ihm verwehrt blieb. "In Hogwarts gibt es noch jemanden der für mich arbeitet. Der junge Malfoy hat einen Auftrag und es ist fraglich, ob er dieser Aufgabe gewachsen ist. Du wirst ihn im Auge behalten und dafür sorgen, dass er nicht scheitert. Anderenfalls würde es für ihn sehr ungemütlich werden." Das hatte Tom ihr bei ihrer ersten Begegnung im Schlafsaal gesagt und sie erinnert sich noch daran, wie kalt und gleichgültig er es ausgesprochen hatte. Als wäre es ihm egal, ob Malfoy es schaffen würde oder nicht, als rechnete er schon damit und befahl ihr deshalb ihn zu unterstützen. Ansonsten würde Malfoy bestraft werden. Ginny verbot sich selbst, den Gedanken weiterzuführen. Noch etwas hatte er gesagt. Er selbst hatte etwas Wichtigeres vor. Aber was? Was tat er gerade? Wie sahen seine Pläne aus? Es schien äußerst wichtig zu sein und Tom würde nie seine Zeit mit unwichtigen Sachen zu verschwenden. Den Schulleiter sah sie nun mit anderen Augen. Der fröhliche ins Alter gekommene Zauberer schien nicht die geringste Ahnung zu haben, was sich hinter den Mauern seiner Schule abspielte. Durch die Enthüllung des Geheimnisses war ihre Wahrnehmung nun anders gestrickt und so suchten ihre Augen ihn jedes mal, wenn sich die Möglichkeit bot. Wie zum Beispiel beim gemeinsamen Essen, an dem Schüler und Lehrer teilnahmen. Doch einige Male entdeckte sie einen leeren Platz am Lehrertisch und sie musste feststellen, dass der Schulleiter fehlte. Dies musste jedoch nichts heißen. Dumbledore würde sicher nicht die Schule verlassen und seine Schüler ungeschützt zurück lassen. Es sei denn, auch er ging gerade einem Plan nach um den dunklen Lord aufzuhalten. Um sie herum vernahm Ginny schließlich Geraschel und als sie aufsah bemerkte sie, das die Schüler ihre Bücher hervor holten und Slughorn etwas an die Tafel schrieb. Colin neben ihr blätterte hastig in seinem Buch und auch Ginny bequemte sich langsam dazu in ihre Tasche zu greifen um im Unterricht mitzumachen. Sie zog ihre Tasche auf ihren Schoß und suchte nach dem Lehrbuch. Gerade als sie es zwischen zwei weiteren Schulbüchern gefunden hatte, sah sie das Tagebuch. Ihr Blick verweilte einige Sekunden auf dem Leder, dann riss sie sich von dem Anblick los und legte ihr Zaubertranklehrbuch auf den Tisch um die richtige Seite aufzuschlagen. Innerlich ärgerte sie sich selbst. Es war viel zu riskant, das Tagebuch mit sich herum zu tragen! Wenn jemand es sah! Wenn ein Lehrer es in die Finger bekäme! Ginny presste die Lippen fest aufeinander. So dumm und unvorsichtig wie sie zur Zeit war würde sie sich noch selbst nach Askaban befördern! Nun war es so, dass sie dieses Buch dabei haben wollte. Stets wollte sie es bei sich tragen und hatte nur dann ein sicheres Gefühl. Sie brauchte die Bestätigung, das Tom in der Nähe war und sie ihm schreiben konnte, wenn sie das Verlangen danach verspürte. Wie hatte er es nur geschafft, sie so in seinen Bann zu ziehen? Da wo sie war, war auch er. Wenn sie wach war, sah sie ihn in ihren Gedanken und hörte seine Stimme, die zu ihr sprach. Wenn sie schlief, sah sie ihn in ihren Träumen. Früher hatte sie schon von ihm geträumt. Anfangs waren es Alpträume, die sie erneut die Furcht und Hilflosigkeit spüren ließen, die sie als wehrloses Opfer erfahre hatte. Die Träume beinhalteten den Basilisken, die Kammer des Schreckens und stets das schöne, lächelnde Gesicht, dem sie hoffnungslos verfallen war. Über die Jahre hinweg hatte dies nie aufgehört und Tom war stets ein Teil ihrer Gedanken und ihres Lebens geblieben. Endlich hatte sie die richtige Seite aufgeschlagen, die Slughorn an die Tafel geschrieben hatte. Ihre Augen sahen Bilder und Buchstaben, doch sie blickte durch sie hindurch. Geistig war sie weit entfernt vom Klassenzimmer in den Kerkern. Unbewusst war ihre Hand wieder in ihre Schultasche hinabgeglitten, die auf ihrem Schoß lag. Ihre Finger berührten den Einband wie selbstverständlich, als würde eine magische Macht sie anlocken. Wie ein Magnet zog das Tagebuch sie an. Malfoys Plan, der in Hogsmeade gescheitert war, hatte sie auf eine Idee gebracht. Im Grunde war sein Vorhaben nicht schlecht gewesen. Der Imperius war eine gute Waffe und Ginny überlegte, ob ihr dieser Spruch nicht ebenso von Nutzen sein konnte. Es war auf jeden Fall einen Versuch wert und langsam war es an der Zeit, ihre Pläne in die Tat umzusetzen, denn sie wollte Tom nicht warten lassen. Er würde zufrieden mit ihr sein und ihr Handeln honorieren. Sie wollte seine Anerkennung, mehr als das... Sie wollte mehr als nur eine Erscheinung aus einem Tagebuch sehen. Sie wollte ihm nah sein und ihn berühren dürfen. Ihre Finger strichen über das Leder, tasteten sacht über die Einkerbungen des eingravierten Namens. Manchmal gelang es ihr, zu vergessen wer er war, doch immer wenn ihr in den Sinn kam, für wen sie solche Gefühle hegte, schnürte sich ihr Herz zu. Nie gab es jemanden der bösartiger war, der die Menschen in den Tod stürzte um seine Ideale von der Welt zu verwirklichen. Er erlangte weiter Macht und breitete Angst und Schrecken aus. Wie konnte man für so jemanden Sympathien empfinden? Vielleicht war es die charmante Art, mit der er sie umgarnte. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass er derjenige war, der für sie da war, in Zeiten in denen sie jemanden brauchte und alle anderen sie im Stich ließen. Sie verspürte eine gewisse Verbindung zu ihm. Auch wenn sie wusste, dass sie nur Mittel zum Zweck war, dass sie nur gebraucht wurde um Harry Potter zu beseitigen, es war ein schönes Gefühl gebraucht zu werden. Ja, er brauchte sie. Und sie wollte ihn. „Du gehörst mir.“ Ginny schloss die Augen und lauschte den geflüsterten Worten, die sie in ihren Gedanken vernahm. Neuer Mut durchströmte ihren Körper. Man sagte, für einen Freund würde man alles tun. Und so würde auch Ginny alles tun, was nötig war. Sie wusste, dass es letztendlich nur einen geben konnte, der überlebte. Harry würde selbst den Kampf gegen den dunklen Lord wagen. Entweder oder. Der eine oder der andere. Sie kannte die Antwort. Sie würde Harry aufhalten. Wenn sie sogar einen Unverzeihlichen anwenden müsste, für Tom würde sie alles tun... „Du bist mein.“ Vielleicht war es ja ihr Schicksal. Vielleicht gehörte sie auf die dunkle Seite. Ihr sollte es recht sein, wenn sie dort bekam, was sie wollte. Und momentan wollte sie nur bei ihm sein, mit ihm zusammen sein. Egal wie hoch der Preis dafür war... „Ginny?“ Verwirrt wandte sie ihren Kopf nach rechts woher der die Stimme gekommen war. Sie sah sich kurz um, um sich wieder zurecht zu finden, bis ihr einfiel, das sie im Zaubertränkeunterricht saß. In ihr Blickfeld geriet Colin Creevey, der sie aus ängstlich aufgerissenen Augen anstarrte. „Deine Augen!“, wisperte er und es war so leise, das sie es beinahe nicht verstanden hätte. „Sie waren rot!“ Verärgert wandte Ginny den Blick ab und richtete ihre Augen wieder auf Slughorn, der vor dem Lehrerpult stand. „Red nicht so einen Quatsch, Colin!“, zischte sie ihm leise zu. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass er sie noch eine Zeit lang beobachtete, bis es zum Unterrichtende läutete. Dieser blöde Colin steckte seine Nase auch immer in Angelegenheiten die ihn nichts angingen. Am liebsten hätte sie ihm einen Fluch an den Hals gejagt, stattdessen packte sie ihr Schulbuch ein und verließ schnellen Schrittes das Klassenzimmer. ~ Das Tagebuch war nun unter der Matratze ihres Bettes versteckt. Sie musste sich zusammenreißen, damit so etwas wie am Morgen im Unterricht nicht noch einmal passierte. Es war, als wäre sie woanders gewesen und es war beängstigend – auf eine aufregende Art. Zum Glück hatte Colin das Tagebuch nicht gesehen, das hätte nur Fragen gegeben, denn das war etwas, was der junge Gryffindor gut konnte: Ganz viel reden und fragen und anderen Leuten damit auf die Nerven gehen. Ginny wunderte sich, wieso sie plötzlich so eine Wut auf Colin hatte. Sonst mochte sie ihn doch eigentlich?! Seltsam... Im Schlafsaal streifte sie die lästige Krawatte ab und öffnete den oberen Knopf ihrer Bluse. Der Schultag war nun vorbei und der Tag neigte sich nach einem Nachmittag, den sie mit lernen verbracht hatte, dem Ende zu. Jetzt würde sie noch schnell zum Abendessen flitzen und dann würde sie den Tag ausklingen lassen. Ihr Blick wanderte automatisch noch einmal zu ihrem Bett, bevor sie den Schlafsaal der Mädchen verließ und die Treppe hinunter wanderte. Der Gemeinschaftsraum war gefüllt mir Schülern, die an den Tischen saßen und lernten, so wie sie es noch vor einigen Minuten getan hatte. Auf dem Weg zum Ausgang lief ihr Ron über den Weg. Bei ihm waren Harry und Hermine, die gerade in einem Buch las und den Weg fand ohne ihn anscheinend sehen zu müssen. „Hey Ginny. Morgen ist Quidditch Training.“ „Ja, ich weiß“, antwortete sie, obwohl es ihr momentan entfallen war, doch das ließ sie sich nicht anmerken. Ihr Blick war auf Harry gerichtet. Sie musterte seine Narbe, die von einigen schwarzen Haarsträhnen seines verstrubbelten Haares verdeckt wurde und sie fragte sich, wie die Welt wohl heute sein würde, wenn damals alles anders gekommen wäre. In der Tasche ihres Rockes spürte sie plötzlich ihren Zauberstab in der Hand, dabei hatte sie gar nicht gemerkt, wie sie danach gegriffen hatte. Ihre Augen verdunkelten sich und strahlten eisige Kälte aus. Nichts anderes als Verachtung verspürte sie für dieses Narbengesicht, das sich gerade vor ihr aufbaute und ihren Blick standhaft erwiderte. Auch er schien angespannt. „Gehen wir jetzt essen?“, fragte Ron an Harry gewandt, der den Blickwechsel bemerkt hatte. „Geht schon mal vor, ich muss noch in die Eulerei, einen Brief wegbringen.“ Harry schritt bereits auf das Portraitloch zu und wedelte mit der linken Hand, in der er einen Umschlag hielt. Ginnys Hand um ihren Zauberstab lockerte sich wieder. „Na dann.“ Ron wartete auf Hermine, bis sie endlich mal von ihrem Buch aufsah und Ginny einen kurzen Blick zuwarf. Sie sah dem Pärchen hinterher, bis sie aus dem Loch stiegen und das Portrait hinter ihnen wieder zuschwang. Schweigend starrte die Weasley auf den verschlossenen Ausgang, während sich ihre Gedanken langsam zusammenführten. Schmunzelnd stemmte sie die Händen in die Seiten. Jetzt war ihre Chance gekommen. Mit geringem Abstand folgte sie dem schwarzhaarigen Gryffindor, die Treppen zur Eulerei hinauf. Fröhlich summend schlenderte er die schiefen hölzernen Stufen empor, ohne Ginny hinter sich zu bemerken. Als er die Tür erreichte, betrat er die Eulerei. Ginny blieb davor stehen. Jetzt machte sich doch allmählich die Nervosität bemerkbar. Kurz kniff sie ihre Augen zusammen und rief sich selbst zur Ruhe. Es war alles gut durchdacht. Der Imperius war ihr Schlüssel zum Ziel. Es schien alles so einfach. Derjenige, der unter diesen Spruch stand, ist dem Willen des Zauberers vollkommen unterworfen und täte alles, was von ihm verlangt wurde. So gab auch Madam Rosmerta der ahnungslosen Katie Bell das Päckchen mit der verfluchten Kette, welche sie, ebenfalls unter dem Imperius stehend, ins Schloss schmuggeln sollte. Wieso sich also die Hände schmutzig machen, wenn man es auch einfach haben konnte? Den Imperius würde man nicht nachweisen können und es sähe so aus, als wäre es ein Unfall gewesen. Gestürzt, aus einem der glaslosen Fenster in der Eulerei, aus einem der Schlosstürme Hogwarts – wie tragisch. Niemand würde es erfahren. Kein Mensch würde sie damit in Verbindung bringen. Vorsichtig drückte Ginny gegen die Tür. Lautlos öffnete sie sich einige Zentimeter und durch einen kleinen Spalt spähte Ginny in den Raum hinein. Dort stand Harry mit dem Rücken zu ihr und außer ihm befand sich niemand hier oben. An ihm flogen Eulen vorbei, die auf dem Rückweg ihrer Briefübergaben waren. „Es ist ganz einfach.“ Langsam zückte sie ihren Zauberstab... Kapitel 10: Unforgivable ------------------------ Nur wenige Meter trennten Ginny von dem Jungen, der aus dem Fenster blickte. Harry stand dort, mit dem Rücken zu ihr gewandt. Der kalte Novemberwind drang unaufhaltbar in die Eulerei ein und verstrubbelte sein rabenschwarzes Haar. Vorsichtig wagte sie zwischen Tür und Angel einen Schritt weiter und verschloss, so leise und unaufmerksam wie es ihr möglich war, mit der linken Hand die Tür. Aufgrund des pfeifendes Windes war das leise Geräusch nicht zu hören. Mit steifem Rücken presste sie sich gegen die Tür. Den Zauberstab immer noch erhoben hielt sie ihn weiterhin auf ihr Zielobjekt gerichtet. Noch nie hatte sich dieses Stück Holz so schwer angefühlt wie in diesem Moment. Ruhig lag der Stab in ihren Fingern, ohne zu zittern, und ohne sich zu bewegen stand sie dort und murmelte in ihrem Kopf innerlich immer wieder die Formel, wie um sie sich selbst einzuprägen, damit sie diese nicht vergaß. Diesen passenden Augenblick durfte sie sich nicht entgehen lassen. Eine optimale Gelegenheit, die sich nicht so schnell wieder, wenn überhaupt, anbieten würde. Welch eine Ironie, dass sie nun hier stand und dem Jungen, den sie einst angehimmelt hatte, gleich einen Fluch aufhalsen würde. Doch die Zeit in der sie Harry verehrt hatte war längst vorbei. Durch die Zurückweisung und die Antipathie die er ihr entgegenbrachte, hatten sich ihre Gefühle ins Gegenteil gewandelt. Er hatte sie nie richtig wahrgenommen, so wie auch jetzt in der Eulerei. Und dies würde ihm zum Verhängnis werden. Konzentriert kniff sie die Augen zusammen, zielte direkt an seinem Rücken auf den Punkt zwischen den beiden Schulterblättern und öffnete den Mund, um den Zauberspruch zu sagen. „Imperio.“ Ihr Flüstern war so leise gewesen, dass sie es selbst nicht gehört hätte. Sie spürte, wie eine seltsame Macht ihren Körper durchfuhr, sich in ihrer rechten Hand sammelte und auf den Stab überging. Ein kurzes Aufleuchten an der Stabspitze war zu sehen. Ihr Körper war angespannt. Stocksteif stand sie dort und starrte immer noch auf den Gryffindor. Hatte es so leicht geklappt? Entschlossen ging sie zwei Schritte auf Harry zu, hielt den Stab immer noch aufrecht, denn falls es geklappt hatte, wollte sie die Verbindung zwischen ihnen nicht unterbrechen. Der einzige Weg zu überprüfen, ob er nun unter dem Imperius-Fluch stand, war es auszutesten. Wenn dem so wäre, würde er ihre Befehle befolgen. „Dreh dich um“, wisperte sie. Ihre Augen weiteten sich als Harry sich tatsächlich umdrehte. Sein Gesicht war emotionslos, die Augen leer. Er sagte nichts, was er vermutlich getan hätte, wenn er nicht verzaubert gewesen wäre und sich gewundert hätte, was die Rothaarige hier oben machte. Er wäre vielleicht überrascht gewesen, da er ihr Eintreten nicht bemerkt hätte, doch keine Regung ließ sich in seinem Gesicht wiederfinden. Vor Anspannung hatte Ginny die Luft angehalten. Das Geschehen um sich bemerkte sie nicht, wie die Eulen, die in einigen Abständen zur Eulerei hineingeflogen kamen. Selbst den Brief, den Harry in der Hand hielt, sah sie nicht. Die Verwunderung darüber, dass sie einen Unverzeihlichen angewandt hatte war noch zu groß und musste erst einmal verarbeitet werden. Jetzt konnte sie ihn tun lassen was immer sie wollte, denn unter diesem Fluch würde er ihren Befehlen folgen und sich nicht dagegen wehren können, ob er wollte oder nicht. Es trennte sie nur noch ein einziger Befehl von ihrem Ziel. Ihre Beine trugen sie wie von selbst näher an ihn heran, bis sie mit ihm am Fenster stand, nur ein Meter trennte die zwei Schüler aus Gryffindor. Gebannt starrte sie in die grünen Augen die hinter den Brillengläsern verborgen lagen. Erstaunlich, jemanden so willenlos zu sehen, wie eine Marionette. Jetzt fehlte nicht mehr viel, der Moment war gekommen. Ginny musste es nur noch aussprechen. Ein Sprung aus dem Fenster. Diesen Sturz würde niemand überleben. Ihr Mund öffnete sich und gerade als sie ansetzen wollte um zu sprechen, öffnete sich die Tür und Ginny erstarrte zur Salzsäule. Ein blauer Samtumhang quetschte sich durch den Eingang. Als sie ihn erkannte, versteckte sie sofort ihren Zauberstab hinter ihren Rücken. Ein Lehrer – das hatte ihr gerade noch gefehlt! Professor Slughorns kahler Kopf war das Einzige, das man außer seinem Umhang sehen konnte. Schnaufend betrat er die Eulerei, aufgrund der Anstrengung, die von den vielen Stufen in den Turm hinauf führten, zeugte. Neben ihr rührte Harry sich wieder. Den Zauberstab unauffällig in ihre Hosentasche steckend und einige Schritte Abstand zwischen sich bringend, ließ sie ihn nicht aus den Augen. Der Spruch war wohl nicht stark genug gewesen, denn die Verbindung war abgebrochen, das spürte sie. Jetzt würde er wieder bei vollem Bewusstsein sein. Hoffentlich hatte er nichts gemerkt. Verwirrt blinzelnd sah er sich in der Eulerei um und rieb sich die Augen, als ob er den Schlaf aus ihnen zu vertreiben versuchte. „Hm? Bin ich eingenickt?“ Als sein Blick auf Ginny fiel, zog er die Stirn in Falten und Ginny presste die Lippen hart aufeinander, damit kein falsches Wort darüber kam, doch bevor irgendjemand etwas sagen konnte, war schon Slughorns freudiges Johlen zu hören. „Ah, Harry! Wie schön sie hier anzutreffen.” Überrascht sah Angesprochener auf und zuckte zusammen, als der Professor ihm schwungvoll auf die Schulter klopfte. „Da sieht man mal, wen man alles treffen kann, wenn man abends in die Eulerei geht. Ich will nur den Brief an Galvin Gudgeon abschicken. Man muss schließlich seine Kontakte pflegen, nicht wahr? Er ist Sucher, so wie sie! Wir könnten morgen beim Club-Treffen in aller Ruhe darüber reden. Vielleicht lässt sich ja ein Treffen zwischen ihnen beiden arrangieren?“ „Tut mir leid, Sir. Morgen ist Quidditch-Training.“ Schon wieder hatte Harry sich charmant aus der Affäre gezogen und diesmal war es noch nicht einmal gelogen gewesen. Tatsächlich stünde am nächsten Morgen Training auf dem Programm für die Gryffindormannschaft. „Oh, wie schade. Aber ich versteh schon... Spiel gegen Slytherin. Da nutzt ihr jede freie Minute um dem Hauspokal ein Stückchen näher zu kommen.“ Er zwinkerte Harry zu, der sich sichtlich unwohl fühlte und Ginny nutzte die Gelegenheit um sich zu verdrücken, da sie von dem Professor unbeachtet blieb. „Du ahnst ja nicht, wie enttäuscht ich bin mein Junge“, hörte sie Professor Slughorn noch trällern bevor sie die Tür hinter sich verschloss. „Ich würde dich gerne mal wieder bei einem unserer Treffen sehen.“ Ginny ging die Stufen hinunter, bemühte sich nicht gleich loszulaufen. Ein Bein nach dem anderen, einer Stufe folgte die nächste. Es war ein langer Weg, von der Eulerei hinab ins Schloss, welches so viele Etagen besaß, dass es beinahe eine Ewigkeit dauerte am Schlossportal anzukommen. Doch Ginny ging geradewegs, nahm ihre Umgebung kaum wahr und ging, den Blick stur geradeaus gerichtet, ihren Weg. Vorbei an den Klassenräumen und Türen, vorbei an den Schülern und Statuen. Erst als sie das Schlossportal und somit den eilig erwünschten Ausgang der Schule erreicht und die schweren Türen hinter sich gelassen hatte, fing sie an zu rennen. Durch ihren Körper strömte pures Adrenalin. Sie hatte keine Angst gehabt, als Slughorn gekommen war. Im entscheidenden Moment hätte sie auch nicht gekniffen. Es war nur zu waghalsig gewesen als der Professor dazu gestoßen kam und somit hatte sie die Mission abbrechen müssen. Einzig und allein der Gedanke daran, dass Harry etwas gemerkt haben konnte, machte ihr Sorge. Er hatte sie so misstrauisch angesehen, doch dies kam des Öfteren vor, wenn er einen ihrer giftigen Blicke bemerkte. In der Nähe der Gewächshäuser verlangsamte sie ihre Schritte. Der Himmel hat sich bereits verdunkelt und der Wind blies auf dem Schulgelände stark und Ginny wurde schmerzhaft bewusst, dass sie keinen Schulumhang trug. Lange konnte sie eh nicht hier draußen bleiben, da bald die Ausgangssperre verkündet. Sie wollte nur ein klaren Kopf bekommen. Mit verschränkten Armen vor der Brust ging sie zwischen zwei der drei großen Gewächshäuser die diese Schule bieten konnte hin und her und rieb sich dabei über die Arme. Sie hatte einen Unverzeihlichen benutzt! Das war einfach zu krass! Und es war so leicht gewesen. Zu Zögern war ihr nicht einmal in den Sinn gekommen. In ihren Fingern kribbelte es, wenn sie daran dachte Tom davon zu berichten. Er würde stolz sein. Auch wenn sie es nicht geschafft hatte, so konnte sie ihm nun zeigen, dass sie bereit war, es für ihn zu tun. Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. „Was machst du denn hier?“ Ginny schaute bei der schnarrenden Stimme auf. In dem schmalen Gang zwischen den beiden Gewächshäusern war Draco Malfoy aufgetaucht. Über den tosenden Wind hinweg hatte sie ihn nicht kommen hören. Er war immerhin so schlau gewesen und hatte an seinen Schulumhang gedacht, den er sich fest um den Körper geschlungen hatte, um ihn vor der Kälte zu schützen. „Das gleiche könnte ich dich fragen.“ „Egal wo man hingeht – ein Weasley ist schon vorher da. Kein Wunder... es gibt ja auch so viele von euch.“ Von Draco sollte dies wohl eine Beleidigung sein, doch Ginny überhörte es einfach. Der Gedanke an Tom war einfach noch zu stark und ihre Laune ließ sich nicht durch Beleidigungen über ihre Familie verderben. Sie dachte nur daran, wann die nächstbeste Gelegenheit war um Tom zu schreiben. Vielleicht heute Abend im Schlafsaal? Nein, zu riskant. „Wir müssen uns unterhalten.“ Unterbrach der Slytherin ihre Gedankengänge. Überrascht sah Ginny auf. Was er jetzt von ihr wollte konnte sie sich bei bestem Willen nicht denken. „Schieß los.“ „Bald sind Weihnachtsferien. Ich habe einen neuen Plan.“ „Ich hoffe er ist besser als der Hogsmeade-Plan.“ Ginny zog ihm eine Grimasse und handelte sich dafür ein wütendes Funkeln von Draco ein. „Wir treffen uns vor der Weihnachtsparty von Slughorn“, erklärte er. „Und weiter?“ „Das brauchst du jetzt noch nicht wissen. Wir werden die Einzelheiten ein anderes Mal besprechen. Morgen.“ Sein Ton war gebieterisch und ließ keinen Widerspruch zu. Malfoy war es gewohnt so zu reden. Als Kapitän der Slytherin-Quidditchmannschaft benötigte man einen bestimmenden Tonfall und außerdem war er ein Malfoy. Die redeten immer so. „Morgen ist Quidditch-Training.“ Der Wind blies ihr einige ihrer roten Haarsträhnen ins Gesicht. „Quidditch!“, schnaubte Malfoy. „Es gibt wichtigere Dinge. Ich darf meine Zeit nicht mehr mit unnötigen Beschäftigungen wie Quidditch verschwenden. Beim Spiel werde ich eh nicht dabei sein.“ Fragend hob Ginny eine Augenbraue. „Wieso nicht?“ „Das geht dich nichts an!“ „Stell dich nicht so an, Malfoy.“ Verärgert schüttelte sie den Kopf. Malfoy war so schwierig. Kam einfach hier her und bat sie – auf seine Weise – um ein Gespräch. Dabei schien es für ihn selbstverständlich, dass sie das tat. Aber wenn sie einmal eine Frage stellte, führte er sich auf wie ein Kobold, dem man ans Geld wollte. Kooperieren lag ihm anscheinend immer noch nicht. Doch nach einem bohrenden Blick aus braunen Augen gab er letztendlich nach. „Ich werde mich krank melden. Wenn alle das Spiel sehen werde ich die Zeit nutzen und an meinem Plan arbeiten. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. “ Er lehnte sich neben sie gegen die gläserne Wand des Gewächshauses. Jetzt klang er nicht mehr arrogant wie noch vor wenigen Sekunden, sondern erschöpft. Malfoy ließ das Quidditchspiel sausen, dabei war er der Kapitän und Sucher der Mannschaft. Sein Ziel war es immer gewesen Gryffindor zu besiegen. Eher gesagt Harry zu besiegen. Seinen Rivalen, der immer ein kleines Stück näher am Schnatz war als er selbst. Der Slytherin schien sich ganz für die Aufgabe Dumbledore zu töten aufzuopfern. Eine schwierige Aufgabe. Der erste Versuch war bereits gescheitert und anscheinend ließ sich der Blonde keine Zeit um weiter zu arbeiten. Verständlich. Denn für ihn stand viel auf dem Spiel. Eine Niederlage sah der dunkle Lord nicht gern. Ginny sah Malfoy von der Seite an, der von dem eiskalten Wind ebenso wenig verschont blieb wie sie selbst. Die sonst so gut frisierten Haare fielen ihm in die Stirn. Der erschöpfte Blick stand ihm nicht gut. Ginny erinnerte sich, dass sein Vater zur Zeit in Askaban saß. Sie selbst hatte dabei mitgewirkt, dass es dazu kam. Eine gerechte Strafe, doch für die Familie von Lucius Malfoy würde es ein einsames Weihnachtsfest werden. Dieses Schuljahr musste für Draco echt hart sein. „Schade das du nicht live mit erleben kannst, wie wir Slytherin besiegen.“ Um diese Aussage zu unterstreichen fing sie mit der rechten Hand einen imaginären Schnatz, nur wenige Zentimeter von Mafloys Gesicht entfernt. Dieser schnaubte und wischte ihre Hand grob beiseite. In seinen Augen blitzte es jedoch kampfeslustig auf. Diese Streitereien waren ein gutes Ablenkungsmanöver. „Einer von uns muss ja mal voran kommen“, sagte er. Ginny verdrehte die Augen und entgegnete nichts darauf. Wenn dieser Kerl wüsste... Kapitel 11: Victory ------------------- * * * Höre nicht auf die Vernunft, wenn du einen Traum verwirklichen willst. (Henry Ford) * * * Victory Tom? Tom, ich muss dich sprechen. Es klingt, als wäre es dringend. Das ist es! Ich habe aufregende Neuigkeiten! Die würde ich zu gerne erfahren, meine Liebe. Ich war unserem Ziel so nah! Nie hatte ich mir vorstellen können, wie es ist, einen Unverzeihlichen Fluch anzuwenden. Doch ich habe es getan! Ein unvergleichliches Gefühl! Unverzeihlichen? Von welchem sprichst du? Der Imperius-Fluch! Malfoy hat mich auf die Idee gebracht, indem er Madam Rosmerta mit diesem Spruch verhext hat. Mit ihm kann man jemanden Dinge tun lassen, die wahrlich unverzeihlich sind. Anders kann man es gar nicht beschreiben. Ich dachte mir, ich könnte ihn ebenfalls nutzen. Und ich habe es getan! Ich habe es getan, Tom! Ich hatte Harry verflucht! Es war fast zu einfach. Harry Potter? Was ist nun mit ihm? Professor Slughorn kam einfach in die Eulerei hineingelaufen. Wäre nicht ein Lehrer aufgetaucht hätte ich ihn aus dem Fenster springen lassen. Doch es ist mir leider nicht geglückt. ... Hat jemand etwas gemerkt? Ich glaube nicht. Du glaubst? ... Niemand hat etwas gemerkt. Wann ist dies alles geschehen? Vor zwei Tagen. Es gab keine Möglichkeit dich eher davon in Kenntnis zu setzen. Ich war nie allein. Im Schlafsaal und im Unterricht waren überall Schüler, selbst in den Gängen gab es keinen ungestörten Moment. Gab es weitere Möglichkeiten? Nein, Tom. Bedauerlich. Slughorn dieser Dummkopf muss auch immer zur falschen Zeit am falschen Ort sein. Wäre er nicht gewesen hätte ich es getan. Ich hätte es für dich getan. Das weiß ich. Nicht viele vermögen es meinen Anforderungen gerecht zu werden und auch wenn dein Auftrag nicht vollends erfüllt wurde, sind dies gute Neuigkeiten. Doch denk daran weiter zu tun, was ich von dir verlange. Das werde ich. Hervorragend! Mein kleines Mädchen, du kannst stolz auf dich sein. Für einen kurzen Moment hattest du die Oberhand und die Macht über diesen fürchterlichen Jungen der mir so sehr im Wege steht. Du warst die richtige Wahl, ich wusste, du würdest es schaffen. Für dich würde ich alles tun. Deine Mühe wird nicht ungelohnt bleiben. Du hast mich tatsächlich zufrieden gestimmt. Dann wird es dich sicher ebenso erfreuen zu hören das Malfoy einen neuen Plan hat. Nach dem was geschehen ist will ich das für ihn hoffen! Bisher hat er mir noch nichts verraten, aber am Tag vor den Weihnachtsferien werden wir etwas unternehmen. Ein zweiter Versuch auf Dumbledore. Vielleicht gelingt es mir diesen Plan auf Harry auszuweiten. Während der Weihnachtsfeier von Professor Slughorn wird es geschehen. Slughorn, Slughorn... Achte lieber darauf, dass dieser alte Mann sich nicht in der Nähe befindet, damit er nicht wieder etwas unwissentlich verhindert. Ich werde vorsichtiger sein. Gelingt es euch wird euch unermesslicher Ruhm zu teil werden. Enttäusche mich nicht, Ginevra. Streng dich an, du bist doch ein schlaues Mädchen. Und mutig vor allen Dingen, wenn ich mich nicht täusche bist du eine Gryffindor. Wer hätte je geahnt, dass eine Gryffindor einmal Dienerin von Lord Voldemort werden würde? Harry Potter ahnt nicht einmal, dass die momentan größte Gefahr in seinem eigenen Haus lauert. Wer hätte damals gedacht, dass es sich so entwickeln würde, nicht wahr? Dinge ändern sich. Das ist wahr. Dennoch gibt es einiges, das sich nie ändern wird. Ich habe schon früher erkannt, was in dir steckt. Sag mir, wo befindest du dich augenblicklich? Im zweiten Stock in einem ehemaligen Klassenzimmer. Würde dein Fehlen auf längerer Dauer unbemerkt bleiben? Niemand würde es bemerken. Doch heute ist ein ungünstiger Zeitpunkt. Inwiefern? Uns fehlt die Zeit. Das Quidditchspiel beginnt gleich. Wir spielen gegen Slytherin. Mein Fehlen würde bemerkt werden. Ah, Quidditch. Ich erinnere mich. Diesem Spiel konnte ich nie etwas abgewinnen. Ich nehme an du bist in der Mannschaft? Ja. Auf welcher Position spielst du? Jäger. Ich habe nichts anderes erwartet. ~ Mit ihrem Besen in der Hand lief sie den Berg hinunter Richtung Quidditchfeld. Als Mannschaftsmitglied sollte sie lieber nicht zu spät kommen. Madam Hooch würde sonst kurzen Prozess machen und sie einfach nicht am Spiel teilnehmen lassen. Somit würde Gryffindor nur noch zu sechst spielen und momentan konnte sie kein großes Aufsehen ihretwegen verantworten. Obwohl sie rechtzeitig die Umkleide erreichte, war sie verärgert. Musste jetzt gerade ein wichtiges Quidditchspiel anliegen? Die Momente in denen sie Kontakt zu Tom aufnehmen konnte waren schon so selten. Zwei Tage hatte es gedauert, bis sich eine Möglichkeit ergeben hatte, um ungesehen einen Eintrag ins Tagebuch zu schreiben. Der verlassene Klassenraum hatte sich so gut angeboten und da Wochenende war, hätte es niemand bemerkt, wenn sie für längere Zeit weg gewesen wäre. Sie hätte einfach behaupten können, sie wäre in der Bibliothek gewesen oder wäre auf den Ländereien spazieren gegangen. Doch in so einem günstigen Moment musste natürlich Quidditch stattfinden. Fast hätte sie sich wegen diesem Sport geärgert. Aber auch nur fast. Ginny fragte sich, was Tom wohl von ihr gewollt hatte, als er gefragt hatte, wo sie sich gerade befand und ob man ihr Fehlen bemerken würde. Wollte er mehr Zeit? Beabsichtigte er sich vielleicht wieder zu zeigen und persönlich mit ihr zu sprechen? Oder wollte er sie wohlmöglich holen und an einen ganz anderen Ort mitnehmen? Unmöglich. Aus Hogwarts konnte sie nicht weg. Apparieren war ausgeschlossen und des weiteren konnte Tom nicht wirklich in Hogwarts auftauchen. Nur sein Erscheinungsbild war präsent und dieses vermochte nicht auszurichten. Dennoch fraß die Neugierde sie beinahe auf. Es dauerte nicht lange bis sie sich umgezogen hatte und weitere Teamkameraden dazu stießen, die ihr jegliche Gedanken an einen schwarzhaarigen ehemaligen Slytherin nahmen. Gemeinsam mit Demelza Robbins zog sie sich ihre Quidditchrobe an und streifte die Handschuhe, sowie Knie- und Armschoner über. Kurz darauf kamen weitere Mitglieder in die Umkleideräume hinein. Einer von den beiden Jungs hatte ebenso rotes Haar wie sie selbst, nur war es kurz und unordentlich gekämmt. In seinem Gesicht zeichneten sich die gleichen Sommersprossen ab, wie sie bei jedem aus ihrer Familie zu finden war. Ron erschien gemeinsam mit Harry und sie taten es den anderen gleich und zogen sich die Quidditchroben über, da das Spiel demnächst beginnen würde. Sie waren bereits mit ihren Gedanken bei dem Wettkampf. Ginnys Aufmerksamkeit galt dem verstrubbelten schwarzen Haarschopf, der gerade durch den roten Umhang der Gryffindormannschaft schlüpfte. Ein wenig verunsichert fragte sie sich, ob er in der Eulerei etwas gemerkt haben mochte. Doch beim Eintreten hatte er ganz normal gegrüßt wie immer. Quidditch war der einzige Anlass durch den die beiden ins Gespräch kamen. Er konnte nichts gemerkt haben! Sonst hätte er schon längst ein Zeichen von sich gegeben, sie angesprochen oder beim Schulleiter gepetzt. Hätte Harry wirklich gemerkt, was sie in der Eulerei an dem Abend vor zwei Tagen mit ihm angestellt hatte, wäre eine Reaktion längst überfällig. Er hätte dies niemals auf sich beruhen lassen. Also würde sie sich einfach so geben wie immer. Nur noch wenige Minuten verblieben bis zum Anpfiff des Spieles. Nun waren die Spieler bereit Slytherin eine ordentliche Abreibung zu verpassen. Von draußen waren bereits die Zuschauer auf den Tribünen zu hören, die das Eröffnungsspiel nicht mehr abwarten konnten. Ron war so nervös wie vor jeden Spiel, da er immer noch an seinem Können zweifelte. „Beste Bedingungen, wie’s ausschaut!“, bemerkte Ginny ohne Ron zu beachten. „Und wisst ihr was? Dieser Slytherin-Jäger Vaisey – der hat gestern bei ihrem Training einen Klatscher an den Kopf gekriegt und sich so stark verletzt, dass er nicht spielen kann! Und was noch besser ist – Malfoy hat sich krankgemeldet!“ „Was?“, sagte Harry, wirbelte herum und starrte sie an. „Er ist krank? Was fehlt ihm?“ „Keine Ahnung, aber das ist toll für uns“, sagte Ginny strahlend. „Die spielen mit Harper als Ersatz; der ist in meinem Jahrgang und ein Idiot.“ Harry machte ein nachdenkliches Gesicht und es schien als ob er sich mehr Gedanken darum machen würde, als sich nur die Frage zu stellen wieso sein Konkurrent nicht anwesend war. Harper hatte Ginny selbst gesehen, als er nach dem Training in den Krankenpflügel gebracht wurde. Sein Gesicht sah nicht sehr appetitlich aus, nachdem es Bekanntschaft mit dem Klatscher gemacht hatte. Der Sucher von Slytherin hatte ihr persönlich gesagt, dass er beim Spiel nicht anwesend sein würde. Doch auch mit oder ohne Malfoy – sie würden sicher gewinnen. Die Mannschaft begab sich auf das Spielfeld, gemeinsam mit den sieben Spielern der Slytherinmannschaft. Die beiden Konkurrenten standen sich gegenüber und funkelten sich gegenseitig an. Die Rivalität zwischen Gryffindor und Slytherin war immer ausgeprägter als in den anderen Häusern. Ginny besah sich die Mannschaft und konnte bestätigend feststellen, dass ein neuer Sucher in den grünen Quidditchroben steckte. Für Draco Malfoy spielte Harper als Ersatzmann. Sie warf einen Blick zum Schulgebäude mit dem kurzen Gedanken an den blonden Slytherin und was er wohl gerade tat, als auch schon der schrille Pfiff von Madam Hooch ertönte, sie sich auf ihren Besen schwang und mit Leichtigkeit in die Luft empor steig. ~ Ausgelassenes Gejohle und Gesang erfüllt den Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Sämtliche Schüler dieses Hauses waren in den Farben rot und gold gekleidet und feierten die Helden ihrer Mannschaft, die den Sieg gegen Slytherin erringen konnten. Nach einem spannenden Spiel und mehreren erzielten Toren hatte ihr Sucher den Schnatz gefangen. Die Saison begann ausgezeichnet und der heutige Triumph wurde ausgiebig gefeiert. Doch all dies interessierte die Jägerin der Mannschaft nicht. Im Mittelpunkt zu stehen beliebte ihr nicht. Die ganze Aufmerksamkeit, der Lautstärkepegel und das Gewusel war für sie zu viel. Viel lieber wollte sie ihre Ruhe haben. Nach dem Spiel hatte sie noch keinen ruhigen Moment für sich selbst gehabt. Die Treppen zum Schlafsaal waren in greifbarer Nähe, allerdings war es ein wahrer Kampf bis dahin durchzukommen, da sie sich an feiernden Jungen und Mädchen vorbeidrängeln musste. Auf ihrem Weg kreuzte sie Harry. An seinem Arm klebte Romilda Vane die ihm etwas hinter vorgehaltener Hand ins Ohr flüsterte und dann errötend kicherte. Das war ja widerlich, wie die sich ihm an den Hals warf! Ginny schnaubte und dachte noch nie etwas Abstoßenderes gesehen zu haben, als sie plötzlich etwas sah - und es ihr sofort die Sprache verschlug. So tief ineinander verschlungen wäre es schwer gewesen jemanden auszumachen, doch Ginny hatte das rote Haar sofort erkannt. Ron stand dort mit Lavender Brown in einer innigen Umarmung. Kopfschüttelnd stieg sie die Treppe empor. Und das mitten in der Öffentlichkeit... Konnten die denn keine Rücksicht nehmen? Es gab schließlich Leute mit einem empfindlichen Magen. Seufzend ließ sie sich auf ihr Bett fallen und blieb dort erst einmal einige Minuten liegen um sich zu entspannen. Die erfrischende Dusche nach dem Spiel hatte Wunder gewirkt und da der Mädchenschlafsaal bis auf die Rothaarige leer war, würde sie genug Ruhe bekommen und das Alleinsein genießen. Alle Viere von sich gestreckt lag sie auf der federweichen Matratze. Auch wenn sie ihre Sachen noch an hatte, wollte sie einfach nicht aufstehen. Ruhe erfasste ihren Körper und die flauschige Decke fühlte sich so gut an wo sie ihre Haut an den Armen berührte. Die Erinnerung an Tom und das sie ins Tagebuch schreiben wollte, drang nur schwach an ihr Bewusstsein. Für einen Moment wollte sie es noch aufschieben. Nichts und niemand konnte diesen Moment der Ruhe zerstören. Ginny öffnete wieder die Augen. Da war etwas gewesen. Kein Geräusch, viel mehr war es ein Gefühl. Sie hatte etwas gespürt und als sie sich aufrichtete sah sie, was ihre Aufmerksamkeit gefordert hatte. Inzwischen war sie nicht mehr die Einzige im Schlafsaal. Jetzt waren bereits zwei Personen anwesend. Überrascht hob sie eine Augenbraue als sie ihren Gegenüber erkannte. Es gab mehrere Gründe, die gegen das Erscheinen dieser Person sprachen: Erstens handelte es sich um einen Jungen und dies war der Mädchenschlafsaal. Zweitens gehörte er nicht dem Hause des Löwen an, sondern war ein Slytherin. Drittens lag seine Schulzeit mehrere Jahrzehnte zurück, sodass seine Anwesenheit noch fragwürdiger war. Doch der wichtigste Grund, wieso gerade er nicht hier sein sollte, war, dass er der dunkelste Zauberer der Geschichte war, ein Schwarzmagier. Trotz allem löste er weder Angst noch Entsetzen in dem Mädchen aus. Ein erwartungsvolles Leuchten erschien in ihren Augen. Auch wenn sie überrascht war ihn zu sehen erfreute es sie. „Tom, was tust du hier?“ Der großgewachsene Junge kam auf das Bett zu und blieb direkt vor Ginny stehen. Seine dunklen Augen sahen sie an. Seine Schönheit war unbeschreiblich, seine Anwesenheit und seine Nähe machten sie nervös. Sanft lächelte er. „Ich bin gekommen um dir persönlich deine Belohnung zu geben.“ --------------- A/N: Das Gespräch in der Umkleide zwischen Ginny und Harry ist zitiert aus Harry Potter und der Halbblutprinz, S. 297 Kapitel 12: Reward ------------------ „Ich bin gekommen um dir persönlich deine Belohnung zu geben.“ Verwundert sah Ginny ihren Gegenüber an. ‚Belohnung’ hatte Tom gesagt, doch so recht mochte sie seine Worte nicht verstehen. Wofür sollte sie eine Belohnung erhalten? Was hatte sie getan, wofür er sich erkenntlich zeigen wollte? Ihre Mission war doch schief gelaufen. Sie hatte es nicht geschafft Harry zu töten. Noch nicht. Ihr ratloser Blick ließ ihn schmunzeln. „Deine Taten sollen nicht unbelohnt bleiben.“ Ginny richtete sich auf um mit ihm auf einer Höhe zu sein, doch er überragte sie immer noch um eine Kopflänge. Seine große, dunkelgekleidete Gestalt war der ihren nur einen halben Meter entfernt. „Du hast einen Unverzeihlichen gebraucht, Ginevra, und beinahe wäre es dir gelungen unser Ziel zu erreichen. Du hattest die Oberhand über Potter. Das ist... bemerkenswert.“ Er legte den Kopf von der einen Seite auf die andere, sah sie mit einem entzückten Blick an. „Erzähl mir wie es war, als du den Imperius ausgeführt hast.“ Seine Augen leuchteten auf und ein Glanz erschien in den schwarzen Augen. Darüber hatte Ginny bisher noch gar nicht nachgedacht. Wie war es gewesen, einen der schrecklichsten Zaubersprüche anzuwenden? Es war ihr leicht gefallen, das war ihr bewusst. „Ich konnte seinen Willenlosigkeit spüren. Ich hatte die Kontrolle über seinen Geist. Ich habe die Macht gespürt die ich besaß. Es war... ein unglaubliches Gefühl.“ „Hervorragend.“ Tom wirkte zufrieden. Wie es sich anfühlte den Imperius zu benutzen, war ihm sicherlich bekannt. Ebenso wie es ihm geläufig sein musste ohne mit der Wimper zu zucken jemanden mit dem Cruciatus zu foltern, um einer Person ein Geständnis abzuverlangen, oder um jemanden zu bestrafen. Genauso wenig musste es ihm schwer fallen den Avada Kedavra anzuwenden. Oft genug hatte der dunkle Lord den Todesfluch missbraucht um Hexen und Zauberer, sowie Nichtmagier, zu töten. Wäre sie auch in der Lage ein Leben so kaltblütig und ohne Reue zu empfinden zu beenden? „Schließe deine Augen“, sagte er sanft, dennoch war es ein Befehl, den Ginny ohne zu zögern befolgte. Ihr kam diese Anweisung zwar seltsam vor, doch sie hatte Vertrauen in ihn und stellte keine Fragen. Ihre Lider schlossen sich, doch anstatt, das sie ihr ihre Sicht nahmen, konnte sie Tom immer noch deutlich vor sich sehen. Überrascht riss sie wieder ihre Augen auf und sah in ein amüsiertes Gesicht. „Es ist erstaunlich, nicht wahr?“ Mehr sagte er nicht, gab weder eine Antwort, noch eine Erklärung. Anstatt große Fragen zu stellen, wollte sie ihre Tat noch einmal wiederholen, um sicherzugehen, dass es wieder funktionieren würde. Langsam schloss Ginny erneut ihre Augen, dieses mal vorbereitet darauf, sehen zu können. Tatsächlich. Hinter ihren geschlossenen Lidern konnte sie immer noch die Gestalt Toms sehen, wie er direkt vor ihr stand. Aber wie war das möglich? „Tom, wie...“ „Scht“, unterbrach er sie. „Warte es ab. Es wird noch besser.“ Tom streckte seine Hand nach ihr aus. Ginny sah, wie sie sich ihrem Gesicht näherte und wie sich schließlich seine Finger an ihre Wange schmiegten. Das Sagenhafte daran war, dass sie diese Berührung spürte. Den leichten Druck und die Wärme seiner Haut konnte sie deutlich wahrnehmen. Ihre Haut kribbelte an den Stellen, an denen er sie berührte. Sanft fuhr er mit seinen Fingern über ihre Wange und sie spürte jede einzelne Berührung. „Ich spüre dich“, hauchte sie fassungslos. Was geschah hier? „Ich weiß.“ Sie dürfte Tom nicht spüren! Das war unmöglich! Er war nicht wirklich hier... Oder etwa doch? Prüfend öffnete Ginny wieder ihre Lider und sah Tom vor sich stehen, der immer noch ihre Wange streichelte, doch nun war das Gefühl der Berührung verschwunden. Das Verlangen ihn zu spüren wurde größer und so schloss sie ihre Augen wieder um zufrieden in den Genuss dieser seltenen Möglichkeit zu gelangen. „Wie machst du das?“, flüsterte sie total überrannt von diesen unbeschreiblichen Emotionen. Tom berührte sie nun auch mit seiner anderen Hand und umfasste ihr Gesicht. Er lehnte sich vor, nur wenige Zentimeter, doch es reichte, sodass sich ihre Gesichter näher kamen, beinahe so nah, dass sich ihre Nasenspitzen berührten. Gespannt hielt Ginny den Atem an. „Ich bin der mächtigste Zauberer aller Zeiten.“ Von ihm kam ebenfalls nur ein Hauchen. Ein selbstgefälliges Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Die schwarzen Augen hielten ihren Blick gefangen. „Das ist meine Magie.“ „Wie hast-“ Tom legte ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen und brachte sie somit zum Schweigen. „Dies ist meine Belohnung für dich“, sagte er und seine Hände legten sich auf ihre Schultern, glitten langsam an ihren Armen hinab. „Genieße es.“ Ginny war völlig hin und hergerissen. Dies war einfach atemberaubend! Sie konnte Tom nah sein, seine Zärtlichkeiten genießen, wie sie es sich schon immer gewünscht hatte. Die Frage, wie er dies jedoch bewältigte, wollte sie verdrängen und die warnende Stimme versuchte sie in die hinterste Ecke ihres Kopfes zu verbannen. Sie wollte ihn spüren und diesen Moment voll auskosten. „Es kann jeder Zeit jemand hierher kommen.“ Als sie sich dies selbst sagen hörte, erkannte sie wie schwach ihre Stimme klang. Es war ein lächerliches Argument. War doch egal, wenn jemand kam. Sie konnten es ruhig riskieren. Momentan konnte sie wirklich nicht mehr objektiv denken. Es gab nur noch eins, das sie wollte. Ihre Aussage schien Tom nicht zu kümmern. Seine Finger umschlossen ihre linke Hand und führten sie zum Nachtschrank neben ihnen, auf dem ihr Zauberstab lag. Ihre Finger umschlossen den Stab. Er lenkte ihre Hand und richtete sie auf die Tür des Mädchenschlafsaals. Ein Klacken ertönte. Die Tür war verschlossen. Tom selbst konnte keine Magie gebrauchen, es sei denn, er benutzte Ginny und zauberte durch sie. Wie damals, als er sie seine Zauber ausführen ließ... Zaghaft legte sie ihre Hände an seine Brust. Innerlich wunderte sie sich über ihre Schüchternheit. Das passte doch sonst nicht zu ihrer Art. Aber Tom schaffte es, sie völlig aus der Fassung zu bringen. Diese Gefühle, die er in ihr auslöste, überforderten sie viel zu sehr. „Mein gehorsames Mädchen“, raunte er und sie bemerkte wie sie ihren Stab achtlos auf das Bett hinter sich fallen ließ. „Du bist verlässlicher als der Großteil meiner Gefolgsleute. Du schaffst es Harry Potter mit einem Unverzeihlichen zu belegen. Wirklich beachtlich. Versuche es erneut und ich weiß, es wird dir gelingen. Mein Kleines wird mich nicht enttäuschen.“ „Keinesfalls“, versprach sie. „So tapfer...“ Er streichelte über ihre Wange. „So mutig...“ Streifte mit seinen Fingern über ihre Lippen. Unter seiner Berührung spannte sich ihr Körper an, was ihm natürlich nicht entging. „Sei nicht so schüchtern, meine Liebe, wo ist dein Temperament geblieben, welches ich so an dir schätze?“ Seine Hände fuhren ihre Seiten hinab und umfassten sie. Seine Arme zogen sie an sich heran und er beugte sich zu ihr hinunter, sein Kopf neben ihrem, seine Wange an ihrer. Geflüsterte Worte erreichten ihr Ohr. „Ich weiß, dass du mich willst.“ Und das wollte sie. Mehr als alles andere. Sie spürte den Druck auf ihrem Körper, seine Nähe die ihren Leib beruhigte und doch verspürte sie keine Wärme. Sie vergrub ihr Gesicht an seinem Hals und legte ihre Arme um seinen Nacken. Sie atmete einmal tief ein, doch wieder wurde sie enttäuscht, als der erwartete betörende Geruch aus blieb. Kein angenehmer Duft, den er verströmte, keine Körperwärme. Weder seinen Atem konnte sie spüren, als sie sich seinem wunderschönen Gesicht zuwandte und die leicht geöffneten Lippen betrachtete. Sie könnte Tom Riddle zwar sehen, außerdem noch spüren, doch all die anderen Anzeichen zeigten ihr, dass ihr Tom nicht wirklich bei ihr war. Es war ein Zauber, wie er schon sagte. Für diesen Moment sollte es genügen. Einen Moment musterte sie noch diese verführerischen Lippen. Ein bisher ungekanntes Verlangen durchströmte ihren Körper, dem sie kaum standhalten konnte. Ein Blick in seine dunklen Augen genügte um völlig die Beherrschung zu verlieren. Sie zog ihn zu sich und drückte ihre Lippen auf seine. Ein Seufzen entfuhr ihr bei diesem unglaublichen Gefühl. Sie wollte mehr von diesen weichen Lippen kosten. Ginny küsste ihn und vergrub ihre Hände in seinen Haaren, sie presste ihren Körper mehr an ihn um ihn noch mehr zu spüren. Nie mehr wollte sie ihn loslassen. Tom erwiderte ihre Küsse und hätte er sie nicht ebenso festgehalten, wie sie sich an ihn schmiegte, wäre ihr wohl der Boden unter den Füßen weggerissen wurden. Als sie sich von ihm löste ging ihr Atem vor Aufregung schneller. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter von einander getrennt. Ihre Wangen waren gerötet. Sie spürte, wie er ihr einen Kuss auf die Stirn drückte. Ihre Hände fanden wie von selbst den Weg zu ihm und umschlangen sein Gesicht, um ihn für einen erneuten Kuss zu sich zu ziehen. Als er ihren Namen flüsterte öffnete sie ihre Augen. Das Gefühl von Leere erfüllte sie, als sie ihn nicht mehr spüren konnte und sie sah, wie ihre eigenen Hände nicht mehr seine zarte blasse Haut berührten, sondern durch ihn hindurch glitten, als wäre er ein Geist. Entsetzt keuchte sie auf. Wie hatte sie nur so dumm sein und die Augen öffnen können und somit die Situation zerstören?! So ein dummer Fehler! Panisch kniff sie ihre Augen zusammen in der Hoffnung noch etwas von dem Zauber zu erhalten, doch ihre Sicht verfinsterte sich. Da war nur noch Dunkelheit. Kein Tom, keine Berührung. Enttäuscht sah sie ihn an, die Augenbrauen fragend zusammen gezogen. In ihrem Augen lag eine stumme Bitte „Das soll deine Belohnung gewesen sein und wenn es dir gelingt Harry Potter zu töten wirst du noch viel mehr bekommen. Und ich verspreche dir, dann wird es keine Illusion sein.“ Genießerisch leckte er sich über die Lippen, eine Bewegung die Ginny sprachlos beobachtete. Zu gern wäre sie noch einmal in den Genuss dieser Lippen gekommen. „Es wäre doch schade, wenn wir beide nicht erhalten würden, was wir begehren, oder Ginevra?“ Erregt biss sie sich auf die Unterlippe, bei der Vorstellung davon, den lebendigen Leib von Tom unter ihren Fingern spüren zu können. Die Wärme seines Körpers wahrzunehmen, seinen Duft einzuatmen... „Ich hoffe auf baldige Neuigkeiten.“ Geschockt riss sie ihre Augen auf. Er wollte doch jetzt nicht einfach verschwinden? „Warte“ hatte sie eigentlich noch sagen wollen, als sie auch schon Stimmen von draußen vernahm. Entsetzt fuhr ihr Blick zur Tür. Kurz darauf wurde die Klinke der Tür herunter gedrückt, doch diese öffnete sich nicht, da sie immer noch von Riddles Zauber verschlossen war. Als Ginny sich wieder umdrehte, war Tom verschwunden. Hinter der Tür ertönten verwirrte Stimmen, jemand versuchte sie mit dem Alohomora zu öffnen, was jedoch misslang. „Hallo? Hallo! Wer ist da drin?“ Ginny erkannte die Stimme von Vicky Frobisher. Ginny verspürte Wut in sich auflodern. Für diese Mädchen hatte sie jetzt überhaupt keine Nerven! Dafür war sie noch viel zu aufgewühlt. Bedauerlicherweise war von Tom keine Spur. Er war fort. Also griff sie nach dem Zauberstab, der vorhin achtlos auf ihrem Bett gelandet war und richtete ihn auf die massive Holztür. „Finite.“ Augenblicklich kam ein Mädchen hereingestolpert, welches beinahe auf der Nase gelandet wäre. Verdutzt sah Vicky sich um, überrascht darüber das die Tür auf einmal nachgegeben hatte. Hinter ihr kamen zwei weitere Schülerinnen in den Raum. „Ginny?“, fragte sie überrascht, als sie die Rothaarige erblickte. „Wieso hast du abgeschlossen? Was sollte das? Das ist auch unser Schlafraum!“ Mit jedem Wort war sie lauter geworden, Ginny ignorierte sie jedoch, und bückte sich neben ihrem Bett, um in ihrem Koffer nach dem Tagebuch zu suchen. Als sie es zu fassen bekam, zog sie es an sich, griff nach ihrem Mantel, der über ihrer Bettkante hing, zog ihn über und steckte das Tagebuch dabei in ihre Umhangtasche. Ohne ein Wort zu verlieren quetschte sie sich an den Mädchen vorbei, die empört aufkeuchten und ihr hinterriefen, doch Ginny war bereits die Treppe heruntergeeilt und hastete aus dem überfüllten Gemeinschaftsraum, indem immer noch der Sieg der Gryffindormannschaft gefeiert wurde. Sie wollte nach draußen an die frische Luft um ihren erhitzten Körper wieder abzukühlen. Nachdem sie das große Schlossportal hinter sich gelassen hatte, nahm sie Platz auf einer Bank im Hof und atmete die winterliche Luft ein. Hier konnte sie allein sein und in Ruhe das Geschehene verarbeiten. Bei dem Gedanken an den Kuss breitete sich ein verträumtes Lächeln auf ihren Lippen aus. Das Tagebuch presste sie an ihre Brust. Heute würde sie nicht mehr hineinschreiben, sie wollte nur etwas von ihm bei sich haben. Einen Teil von ihm. Begierig dachte sie an das, was er ihr versprach. Er würde ihr all ihre Träume erfüllen. Niemals war der Wille die Mission zu erfüllen stärker gewesen als jetzt. Eine ganze Stunde saß sie auf der Bank und tüftelte an einem neuen Plan bis die ersten Schneeflocken dieses Winters vom Himmel fielen und es zu schneien begann. Kapitel 13: Support ------------------- In wenigen Tagen würde auch dieses Jahr sich dem Ende neigen. Heute war der letzte Tag vor der Abreise der Schüler, die über die Weihnachtsferien nach Hause fahren würden. Im gesamten Schloss herrschte Weihnachtsstimmung und Vorfreude auf das Jahr 1997. Die großen Fenster in den Gängen gaben den Blick auf eine schneebedeckte Landschaft frei. Weiße Flocken zogen in der frühen Dunkelheit des Winters an dem Glas vorbei, welches an seinen Ecken und Rändern von Eisblumen verziert wurde. Die festlich geschmückte Halle und die singenden Geister konnten Ginny nicht in Weihnachtsstimmung versetzen. So langsam merkte sie, dass auch sie erwachsen wurde, denn das weihnachtliche Feeling blieb bei ihr aus. Am Abend des letzten Schultages des Jahres fand die Weihnachtsparty von Professor Slughorn statt, organisiert für den Slug-Club, dem Ginny bisher erfolgreich aus dem Weg gegangen war. Doch heute würde sie sich dort blicken lassen müssen. Ihre Mission nötigte sie dazu und momentan war ihre Aufgabe ihr alles wert. Heute Abend würde es einen neuen Versuch geben, Dumbledore zu stürzen. Mit Malfoy war sie hier verabredet. Wie genau ihr Plan aussah wusste sie nicht, denn bisher hatte er alle Details für sich behalten. Einzig und allein die Tatsache, dass der Plan etwas mit der Weihnachtsfeier am heutigen Abend zu tun hatte, hatte Malfoy Preis gegeben. An der Gryffindor gingen immer wieder fein gemachte Schüler vorbei, auf dem Weg zur Party von Slughorn. Ginny hatte sich ebenfalls gut gekleidet, auch wenn sie sich auf der Feier nicht lange aufhalten würde. Sie trug ein dunkelblaues Kleid, ihre roten langen Haare fielen ihr über die Schultern, einige Strähnen wurden von einer Spange aus der Stirn gehalten. Mit ihrem Blick suchte sie die Gegend ab, Ausschau haltend nach dem Slytherin, von dem bisher noch jede Spur fehlte. Mit ihrer Hand spielte sie unbewusst an dem Anhänger ihrer Kette herum. Ihr Blick fiel auf einen Mistelzweig, von denen es unzählige zur Weihnachtszeit in Hogwarts gab, unter dem sich gerade ein Pärchen befand. Der Junge küsste das Mädchen, woraufhin sich ihre Wangen rot färbten. Verlegen, aber deutlich glücklich, gingen die beiden Schüler Arm in Arm ihren Weg weiter. Nachdenklich sah Ginny ihnen nach und fragte sich in diesem Moment, wie es wäre, mit Tom unter einem Mistelzweig zu stehen... „Wie rührend. Weasley träumt wohl von ihrem Märchenprinz.“ Die schnarrende Stimme hatte Ginny aus ihren Gedanken gerissen und als sie aufsah, erkannte sie das blasse Gesicht von Draco Malfoy. Spöttisch grinsend sah er auf sie hinab, doch Ginny überging seine Stichelei einfach. „Wird auch Zeit das du endlich auftauchst“, beschwerte sie sich. „Ich dachte schon du würdest kneifen.“ „Ein Malfoy kneift nicht, merk dir das“, sagte er und gab ihr ein Zeichen ihm hinter die kleine Nische zu folgen. Hier war zwar wenig Platz, dennoch waren sie ungestört und das war das Wichtigste. Niemand sollte sie sehen oder etwas von ihrem Gespräch belauschen. Nun, in voller Zweisamkeit, schien es ihm unausweichlich sie zu mustern. „Das ich das noch erleben darf.“ Seine Augen fuhren einmal an ihrem Körper herunter und wieder hinauf. „Du kannst ja tatsächlich weiblich aussehen.“ Nur eine Sekunde später hatte er ihren Zauberstab direkt vor seiner Nase, dessen Spitze bereits gefährlich aufleuchtete. „Malfoy, zügle deine Zunge, ansonsten hast du bald keine mehr. Mach nur so weiter und du kannst zu sehen von wem du Hilfe erhältst. Oder willst du das ich Tom davon berichte?“ Dies war wohl das Stichwort. Seine Augen weiteten sich angsterfüllt und seine Lippen pressten sich zu einer Linie zusammen, wie um ein weiteres Wort, welches ihn in Schwierigkeiten bringen könnte, zurück zu halten. „Und wenn ich mir dich so ansehe, würde ich dir dringend eine Mütze Schlaf empfehlen. Augenringe stehen niemandem.“ Reflexartig hob er die rechte Hand und rieb sich über das Gesicht. Er sah wirklich nicht gerade gesund aus. Erst jetzt bemerkte sie, dass er etwas in seiner andere Hand hielt. Es hatte in etwa die Größe einer Armlänge und war in Papier eingewickelt. Sie richtete ihren Zauberstab darauf und fragte: „Was ist das?“ „Das“, sagte er und hielt ihr das verpackte Etwas vor ihre Nase, „ist vergifteter Met.“ Skeptisch beäugte sie das Päckchen, aus dem sie nun die ungefähre Form einer Flasche ausmachen konnte. Sie hatte eine runde Gestalt, die nach oben schmaler wurde. „Wie hast du ihn ins Schloss bekommen?“ Ginny war immer noch nicht überzeugt. „Madam Rosmerta“, antwortete er. „Sie hat ihn geschickt. Filch würde niemals auf die Idee kommen von der liebenswerten Madam Rosmerta etwas anzweifeln.“ Da musste sie ihm Recht geben. Wer würde schon annehmen, dass die reizende Wirtin jemandem etwas Böses wollen würde? Madam Rosmerta stand anscheinend immer noch unter Malfoys Imperius-Fluch. Nach dem Missgeschick in Hogsmeade und dem gescheiterten Attentat auf Katie Bell, hätte sie nicht erwartet, dass Malfoy weiterhin die Hilfe der alten Wirtsfrau in Anspruch nehmen würde. „Willst du den Met in Dumbledores Büro schmuggeln?“, fragte sie und war in Gedanken schon bei der Vorstellung wie sie Malfoy erwischten und er von den Dementoren nach Askaban abgeführt wurde. „Bist du wahnsinnig? Das ist viel zu gefährlich!“ Empört starrte er sie an und schien wohl die gleiche Vorstellung gehabt zu haben wie sie. Man bräuchte wohl eine äußerst gute Ausrede, um sich herausreden zu können, wenn man mit einer vergifteten Substanz erwischt wurde. Vielleicht könnte man behaupten auch unter dem Einfluss des Imperius-Fluchs zustehen – so wie Katie Bell. Da man dies nicht nachweisen konnte, hatten das schon viele Leute behauptet. „Letzte Woche habe ich zufällig ein Gespräch belauscht, in dem Slughorn erzählt hat, dass er Dumbledore Met zu Weihnachten schenken will. Diese Flasche wird er unserem Schulleiter überreichen, nicht ahnend, dass sie vergiftet ist.“ Verstehend nickte sie. Professor Slughorn war dafür wirklich bestens geeignet. Bei ihm drehte sich alles um Beziehungen und nützliche Bekanntschaften, Feierlichkeiten und gegenseitigen Nutzen. Ein Geschenk von ihm war wohl von der Lehrerschaft am Ehesten zu erwarten und Dumbledore würde einem Kollegen natürlich vertrauen und den Met nicht anzweifeln. Auf der anderen Seite war dies eine gewagte Aktion! Würde Slughorn den Met überhaupt überreichen oder gar selbst trinken? Was wenn etwas schief gehen würde? Wenn jemand anderes ihn tränke oder irgendwer erkennen könnte, dass es sich um Gift handelte? „Findest du nicht, dass dein Einfall sehr gewagt ist?“ Malfoy schnaubte, wie zu erwarten, empört auf. „Der Plan ist brillant!“ „Der Plan ist löchrig, wie Schweizer Käse! Was ist wenn jemand etwas bemerkt? Wenn der Met jemand anderem in die Hände fällt? Hast du daran schon einmal gedacht? Willst du das?“ „Es wird schon nichts passieren.“ Ginny sog die Luft geräuschvoll ein und atmete sie wieder aus um sich zu beruhigen. Über so viel Naivität konnte man nur den Kopf schütteln. „Und was ist mit Katie Bell?“ Das brachte ihn aus der Fassung. Sichtlich verunsichert schien er zu überlegen, ehe er losplärrte. „Komm mir nicht wieder mit Bell! Sie ist selbst schuld, wenn sie die Kette berührt! Es ist nicht meine Schuld! Wenn sie besser aufgepasst hätte...“ Dann brach seine Stimme und dieser Satz blieb unbeendet. Frustriert raufte er sich sein weißblondes Haar und brachte sie somit ganz durcheinander. So einen Aussetzer hatte sie bei Draco Malfoy nicht erwartet. Sonst verbarg er stets seine Emotionen. Ginny hatte aus seiner Stimme die Selbstvorwürfe heraus hören können. Malfoy war es nicht egal, was Katie zugestoßen war. Ganz bestimmt nicht. Nicht zum ersten Mal verspürte sie das Bedürfnis, ihn zu trösten. „Ähm...“ Unsicher beäugte sie den Slytherin vor sich, der langsam aber sicher seine Fassung zurück gewann. In ihren Gedanken häuften sich allerhand Aufmunterungen, eine klang idiotischer als die andere. Alles halb so schlimm. Kopf hoch. Augen zu und durch. Ich glaub an dich. Alles wird gut. Wenn du heiratest ist alles wieder vergessen... Oh mann. „Das wird schon wieder.“ Diese Ermutigung hätte sowohl auf Katie, als auch auf ihn zutreffen können. Doch leider waren ihre Worte wirkungslos. „Spar dir deine plumpen Sprüche“, fauchte Draco in seinem verletzten Stolz. Also keine gute Wahl. Vielleicht wäre ‚Kopf hoch’ doch angebrachter gewesen. „Also dann, Malfoy. Viel Erfolg mit deinem Gebräu“, verabschiedete Ginny sich und wollte bereits die Nische verlassen, als der Slytherin ihr mit seinem Arm den Weg versperrte. „Eigentlich...“, fing er an. Ginny sah auf in die grauen Augen. „Ich dachte, du machst es.“ Wovon redete der Kerl? „Was?“ „Du wirst diese Flasche bei Slughorn mit einer normalen Flasche Met austauschen“, sagte er und drückte sie ihr auch prompt in die Hände. Dabei zeigte er ein Lächeln, welches er wahrscheinlich sonst nur aufsetzte, wenn er sich bei einem Lehrer einschleimte oder jemandem Honig um den Mund schmierte. Genervt seufzte sie auf. Als ob sie es geahnt hätte! Aus welchem Grund sollte er sie sonst hier her bestellen und von seinem bescheidenen Plan erzählen? Natürlich damit sie es für ihn erledigte. „Wieso machst du das nicht selber?“ Empört verschränkte sie ihre Arme vor der Brust „Weil du, Weaslette, auf dieser Feier eingeladen bist. Du wirst kinderleicht eine Gelegenheit finden ungesehen in Slughorns privates Zimmer zu kommen, da die Räumlichkeiten direkt nebeneinander liegen. Außerdem scheint er etwas an dir zu mögen, sonst wärst du nicht in seinem albernen Club.“ Ginny versuchte ein Grinsen zu unterdrücken. Malfoy gehörte nicht zu Sluggys Lieblingen und ganz sicher machte ihm das etwas aus, schließlich war er es gewohnt eine Sonderbehandlung zu bekommen, vor allem bei seinem Hauslehrer. Nicht zum Slug-Club zu gehören, musste eine Kränkung für ihn sein. „Ist da etwas wer neidisch?“, neckte sie ihn. „Tz, wovon träumst du nachts?“ Doch Ginny konnte an seinem ausweichendem Blick erkennen, dass es sich um eine klare Lüge handelte. Das war doch wirklich mal eine Genugtuung... „In der Zwischenzeit habe ich noch etwas an einem anderen Ort zu erledigen.“ „Aha“, kommentierte sie uninteressiert, während sie die eingepackte Flasche in ihrer Handtasche verstaute, die gerade mal so Platz darin fand. Ein wenig beleidigt von ihren nicht vorhandenen Interesse fuhr er patzig fort: „Schaffst du das den vergifteten Met hinein zu schmuggeln?“ Belustigt schüttelte sie den Kopf. Erst drückt er sich vor seinem eigenen Plan, um es ihr aufzuhalsen und dann zweifelt er auch noch ihre Kompetenz an. „Wenn ich es schaffe einen Unverzeihlichen anzuwenden, wird mir wohl auch das gelingen.“ Malfoys Augen fielen ihm beinahe aus den Höhlen und er öffnete bereits seinen Mund um zu einer Frage anzusetzen, allerdings war jetzt keine Zeit mehr für Plaudereien. „Werde ich dir bei Gelegenheit vielleicht sogar mal erzählen.“ Sein verwirrter Blick war das Letzte was sie sah, bevor sie seine Unachtsamkeit ausnutzte, sich an ihm vorbeiquetschte und aus der Nische hervortrat. Sie musste sich beeilen, sonst würde sie zu spät zu der Weihnachtsparty kommen und an diesem Abend wollte sie nicht für zu großes Aufsehen sorgen. Es wäre nicht vorteilhaft, wenn man sie mit einer vergifteten Flasche Met antreffen würde. Und sie hatte wirklich gedacht, Malfoy hätte einen Plan entwickelt, mit dem sie auch Harry miteinbeziehen könnte, aber wieder einmal dachte der Blonde nur an sich und seine Aufgabe. Unverschämter Weise nahm er auch noch an, dass sie ihm bereitwillig half. Sie sollte ein Auge auf ihn haben, ja, aber doch nicht alles für ihn erledigen und ihm aus der Patsche helfen! Draco Malfoy war wirklich anstrengend! ~ Die Party war bereits im vollem Gange als sie das Büro von Horace Slughorn erreichte. Der Raum war umwerfend dekoriert. Da hatte jemand ganze Arbeit geleistet. Nichts ließ mehr darauf schließen, dass sie sich in einem Lehrerbüro befanden. Die grünen Vorhänge und die roten Tischdeckchen waren farblich aufeinander abgestimmt und das sanfte Licht der Lampions verströmte eine angenehme Atmosphäre. An hübsch verzierter Dekoration, sowie an schmackhaft aussehenden Speisen wurde ebenfalls nicht gespart. Die Gäste unterhielten sich bereits angeregt. Unter ihnen erkannte sie einige Mitglieder des Slug-Clubs, wie Blaise Zabini, gekleidet in einem feinen schlichten schwarzen Anzug, der eher außerhalb der Menge stand und alles mit einem abschätzendem Blick beobachtete und Cormac McLaggen, der vor einigen Minuten an ihr vorbei geeilt war, ganz bleich im Gesicht. Ab und an blitzte das grelle Licht eines Fotoapparates auf. Selbstverständlich mussten die heutigen Erinnerungen festgehalten werden. Mitten im Getümmel stand Harry Potter, umzingelt von Leuten, die ihm Löcher in den Bauch fragten. Nicht nur Schüler waren von Slughorn eingeladen worden, viele unbekannte Gesichter hatten sich versammelt, auch deutlich ältere. Einige von ihnen kannte Ginny aus dem Tagespropheten. Zweifellos handelte es sich bei ihnen um große Persönlichkeiten, denn der Professor gab sich nur mit Magiern ab, die es geschafft hatten. Diese Party war, wie die meisten Feierlichkeiten dazu da. um neue Beziehungen zu knüpfen und um alte zu pflegen. Die meisten Personen hatten Spaß, genossen ihre Drinks und betrieben Smalltalk, doch Ginny beabsichtigte es, so schnell wie möglich wieder zu verschwinden, denn sie wollte nicht mit jemandem ins Gespräch kommen und unnötige Zeit verstreichen lassen. Slughorn hatte sie bereits gesehen und ihr Erscheinen registriert, dies sollte genügen. Merlin sei Dank waren alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als sie wahrzunehmen. Die Tür zum Zimmer des Professors musste sich an der gegenüberliegenden Wand befinden, genau dort, wo auch die Speisen aufgetischt waren. Welch ein passender Zufall. Diskret schlenderte sie zum Büfett, musterte interessiert die Speisen und ging die Tafel einmal auf und wieder ab. Es musste nur einen guten Zeitpunkt geben, indem sie nach nebenan verschwinden konnte. Aber wann sollte der sein, wenn hier hundert Leute waren und in gewissen Zeitabständen immer jemand zum Büfett kam? Über diesen Raum hatte man einen guten Überblick, es würde sicher auffallen, wenn jemand durch eine private Tür ging. Wenn es doch nur eine günstige Gelegenheit gäbe ungesehen in den Nebenraum zu gelangen... Bedauerlicherweise hatte sie keinen Tarnumhang. Es hatte ja nicht jeder so ein Glück, einen Tarnumhang vererbt zu bekommen. Aber das wäre ja auch langweilig gewesen, so ganz ohne Herausforderung. Ein kurzer Blick reichte, um zu sehen, dass momentan niemand in ihrer Reichweite war. Sie musste einfach flink und schnell sein. Einen Versuch war es wert. Langsam näherte sich ihre Hand der Türklinke und ihre Finger legten sich um den Griff. Jetzt musste sie nur noch hoffen, dass sie nicht verschlossen war. Gerade als sie die Tür öffnen wollte ertönte eine laute Stimme, die sie zusammenfahren lies. Erschrocken wirbelte sie herum, die Menge war verstummt, als der Hausmeister erschienen war und mit seinem lauten Herummeckern für großes Aufsehen sorgte. Ihr Blick blieb jedoch an dem Schüler hängen, den Filch hinter sich herschleifte. Anscheinend war Malfoy erwischt worden, bei was auch immer, schließlich war die Ausgangssperre bereits ausgesprochen worden und den Schülern war es untersagt sich im Schlossgebäude herum zu treiben. Die Gäste dieser Feier hatten eine Sondergenehmigung. Mit einem ziemlich genervten Blick riss er sich von Filch los und blaffte ihn an. Blitzschnell reagierte Ginny und nutzte den Moment der Ablenkung. Sie drückte die Klinke und – tatsächlich, sie war unverschlossen. Nach einem abschätzendem Blick überzeugte sie sich davon ungesehen davon zu kommen und verschwand im Nebenzimmer des Zaubertränkelehrers, der gerade dabei war die Situation zu schlichten. Das Draco erwischt wurde, brachte ihm zwar Ärger ein, doch für Ginny war es ein sich lohnender Vorteil. Ungewollt hatte er ihr geholfen. Hoffentlich hatte Filch nur nicht irgend etwas mitbekommen. Die meisten Lehrer hatten ihre persönlichen Räume neben ihrem Lehrerbüro, da sie oftmals in Letzterem sehr viel Zeit verbrachten, vor allem wenn ein Schüler nachsitzen musste. Slughorns Büro und Schlafzimmer waren jedoch nicht im Kerker in der Nähe des Zaubertränkeklassenzimmers, da Professor Snape seine Räumlichkeiten weiterhin für sich beanspruchen wollte, obwohl er nun ein anderes Fach unterrichtete, da er der Hauslehrer von Slytherin war. Wahrscheinlich hatte das Slughorn aber nicht gestört, denn wer wollte schon freiwillig in die dunklen Kerker, wenn man auch eine andere Wahl hatte? Dieses Zimmer war klein, aber gemütlich gestaltet mit vielen persönlichen Dekorationen. Unzählige Fotorahmen waren aufgestellt, die viele verschiedene Gesichter zeigten: Mehrere Schnappschüsse von Schülern, die gemeinsam mit ihrem Lehrer stolz in die Kamera blickten. Professor Slughorn, wie er Hände schüttelte und signierte Fotos von Berühmtheiten mit einem persönlichen Gruß. Eines der Bilder erregte ihre Aufmerksamkeit. Das Foto zeigte einen erheblich jüngeren Slughorn. Das Haar war deutlich dunkler und er war noch nicht so kahl wie zu dieser Zeit. Ginnys Augen hafteten jedoch an dem Jungen, der neben dem Professor stand. Das Wappen von Slytherin hing an seinem Umhang, sowie das Abzeichen des Schulsprechers. Er war deutlich größer als sein Lehrer. Sein Kinn war stolz empor gereckt, seine Augen sahen sie an und ein gefälliges Lächeln umspielte seine Lippen. Die ältere schwarz-weiß Fotografie zeigte Tom Riddle und seinen Hauslehrer. Auch er war einer von Sluggys Lieblingen. Natürlich gehörte er zu der Sammlung, wer hatte diesen unglaublich talentierten und charmanten Jungen nicht haben wollen? Ginny konnte das Interesse an ihm nur all zu gut nachvollziehen. Schnell rief sie sich ihre Mission wieder in Erinnerung. Sie hatte keine Zeit zu verlieren! Ihre Augen suchten den Raum nach den Getränken ab und erkannten auf der rechten Seite einen Tisch auf dem mehrere Flaschen standen. Rasch eilte sie hinüber und las die Etiketten. Butterbier, Wein,... Mittendrin stand eine bereits in weihnachtliches Papier eingepackte Flasche mit einer roten Schleife, das musste die Flasche Met sein, die Slughorn Dumbledore zu Weihnachten schenken wollte. Ginny nahm die Flasche aus ihrer Tasche und zog ihren Stab. Mit einem Zauber vertauschte sie die Umhüllungen, sodass der vergiftete Met nun aussah wie das Präsent für Dumbledore. Die andere Flasche verstaute sie in ihrer Handtasche. In zwei Tagen schon würde der Schulleiter den Met als Weihnachtsgeschenk erhalten und vermutlich würde es nicht allzu lange dauern, bis er eine Kostprobe davon nahm. Dumbledore war ein Feinschmecker und ein bekanntes Leckermäulchen. Natürlich würde er diese Köstlichkeit nicht zu lange aufschieben. Die Gedanken an die Konsequenzen vertreibend steckte sie ihren Zauberstab zurück und keine Sekunde später war sie bereits aus dem Nebenausgang verschwunden. Leise schloss sie die Tür. Die Musik und der Lärm der Feier waren schwach zu vernehmen. Mit ruhigen Schritten entfernte sie sich davon und begab sich Richtung Gryffindor-Gemeinschaftsraum, ohne noch einmal einen Blick zurück zu werfen.. ~ Lieber Tom, gerade komme ich von der Weihnachtsparty von Slughorn, aber ich war nicht dort um mich zu amüsieren, wie du vielleicht annimmst, sondern um einen Auftrag zu erfüllen. Doch leider habe ich es nicht geschafft, unserer Mission nachzugehen, sondern musste Malfoy behilflich sein. Er will Dumbledore vergiften. Ich habe selbst dafür gesorgt, dass es gelingen wird. Denk nicht, dass er sich drückt, es ist nur so, dass ich einen Vorteil hatte, da mir heute Abend die Chance geboten wurde, den Met zu vertauschen. Heute habe ich erfahren, dass er noch einen weiteren Plan hat. Er tüftelt an einer Sache, die sehr groß zu sein scheint. Sie ist anscheinend sehr wichtig, wenn er mir nicht davon erzählt und keine Hilfe annimmt. Ich frage mich wirklich, was er macht. ... Er gibt sich viel Mühe, aber ich glaube, dass es ihn sehr mitnimmt. Ich weiß nicht ob er der Richtige für die Aufgabe ist und ich frage mich, wieso du gerade ihn dazu auserwählt hast. ... Vorhin in Professor Slughorns Büro, da habe ich viele Fotografien von ehemaligen Schülern gesehen... Und da habe ich auch... ein Bild von dir gesehen. ... ... Morgen früh werde ich nach Hause fahren. Die Koffer sind bereits gepackt, doch große Lust verspüre ich nicht darauf heimzukehren. Dieses Jahr ist es ganz anders. Es ist mir egal, ob ich nach Hause fahre, ich glaube es wäre mir sogar lieber hier in Hogwarts zu bleiben. Ich glaube, ich würde mir wie ein Verbrecher unter ihnen vorkommen. Alle sind sie unwissend. Niemand weiß, was wir planen, niemand weiß, welche Gefahr von mir ausgeht. Weißt du, Tom, Harry wird die Ferien bei uns verbringen und ich glaube nicht, dass es eine Gelegenheit gäbe ihm etwas anzutun, da er andauernd umringt ist von meiner Familie. Er bekommt die meiste Aufmerksamkeit, dabei ist er nicht einmal ein Familienmitglied. Mum sagt immer, er wäre wie ein Sohn für sie. Wenn er da ist, werden wir links liegen gelassen. Und dafür verachte ich ihn so sehr. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr ich ihn hasse! Ich kann es kaum erwarten ihm alles heimzuzahlen. Kapitel 14: Patience -------------------- Das neue Jahr war herangebrochen und bot kaum merkliche Unterschiede zu seinem Vorgänger. Es hatte sich nicht viel in den Ferien getan, es war wie immer. Die Schüler kehrten über die Feiertage zurück nach Hause, unter ihnen auch die Weasleys. Ginny hatte ihre freien Tage bei ihrer Familie gebracht, so wie jedes Jahr. Sie hatten zusammen Weihnachten gefeiert, hatten gemeinsam das neue Jahr begrüßt und sich Vorsätze gemacht, die eh nur die Wenigsten wirklich einhielten und sich erholt. Es war genau wie immer und genau wie geplant, einfach ruhig. Und genau das verwunderte die junge Weasley. Die Feiertage hatte sie sich anders vorgestellt, denn schließlich hatte sie an ihrem letzten Schultag einen Versuch gestartet, Dumbledore umzubringen. Sie hatte eine Flasche Met mit einer vergifteten vertauscht, mit der Anweisung von Draco, der ihr versichert hatte, dass Slughorn eben jene dem Schulleiter zu Weihnachten schenken würde. Dumbledore hätte die Flasche also vor mehr als einer Woche als Geschenk erhalten haben sollen und wenn der Plan aufgegangen wäre, dann hätte sein Tod Schlagzeilen gemacht. Es wäre die Sensation des Jahres gewesen und hätte sogar den Auserwählten von der Titelseite vertrieben. Jeden Tag hatte sie also eine Eule erwartet, die eine Ausgabe des Tagespropheten bringen würde, oder gar ein Sonderblatt mit der schrecklichen Verkündung über das Ableben des Schulleiters im Abendpropheten. Wohlmöglich wären Bekannte oder Nachbarn zu ihnen apparriert oder wären herüber gefloht, um persönlich über das neuste Gerücht zu tratschen, aber weder eine Eule, weder ein Brief, noch irgendwelche Gerüchte erreichten den Fuchsbau. Zuerst hatte Ginny die Feiertage abgewartet und dies als ungefähren Zeitraum eingeschätzt, bis die Meldungen verkündet wurden. Als aber diese verstrichen und sich das Jahr dem Ende neigte, wunderte sie sich und hegte allmählich Zweifel ob etwas an dem Plan schief gegangen wäre. Aber auch wenn der Met nicht Dumbledore, sondern jemand anderen erreicht hätte, falls Slughorn selbst sich diesem bedient hatte, wäre dies doch sicherlich ebenfalls eine Schlagzeile Wert gewesen. Lehrer vergiftet in Hogwarts. Danach lechzten die Leute von der Presse doch nur. So blieb ihr nichts übrig als abzuwarten und mit jedem Tag stieg die Verunsicherung. Habe Geduld hatte Tom immer daraufhin geschrieben, wenn sie ihm ihre Bedenken geschildert hatte. In Gedanken war sie oft bei Malfoy, der derjenige war, der sich diesen ganzen Spaß überhaupt ausgedacht hatte. Irgendwie schienen seine Pläne keinen großen Erfolg zu haben, doch sie konnte sich nicht weiterhelfen. Sie hatte doch alles richtig gemacht. Vorsichtig war sie gewesen und niemand hatte sie gesehen. Da war sie sich sicher! Oder hatte vielleicht jemand den vergifteten Met vorher entdeckt, bevor er seinen Zweck als tödliches Weihnachtsgeschenk erfüllen konnte? Würde die Spur zu ihr zurückverfolgt werden? All diese Gedanken zerfraßen sie und mit jedem Tag rückten sie dem Schulanfang näher. Alles würde sich klären, wenn sie wieder in Hogwarts war. Bis dahin wollte sie erst einmal abwarten. Spätestens entschied sich alles im Schulgelände. Würde Dumbledore unter ihnen am Lehrertisch fehlen? Zusätzlich zu diesem ganzen Wirrwarr machte der Weasley noch etwas zu schaffen: Es machte sie verrückt Harry um sich zu haben. Zwar war sie es gewohnt, da der Waisenjunge, seitdem er die Bekanntschaft mit der Familie Weasley gemacht hatte in seinen Ferien stets dort zu wohnen schien, doch dieses Jahr war es irgendwie unangenehmer. Es ein wenig ungewohnt nicht mehr die gleichen Gefühle wie früher zu empfinden, an dem jeder Tag, an dem sie mit Harry unter einem Dach schlafen durfte, ein Glückstag zu sein schien, und ihn nun zu sehen und nichts weiter als Hass und Abscheu zu empfinden. Sie fühlte sich unbehaglich ihn in ihrer Nähe zu wissen, ohne die Möglichkeit nutzen zu können, diese Nähe zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie wollte einen Auftrag erfüllen, ja, aber sie wollte es nicht hier tun, konnte es gar nicht hier tun. Die ganze Zeit über war er umzingelt von Personen, von Ron und ihren Brüdern, von ihren Eltern, von Tonks und Remus. Harry beherrschte stets die Aufmerksamkeit aller und somit war es ihr nicht möglich auch nur ungesehen einen Gedanken daran zu verschwenden, dem Helden zu nahe zu treten. Ginny merkte, wie schnell nun die Zeit verging und was sich alles in dieser Dauer verändern konnte. Sie liebte Harry nicht mehr, diese galt nun jemand anderem, einem der dunklen Seite. Wie in einer verkehrten Welt fühlte es sich an, war ihre Familie doch bekannt als „Muggelliebhaber“ so genossen sie trotz ihrer Reinblütigkeit wenig Ansehen in der Zaubererwelt. Welch eine Ironie, dass sie sich genau demjenigen zugewandt hatte, den ihre Familie und so viele andere Zaubererfamilien zu bekämpfen versuchten. Sie befolgte die Anweisungen desjenigen, der Chaos und Zerstörung bedeutete, der skrupellos mordete, derjenige, von dem sie sich geschworen hatte, dass er nie wieder Macht über sie besitzen würde. Doch wie schon gesagt, die Zeit vergeht und Dinge ändern sich. Am letzten Tag vor den Ferien saß Ginny in ihrem Zimmer im Fuchsbau an der Fensterbank und richtete den Blick in die Ferne. Das Tagebuch lag aufgeschlagen auf ihrem Bett, der letzte Eintrag war noch nicht vor all zu langer Zeit geschrieben worden. Tom war ihr stetiger Begleiter und sie fühlte sich in ihr erstes Schuljahr zurückversetzt, denn es schien als lägen keine vier Jahre dazwischen, dass sie von Tom getrennt war. Es fühlte sich an wie früher, die Erwartung auf seine Antworten, die Vorfreude. Das Gefühl einen besten Freund zu haben kehrte wieder zurück und Ginny stellte fest, dass sie nach Tom damals in ihrer Schulzeit nie wieder so einen Freund gehabt hatte. Da waren zwar einige Mitschüler, Luna Lovegood oder die DA, aber all das war nicht zu vergleichen mit Tom Riddle, dem einzig wahren Freund den sie je hatte, der nun zu ihr zurückgekehrt war. Langsam wurde es jedoch Zeit, dass sie Tom ein wenig entgegenkam, denn sie spürte seine wachsende Ungeduld, hörte es aus seinen Fragen heraus. Sie wollte ihn nicht enttäuschen und ihm keinen Grund geben sich wieder von ihr zu entfernen. Tief in ihrem Herzen hatte Ginny Angst davor, Tom wieder zu verlieren und wieder einsam zu sein. Dieses mal würde sie sich nicht vormachen können, ohne ihn ein besseres Leben zu führen, denn jetzt wusste sie wie schmerzhaft es ohne ihn sein würde Es musste also ein neuer Plan daher, der so gut ausgetüftelt war, dass er gelingen würde, der weder fehlerhaft noch lückenlos war. Über eine Sache war sie sich bereits klar, es sollte in Hogwarts geschehen, nicht hier. Sie wollte nicht, dass ihre Eltern es miterlebten, wollte nicht in ihre Augen sehen wenn sie erfuhren, dass ihre Tochter eine Verräterin war. Unwissend würden sie sich morgen von ihr verabschieden und es irgendwann erfahren. Vielleicht würden sie sich nie wieder sehen. Ihren enttäuschten Eltern wollte sie nicht unter die Augen treten. Auch wenn Ginny sich darüber bewusst war, was ihr Handeln für Folgen haben würde, wusste sie dennoch, dass es das Richtige war, was sie tat. Hogwarts galt zwar als der sicherste Ort schlechthin, dennoch war die Festung kein Hindernis. Schließlich war schon einmal jemand dort umgekommen. Ein Mädchen, welches durch den Basilisken, den Tom kontrolliert hatte, verstarb. Diese Schülerin geisterte nun als „Maulende Myrthe“ im Mädchenklo herum, dem Ort, an dem ihr Lebenslicht erlosch. Diese Schule war vielleicht ein sicherer Schutz, jedoch gab es Möglichkeiten durch die behütenden Mauern zu kommen. Das Schloss war ohnehin viel zu groß, als das jedes Geschehen gesehen werden konnte. Wenn es also Sirius Black in seiner Animagusform geschafft hatte ins Schloss zu kommen und Barty Crouch Junior es geschafft hatte, fast ein ganzes Jahr mittels des Vielsafttranks, in Gestalt von Alastor Moody sich hier unbemerkt aufzuhalten, ohne dass es auch nur ein Lehrer oder gar Dumbledore bemerkt hatte, dann gab es auch eine Möglichkeit für Ginny. Eines Tages würde Harry unvorsichtig sein und dies würde sie zu nutzen wissen. Diese ganzen Überlegungen bescherten der Rothaarigen allmählich Kopfschmerzen. Angespannt rieb sie sich über die Augen und beschloss sich etwas Kühles zu Trinken zu holen. Bevor sie ihr Zimmer verließ, klappte sie das Tagebuch zu und versteckte es unter ihrem Kopfkissen. Schließlich wollte sie nicht unvorsichtig werden. Sie schritt die Treppe des Fuchsbaus hinab, die – wie dieses gesamte Haus – völlig schief war und wenn sie hier nicht schon seit fünfzehn Jahren leben würde, hätte sie sich sicherlich am Geländer festhalten müssen oder wäre sogar gestolpert. Ginny kannte sich hier gut aus und würde den Weg auch im Dunkeln oder mit geschlossenen Augen finden. Am nächsten Morgen schon würde sie wieder in Hogwarts sein. Sie musste unbedingt mit Malfoy sprechen. War er eigentlich über die Ferien ebenfalls nach Hause gefahren oder war er eventuell über Weihnachten im Schloss geblieben um am Ort des Geschehens zu bleiben? Dann wüsste er ganz bestimmt was mit Dumbledore geschehen war. Sicher war Draco zu seiner Mutter gefahren, schließlich saß sein Vater in Askaban und seine Mutter war ganz allein zu Hause – für die Malfoys war es dieses Jahr kein ansehnliches Weihnachtsfest. Nur noch ein Stockwerk tiefer und sie hatte die Küche erreicht, doch als Ginny an Rons Zimmer vorbei kam, hielt sie irritiert inne. Hatte sie gerade Malfoys Namen vernommen?! Still blieb sie stehen und rührte sich nicht, versuchte ein wenig zu lauschen. „Alter, fängst du schon wieder damit an?“, drang es gedämpft von der Tür, die eindeutig von ihrem Bruder stammte. Nun gut, es war nicht verwunderlich, dass die beiden Jungs über den Slytherin sprachen, schließlich waren sie alle in einem Jahrgang, kannten sich seit der ersten Klasse und Ron hatte ohnehin andauernd etwas über den Blonden zu meckern. Trotzdem bewegten sich ihre Füße nicht vom Platz. Ihre Neugierde war geweckt worden... „Ich werde bestimmt nicht mit dir Malfoy ausspionieren! Wer weiß, was ich da zu sehen kriege.“ Ginny hörte ein würgendes Geräusch von Ron und anschließend sprach eine Stimme, die sie als die von Harry identifizierte. „Aber wir müssen ihn im Auge behalten! Er führt etwas im Schilde und Crabbe und Goyle helfen ihm dabei.“ „Vielleicht planen sie ja nur wieder irgendwelche Erstklässler zu verprügeln und ihnen ihre Süßigkeiten wegzunehmen.“ Ein empörter Laut von Harry folgte. „Versteht du denn nicht? Es geht hier um weitaus mehr! Er ist einer von denen!“ Ginnys Herz setzte für einen Moment aus, als sie dies hörte. Harry wusste bescheid?! Er wusste von Dracos Plan? Wie? Woher? Ihre Gedanken überschlugen sich und sie musste sich auf die folgenden Worte konzentrieren um überhaupt noch etwas mit zu bekommen. „Ich weiß nicht was er vorhat, aber sein Plan benötigt noch Zeit, dass war es, was er zu Snape gesagt hat. Und er hat Wachen, Crabbe und Goyle helfen ihm! Und er hat noch andere Leute, bessere!“ Ginnys Augen weiteten sich. Sie wusste ganz genau, wer damit gemeint war. „Na wenn Crabbe und Goyle ihm zur Seite stehen kann ich dir versichern, dass er scheitern wird.“ Ron gluckste. Vorsichtig legte Ginny ein Ohr an die Tür und versuchte mehr zu hören, ihre zitternden Finger legte sie an die hölzerne Tür. Wenn sie in Hogwarts war würde sie Draco warnen. Gleich nachdem sie ihn zurechtgewiesen hatte wie unvorsichtig er war! „Vielleicht hast du auf der Weihnachtsfeier von Slughorn nur ein Butterbier zu viel getrunken?“ „Ich habe nichts getrunken!“, rief Harry aufgebracht. „Ich habe mir das nicht eingebildet! Ich habe Snape und Malfoy gehört! Jedes Wort!“ „Du hast an einem Schlüsselloch gelauscht, richtig? Also wenn du mich fragst, kannst du da sonst was gehört haben.“ Entsetzt riss Ginny die Augen auf. Sie erinnerte sich an Draco, wie er während der Weihnachtsfeier von Filch entdeckt wurde. Anscheinend musste Harry ihm und Snape gefolgt sein. Dieser verdammte Potter! Der schaffte es auch immer wieder zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein – als hätte er eine Spürnase dafür. „Vergiss es Ron, ich finde auch allein heraus, was er im Schilde führt.“ Eine kurze Pause trat ein. „Wenn wir wieder in Hogwarts sind, werden wir weiter sehen.“ Dann hörte sie Schritte – jemand musste in dem Zimmer umher laufen und bevor jemand die Türe öffnen konnte und sie hier lauschend antreffend würde, beschloss sie sich so leise wie möglich aus dem Staub zu machen. Fassungslos eilte sie die Treppe hinunter und lief in die Küche. Glücklicherweise war hier niemand mehr und Ginny atmete erst einmal erleichtert auf. Sie versuchte ihre Atmung zu beruhigen und ihre Gedanken zu ordnen. Harry ahnte etwas! Ron schien ihm keinen Glauben zu schenken, doch wem würde er noch alles davon erzählen? Und wie lange verdächtigte er Malfoy schon? Sie mussten vorsichtiger sein und es würde sich als schwierig gestalten, wenn jemand Verdacht schöpfte. Gerade wenn es sich um Harry Potter handelte, dem Jungen, der bisher alle unlösbaren Rätsel gelöst hatte. Ihr Mund war ganz trocken, sie musste etwas trinken und da fiel ihr ein, dass dies auch das eigentliche Ziel von ihr war. Aus dem Schrank holte sie sich ein sauberes Glas und füllte es an der Spüle mit klarem Wasser. Sie stürzte es hinunter und im Moment wäre ihr auf diesen Schock ein Feuerwhiskey eigentlich lieber gewesen. Nachdem sie das Glas abgestellt hatte, stütze sie sich mit beiden Händen an der Spüle ab und versuchte angestrengt zu überlegen. Nun war es umso wichtiger diesen Feind aus dem Weg zu räumen, bevor er etwas ausplapperte. Aber andererseits – wer würde ihm glauben? Ginny erschrak aus ihren Gedanken, als sie plötzlich Schritte hinter sich hörte. Als sie einen Blick über ihre Schulter warf erkannte sie George, der bereits im Pyjama in die Küche gewatschelt kam. „Na Ginny, bist du schon aufgeregt wegen morgen?“ Die Angesprochene wandte den Blick wieder ab. Smalltalk war das Letzte worauf sie sich jetzt konzentrieren konnte. Jedoch brauchte sie sich gar nicht die Mühe zu machen um zu antworten, denn ihr Bruder quasselte einfach weiter, während er sich mit einem Schwenker seines Zauberstab ein Glas aus dem Schrank zu sich beschwor, es selbstständig zur Spüle schwebte, der Wasserhahn sich selbst betätigte, das Glas mit Flüssigkeit füllte und letztendlich auf George gemütlich zu schwebte, ohne auch nur einen Tropfen zu vergießen. „Fred und ich vermissen die Zeit in Hogwarts. Dort gab es so viele Freiwillige, die unsere Scherzartikel testeten. Es gibt noch so viel was wir tun wollten. Aber man sollte eben aufhören wenn es am Schönsten ist, nicht wahr?“ George lächelte verträumt und schien sich an alte gemeinsame Zeiten mit seinem Zwillingsbruder zurück zu erinnern, während er sein Glas gedankenverloren mit der Hand schwenkte. Ginny wollte diesen Moment nutzen um sich aus dem Staub zu machen. Sie hatte jetzt keine Zeit! Sie musste unbedingt Tom schreiben! Jedoch machte ihr George einen Strich durch die Rechnung, indem er einen Arm um sie legte und sie mit einem warmen Blick bedachte, einem Blick, dem die junge Schwester nicht lange stand halten konnte. „Es kommt mir vor als wäre es gestern gewesen, als du deinen ersten Tag in Hogwarts hattest. Du warst so aufgeregt“, sagte er und kniff ihr in die Wange, was ihr ein Grummeln entlockte. „Und jetzt machst du schon bald deine ZAG’s.“ „Du klingst schon so gefühlsduselig wie Mom“, entgegnete Ginny und schüttelte seinen Arm ab. „Fehlt nur noch, dass du anfängst zu weinen und mich an deine Brust drückst.“ „Erstens fange ich bestimmt nicht an zu weinen – ich bin ja nicht so weinerlich wie Fred – und zweitens ist an meiner Brust jedes hübsche Mädchen willkommen“, grinste er und strich sich mit der freien Hand über seinen Brustkorb. Ein Mundwinkel von Ginny zuckte leicht, dann schüttelte sie den Kopf und wollte gehen, als George sie erneut aufhielt. „Ginny.“ Innerlich mit den Augen rollend wartete sie ab, während George in seiner Hosentasche kramte. Zum Vorschein kamen ein paar Knuts, zerknülltes Papier und ein kleines Tütchen, dessen Inhalt man nicht erkennen konnte. „Das Instant-Finsternispulver das du haben wolltest.“ Er hielt ihr die Hand direkt vor die Nase und mit einem Mal kam die Erinnerung zurück. Im Laden der Zwillinge hatte sie dieses Instant-Finsternispulver gesehen, als sie ihre Brüder vor Monaten in der Winkelgasse besucht hatte. Am Anfang der Ferien hatte sie danach gefragt, denn es konnte nicht schaden so etwas zu besitzen. „Ich habe Verity geschrieben und darum gebeten. Die Eule kam heute morgen. Du erhältst natürlich Familienrabatt.“ Ginny nahm ihm das Tütchen aus der Hand und er steckte seine Knuts und Papierknöllchen wieder zurück, trank einen großen Schluck und stellte das Glas auf den Tisch. „Ich kann mir schon denken wofür du das haben möchtest“, sagte er und zwinkerte, was Ginny aufseufzen ließ. „Im Dunkeln lässt es sich gut Munkeln.“ „Schon klar, George“, sagte sie, rief ihm noch ein Danke zu und verließ dann eilig die Küche. Auf der Treppe hörte sie ihn noch rufen: „Tu nichts, was ich nicht auch tun würde!“ Kopfschüttelnd ging sie hinauf in ihr Zimmer. Abgehetzt warf sie sich auf ihr Bett, dessen Matratze quietschend unter ihrem Gewicht nachgab. Sie steckte ihre Hand unter das Kopfkissen und wühlte nach dem Tagebuch. Augenblicklich zog sie es heraus und schlug es auf und langte nach der Feder, die zwischen dem Pergament eingeklemmt war. Sie musste Tom unbedingt die Neuigkeiten mitteilen! Das Finsternispulver war erst einmal vergessen. Irgendwann würde sich schon noch eine Gelegenheit dafür finden. ~ Die Schüler kehrten über das vom Ministerium neu eingerichtete Flohnetzwerk nach Hogwarts zurück, statt mit dem Hogwarts Express zu fahren. Überall wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Als Ginny ihren Weg zum Gemeinschaftsraum antrat kam es ihr vor, als seien doppelt so viele Auroren an der Schule, wie zuvor. Dies registrierte sie mit einem spöttischen Blick. Die Auroren versuchten die Schüler zu schützen – nicht ahnend, dass unter ihnen ebenfalls Gefahr drohte. Aber wer würde schon harmlose Kinder verdächtigen? Aufgeregt ging Ginny durch die Gänge. Bisher hatte sie noch nichts gehört. Alles scheint normal, die Schüler unterhalten sich, wirken ausgeglichen und erholt. Die Geister schweben vergnügt durch die Lüfte... Nirgends ist ein Zeichen darauf, dass etwas geschehen war, dass sich etwas Schreckliches ereignet hätte. Ginny versuchte den Gesprächen der Gemälde zu lauschen, doch auch diese unterhielten sich nur über Unwichtigkeiten. Das war doch alles zum Haare raufen! Es war eindeutig, dass etwas schief gegangen war. Dafür musste man nur eins und eins zusammen zählen. Wäre an dieser Schule ein Unglück geschehen und Dumbledore tatsächlich etwas zugestoßen, wäre es im Schloss nicht so friedlich. Die Auroren wären aus dem Häuschen, die Kinder verängstigt. Es würde ein regelrechtes Chaos herrschen. Aber vor allem hätte man die Schule gar nicht erst wieder eröffnet. Als es Zeit für das Abendessen wurde machte sich die Weasley auf den Weg in die große Halle. Spätestens beim Essen würde sie die Gewissheit haben. Die Schuluniform trug sie noch nicht, da der Unterricht offiziell erst am darauffolgenden Tag begann und die meisten es so weit wie möglich aufschoben, in die unbequemen Schulroben hinein zu schlüpfen. Nur den Schulumhang trug sie, den sie ein wenig enger um sich zog, da im Schloss niedrige Temperaturen herrschten. Sie konnte es kaum erwarten in der großen Halle zu sitzen, in der es immer kuschelig warm war. Dazu kam es jedoch nicht. Im Erdgeschoss angekommen drang eine motzende Stimme an ihr Ohr, die ihr nur all zu bekannt war. Nur wenige Meter entfernt stand Draco, der sich vor zwei Erstklässlern aufgebaut hatte und sie ohne Pause anschnauzte. Verängstigt waren die beiden an die Wand gewichen und sahen mit vor Schreck geweiteten Augen zu dem Vertrauensschüler auf, der seinem Ruf alle Ehre machte. Ginny bezweifelte, dass es überhaupt einen triftigen Grund gab, wieso Malfoy die Jungen, die total verängstigt wirkten, anmotzte. So etwas tat er des Öfteren. „Schlecht gelaunt, Malfoy?“, fragte Ginny schmunzelnd. Sie erlangte Malfoys Aufmerksamkeit und als er sich irritiert zu ihr umwandte nutzten die beiden Erstklässler den günstigen Moment und rannten, so schnell es ihre kleinen Füße zu ließen, davon. Der Slytherin hatte sich über die Ferien nicht verändert, er sah immer noch so müde und ausgemergelt aus wie zuvor. Als seine Augen, unter denen die Augenringe deutlich zu erkennen waren, sie erfassten, verengten sie sich augenblicklich. „Welcher Flubberwurm ist dir denn in den Zaubertrankkessel gekrochen?!“ „Du!“, knurrte er und sie wusste nicht ob es seine Antwort war oder ob er sie einfach nur ansprach. „Du hast es verbockt!“ „Wa...?“ Für einen kurzen Moment war sie sprachlos. Er meinte doch nicht etwa...? Ginny schnappte nach Luft und stellte die Hände in die Hüfte. „Du willst doch wohl nicht etwa mir die Schuld dafür geben, dass dein Plan fehlgeschlagen ist?!“ „An irgendjemanden wird es wohl liegen, dass der alte Schwachkopf immer noch quicklebendig herum läuft!“ Fassungslos klappte Ginny die Kinnlade herunter. Diese Schlange gab ihr tatsächlich die Schuld, obwohl er dankbar dafür sein sollte, dass sie sich dazu überhaupt bereit erklärt hatte ihm zu helfen. Er hatte sich schon einmal einen Fehltritt geleistet. Wie würde Tom wohl über den nächsten Misserfolg reagieren? „Woher willst du das überhaupt wissen? Hast du ihn denn gesehen? Warst du über die Ferien hier?“ „Nein“, kam die zögerliche, verärgerte Antwort. „Aber es ist offensichtlich!“ „Du Drecksack!“, zischte sie ihm zu und kam einen Schritt näher. Ihre Augen blitzten gefährlich auf. „Das ist deine Angelegenheit! Schieb deine Fehler nicht auf andere! Und lass deine Wut nicht an Erstklässlern aus!“ Fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu. Anschließend piekte sie ihm mit dem Finger in die Brust, woraufhin er ihre Hand barsch wegwischte. „Nimm deine dreckigen Pfoten weg, Weasley.“ Malfoys Stimme war leise, jedoch drohend. Ihre Blicke kreuzten sich für eine kleine Ewigkeit. Keiner von beiden schien nachgeben zu wollen. Letztendlich brach Draco den Blickkontakt augenrollend ab und schnaubte. „Ich gebe dir noch einen guten Rat. An deiner Stelle würde ich vorsichtiger sein“, sagte Ginny und sie fragte sich, wieso sie ihn jetzt noch warnte, obwohl er sich ihr gegenüber so unverschämt benahm. „Du bist schon jemandem aufgefallen. Ich würde nicht mehr so auffällig im Schloss herum schleichen.“ Dracos Augen weiteten sich. „Wer weiß was?“, fragte er abgehackt. „Harry ist dir auf der Spur. Er verdächtigt dich ein Todesser zu sein.“ Gekünstelt lachte Malfoy auf. „Ha, der weiß gar nichts!“ „Er hat dein Gespräch mit Snape belauscht.“ Durch diese Worte wurde Draco noch blasser, als er ohnehin schon war. Seine Augen weiteten sich. „Hat er nicht!“ „Oh doch, das hat er.“ Eine Pause trat ein. Malfoy wurde ganz grün um die Nase. „Jetzt habe ich den auch noch am Hals“, murmelte er eher zu sich selbst. „Du stellst dich einfach dämlich an. Selbst schuld!“ Da war ja ein Knallrümpfiger Kröter unauffälliger. „Tze!“ Damit schien das Gespräch für ihn beendet, denn er machte kehrt und ging mit wehendem Umhang auf die große Halle zu. Ginny schüttelte wortlos den Kopf. Dazu konnte man einfach nichts mehr sagen. Malfoy benahm sich wie ein kleines Kind und war einfach nur anstrengend, es sei denn er wollte etwas, dann konnte er sich richtig gut einschleimen. Seufzend folgte sie ihm mit wenigen Schritten Abstand. Gemeinsam gingen sie auf die großen Flügeltüren zu. Der Lautstärkepegel nahm plötzlich deutlich ab und als sie die große Halle betraten sahen sie den Grund dafür: Die jungen Hexen und Zauberer verstummten angesichts der Tatsache, dass sich am Lehrertisch jemand erhoben hatte und stumm nach Aufmerksamkeit forderte. Die Blicke der Schüler richteten sich auf den alten Mann in dem lila Samtumhang, mit einem farblich passenden Hut. Dieser ruhte auf einem in Falten liegenden Gesicht, welches von einem langen weißen Bart umrundet wurde, der bis auf den Boden reichte. Dumbledore hob seine rechte Hand zum Gruß und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Willkommen zurück, meine Lieben.“ Ginny sah den Schulleiter, dessen lebendiges Abbild ihre Vermutungen bestätigte. Der Plan war gescheitert und sie würden wieder von Null beginnen müssen. Frustration durchströmte sie, Enttäuschung, aber auch Zorn und Wut wegen ihres Scheiterns. Als sie zu Malfoy aufsah, erkannte sie die gleichen Emotionen in seinem blassen Gesicht. Doch sie sah auch noch etwas anderes in seinen Augen. Es war nur ein sehr schwaches Aufleuchten in den grauen Pupillen, doch eindeutig zu erkennen: Es war Erleichterung. Kapitel 15: Hesitation ---------------------- In der Dunkelheit der Nacht huschte ein Schatten über die Ländereien von Hogwarts. Der Schnee fiel, auch am Ende des ersten Monats des Jahres, unaufhörlich vom Himmel und bedeckte das Schloss, sowie die Wiesen und Wälder unter einer dicken Schneeschicht. Trotz der unangenehmen Kälte, die der Winter mit sich brachte, wagte sich eine Person ins Freie. In einem schwarzen Umhang gehüllt war sie nur ein Schatten, der mit jedem Schritt den Schnee zum Knirschen brachte, jedoch keine Spuren hinterließ. Ein Zauber sorgte dafür, dass die Fußstapfen wieder verschwanden. Zielstrebig lief die vermummte Gestalt in Richtung des verbotenen Waldes, drehte sich auf dem Weg mehrmals um. Erst als die Person im Wald ankam, zog sie sich die weite Kapuze, die bisher ihr Gesicht verdeckte, zurück und atmete erleichtert auf. Die roten langen Haare umrahmten das Gesicht, die Spitzen hingen unter dem Umhang verborgen. Die Schülerin ging noch einige Meter weiter in den Wald hinein, blieb jedoch in der Nähe der Grenze, sodass sie immer noch das Schloss und auch die Ländereien sehen konnte. Die dichten Kronen der Bäume verhinderten, dass die Schneeflocken sich einen Weg hindurch bahnten, demzufolge war der Boden nicht von Schnee, sondern von einer Eisschicht bedeckt. Die Kälte fraß sich durch die Kleidung des Mädchens, obwohl sie sich mehrere Pullover übergezogen hatte. Leicht fröstelnd rieb sie sich die Arme. Es war kalt, niemand ging freiwillig bei diesen Minusgraden hinaus, zudem war es den Schülern verboten in den Wald zu gehen. Er hieß nicht umsonst „verbotener Wald“. Dennoch hatte die Gryffindor diesen Ort vorgeschlagen, da er ideal für ein geheimes Treffen war. Die Auroren auszutricksen, die im Schloss patrouillierten, war nicht leicht gewesen und doch hatte sie es geschafft sich hierhin zu schleichen. Ginny war her gekommen, weil sie sich mit Malfoy treffen wollte. In den letzten Wochen hatte sie ihn nicht oft zu Gesicht bekommen. Bis heute hatte sie nicht den Ausdruck auf seinem Gesicht vergessen, als sie Dumbledore in der Großen Halle gesehen hatten. Für einen kurzen Moment schien es, als hätte sie so etwas wie Erleichterung in den grauen Augen gesehen, bevor die emotionslose Maske wieder aufrecht saß. Das hatte Ginny zutiefst verwirrt. Sie wollte dem auf den Grund gehen, also hatte sie sich mit ihm verabredet, um einige Dinge zu klären. Malfoy hatte daraufhin widerstrebt und gemeckert, doch Ginny hatte mit ihrem Temperament ihren Willen durchgesetzt und ihm keine Chance gegeben zu kneifen. Aber was, wenn der Slytherin doch nicht erschien? Es wäre gar nicht so verwunderlich, wenn sie sich umsonst die Beine in den Bauch stand. Malfoy versuchte sich oft zu widersetzen und weigerte sich, wenn ihm etwas nicht passte. Als sie ihm dieses Treffen vorgeschlagen hatte, waren Widerworte gar nicht nötig gewesen, so eindeutig sprach sein Blick für sich. In diesem Moment sah sie eine Silhouette, die sich vom Schloss entfernte und auf den Wald los marschierte. Vorsichtig zückte Ginny ihren Zauberstab. Hoffentlich war das Malfoy und nicht irgendein Auror, der sie doch bemerkt hatte oder noch schlimmer: Ein Lehrer! Auf McGonagall hatte sie nun wirklich keine Lust. Ihre Hauslehrerin konnte durch ihre Strenge einen viel unheimlicheren Eindruck machen als die Auroren. Wenige Minuten vergingen bis der Neuankömmling den verbotenen Wald betrat. Die Gestalt war ebenfalls in einem Schulumhang gehüllt und hielt den Zauberstab schützend vor sich, bereit um sich zu verteidigen. Die Kapuze verbarg das Gesicht, welches sich umzusehen schien. Ginny stand währenddessen hinter einem Baum und beobachtete die Situation. Wer war es? Ein Schüler oder jemand anderes? Die Antwort folgte wenig später als dieser jemand die Hand hob und nach der Kapuze griff. Langsam wurde sie nach hinten zurück gezogen und offenbarte blondes, in der Dunkelheit fast silber wirkendes Haar. Malfoy stand nur wenige Meter entfernt, schien nach jemandem zu suchen und Ginny wollte gerade hinter dem Baum hervortreten und sich ihm zu erkennen geben, als seine Augen sie auch schon von selbst fanden. Er sagte nichts, sah sie einfach nur an und Ginny war ein wenig überrascht, hatte sie doch schließlich keinen einzigen Laut von sich gegeben und dennoch konnte er sie ausfindig machen. Langsam trat sie hervor und näherte sich ihm, steckte dabei den Zauberstab weg, den auch sie zur Sicherheit gezückt hatte. „Ich war nicht sicher ob du kommen würdest.“ Der Slytherin tat es ihr gleich und steckte den Zauberstab in seine Umhangtasche. „Musste es denn ausgerechnet der verbotene Wald sein?”, nörgelte er. Seine Augen suchten die Umgebung ab, die sich jedoch in endlos scheinende Dunkelheit verwandelte. Sein Gesicht war gar nicht mehr so ernst, wie sie es von ihm kannte. Er wirkte ein wenig... nervös? „Hast du Angst?“, fragte sie belustigt. „Angst?! Tze!“ Als ein Knacken ertönte, sah er augenblicklich, beinahe panisch, hinter sich. Doch als nichts geschah und der Wald weiterhin von Stille erfüllt wurde, schenkte er ihr einen Blick, der besagte, jetzt bloß nichts Falsches zu sagen. Ginny schmunzelte amüsiert. „Du stellst dich an, als ob du noch nie im Verbotenen Wald warst.“ Malfoys Augen wanderten immer noch nervös umher. „Warst du doch, oder?“ „Natürlich war ich das!“, erwiderte er und setzte ein kaum hörbares „Einmal.“ Hinzu. Sein Gesicht schien dabei auszusagen, dass es bei diesem einem Mal hätte bleiben können. Seine Augen huschten immer wieder umher und suchten die Gegend ab. So nervös wie er, war Ginny nicht. Hier am Rande des Waldes brauchte man sich keine Sorgen machen. Wenn man sich jedoch weiter hinein wagte, konnte man sich dem nicht mehr so sicher sein. „Hat man dich gesehen?“ „Nein“, antwortete Malfoy. Selbst in der Dunkelheit des Waldes konnte man die Atemwolken sehen, die aus ihren Mündern kamen. „Hast du deine Fußspuren verwischt?“ Genervt rollte Malfoy mit den Augen. „Ich schleiche mich nicht zum ersten Mal raus, okay?“ Ginny hob eine Braue. Dass Schüler sich nach der Ausgangssperre rausschlichen, war ab den höheren Jahrgängen nichts Besonderes. Aber er war immerhin ein Slytherin. Die erfüllten sicherlich, wenn sie sich rausschlichen, irgendein gruseliges Klischee. „Ich wollte nur sicher gehen, dass wir deinetwegen nicht auffliegen.“ „Es kann ja nicht jeder über einen Tarnumhang verfügen.“ In seinem Satz klang ein wenig Hohn mit. „Die übrigen müssen sich damit begnügen geschickt zu sein.“ Für einen kurzen Moment wunderte sich Ginny, woher er von dem Tarnumhang wusste, bis ihr jedoch der Vorfall am Anreisetag wieder einfiel. Der Gedanke an einen geschockten Harry, mit gebrochener Nase, wehrlos unter dem Tarnumhang liegend, zauberte ihr ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht. Malfoy hatte sich an diesem Tag gerächt und ein wenig Genugtuung verspürt. Und diese würde sie eines Tages auch erfahren. Die bittere Kälte erinnerte sie daran, dass sie lieber nicht trödeln sollte. Sie wollte das Gespräch führen und dabei nicht mehr Zeit vergeuden als notwenig war. Anschließend würde sie wieder in den herrlich beheizten Gryffindor-Gemeinschaftsraum zurück kehren. „Ich habe dich seit dem ersten Schultag kaum noch gesehen“, begann sie. Malfoy verzog das Gesicht und sie bemerkte, dass der Satz wohl etwas kitschig klang. „Gehst du mir aus dem Weg?“ „Ich wüsste nicht was wir beide miteinander zu schaffen haben sollten.“ „Das sind ja mal ganz neue Seiten. Letztens erst wolltest du noch meine Hilfe. Du wolltest, dass ich den vergifteten Met vertausche.“ „Und was hat mir deine Hilfe gebracht? Gar nichts!“ In Ginny kochte die Wut hoch. Dieser undankbare Wicht! Immer wieder ließ sie sich auf ihn ein und hinterher kam sie sich vor wie eine ausgenutzte Hauselfe. „Wenn das so ist, dann brauchst du ja nicht weiterhin meine Zeit verschwenden. Ich weiß auch nicht wieso ich gerade dir helfen wollte!“ Sie war momentan äußerst spannungsgeladen. Um sich zu beruhigen atmete sie einige Mal tief ein und sprach dann beherrscht weiter. „Vielleicht brauchst du ja keine Unterstützung.“ Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen, um ihre Vermutung anzusprechen. Sie räusperte sich kurz und sprach dann ihre Gedanken aus. „Wenn ich mich nicht täusche, macht es ohnehin den Eindruck, als wenn es dir lieber wäre, wenn deine Pläne fehlschlagen -“ „Das glaub ich ja jetzt nicht!“ Ginny hatte mit einem Protest gerechnet und wollte sich gerade rechtfertigen, als sie feststellte, dass er gar nicht zu ihr gesprochen hatte. Seine Augen schienen etwas hinter ihr zu fokussieren. Verdutzt sah Ginny ihn an, doch ehe sie etwas sagen konnte, schob er sie schon zur Seite und drängte sich an ihr vorbei. Verständnislos blickte sie ihm nach und als sie das sah, was anscheinend gerade seine Aufmerksamkeit erlangte, weiteten sich auch ihre Augen. Dumbledore spazierte, in einem dicken Zaubererumhang gekleidet und die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Weg, der vom Schloss über die Ländereien führte, hinab. Über dem Hut des Schulleiters schwebte ein Regenschirm, der die herabfallenden Schneeflocken auffing. Malfoy hatte sich hinter einem kleineren Busch geduckt und sah den Schulleiter voller Unglauben an. Ginny kniete sich neben ihn auf den vereisten Boden, um ebenfalls hinter dem Gestrüpp Schutz zu finden und nicht aufzufallen, was der Slytherin mit einem abwertenden Blick bedachte. Ein Malfoy würde sich niemals auf den Boden knien und die Gefahr eingehen seinen teuren Umhang einzusauen. „Was macht er hier draußen?“, flüsterte Malfoy nach einer Weile. „Meinst du er sucht nach uns?“ Seine Stimme überschlug sich beinahe vor Aufregung. „Scht!“, flüsterte sie zurück. Sie durften jetzt nur keine Geräusche machen und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Unwillkürlich hielt sie die Luft an, obwohl es äußerst unwahrscheinlich war, dass man ihre Atmung hörte. Die Anspannung kroch ihre Glieder empor und bescherte ihr ein flaues Gefühl im Magen. Dumbledore war hier! Wusste er etwa, dass sie hier draußen waren? Kam er, um sie zu holen? Wusste er, was sie planten? Wenn Dumbledore sie hier erwischte, waren sie geliefert. Der Schulleiter ging den selben Weg entlang, den die beiden Schüler zuvor zurückgelegt hatten. Merlin sei dank, hatten sie ihre Fußspuren beseitigt. Der Weg führte ihn in ihre Richtung und mit jeder Sekunde, die verstrich, kam er ihnen näher. Ginny sah zu Draco und langte nach seiner Kapuze, die an seinem Rücken herunterhing und zog sie ihm über den Kopf. „Hey! Was soll das?“, zischte er leise. „Deine Haare leuchten regelrecht im Dunklen!“, flüsterte sie. „Willst du, dass wir gesehen werden?“ Draco warf ihr unter der Kapuze, die ihm nun tief ins Gesicht hing, einen genervten Blick zu, sparte sich jedoch eine Antwort. Er schüttelte nur entnervt den Kopf und sah dann wieder zu Dumbledore. Dieser machte gerade einen Schlenker und änderte die Richtung. Er ging nun einen anderen Weg. Aber das war doch der Weg zu...? Neben ihr schien Malfoy ebenfalls verstanden zu haben, wohin sich der Schulleiter begab. Er war nicht auf dem Weg zum verbotenen Wald, nein, er ging auf die Tore zu. „Er will die Schule verlassen.“ In der Stimme schwang Erkenntnis, sowie Verblüffung mit. Die Augenpaare waren auf den Zauberer gerichtet, der völlig allein über die Ländereien lief und anscheinend einen kleinen Ausflug plante. Wenn Tom das nur wüsste... „Ich kann nicht glauben, dass er Hogwarts einfach so verlässt.“ Die Stimme erregte ihre Aufmerksamkeit. Für eine Sekunde hatte sie vergessen, dass sie zu zweit hier draußen in der Kälte waren. Sie wusste nicht wieso Dumbledore die Schule verließ, jedoch erschien ihr dieser Moment als äußerst günstig. Beinahe machte es den Anschein, als wäre es zu einfach. Dumbledore würde nie damit rechnen, um diese Uhrzeit jemand außerhalb des Schlosses anzutreffen, außer Hagrid vielleicht. Diese Chance durften sie sich nicht entgehen lassen. Die braunen Augen legten sich auf den Slytherin. Aber wieso tat Malfoy dann nichts? Er beobachtete nur weiterhin ungläubig und skeptisch den alten Zauberer, schien jedoch nicht den Eindruck zu machen, handeln zu wollen, dabei wurde Dumbledore ihm wie auf dem Präsentierteller angeboten. „Los“, flüsterte sie ihm zu und gab ihm einen leinen Schubs. Diese Bewegung kam für ihn so plötzlich, dass er beinahe das Gleichgewicht verlor und umfiel. Gerade noch so konnte er sich halten. „Lass das!“, fauchte Malfoy, der bei dem Gedanken daran sich zu beschmutzen wohl ein wenig ärgerlich wurde. Sie fasste seinen Oberarm und sah ihn eindringlich an. Die braunen Augen leuchteten voller Tatendrang. „Tu es!“ Die Ungeduld ließ sich in ihr kaum noch unterdrücken. Graue Augen sahen sie fragend an. „Was?“ „Das ist die Gelegenheit! Der perfekte Hinterhalt. Er würde nie damit rechnen angegriffen zu werden.“ Zögernd sah Draco zu dem Alten der sich dem Tor immer weiter näherte. Der Schirm flog nach wie vor schützend über ihm. Draco biss ich auf die Unterlippe, schüttelte anschließend mit dem Kopf und brachte kein Wort raus. Fassungslos sah sie ihn an, ihr Griff verhärtete sich. „Wieso nicht?“, flüsterte sie aufgebracht. Sie schubste ihn noch einmal. Zornig funkelte er sie an. „Was ist dein Problem, Malfoy?! Tu es!“ Langsam zog der Blonde seinen Zauberstab aus seiner Umhangtasche, setzte einen entschlossenen Blick auf und schluckte. Abwartend sah Ginny ihn an, doch es geschah nichts. Er zögerte. In diesem Moment sah Ginny wieder das erleichterte Gesicht vor sich, welches er damals vor ihr nicht verbergen konnte. „Nein.“ Er schüttelte den Kopf und ließ den Stab wieder sinken. „Er ist schon fast an den Toren. Ich erreiche ihn nicht mehr.“ Das war eine lahme Ausrede, doch Ginny beschloss nichts zu sagen. Auch wenn Malfoy ihn nicht mehr erwischen würde, jeder seiner Flüche wäre dazu in der Lage, ihn aus dieser Entfernung zu treffen. Beide beobachten nun wieder Dumbledore, der gerade seinen Zauberstab schwang und die Schlosstore öffnete. Seelenruhig spazierte er hindurch und disapparierte, nachdem sich das Tor hinter ihm wieder geschlossen hatte. Als er fort war, verschwand auch ihre Anspannung. Dieses Mal waren sie noch einmal davon gekommen. Vom Knien taten ihr ihre Beine weh und sie wollte sich gerade aufrichten, als sie plötzlich angesprochen wurde. „Ginny.“ Sie erstarrte in der Bewegung. Ihre Augen wanderten zu Malfoy, der immer noch an ihrer Seite war und den Blick weiterhin auf den Punkt gerichtet hielt, an dem Dumbledore vor wenigen Sekunden disappariert war. Sein Blick war unergründlich Irritiert sah sie ihn an. Hatte sie sich gerade verhört? Sie hatte eindeutig ihren Namen gehört... „Du denkst, dass ich es nicht ernst meine?“ Anscheinend hatte er ihre letzten Worte doch mitbekommen, bevor er Dumbledore entdeckt hatte. Ihre Rede schien bei ihm etwas bewirkt zu haben. Neugierig wartete sie darauf, dass er weiter sprach. Er wandte ihr sein Gesicht zu und sein Blick war so entschlossen, wie sie es nach der eben gewesenen Situation kaum erwartet hätte. „Wenn du es nicht glaubst, werde ich dich überzeugen müssen.“ Er stand auf und sah von oben auf sie herab. „Ich werde es dir zeigen.“ Ginny war so verblüfft, dass sie nur nicken konnte. Malfoy machte einen geheimnisvollen Eindruck und weckte damit ihre Neugier. Er wollte sie also in seine Pläne einweihen. Und dafür hatte sie ihn nur ein wenig anzweifeln müssen. Malfoy schien wohl in seinem Stolz verletzt worden zu sein. Und dann tat er etwas, womit sie wohl noch weniger gerechnet hätte. Er hielt ihr seine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Zuerst war sie verblüfft, doch dann griff sie nach den Fingern, die sich auf ihrer Haut eisig kalt anfühlten. Dies mochte aber wahrscheinlich an den Minusgraden liegen. Er zog sie auf die Beine und ließ ihre Hand gleich wieder los. Anerkennend sah sie ihn an. Das war mehr als sie erwartet hatte. Vielleicht klappte es nun endlich mit der Zusammenarbeit. „Komm jetzt“, sagte er, dann griff er nach ihrer Kapuze und zog sie ihr über den Kopf, so wie sie es zuvor bei ihm getan hatte. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verließ den verbotenen Wald. Ginny folgte ihm, gespannt darauf, womit Draco sie noch alles überraschen würde. ~ Wenig später befanden sie sich wieder im Schloss. Ein Geheimgang hatte dabei geholfen, den Weg durch das Eingangstor zu vermeiden. Bald würde die Ausgangssperre ausgesprochen werden. Bis dahin sollten sie nicht mehr auf den Gängen herum laufen, denn dann würden die Auroren gezielter kontrollieren. Bisher waren sie niemandem begegnet. Anscheinend waren schon alle in ihren Gemeinschaftsräumen. Ginny hätte erwartet, dass der Slytherin sie in die Kerker führen würde, doch er machte ihr einen Strich durch die Rechnung, indem er die Treppe empor stieg. Dabei hatte sie sich schon auf ein dunkles, schauriges Kerkerzimmer vorbereitet, in dem er heimlich seine finsteren Pläne schmiedete. Malfoy jedoch ging immer weiter und schien gar nicht mehr stehen bleiben zu wollen. Er hatte so ein eiliges Tempo drauf, dass sie sich bemühen musste, Schritt zu halten. Schließlich waren sie in dem siebten und letzten Stock angekommen. Eigentlich gab es jetzt nur noch wenige Möglichkeiten. „Willst du auf den Astronomieturm?“, fragte Ginny und fröstelte bei dem Gedanken daran, schon wieder dieser kalten Luft ausgesetzt zu sein. Ihre Zehen waren dabei gerade erst wieder aufgetaut. „Nein wir sind gleich da.“ „Du treibst dich im siebten Stock herum? Muss ich mir etwas Sorgen machen?“, witzelte sie und staunte dann ein wenig, als Malfoy kurz über die Schulter blickte und ebenfalls schmunzelte. Hierbei handelte es sich zwar um eine sehr kurze Geste, dennoch machte es sie stutzig. Verwirrt zog sie die Augenbrauen zusammen. Dieses ehrliche Lächeln löste ein seltsames Gefühl in ihrer Magengegend aus. Bevor sie jedoch weiter darüber nachdenken konnte, blieben sie vor einer Wand stehen. Diese sah ebenso beliebig wie all die anderen Wände des Schlosses aus. Doch Ginny erkannte sie sofort. Sie musste sich nicht einmal umdrehen und sich davon überzeugen, dass dort der Wandteppich von Barnabas, dem Beklopptem, hing. Die Erinnerung an eine Begegnung im siebten Stock kehrte zurück. Wieso war sie nicht schon früher darauf gekommen? Während sie sprachlos vor der Wand stand, hinter der sich so viele Erinnerungen verbargen, konnte sie die Schritte von Malfoy hören. Wenig später veränderte die Wand sich, Linien erschienen, die sich fortlaufend über die Wand zogen, sich miteinander verbanden und die Umrisse einer Tür bildeten, die in nur wenigen Sekunden erschien, so, als wäre sie schon immer da gewesen. Die Tür zum Raum der Wünsche. Kapitel 16: Luck ---------------- Ginny saß mit den Beinen baumelnd auf einer alten Kommode, die ihre besten Tage längst hinter sich gelassen hatte. Die weiße Farbe war teilweise abgeblättert und die Griffe der Schubladen fehlten. Ihr Blick glitt über den endlosen Raum, der unzählbare Gegenstände beherbergte. In ihrem vierten Schuljahr hatte sie diesen magischen Raum kennen gelernt, der je nach Belieben desjenigen, der ihn zu benutzen verlangte, die Form des gewünschten Raumes annahm. Die DA, die Armee, der Ginny im letzten Schuljahr angehörte, hatte ebenfalls diesen Raum genutzt, um dort Treffen abzuhalten, Zaubersprüche zu erlernen und Duelle zu proben, da das Unterrichten im Verteidigung gegen dunkle Künste Unterricht alles andere war, als das, was sie gebrauchen konnten. Schon damals war der Raum der Wünsche groß und geräumig gewesen, doch nun hatte er eine gigantische Größe angenommen, die einer Kathedrale gleichkam. Wenn man im siebten Stock gegenüber von dem Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten stand, könnte man sich wohl kaum vorstellen, dass sich hinter dieser Wand ein derartiger Raum befand. All die Gegenstände, die sich hier ansammelten, waren wohl in den vergangenen Jahren dort zurückgelassen, versteckt oder vergessen worden. Und doch verschwanden diese Gegenstände wieder, wenn der Raum verlassen wurde und verschwanden im Nichts. Malfoy hatte Ginny hierher geführt mit dem Versprechen sie in seinen Plan einzuweihen und sie wartete schon gespannt darauf, worum es sich handeln mochte und vor allem, was diese übergroße Rumpelkammer damit zu tun hatte. Geduldig wartete sie und mittlerweile waren sie bestimmt schon seit zehn Minuten hier, doch anstatt endlich mit der Sprache herauszurücken stand der Slytherin ihr nur gegenüber und sah sich die vielen Habseligkeiten an. „Wolltest du mir nicht etwas zeigen, um mir zu beweisen, dass du es ernst meinst?“ Sie hatte die gleichen Worte benutzt wie er zuvor im Verbotenen Wald. „Du enttäuscht mich, Malfoy. Ich habe etwas Spannenderes erwartet.“ Demonstrativ ließ sie ihren Blick umher wandern. Endlich brach er sein Schweigen und sagte etwas völlig Unerwartetes. „Du hattest Recht, was... den dunklen Lord betrifft...“ Malfoy stand jetzt vor einem zwei Meter hohen Spiegel, dessen Scheibe von einer so dicken Staubschicht bedeckt war, dass das Spiegelbild nur noch einen verschwommenen Schatten wiedergab. Er hob die Hand und zeichnete mit dem Finger einige Linien in die Staubschicht, sodass es das Zeichen einer Schlange präsentierte. Sie ähnelte der Schlange auf dem Hauswappen von Slytherin. Verblüfft sah sie ihn an und wusste zuerst nicht recht was er meinte. Sein Blick verharrte auf dem Tier, welches er auf Augenhöhe hinterlassen hatte. „Er ist nur ein Halbblut.“ Seine Stimme klang gebrochen, so als würde es ihm grad selbst bewusst werden. Ginny erinnerte sich an den Tag, als sie Malfoy die Wahrheit über Voldemort an den Kopf geschmissen hatte, als sie sagte, er wäre nur ein Halbblut. Sie konnte sich noch genau an das empörte Gesicht des Blonden erinnern und den Zorn und seinen Widerwillen. Sie konnte verstehen, dass Draco diese Einsicht verwirrte. Man konnte nicht leugnen, dass es seltsam klang, wenn jemand Muggelgeborene, sowie Hexen und Zauberer unreinen Blutes verachtete und seinem Ideal der Reinblütigkeit selbst nicht entsprach. Ginny kannte Toms Familiengeschichte. Seine Mutter war eine Nachkommin Salazar Slytherins, eine Hexe von reinem Blut und hoher Abstammung. Sein Vater hingegen war nur ein einfacher Muggel, den Tom von ganzen Herzen gehasst hatte. Damals, als Tom ihr von seinem Muggelvater, erzählt hatte und sie in den Zeilen, die in dem Tagebuch erschienen, nichts anderes als Hass entziffern konnte, war es ihr unverständlich gewesen, so für jemanden - für ein Familienmitglied - zu empfinden. Tom hatte die Bindung zu seinen Muggelvorfahren getrennt und sich einen neuen Namen geschaffen. Anscheinend hatte Draco irgendwie davon erfahren. Egal woher er dieses Wissen bezogen hatte, es führte dazu, dass ein Malfoy zugab, dass eine Weasley Recht hatte. Mit der Hand wischte er über Slytherins Symbol und sah nun sich selbst in der freien Fläche, die sein Gesicht widerspiegelte. „Ändert das irgendwas?“, fragte sie. Malfoy drehte sich zu ihr um und antwortete nicht. Doch sein Blick sprach Bände. „Darf ich überhaupt darauf antworten?“ Er stellte eine Gegenfrage. „Wie wahrscheinlich ist es wohl, dass er – auch wenn er nicht wirklich präsent ist, wenn er sich dir zeigt – einen Teil seiner Magie besitzt? Immerhin ist er ein hervorragender Legilimentiker.“ Der Junge war nicht dumm. Er kannte die Durchschauungskünste des dunklen Lords, denen Ginny selbst schon zum Opfer gefallen war. Draco schien sich denken zu können, dass er durch Legilimentik alles erfahren würde, was er zu Ginny sagte. Also hielt er lieber den Mund. Ob er schon einmal in den Genuss eines Legilimens-Zaubers gekommen war? „Unvorstellbar, wie er es schafft, durch die Schutzzauber von Hogwarts zu kommen, nicht wahr?“, sagte sie. „Zwar schafft er es allein nur mit seinem Geist, dennoch ist es bemerkenswert. Selbst Hogwarts hat Lücken und er findet einen Weg, sie sich zu Nutze zu machen. Er ist einfach...“ Der Satz ging in einem Seufzen unter. Was sie für Tom empfand war unbeschreiblich. Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und dachte an das hübsche Gesicht, die schwarzen Haare, seine sinnlichen Lippen... Sie sah ihn im Geiste vor sich und sah die dunklen Augen, die wie endlose Tiefen wirkten und die den Anschein machten, als würden sie direkt in einen hinein sehen. „Er ist mächtig“, hauchte sie hingebungsvoll. „Er beherrscht die Magie, wie kein anderer. Er ist der mächtigste Zauberer, den die Welt je gesehen hat. Nicht nur durch Zaubersprüche kann er die Menschen verhexen, er schafft es allein durch seinen Willen. Wenn er etwas begehrt, kriegt er es auch. Die Menschen fügen sich ihm, weil sie ihm alle unterlegen sind und nicht gegen seine Macht ankommen. Niemand ist ihm gewachsen.“ Sie erinnerte sich an ihr erstes Schuljahr, wie sie zu seiner Marionette geworden war. Tom hatte sie Dinge tun lassen, die sie nie für möglich gehalten hätte und als er es nicht mehr schaffte, sie mit Worten dazu zu bringen, dass sie nach seinem Willen handelte, sorgte er mit aggressiveren Mitteln dafür. Im Tagebuch hatte nur ein Teil von ihm selbst gesteckt und doch hatte er es geschafft, sie zu kontrollieren, sie nachts umherwandern zu lassen, Botschaften an die Wände zu schreiben und die Kammer zu öffnen. Selbst heute hatte er sie noch unter Kontrolle und schaffte es mit einfachen Mitteln sie gefügig zu machen. „Viele fürchten ihn und die meisten dienen ihm nur aus Angst. Die wenigsten verstehen, dass er Großartiges vollbringt.“ Ginny war völlig hingerissen und ins Schwärmen geraten, aber alles, was sie sagte, war schließlich die Wahrheit. „Du solltest dich mal hören!“ Seine Stimme war kalt wie Eis. Ihre Stimmung sank augenblicklich als sie in Dracos aufgebrachtes Gesicht sah. „Du weißt gar nicht wovon du redest! Hast du ihn überhaupt schon einmal gesehen? Ich meine, so richtig gesehen und nicht dieses Abbild eines harmlosen Schülers! Ich rede von dem wirklichen Zauberer, der, von dem kaum noch etwas menschliches übrig ist!“ Sie erwiderte nichts darauf. Die Antwort war, dass sie Voldemort noch nicht in die Augen gesehen hatte. Sie kannte nur Tom Riddle. Gab es denn, abgesehen von dem Namen, einen Unterschied? Blieb die Persönlichkeit denn nicht dieselbe? „Du himmelst ein falsches Bild an! Es ist wie du sagtest, er kriegt mit seiner Macht jeden dazu für ihn zu arbeiten, nur dass du es noch aus freien Stücken tust!“ Malfoy schüchterte sie mit jedem weiteren Wort mehr ein. Selten hatte sie ihn so die Nerven verlieren sehen und niemals hätte sie angenommen, diese Worte aus seinem Munde zu hören. „Was verspricht er dir dafür?“ Wieder sagte sie nichts, sondern hatte die Lippen fest aufeinander gepresst. Niemals würde sie darauf antworten, denn damit würde sie ihr sehnlichstes Begehren offenbaren. „Ich weiß nicht, was du dir erhoffst, aber denke nicht, dass er sich mit so einer Göre wie dir lange herumplagen wird! Es gibt niemanden für den er sich interessiert, außer sich selbst! Du bist nur eine Spielfigur in seinem Spiel, um die Herrschaft über die Zaubererwelt zu erlangen! Genauso eine Spielfigur wie alle anderen, genauso wie ich auch! Austauschbar und unwichtig!“ Mit jedem Satz war er lauter geworden und untermalte seine Worte mit so einem Nachdruck, dass es ihr glatt die Sprache verschlug. Stumm sah er sie an und Ginny konnte seinem kritisierenden Blick nicht länger standhalten. Er hatte ja Recht. Er hatte schließlich schon die Bekanntschaft mit Voldemort gemacht und wusste nur zu gut über die Machenschaften Bescheid. Malfoy schien sich ziemlich aufgeregt zu haben. Seine Atmung ging heftig und um die Nase herum war er vor Wut leicht rosa. „Alles was du siehst, ist ein Geist,“, sagte er kurze Zeit später wieder ruhig und kontrolliert, „eine harmlose Erscheinung, die dir nichts tun kann.“ „Er würde mir nie etwas tun“, entgegnete sie sofort und klang dabei wie ein trotziges Kind. Was sie darauf zu sehen bekam, war ein mitleidiger Blick, aufgrund ihrer Naivität. „Was meinst du passiert, wenn es dir nicht gelingt, Potter umzulegen? Was ich im Übrigen stark annehme. Meinst du, er ist dann immer noch so gnädig?“ Ginny schauderte bei dem Gedanken an Toms schönes Gesicht, wutverzerrt zu einer Grimasse verunstaltet. Allein die Vorstellung machte ihr Angst. Sie wollte nicht, dass Tom böse auf sie war. „Du wirst dir wirklich etwas einfallen lassen müssen“, sagte Draco und sein Blick strahlte Mitgefühl aus, als würde er wissen, was sie erwartete. „Nicht nur weil Potter Felix Felicis besitzt.“ Die Worte klangen in ihren Ohren wider und die Rothaarige konnte nicht glauben, was sie da gehört hatte. Harry besaß Felix Felicis? “Ist das dein Ernst?”, fragte sie und hoffte auf einen schlechten Scherz, aber Malfoy nickte ernst. „Es reicht nicht, dass der Trottel der Überlebte nicht nur andauernd Glück hat, nein, jetzt hat er es auch noch in flüssiger Form, allzeit bereit in einem kleinen Flakon für unterwegs, wenn es mal brenzlig wird.“ Malfoy schüttelte entrüstet seinen Kopf. „Dabei hätte ich es so gut gebrauchen können“, murmelte er. Seine Reaktion war sehr gut nachzuvollziehen. Andauernd fiel dem Gryffindor alles in die Hände. „Aber... wo hat er es her?“ Und woher wusste ausgerechnet der Slytherin davon? „Von Slughorn. Er hat im Zaubertränke Unterricht einen einwandfreien Trank der lebenden Toten gebraut und Felix Felicis als Preis erhalten.“ „In Zaubertränke?“ „Ja, er war selbst besser als das Schlammblut! Jeder Squib hätte bemerkt, dass er geschummelt hat!“ Ginny zog grübelnd die Brauen zusammen. Malfoy hatte Recht. Harry war zwar keine Niete in Zaubertränke, dennoch gab es mit Sicherheit andere Schüler, die besser waren als er. Wie also hatte er es geschafft, Felix Felicis zu erhalten? War es Zufall oder tatsächlich Können? Und dann fiel der Knut. Das Buch! Am Anfang des Schuljahres hatte sie mitbekommen, dass Harry an ein Schulbuch gekommen war, in welchem Anweisungen einer Person standen. Sie wusste noch genau, wie sie damals die Ähnlichkeit mit Toms Tagebuch bemerkt hatte. Wohlmöglich war es ihm somit gelungen diesen Trank zu brauen. „Das ist doch ungerecht“, sagte sie frustriert, obwohl Jammern sehr untypisch für sie war. Es machte sie einfach wahnsinnig, wie es ihm andauernd gelang an irgendwelche Trümpfe zu gelangen. Natürlich musste der Trank erst getrunken werden, um zu wahrem Glück zu verhelfen, doch wer wusste schon, wann dieser Moment käme? Sie konnte nur eins tun: Ihn schwächen und das hieß ihm Felix Felicis abzunehmen! „Ich werde es ihm entwenden“, sprach sie ihren Entschluss laut aus und schlug mit der Faust in die offene Handfläche der anderen Hand. „Aha“, sagte Malfoy langgezogen. „Sag mir bescheid, wenn du es hast, dann kannst du mir ein paar Tröpfchen abgeben.“ Er schüttelte über ihre Naivität den Kopf und Ginny wusste, auch wenn Malfoy daran zweifelte, es würde ihr gelingen, wenn sie es richtig anstellte. Es war mal wieder eine gute Gelegenheit in Harrys persönlichem Eigentum herumzuwühlen. Das flüssige Glück würde sie ihm schon noch stibitzen können. Ansonsten hatte sie keine Chance, ihm auch nur ein Haar zu krümmen. Nun musste sie nur noch die richtige Gelegenheit finden. „Wann ist wieder der Apparierkurs?“, fragte sie. Alle Sechstklässler lernten gerade zu apparieren, das bedeutete, dass für eine Weile die Schlafsäle der Jahrgangsstufe über ihr leer blieben. „Du meinst das ernst“, sagte er und es glich eher einer Feststellung als einer Frage. Eine Weile schwieg er, die Arme vor der Brust verschränkt und mit einem grübelndem Blick. „Der nächste Kurs ist am Mittwoch.“ Ginny grinste ihn an. „Vielen Dank für die Auskunft.“ Die grauen Augen fixierten sie immer noch. Draco schien abzuschätzen, ob es ihr zuzutrauen war. „Du überrascht mich immer wieder.“ „Es gibt einiges von mir, dass dich überraschen würde.“ Sie legte den Kopf schief und einige Sekunden lang sahen sie sich einfach nur an. Wenn sie so darüber nachdachte, dann war der Junge vor ihr der Einzige, der wirklich über sie Bescheid wusste. Er kannte ihre Aufgabe und er war es, mit dem sie sich darüber unterhalten konnte. Wer hätte schon gedacht, dass sie einmal eine Verbindung zu Draco Malfoy haben würde? Dass sie einander heimlich trafen, sich austauschten, Sachen einander anvertrauten, die sonst niemand wissen durfte? Wie würde es weitergehen? Würden sie gemeinsam den Weg der dunklen Seite gehen? Draco spielte plötzlich eine Rolle in ihrem Leben, vom Schicksal dazu bestimmt. Angefangen hatte es damit, dass sie ihn unterstützen und ein Auge auf ihn haben sollte und mittlerweile hatte sie sich diese Aufgabe zu Herzen genommen, denn wie der Malfoyerbe schon sagte, man sollte es sich nicht mit dem dunklen Lord verscherzen. Ginny wusste, dass ein Scheitern nicht ungestraft blieb. Und sie wollte nicht, dass ihm so ein Schicksal widerfuhr. Die Person, die gerade ihre Gedanken einnahm, hatte sich längst wieder abgewandt und betrachtete gedankenverloren das Möbelstück, das in ihrer Nähe stand. „Was ist das für ein Schrank?“, fragte sie, da ihr nicht entgangen war, dass dieses Objekt die meiste Aufmerksamkeit von ihm forderte. „Was ist da drin?“ „Nichts“, antwortete er knapp und ließ mit einem Schwenk seines Zauberstabs die Türen öffnen. Es war, wie er gesagt hatte: der Innenraum war leer. Ginny fragte sich, wozu er mal gebraucht worden war und was man darin wohl unterbringen konnte. „Willst du darin deine Schrumpfköpfe aufbewahren?“, kicherte sie. „Die habe ich alle daheim“, murmelte er abwesend, während er die Tür wieder schloss, die Arme vor der Brust verschränkte und das Kabinett grübelnd betrachtete. Ginny rutschte von ihrer Kommode herunter und näherte sich dem schwarz-goldenen Schrank, um ihn aus der Nähe betrachten zu können. Er sah ein wenig heruntergekommen aus, aber früher war er bestimmt sehr schön gewesen. Ginny sah zu Draco, der neben ihr stand und so wie er das Objekt betrachtete, schien er etwas darüber zu wissen. „Verrat’ mir sein Geheimnis“, hauchte sie in einem mysteriösen Tonfall. Draco hob fragend eine Augenbraue. „Was meinst du?“ „Er hat bestimmt ein Geheimnis!“ Sie stellte sich zwischen ihn und den Schrank, breitete die Arme aus und drehte sich einmal um sich selbst. „Jedes Ding hier hat möglicherweise eine spannende Geschichte zu erzählen.“ Sie sah die meterhoch gestapelten Sachen, hinter denen sich vielleicht Kostbarkeiten verbargen. Wer weiß, vielleicht waren hier einige Schätze versteckt? In ihrer Fantasie malte sie sich die zauberhaftesten Sachen aus, der Slytherin sah jedoch nur skeptisch drein und schnaubte. „Tz, das ist alles Müll, Weasley. Abfall und Schrott.“ Er kickte gegen einen ramponierten Garderobenständer, der neben ihm stand und nun gefährlich ins Schwanken geriet. „Vielleicht findest du ja etwas Nützliches, das du deiner Familie mitbringen kannst.“ Da war er wieder, der spöttische Ton und der Ansatz eines höhnischen Lächelns um seine Mundwinkel, welches so oft seine Gesichtzüge schmückte, wenn er jemanden beleidigte. Die Beschimpfung ging jedoch an ihr vorbei, da ihr gerade etwas anderes in den Sinn kam, als er ihren Nachnamen nannte. Etwas, dass ihn mehr verletzen würde, als eine plumpe Beleidigung, wie er sie oft gebrauchte: Die Wahrheit. Angriffslustig stemmte sie die Hände in die Hüften. „Sind wir wieder bei Weasley?“, fragte sie. „Vorhin hast du mich aber noch Ginny genannt.“ Sie beobachtete seinen ertappten Gesichtsausdruck mit Zufriedenheit. Als er sie im Verbotenen Wald angesprochen hatte, war es ihr gar nicht aufgefallen. Doch nun drang es wieder an ihr Bewusstsein und nach seiner Mimik her zu urteilen hatte sie sich nicht verhört. „Du träumst wohl“, versuchte er zu kontern. „Ich habe es klar und deutlich gehört.“ Feixend sah sie ihn von der Seite an, ergötzte sich an seinem gequälten Gesicht. Kurzerhand packte er sie an den Schultern und schob sie in den Schrank. Völlig überrumpelt ließ sie es geschehen und registrierte nur noch, wie alles um sie herum schwarz wurde, als er die Türen verschloss. „Hey!“, Ginny hämmerte mit den Fäusten gegen die Türen. „Sag mal spinnst du? Lass mich hier wieder raus! MALFOY!“ Sie versuchte die Tür zu öffnen, doch es gelang ihr nicht, egal wie sehr sie dagegen drückte. Als sie aufgab und nach Geräuschen lauschte, vernahm sie nur Stille. Auch von draußen war nichts zu hören. War Malfoy schon fort? Er würde sie doch nicht etwa hier zurücklassen? Ginny versuchte sich in der Enge umzudrehen, doch großartig bewegen konnte sie sich nicht. Nach einigen Sekunden, als sie gerade nach ihrem Zauberstab greifen wollte, öffnete sich langsam die Tür. Gedämpftes Licht drang zu ihr hindurch und das Erste was sie sah, war Malfoys blasses Gesicht, dass vorsichtig hineinlugte und enttäuscht wirkte, als er sie ansah. Als hätte er erwartet, etwas anderes zu sehen. Ginny reagierte sofort und riss die Türen auf, trat hinaus und ging um Malfoy herum, sodass er nun zwischen ihr und diesem merkwürdigen Schrank stand und er nicht noch einmal die Gelegenheit bekam sie dort einzusperren. „Was sollte das?“, keifte sie gereizt. „Machst du das, wenn du jemanden loswerden willst? Du steckst mich einfach in einen Schrank! Unglaublich! Was hast du gehofft? Ich würde verschwinden?“ Ginny hatte sich in Rage geredet und ihre Gedanken einfach laut ausgesprochen ohne darüber nachzudenken. Seine Antwort darauf überraschte sie aber. „Wäre möglich.“ Ginny sah ihn ungläubig an, da sie mit dieser Antwort nicht gerechnet hatte. Schließlich war es unmöglich, dass man einfach so verschwand und sich in Nichts auflöste. „Montague ist im letzten Jahr darin verschwunden.“ Malfoy sprach in einem Ton, als würde er über das Wetter reden. „Was!?“ Ginny wirbelte herum und sah zu diesem großen Schrank hinauf, der nun auf einmal viel größer und bedrohlicher wirkte. Montague ... verschwunden ... Und dann kam die Erkenntnis! Fred und George hatten Montague letztes Jahr in ein Verschwindekabinett gesteckt, dass wusste sie. Der Slytherin war wenig später völlig verwirrt wieder aufgetaucht und lag wochenlang im Krankenflügel. Wenn Malfoy die Wahrheit sagte und es sich bei diesem Ding um das besagte Verschwindekabinett handelte, dann hätte sie um ein Haar das gleiche Schicksal erlitten wie Montague und wäre wer weiß wo gelandet. „Du mieser Flubberwurm!" Mit erhobenem Zauberstab drehte sie sich um, aus seiner Spitze stoben rote Funken. Malfoy wollte ebenfalls seinen Stab ziehen, doch Ginny hatte ihn im nächsten Augenblick schon entwaffnet. Der Stab fiel mehrere Meter entfernt klackernd zu Boden. „Was bildest du dir ein?!“ „Reg dich ab!“ Malfoy hielt entschuldigend die Hände vor sich. Seine Stimme war nicht nur nervös, sondern beinahe schon panisch. „Das Ding funktioniert doch gar nicht! Wirklich! Es ist kaputt!“ „Ich will kein Wort mehr hören! Langlock!“ Augenblicklich verstummte der Slytherin, da ihm nun die Zunge am Gaumen kleben blieb. Er schlug sich die Hand vor den Mund und brummte etwas, doch sprechen konnte er jetzt nicht mehr. „Ich habe genug von dir!“, spie sie ihm entgegen. Sein Augen funkelten voller Zorn angesichts dieser Demütigung. Er biss die Zähne zusammen, die Wangenknochen stachen deutlich hervor und seine Atmung beschleunigte sich. Immer wieder schielte er zu seinem Zauberstab und schien die Entfernung abzuschätzen. „Wenn du willst, das ich verschwinde, dann will ich dir diesen Wunsch erfüllen“, sagte sie nicht weniger erzürnt. „Ich verschwinde.“ Mit erhobenem Haupt schritt sie an ihm vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Sie bahnte sich einen Weg durch den angehäuften Plunder, der sie momentan nicht interessierte. Sie wollte nur noch hinaus aus diesem Raum, weg von diesem verlogenen Drecksack, und fand den Ausgang schließlich nach einer Weile. Ginny tadelte sich in Gedanken selbst. Was hatte sie denn erwartet? Jedes Mal bewies Malfoy ihr aufs Neue, dass eine Zusammenarbeit nicht funktionierte, dass sie von ihm nicht erwünscht war. Auf dem Weg zurück zum Gemeinschaftsraum vergaß sie sogar, dass die Ausgangssperre längst ausgesprochen war. Die wenigen Meter die sie unentdeckt überbrückte, verwünschte sie den Slytherin mit den schlimmsten Schimpfwörtern die sie kannte, für die ihre Mutter ihr mit Sicherheit Hausarrest aufgebrummt hätte. Dieses mal hatte er es eindeutig zu weit getrieben! Ginny kochte vor Wut und Empörung, doch ein winziger Teil in ihr musste sich eingestehen, dass sie auch noch etwas anderes verspürte: Es war Enttäuschung. Mit der Zeit hatte sie sich an den Blonden gewöhnt, schließlich gab es doch gewisse Gemeinsamkeiten, welche die beiden miteinander verbanden. Sie fühlte sich vor den Kopf gestoßen und hatte ihre Zeit und Energie sinnlos verschwendet, währenddessen sie sich doch eigentlich um andere Aufgaben Gedanken machen musste. Aber das war jetzt vorbei. Sie hatte nun einen neuen Plan und der bestand darin, Harry Potter ein wenig von seinem Glück zu nehmen um ihrem eigenen ein wenig nachzuhelfen. ~ Die untergehende Sonne schien durch die Fenster des Gryffindorturms und hüllte den Gemeinschaftsraum in ein orangerotes Licht. Schüler saßen an den Tischen und erledigten ihre Hausaufgaben, spielten Zauberschach oder saßen gemütlich beisammen. Der allgemeine Unterricht war vorbei und für die meisten Schüler war dies wohl die beste Zeit des Tages. Die Sechstklässler unter ihnen konnten die freie Zeit jedoch noch nicht genießen, denn heute mussten sie wieder zum Apparierkurs, der in der großen Halle statt fand. Heute war Mittwoch. Der Tag, auf den sie gewartet hatte. Ginny saß am Ende des Raumes in der Nähe der Treppen und gab vor in einem Buch zu lesen. Tief in den roten Polstern versunken beobachtete sie, wie die Schüler aus dem Jahrgang über ihr sich versammelten um gemeinsam in die große Halle zu gehen, während andere schon voraus gegangen waren. In mehreren Grüppchen gingen die Jungen und Mädchen durch das Portrait. Gerade verließen Dean Thomas und Seamus Finnigan mit zwei weiteren Jungen den Ausgang. Und vor einigen Minuten hatte sie gesehen, wie Neville ebenfalls gegangen war. Somit fehlten nur noch zwei, um die Liste der Jungen aus Harrys Schlafsaal komplett zu machen. Sie musste sichergehen, dass wirklich alle nicht mehr anwesend waren, denn wenn auch nur einer sehen würde, wie sie unerlaubt den Schlafsaal betrat, gäbe es eine Menge Ärger. Parvati Patil und Lavender Brown tänzelten nun an ihr vorbei und Ginny wunderte sich darüber, diese Kichererbse Brown mal nicht an dem Arm ihres Bruders hängend zu sehen. „Die Prüfung ist bereits im April! Ich kann es kaum noch erwarten bis ich endlich apparieren darf!“, seufzte Lavender. „Vorausgesetzt du schaffst es“, sagte Parvati. „Aber natürlich schaffe ich es. Wär’ ja total peinlich, wenn man durchfällt! Stell dir das mal vor!“ „Ach, viel schlimmer ist es, wenn man zersplintert! Weißt du noch was Susan Bones passiert ist?“ „Urgh! Erinnere mich nicht daran!“ Die beiden Mädchen gingen auf das Portraitloch zu und Ginny fragte sich, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn man zersplinterte, bis sie sah, wie Ron und Harry die Treppen herunter gestiegen kamen. Ginnys Blick verhärtete sich als ihr Blick auf den Brillenträger fiel. Wie konnte jemand nur so ein unverschämtes Glück haben und an ein Fläschchen von Felix Felicis gelangen? Unwillkürlich musste sie schmunzeln, bei diesem Wortspiel. Hermine war nicht mit dabei. Seitdem Ron mit Lavender ging, sah man das Trio nicht mehr zusammen. Beim Vorbeigehen winkte ihr Ron kurz zu. Sie erwiderte diese Geste mit einem Nicken und behielt sie im Auge, bis die zwei den Gemeinschaftsraum verließen. Mit ihnen waren nun alle Sechstklässler fort. Sofort klappte sie das Buch in ihren Händen zu und erhob sich. Unbeachtet lies sie es einfach liegen. Niemand bemerkte, dass Ginny Weasley die falsche Treppe zu den Schlafsälen emporstieg. Anstatt die Treppe zu wählen, die den Weg zu den Mädchenschlafsälen wies, betrat sie die, die zu den Jungen führte. Merlin sei Dank, war es den Mädchen erlaubt, diese Treppen zu besteigen, während es andersherum nicht der Fall war. Rasch ließ sie die Stufen hinter sich und näherte sich der Tür, hinter der die Betten der Jungen der sechsten Klasse lagen und legte die Hand auf den Knauf. Sie verspürte keine Nervosität. Es bestand keine Sorge, alle Sechstklässler waren fort. Aufregung war unangebracht, denn dies sorgte in solchen Situation meist für Fehler. Ihr blieb vermutlich eine Stunde. Das sollte genügen. Ginny warf einen letzten Blick zu den Schülern im Gemeinschaftsraum, doch alle Anwesenden schienen mit sich selbst beschäftigt zu sein und bemerkten die Rothaarige nicht. Ginny zog ihren Zauberstab und öffnete mit einem Alohomora die Tür. Flink betrat sie das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich, in der Hoffnung, in diesen vier Wänden ein wenig Glück zu finden. Nur wenige Minuten später sah der Schlafsaal nicht mehr aus wie zuvor. Ginny durchwühlte alles, was als Versteck dienen konnte: Kleiderschrank, Nachtschrank, das Bett und zuletzt der Koffer. Ginny durchstöberte Harrys privates Eigentum und hatte bis auf Kleidung und Schulutensilien, Federkiele und Pergament nichts gefunden. Die Suche nach dem Trank blieb erfolglos. Die Gegenstände, die ihr bei ihrer Durchsuchung in die Finger kamen, warf sie achtlos hinter sich, sodass Harrys Habseligkeiten auf dem Boden verstreut lagen. Ginny fühlte sich in ihr erstes Schuljahr zurück erinnert. Schon damals hatte sie dieses Zimmer durchstöbert um Toms Tagebuch aus Harrys Besitzt zurück zu holen. Auf dem Boden kniend zog sie den schweren Koffer unter dem Bett hervor, öffnete ihn und bekam eine Ladung an Kleidung in die Hände. Wo war dieser verfluchte Trank? Weit und breit gab es keine Spur! Der Koffer war ihre letzte Möglichkeit. Beinahe alles hatte sie schon herausgenommen, bis zum Schluss nur noch ein paar zusammengerollte Socken auf dem Boden zurück blieben. Verdammter Doxymist! Konnte es sein, dass Harry den Trank bei sich trug? Oder hatte er ihn längst aufgebraucht? Ginny versuchte sich an irgendetwas Heldenhaftes zu erinnern, dass der Gryffindor in der letzten Zeit vollbracht und dazu Felix Felicis gebraucht haben konnte, doch ihr fiel nichts Nennenswertes ein. Mit einem Schwenk ihres Zauberstabes fingen die herumliegenden Sachen an sich zu bewegen. Sie flogen wieder an die Stelle zurück, an der sie vorher gelegen hatte. An Ginny flog Im Angesicht des Gesichtslosen vorbei, ein Schulumhang und einige zerbröselte Eulenkekse für Hedwig, die sich in der Luft wieder zusammensetzten. In nur wenigen Sekunden sah das Zimmer wieder so aufgeräumt aus, wie zuvor. Niemand würde bemerken, dass sie hier gewesen war. Mit ihrem Misserfolg wollte sie sich jedoch nicht zufrieden geben. Wenn eine einfache Suche nicht half, dann musste sie eben einen Aufrufezauber benutzen. Gerade als sie ihren Stab ziehen wollte, hörte sie ein Geräusch hinter sich, dass sie zusammenfahren ließ. Als sie sich umdrehte, sah sie jemanden, der das Zimmer betrat und überrascht in der Bewegung innehielt, als er feststellte, dass der Schlafsaal nicht leer war, so wie er eigentlich sein sollte. Versteinert blieb sie stehen und starrte in grüne Augen, die sie zuerst verwirrt ansahen, dann wütend. Beide zückten gleichzeitig ihren Zauberstab... Kapitel 17: Doubt ----------------- Gerade als sie ihren Stab ziehen wollte, hörte sie ein Geräusch hinter sich, dass sie zusammenfahren ließ. Als sie sich umdrehte, sah sie jemanden, der das Zimmer betrat und überrascht in der Bewegung innehielt, als er feststellte, dass der Schlafsaal nicht leer war, so wie er eigentlich sein sollte. Versteinert blieb sie stehen und starrte in grüne Augen, die sie zuerst verwirrt ansahen, dann wütend. Beide zückten gleichzeitig ihren Zauberstab... ~ „Impedimenta!“ „Expelliarmus!“ Die beiden Zaubersprüche prallten gegeneinander und ein Meer an roten Funken verstreute sich in alle Richtungen. Ginny hob den Zauberstab, bereit zum nächsten Angriff, doch bevor sie überhaupt den Mund öffnen konnte, um den Spruch aufzusagen, sprach ihr Widersacher seinen Entwaffnungszauber erneut und sie spürte wie ihr der Zauberstab mitten in der Bewegung aus der Hand gerissen wurde. In hohem Bogen flog er davon, ihre einzige Waffe womit sie sich hätte verteidigen können. Starr blickte sie auf Harry und sah nur aus den Augenwinkeln wo ihr Zauberstab landete. Wieso war der Kerl hier? Er durfte zu diesem Zeitpunkt nicht hier sein! Er sollte wie alle anderen Sechstklässler bei dem Apparierkurs sein! Sie hatte sich davon überzeugt, dass er den Gemeinschaftsraum verlassen hatte! Wieso also bei Merlins Bart war er hier? Panisch überlegte sie wie sie sich aus dieser Situation retten konnte. Doch sie sah keinen Ausweg, denn genau dieser wurde von dem Schwarzhaarigen versperrt. Aus dieser Situation sah sie keine Möglichkeit mehr wieder heraus zu kommen. „Ginny?!“ Sein Blick war fragend und auch ein wenig verwirrt. Doch in seinen Augen konnte sie ebenso das Misstrauen sehen. Die Antipathie die sich zwischen den beiden einstigen Freunden aufgebaut hatte war auch ihm bewusst und er wäre ein Narr, anzunehmen dass ihr Auftauchen lediglich ein Versehen war. Seine Bewegungen waren vorsichtig und er hielt den Stab weiterhin auf sie gerichtet. „Was tust du hier?!” Ginny schwieg. Seine Augen wanderten durch das Zimmer. In nur einem einzigen Augenblick verschaffte er sich Übersicht über die Situation, doch in diesem Zimmer sah alles so aus wie es zuvor verlassen wurde. Kurz bevor er es betreten hatte, hatte Ginny es mit einem Zauber wieder geordnet. Wäre er einige Minuten früher gekommen, hätte er einen verwüsteten Schlafsaal aufgefunden und ein in seinem persönlichem Eigentum wühlendem Mädchen. So aber gab es keine Beweise dafür, dass sie hier etwas angestellt hatte. Ihre Augen suchten nach ihrem Zauberstab. Er lag etwa zwei Meter entfernt auf dem Boden und lag halb unter einem der Schlafbetten. Wenn sie nur schnell genug wäre ... Harry ließ sie keinen Moment aus den Augen. Selbst wenn sie versuchen würde wieder an den Zauberstab zu kommen, hätte er sie geschockt, noch bevor sie an ihn ran gekommen wäre. „Was wolltest du hier? Die Karte des Rumtreibers? Meinen Tarnumhang?“ Ginny blieb immer noch stumm. „Oder hast du es wieder auf eines meiner Bücher angelegt?“ Weder noch, dachte sie bei der Anspielung auf Tom Riddles Tagebuch, welches sie ihm vor vier Jahren entwendet hatte. Als Zwölfjährige war sie wenigstens erfolgreich gewesen, dachte sie spöttisch. Doch diese Mal ging es nicht um ein Buch. Das lädierte Schulbuch irgendeines Prinzen, für dass Potter sich so sehr begeisterte, interessierte sie nicht. Das konnte er liebend gern behalten. „Was ist nur los mit dir?“, fragte er und der enttäuschte Unterton, der in seiner Stimme mitschwang ließ ihr einen Schauer den Rücken hinunter fahren. „Ich erkenn dich gar nicht mehr wieder.“ „Sei still!“ fuhr sie ihn an. „Du weißt gar nichts über mich!“ Er sprach als würde er sie kennen, als würde er sich um sie sorgen, doch das tat er nicht. Sie war ihm doch völlig egal! Konnte er nicht einfach den Mund halten? Ihr wäre ein Fluch lieber als dieser mitleidige Blick, mit dem er sie bedachte. „Ich verstehe das nicht. Ich habe dir nie etwas getan.“ Ginny lachte höhnisch auf. „Ach nein? Nun, da bin ich wohl anderer Ansicht.“ Überrascht sah er sie an und genau diesen Moment nutzte sie aus. Sie machte einen Satz nach vorne und griff nach ihrem Stab. In dem Moment, als sie erneut auf den Gryffindor zielen wollte, drang eine Stimme an ihre Ohren, die sie daran hinderte, ihm einen Unverzeihlichen entgegen zu schmettern. „Harry, wo bleibst du denn so lange?“ Ginny stockte der Atem als sie die Stimme erkannte und es dauerte nur wenige Sekunden bis das zugehörige Gesicht um die Ecke lugte. Es war über und über mit Sommersprossen bedeckt. „Man ich warte schon seit... Ginny?“ Verdutzt sah Ron sie an. Seine Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen. „Was hast du in unserem Schlafsaal zu suchen?“ „Das würde ich auch gern wissen“, sagte Harry grimmig an seiner Seite. Rons Blick blieb an ihrem Zauberstab haften und auf seiner Stirn bildeten sich Sorgenfalten. „Duelliert ihr euch etwa?!“ fragte er entsetzt Resignierend schloss Ginny die Augen. Hätte sie doch bloß Felix Felicis gefunden, dann wäre sie nicht in diese Situation geraten, sondern wäre längst wieder in ihrem gemütlichen Bett in ihrem Schlafsaal und könnte Tom von ihrem Erfolg berichten. Die Realität sah leider anders aus. Ertappt und gestellt von Harry, dem es ein leichtes gewesen war sie zu entwaffnen. Niemand konnte es ihr verübeln, schließlich war das Entwaffnen wie jeder wusste Potters Spezialgebiet. Doch das jetzt auch noch Ron auftauchen musste brachte sie so völlig aus dem Konzept. Ihn wollte sie nicht in die Sache mit hineinziehen. Unwillkürlich ließ sie den Zauberstab sinken. „Was soll das alles? Ich verstehe das nicht.“ Besorgt huschten seine Augen zwischen seiner kleinen Schwester und seinem besten Freund hin und her. „Misch dich nicht ein, Ron. Das ist eine Sache zwischen ihm und mir.“ „Aber ihr seid doch Freunde“, empörte sich Ron. Ginny schnaubte verächtlich und Harry zielte erneut mit seinem Zauberstab. Von wegen Freunde. Diese Zeiten waren längst vorbei. „Alter, das ist meine Schwester auf die du deinen Zauberstab richtest!“ Ron zerrte an Harrys rechtem Arm, sodass der Stab nun nicht mehr auf Ginny sondern auf den Boden zielte. „Sie wollte mich angreifen!“, entrüstete sich der Schwarzhaarige und befreite sich aus Rons Griff. „Ich habe mich nur verteidigt.“ Als er erneut auf Ginny zielen wollte stellte Ron sich wütend zwischen die beiden Streitsüchtigen. „Ich warne dich! Ziel’ nicht mit dem Ding auf meine Schwester!“ Anschließend wandte er sich an Ginny, ergriff ihren Oberarm und schob sie aus dem Schlafsaal. „Du verschwindest jetzt am besten.“ Ginny wollte protestieren, doch seine Mimik zerschlug jeden Wiederstand. Noch nie hatte sie ihn so ernst gesehen. „Wir unterhalten uns später“, knirschte er zwischen zusammengebissenen Zähnen und das letzte was sie sah, bevor er die Tür zu schlug, waren die misstrauischen grünen Augen von Harry Potter. ~ Tom! Tom, ich habe es vermasselt! Er weiß es! Beruhige dich, Liebes. Deine Schrift ist so unordentlich das ich sie kaum lesen kann. Er weiß es! Wer? Harry! Er hat mich erwischt! Erzähl von Anfang an. Harry ist im Besitz von Felix Felicis. Ich habe einen günstigen Moment abgewartet um es zu stehlen. Die Sechstklässler gingen zum Apparierkurs. Ich versicherte mich das er fort ging. Danach habe ich mich in seinen Schlafsaal geschlichen und habe den Trank gesucht. Ich konnte ihn aber nicht finden! Er muss ihn bei sich tragen. Und dann – gerade als ich mich davon schleichen wollte – kam er zurück und hat mich erwischt! Oh, wäre ich nur eine Minute früher gegangen! Was ist dann geschehen? Ich wollte ihn lähmen, aber er hat mich entwaffnet. Und dann? Was hast du getan? Nichts. Ohne meinen Zauberstab konnte ich nichts tun. Wie bist du dann aus dieser Situation entkommen? Ron kam dazu. Er hat sich zwischen uns gestellt und ich konnte entkommen. Du bist geflohen? Ich hätte dich nie so feige eingeschätzt. Einfach wegzurennen, wie ein verscheuchtes Reh, das sieht dir gar nicht ähnlich. Ich bin nicht feige! Ich empfand es nur der Situation angemessen. Aha. Verrate mir eines, Ginevra. Was ist unser Ziel? ... Harry Potter beseitigen. Richtig. Seit Monaten versuchst du es nun schon und dann ergibt sich die Gelegenheit, in der du ihm begegnest, völlig allein wie du sagtest, und wenn nicht dann, wann sonst würde es eine geeignetere Möglichkeit geben um ihn gnadenlos umzubringen? Niemand wäre dort gewesen. Niemand hätte dich gesehen, wenn du schnell gewesen wärst. Also sag mir, aus welchem Grund bist du gescheitert? Ich hatte keine Chance gegen ihn. Lüge. Er hat mich entwaffnet! Es ging alles viel zu schnell! Er hat mich überrascht. Er sollte doch auch gar nicht da sein. Ausreden... Weißt du was ich in dir sehe, Ginevra? Etwas, das du bislang noch nicht erkennst? Was, Tom? Ich sehe Zweifel. ... Wieso sonst solltest du nicht gegen ihn gekämpft haben? ... Du irrst. Das möchte ich für dich hoffen. Du solltest mich lieber nicht enttäuschen. ... Gute Nacht, Ginevra. ~ In den folgenden Tagen versuchte Ginny sich so gut wie möglich zurückzuziehen. Leider befand sie sich nun einmal in einer Schule. In Hogwarts gab es selten Gelegenheiten für sich allein zu sein. In den Gemeinschaftsräumen waren Schüler anwesend, sowie auf den Fluren, den Klassenräumen, der großen Halle oder der Bibliothek. Es gab kein freies Plätzchen, denn die jungen Hexen und Zauberer mussten sich nicht nur die Schlafräume teilen, sondern auch die Toiletten und Duschen. Draußen auf den Ländereien konnte man ebenfalls nicht ungestört sein. Die jüngeren Schüler kamen an die frische Luft um zu spielen und sich vom Schulstress abzulenken, während diejenigen in den höheren Jahrgangsstufen einen angenehmeren Platz als den überfüllten Gemeinschaftsraum zum Lernen aufsuchten. Noch dazu kam dass die junge Weasley im Quidditchteam ihres Hauses war und dieses pflegte ein regelmäßiges Training wahrzunehmen. Das nächste war bereits in der nächsten Woche angesetzt. Ron hatte seit dem Vorfall versucht mit ihr zu reden, doch bisher war es ihr geglückt ihm aus dem Weg zu gehen. Zum gemeinschaftlichen Essen ging sie erst wenn die meisten Schüler fort waren oder sie ließ es ganz ausfallen. Und jedes mal wenn sie einen roten Haarschopf auf dem Flur sah, der dem ihrigen so sehr ähnelte, schlug sie einen Umweg ein. Ich verstecke mich vor meinem eigenen Bruder. Ginny las die Wörter die sie geschrieben hatte und schüttelte innerlich den Kopf darüber, wie absurd das klang. Dies alles hatte eine Wendung genommen, wie sie es sich nicht erhofft hatte. Sie hatte einen gewaltigen Schritt zurück gemacht und ihr schien alles nur noch komplizierter als zuvor Es kommt mir so vor, als würde ich verfolgt werden. Sie legte die Feder nieder und sah auf. In den Reihen vor ihr saßen die Schüler und folgten aufmerksam den Worten von Professor McGonagall. Bald standen die ZAG’s für die Fünftklässler an und inzwischen herrschte eine Zeit des Lernens. Ginny folgte nur halbherzig dem Unterricht, der eh nur eine Wiederholung der Theorie war. Das könnte sie auch später nachholen, wenn sie gewollt hätte. Sie saß in der letzten Reihe des Klassenzimmers für Verwandlung und unter ihrem Pergament, welches lediglich zur Tarnung diente, lag das Tagebuch. Für mich ist es nur noch schwieriger. Schwierig, aber nicht unmöglich. Diese Worte brachten keinerlei Ermutigung. Ginny musste sich etwas einfallen lassen, aber ihr rannte die Zeit davon! Felix Felicis befand sich immer noch in Harrys Besitz und sie musste einen Weg finden, Harry umzubringen, und das in Hogwarts, dem sichersten Ort den man sich vorstellen konnte. Wie sollte man jagen, wenn der Gejagte bereits mit einem Angriff rechnete und man nicht die Chance auf einen unvorsichtigen Moment ausnutzen konnte? Aber jetzt ahnt er, dass ich etwas plane. Er weiß, dass ich etwas gesucht habe. Aber er weiß nicht das er dein Ziel ist. Nein... Dennoch wird er mich ab jetzt nicht mehr aus den Augen lassen. Er wird vorsichtiger sein und ich werde keine Chance mehr bekommen es zu tun. Nun, die Schuld liegt bei dir. Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Diese Worte zu lesen war hart. Aber sie hatte es ja verdient. Tom lag richtig. Es war ihre eigene Unvorsichtigkeit, die ihr das eingebrockt hatte. Beinahe hättest du alles zunichte gemacht. Du kannst von Glück reden, dass Potter nicht augenblicklich zu einem Lehrer rennt und diesen Vorfall meldet. Augenblick legte sich ihr Blick auf Minerva McGonagall, die gerade einige Fragen der Schüler beantwortete. Sei stets vorsichtig und gebe ihnen keinen Anlass diesem Ereignis mehr Beachtung zu schenken als notwendig ist. Vermeide jede Art von Aufmerksamkeit und hüte das Tagebuch. Ich trage es ständig bei mir. Niemand wird es finden. Dafür sorge ich. Für diesen Fall schütze sie das Tagebuch in dem sie es klein hexte und meist in ihrer Umhang- oder Rocktasche verstaute, sodass sie es an ihrem Körper bei sich trug. Zusätzlich wendete sie den Zauberspruch Flagrante an. Wenn jemand außer ihr dieses Buch anfassen würde, finge es an heiß zu glühen und würde somit unberührbar. Bei einem nächsten Fehler wird dich niemand retten können. Es wird keine Fehler mehr geben! Ginny spürte eine enorme Entschlossenheit in sich. Sie würde es tun und sie würde nicht scheitern! Ihre Taten würden ungeheure Folgen mit sich bringen und sich kräftig auf die Zukunft auswirken. Wenn es ihr gelänge, den Helden der Zaubererwelt, auf den die Bevölkerung ihre Hoffnung legte, zu töten, würde sie der dunklen Seite eine Tür öffnen und damit das Schicksal vieler Menschen besiegeln. Als die Lehrerin den Unterricht beendete, klappte Ginny das Buch zu und verstaute es zusammen mit ihren Schreibsachen und dem Schulbuch in ihrer Tasche. Die Schüler verließen das Klassenzimmer, doch als Ginny zur Tür gehen wollte, wurde sie aufgehalten. „Miss Weasley, ich möchte Sie noch für einen Augenblick zu mir bitten.“ Entnervt schloss die Gryffindor die Augen. Nicht auch das noch. Langsam drehte sie sich um und sah die Professorin vor ihrem Pult warten. Einige Schüler drehten sich verwundert zu der Weasley um, doch McGonagall begann erst zu sprechen, als alle Schüler den Klassenraum verließen, die Tür sich hinter ihnen schloss und sie ungestört waren. Stille füllte den Raum und Ginny bemühte sich um ein ahnungsloses und gelassenes Gesicht. Was konnte die Professorin wollen? „Der Grund wieso ich Sie sprechen möchte ist folgender.“ Die Verwandlungslehrerin machte eine kurze Pause. „Ich mache mir Sorgen um Sie.“ Die blauen Augen sahen die Schülerin über die Brille hinweg an. Ginny schwieg. Damit hatte sie nun überhaupt nicht gerechnet. „Mir ist aufgefallen, dass Sie sich im Unterricht immer mehr zurückziehen, dabei waren Sie immer eine der aktivsten meiner Schüler. Ebenso ist mir aufgefallen, dass Sie in den letzten Tagen sehr blass sind. Ich sehe Sie nur noch selten beim Essen in der großen Halle.“ Unbehagen erfasste Ginny. Jetzt fiel sie sogar schon den Lehrern auf. Ginny erinnerte sich wieder an das Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen. Jetzt bekam sie den Beweis dafür, dass diese Empfindung keine Einbildung war. McGonagall hatte sie beobachtet und sie war gewiss nicht die Einzige. Ginny setzte ein Lächeln auf. „Das ist nur der Prüfungsstress, Professor. Mir geht es gut.“ Die Hauslehrerin von Gryffindor sah sie abschätzend an, ehe sie nickte. Mit dieser Antwort gab sie sich vorerst zufrieden. Ihr Blick verriet aber, dass sie an Ginnys Aussage zweifelte. „Miss Weasley, Sie sind eine gute Schülerin. Ich zweifle nicht daran, dass Sie die ZAG’s mit Bravur meistern werden.“ Das stolze Lächeln, welches die Schülerin diesem Lob entgegenbrachte, war nur gestellt. Die Prüfungen waren das letzte, worüber sie sich im Augenblick Gedanken machte. „Danke. Ich gebe mir Mühe.“ „Falls Sie doch einmal etwas auf dem Herzen haben sollten ... Meine Tür steht Ihnen jederzeit offen“, sagte die Professorin und ihre Augen strahlten eine Wärme aus, die es Ginny unmöglich machte dem Blick weiter stand zu halten. „Sie sind entlassen, Miss Weasley.“ Ginny verabschiedete sich und verließ den Unterrichtsraum. Derweil kamen ihr bereits die ersten Schüler entgegen, die ihre nächste Stunde in Verwandlung hatten. Bei einem Blick auf die Abzeichen an den Umhängen erkannte sie, dass es Slytherins waren. Als Ginny durch die Tür ging, kam ihr Draco entgegen. Seine Augen erkalteten, als seine grauen auf ihre braunen trafen. Es dauerte nur eine Sekunde, bis er den Blick wieder abwandte und sich wortlos an ihr vorbei in den Klassenraum drängte. Seit dem Tag an dem sie im Raum der Wünsche waren, hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Das war nun etwas mehr als einen Monat her. Es war schwer zu sagen, wer wem aus dem Weg ging. Ginny scherte sich nicht darum. Schon früher war sie gut ohne Malfoy ausgekommen und das konnte sie auch heute noch. ~ Nach einer unruhigen Nacht stand Ginny an diesem Samstagmorgen sehr früh auf. Unruhiger Schlaf und wirre Gedanken hatten sie wach gehalten. Dazu kam, dass ihr Magen rumorte, weil sie das gestrige Abendessen hatte ausfallen lassen. Nun wollte sie in der Frühe ein ausgiebiges Frühstück nehmen, in der Hoffnung, dass es die Leere in ihr ein wenig stopfen würde. In Jeans und Strickjacke gekleidet verließ sie als erste ihren Schlafsaal um in die große Halle zu gehen. Als sie die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinabstieg ließ sie den Blick über die Schüler wandern. Nur wenige waren anwesend. Die meisten von ihnen schliefen vermutlich noch. Nachdem sie das Portrait der Fetten Dame durchquerte, nahm sie den Weg zu den Gemeinschaftsbädern um sich frisch zu machen und die Zähne zu putzen. Zwanzig Minuten später saß sie auch schon am Frühstückstisch in der großen Halle. Dort gehörte sie mit zu den ersten, die am Wochenende so früh aufstanden. Ginny nahm sich Cornflakes mit Milch und trank dazu einen Kakao, aber irgendwie schien das flaue Gefühl in ihrer Magengegend nicht zu verschwinden. Ob es gar nicht vom Hunger kam, sondern von etwas anderem herführte? Sie beschlich eine schlimme Vorahnung, doch sie konnte sich den Grund dafür nicht erklären. Während ihrer kleinen Mahlzeit dachte sie daran, dass heute Rons Geburtstag war. Es war der Tag seiner Volljährigkeit und darauf hatte er lange hingefiebert, denn die Volljährigkeit bedeutete, endlich auch außerhalb Hogwarts zaubern zu können, die Apparierprüfung ablegen zu dürfen und noch so viel mehr, was minderjährigen Hexen und Zauberern untersagt war. Ihr Geschenk würde Ron am Fußende seines Bettes vorfinden, zusammen mit all den anderen Geschenken von seiner Familie. Die Hauselfen legten diese gewöhnlich über Nacht immer für das Geburtstagkind bereit. Ginny wollte ihrem Bruder nicht mehr aus dem Weg gehen, schon gar nicht heute an seinem Geburtstag. Doch bei ihm würde sich auch Harry aufhalten und früher oder später müsste sie sich eine Ausrede einfallen lassen, für das Desaster das sie angerichtet hatte. Eine erklärbare Ausrede musste her, eine die man ihr auf jeden Fall abkaufen würde. Ein unmöglicher Fall. Seufzend nahm sie sich einen grünen Apfel vom Tisch und erhob sich. Langsam schritt sie zu ihrem Gemeinschaftsraum zurück, während sie ihren kleinen Nachtisch aß. Sie überlegte, was sie in ihrem Schlafsaal machen würde und sogleich erschien vor ihrem inneren Auge das schwarze Tagebuch. Ginny schüttelte leicht den Kopf. Sie wollte Tom nicht schreiben. Sie konnte ihm nicht das mitteilen was er hören wollte, also ließ sie es lieber gleich. Und gerade, als sie den Entschluss fasste, diesen Tag in der Bibliothek zu verbringen und zu lernen, kam auch schon ein Lockenkopf auf sie zugerannt, völlig außer Atem, mit einem Gesicht, welches Ginny augenblicklich dazu brachte den Gedanken an Schulbücher und ZAG’s zu vergessen. Hermine rief ihren Namen und kam auf dem Gang atemlos vor ihr zum Stehen. Das Gesicht war blass, beinahe weiß wie Schnee, die Augen aufgerissen. Tränen glitzerten in ihnen. Ihr Körper zitterte und Ginny wusste, dass etwas Schlimmes passiert sein musste, denn in Hermine erkannte sie die pure Angst. „Was ist passiert?“, fragte Ginny vorsichtig und versuchte den Kloß in ihrem Hals hinunter zu schlucken. Hermine packte die Jüngere an den Schultern. „Ron!“, schniefte sie und Ginny verkrampfte. „Er... er liegt im Krankenflügel! Ron wurde vergiftet!“ Die Zeit schien still zu stehen. Der Apfel in Ginnys Händen fiel zu Boden und den dumpfen Aufprall nahm niemand zur Kenntnis. Der Moment um diese Information zu verarbeiten fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Ihre Kehle schnürte sich zusammen. Vergiftet. Wie in Trance ließ sie sich von Hermine mit zum Krankenflügel ziehen, dabei die Gedanken verdrängend, die zu unwirklich schienen, als dass sie wahr sein könnten ... Doch das unangenehme Gefühl verging nicht. Kapitel 18: Consolation ----------------------- Mittlerweile war es später Abend. Beinahe die gesamte Familie Weasley saß am Krankenbett von Ron, der in einem der Betten im Krankenflügel lag. Nur Percy, Bill und Charlie fehlten. Arthur und Molly Weasley waren sofort angereist, als sie die Nachricht erhalten hatten, die sie über die unglückliche Lage ihres Sohnes in Kenntnis setzte. Seit Madam Pomfrey sie zu ihm gelassen hatte, warteten sie darauf, dass der Rotschopf die Augen aufschlug. Vergeblich. Während ihre Eltern und die Zwillinge sich leise unterhielten, hatte Ginny ihre Augen unverwandt auf ihren Bruder gerichtet. Sie war fast ebenso blass wie er. Ihre Glieder waren steif und sie fühlte sich hundsmiserabel. Ihr schlimmster Alptraum hatte sich bewahrheitet. Der vergiftete Met, den sie und Malfoy Professor Slughorn untergejubelt hatten, war nicht entdeckt oder entsorgt worden, so wie sie es vermutet hatten. Nein, er hatte noch immer an seinem Platz im Zimmer des Zaubertränkelehrers gestanden und so war es dazu gekommen, dass Ron von ihm getrunken hatte, als er mit Harry und Slughorn auf seinen Geburtstag anstoßen wollte. So hatte es Harry jedenfalls Ginny und Hermine sowie den Lehrern geschildert. Wie hatte es nur passieren können, dass der Met in die falschen Hände geriet? Er war doch eigentlich für Dumbledore gedacht gewesen. Ginny senkte beschämt den Blick. Es war allein ihre Schuld, dass ihr Bruder dieser Gefahr ausgesetzt gewesen war. Wenn Harry nicht gewesen wäre... Ihm hatten sie es zu verdanken, dass Ron noch lebte. Indem er ihm einen Bezoar in den Mund gesteckt hatte, wurde er entgiftet. Nur weil er rechtzeitig gehandelt hatte, war Ron nicht tot. Eine weitere Heldentat von Potter, schließlich hatte er bisher schon mehreren Weasleys das Leben gerettet, Ginny mit eingeschlossen. Für das, was er für Ron getan hatte, war sie ihm unendlich dankbar. Es war ein Gefühl, dass sie schon seit langer Zeit nicht mehr für diesen Jungen empfunden hatte. In diesem Moment waren alle negativen Gefühle weg, sie empfand keinen Zorn mehr, keinen Hass. Da war nur noch endlose Dankbarkeit, denn durch ihre Unachtsamkeit, wäre ihr geliebter Bruder beinahe gestorben und das hätte sie sich nie verziehen. Das schlechte Gewissen trieb sie in den Wahnsinn. Ihre Familie redete über das Geschehen, sie fragten sich, wie so etwas nur passieren konnte, wer es auf Ron abgesehen hatte und wer so skrupellos war, jemanden zu vergiften, so wie Harry und Hermine schon vorher darüber gerätselt hatten. Dabei war die Antwort auf ihre Fragen zum Greifen nah. Am liebsten hätte Ginny ihnen geantwortet, dass es ein Versehen war, dass sie Ron niemals ein Leid zufügen wollte, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Ihre Lippen hatte sie aufeinander gepresst, damit kein falsches Wort ihren Mund verließ. Niemand durfte sie mit diesem Unglück in Verbindung bringen, ansonsten wäre sie enttarnt und ihr Auftrag gescheitert. Ihre Mutter schluchzte neben ihr in ein Taschentuch, das Geräusch der tränenerstickten Schluchzer hielt Ginny letztendlich einfach nicht mehr aus. Sie stand auf und erntete die fragenden Blicke ihrer Familie, denen sie auswich, da sie unter den traurigen Augen nicht standgehalten hätte. Wortlos verließ die jüngste Weasley den Krankenflügel und erst als sie die Türen hinter sich geschlossen hatte, konnte sie wieder richtig frei atmen. Ihre Beine zitterten, mit wackligen Schritten floh sie, wollte nur so weit wie möglich weg vom Krankenflügel. In diesem Moment hasste sich das junge Mädchen, sie verfluchte sich in Gedanken immer und immer wieder. Sie allein war schuld an dem was passiert war und sie bereute was sie getan hatte. Nie wieder würde sie Ron unter die Augen treten können. Die Gänge waren leer, das Abendessen musste längst vorbei sein, wodurch keine Schüler mehr unterwegs waren. Ginnys Schritte wurden immer schneller und langsam ließen sich die Schluchzer nicht mehr unterdrücken. Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen und rannte kurz darauf schließlich unachtsam gegen etwas. Aber das war ihr egal, sie wäre einfach weitergelaufen, wenn sie nicht etwas daran gehindert hätte. Mit schwachen Versuchen bemühte Ginny sich darum sich loszureißen, doch es gelang ihr nicht. Jemand hielt sie fest. Erst als die Person sie beim Namen nannte, sah sie ihn an und erkannte wer vor ihr stand. „Lass mich los“, schluchzte sie, doch er umklammerte sie mit beiden Armen nur noch fester. „Was ist passiert?“, fragte er beunruhigt, aber sie wollte ihm nicht antworten. „Lass mich los, Draco...“ Die Tränen begannen zu fließen und als sie begann bitterlich zu weinen drückte er sie an sich, öffnete die nächstbeste Tür und zog sie mit hinein, ohne dass sie sich dagegen wehrte. Nachdem Draco die Tür geschlossen hatte, lehnte er sich mit dem Rücken dagegen und Ginny, die immer noch in seinen Armen lag, drückte sich fest an ihn, krallte sich an seinem Hemd fest und ließ nun ihren Tränen freien Lauf. Der Schmerz war unerträglich. Beinahe hätte sie den Menschen in ihrem Leben verloren, der ihr am nächsten stand und der Gedanke an diesen Verlust bereitete ihr enorme Angst. Draco strich ihr fortwährend über den Rücken und über den Kopf. Er sagte nichts, er hielt sie einfach nur fest. Irgendwann fanden sie sich auf dem Boden wieder, er lehnte immer noch mit dem Rücken an der Tür und hielt das Mädchen in seinen Armen. Sie saß zwischen seinen Beinen und hatte sich seitlich gegen seine Brust gelehnt. Seitdem sie in diesem Zimmer waren hatte Ginny Draco noch nicht in die Augen gesehen, ihr Kopf ruhte immer noch an seiner Schulter. Sie hatte sich mittlerweile wieder beruhigt, wobei die tröstenden Berührungen seinerseits einen großen Anteil dazu beitrugen. Nur ab und zu lief noch einmal eine Träne über das sommersprossenbesetzte Gesicht. Schließlich durchbrach sie die Stille. „Mein Bruder hat von dem vergifteten Met getrunken.“ Sie spürte wie sein Körper sich anspannte. „Ist er...“ Draco zögerte und ließ die Frage unbeendet. Ginny schüttelte den Kopf. Eine weitere Träne bahnte sich den Weg ihre Wange hinab. „Harry hat ihn gerettet“, flüsterte sie mit zittriger Stimme. „Er war dabei und hat ihm das Leben gerettet.“ Dieser Junge hatte den Titel „Retter“ wirklich verdient. Ginny konnte nicht anders als ihn zu respektieren. Selbst als sie den ganzen Tag über vor dem Krankenflügel gewartet hatten, gab er sich ihr gegenüber ganz normal und nichts ließ mehr auf die Begegnung in seinem Schlafsaal schließen, indem sie sich beinahe duelliert hätten. Das Misstrauen blieb zwar weiterhin in seinen Augen und es herrschte auch eine gewisse Spannung zwischen ihnen, aber er hatte kein Wort über den Vorfall verloren und Ginny alles, was mit Ron geschehen war, erzählt. Eine Weile sagte niemand etwas. Dracos Berührungen hatten zwar aufgehört, aber seine Arme lagen weiterhin locker um sie gelegt. Ginny genoss die Wärme, die sein Körper ausstrahlte. Ihr wurde bewusst, dass sie ihm zuvor noch nie so nahe gewesen war, wie in diesem Augenblick. Hätte ihr mal jemand gesagt, dass sie sich in Draco Malfoys Armen wohlfühlen würde, hätte sie denjenigen wohl für verrückt erklärt. „Aber wie ist er an den Met heran gekommen?“, stellte Draco die Frage. Ginny wiederholte Harrys Worte. „Sie waren beide bei Slughorn im Büro. Ron stand unter einem Liebeszauber und sie ersuchten die Hilfe des Professors.“ „Slughorn hatte den Met also noch?“ Es war keine Frage. Ginny hörte seinen niedergeschlagenen Seufzer nah an ihrem Ohr. „Nun stehe ich wieder ganz am Anfang.“ Jetzt begriff auch Draco, dass ihre Mühen vor den Weihnachtsferien umsonst gewesen waren. Der vergiftete Met war nie am Weihnachtstag an den Schulleiter verschenkt worden. Als sie aus den Ferien nach Hogwarts zurückgekehrt waren, war es ihnen ein Rätsel, wieso Dumbledore nichts geschehen war und wieso der Plan mit dem vergifteten Met nicht funktioniert hatte. Die Lösung lautete das er sich immer noch an dem Platz befunden hatte, an dem Ginny ihn abgestellt hatte. Und so kam es, dass er von einem Unschuldigen getrunken wurde, der den Plänen Voldemorts beinahe zum Opfer gefallen wäre. „Meinst du sie ahnen etwas?“, fragte Draco unsicher. Erneut schüttelte sie den Kopf. „Nein.“ Und sie hoffte, dass ihre Familie es auch nie erfahren würde. „Es ist meine Schuld ... Beinahe hätte ich... meinen Bruder...“ Der Kloß in Ginnys Hals verhinderte das sie weitersprechen konnte. Sie lehnte ihre Stirn gegen seine Schulter, benetzte sein schwarzes Hemd schon wieder mit Tränen. „Heute war sein Geburtstag!“, schluchzte sie und versuchte die Tränen wegzuwischen, aber es folgten immer wieder neue. „Wie konnte das nur passieren?“ „Keiner konnte wissen, dass es so kommt. Es war ein Unfall.“ Draco machte eine Pause bevor er weiter sprach, dieses Mal mit trauriger Stimme. „Ich wollte auch nicht, dass Bell verletzt wird.“ Ginny horchte bei diesem Namen auf. Katie Bell, die Jägerin ihrer Quidditch-Mannschaft. Sie hatte das Päckchen mit der verfluchten Kette Dumbledore überreichen sollen. Das war Malfoys erster Plan gewesen. Ginny erinnerte sich noch daran, wie sie die Gryffindor-Schülerin in Hogsmeade gesehen hatte, kurz nachdem der Fluch sie getroffen hatte. Um ein Haar wäre die Siebtklässlerin daran gestorben. Momentan lag Katie noch immer im St.-Mungo-Hospital in London. Draco mochte zwar ein Mistkerl sein, arrogant, hochnäsig und streitsüchtig - fast mehr als es für einen Slytherin üblich war - doch der beinahe begangene Mord an Katie Bell ließ ihn nicht kalt. Er war eben noch ein Junge von gerade einmal sechzehn Jahren. Ein kaltblütiger Todesser war er noch lange nicht! Selbst bei dem Auftrag Dumbledore zu ermorden konnte Ginny den Zwiespalt in ihm erkennen. Sie konnte sich nur zu gut an die Erleichterung in seinen Augen erinnern, als sie nach den Schulferien nach Hogwarts zurückgekehrt waren und den Schulleiter in der großen Halle bei der Eröffnung quicklebendig vorgefunden hatten. Sie spürte, dass es ihm schwer fiel seiner Mission nachzugehen und sein Meister schien es ebenso zu ahnen, denn er hatte Ginny damit beauftragt ihm unter die Arme zu greifen und für sein Gelingen zu sorgen. Womöglich hatte er von Anfang an damit gerechnet, dass Draco scheitern würde. Als sie Draco ins Gesicht blickte, sah sie eine nasse Spur an seiner Wange. Sie musste ihre Tränen an seinem Gesicht vergossen haben, als sie sich an ihn gedrückt und sein Gesicht dabei berührt hatte. „Was tun wir nur?“, flüsterte sie. „Es läuft alles falsch.“ „Ich weiß.“ In seinen Augen konnte sie dieselbe Trauer sehen, die auch sie verspürte. Unnötigerweise hatten sie Unschuldigen geschadet und sie beide bereuten es. „Aber ich habe keine andere Wahl“, erklärte Draco. „Ich muss es tun. Ich kann nicht aufhören. Auch wenn ich wollte.“ Das letzte Mal als die beiden sich sahen, waren sie im Streit auseinander gegangen und nun saßen sie hier in einem Klassenzimmer, wie Ginny mittlerweile festgestellt hatte, und schienen einander so nah und vertraut. Draco tröstete sie sogar, wenn auch nicht mit Worten, denn dafür war er einfach nicht der Typ. Trotzdem war er für sie da und gab ihr den Halt, den sie im Moment brauchte. Sie beide teilten das gleiche Schicksal. Ginny nahm seine Hand und drückte sie leicht. Es sollte eine aufmunternde und unterstützende Geste sein. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Draco gerne aussteigen würde, denn schließlich ging es um Mord. Selbst Ginny hatte diesbezüglich die Zweifel bemerkt, die sich in ihr eingenistet hatten und die würden sich nach dem heutigen Tag gewiss verstärken. Wie könnte sie auch den Retter ihres Bruders umbringen? Nachdem die Tränen getrocknet waren verließen die Gryffindor und der Slytherin das Klassenzimmer um in ihre Schlafsäle zurückzukehren. Gemeinsam gingen sie wortlos den Flur entlang, der von schwebenden Kerzen erleuchtet wurde. Währenddessen musste Ginny an das denken, was Draco zu ihr gesagt hatte. Das war durchaus das Ehrlichste, was sie je von ihm gehört hatte. Sie spürte, dass sich zwischen ihnen etwas verändert hatte. Er hatte sich geöffnet, schien ihr nun zu vertrauen. Sie wusste jetzt, dass sie ihm nicht egal war, denn sonst hätte er sie vorhin im Gang einfach stehen gelassen, aber stattdessen hatte er sie aufgefangen und sie beruhigt. Seit langem hatte sie wieder richtige Zuneigung genossen. Der Zeitpunkt kam, als ihre Wege sich trennten und Ginny überkam das Gefühl sich bedanken zu wollen, aber bevor sie etwas sagen konnte ergriff er das Wort. „Denk dran, du hast immer noch die Wahl.“ Zuerst war sie verwirrt, bis sie erkannte, dass seine Worte an das vorangegangene Gespräch anknüpften. Hatte sie eine Wahl? Wollte sie überhaupt wählen? Bis zum heutigen Tag hatte sie nie daran gezweifelt, dass sie etwas anderes tun wollte... Ein trauriges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Ich hoffe du triffst die richtige Entscheidung.“ Mit diesen Worten ging er zu den Treppen die Richtung Kerker führten und Ginny sah ihm nachdenklich hinterher, bis er aus ihrem Sichtfeld verschwand. Seine Worte schubsten sie in die richtige Richtung. Kapitel 19: Failure ------------------- „Wie geht es dir?“ „Eigentlich schon wieder ganz gut. Ich würde liebend gern hier raus, aber Madam Pomfrey lässt mich nicht.“ Ron saß in einem Bett im Krankenflügel. Zwei Tage waren seit dem Unfall vergangen und die Heilerin bestand darauf ihn noch zur Beobachtung im Krankenflügel zu behalten. „Dabei würde ich so gerne am Spiel gegen Hufflepuff teilnehmen“, sagte Ron mit bedrückter Miene zu seiner Schwester. „Ich habe schon versucht mich davon zu stehlen, aber ihre Augen sind überall.“ Wie aufs Stichwort rauschte Madam Pomfrey an ihnen vorbei, die einem Jungen, der einige Betten weiter lag, einen Becher gab. „Nun trinken Sie schon ihre Medizin, Mister Jeffery, ihre Pusteln verschwinden nicht von alleine.“ „Armer Kerl, dieser Jeffery.“ Ron und Ginny beobachteten die beiden. „Hat einen Fluch im Verteidigung gegen die dunklen Künste Unterricht abbekommen.“ Sie sahen zu, wie der Junge mit den blonden Haaren mit misstrauischem Gesicht das Heilmittel trank und daraufhin das Gesicht verzog. „Ihhh, das schmeckt widerlich.“ „Stellen Sie sich nicht so an“, schimpfte Madam Pomfrey. Ron wandte sich wieder seiner Schwester zu. „Vermutlich kann er heute Abend schon wieder gehen. Siehst du, die Pusteln werden schon kleiner. Alle die hier rein kommen bleiben ein paar Stunden und dann gehen sie wieder. Jeder verlässt den Krankenflügel schon vor mir. Ich sitze hier fest.“ Ron starrte zum Teil deprimiert, aber auch wütend auf seine Hände, die er zu Fäusten ballte. „Es ist nur zu deinem Besten. Du sprichst, als würdest du im Gefängnis sitzen.“ „So fühle ich mich auch.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Bald ist schließlich das Spiel gegen Hufflepuff. Madam Pomfrey scheint überhaupt nicht zu verstehen wie wichtig dieses Spiel ist. Jetzt spielt McLaggen für mich!“ Ron schnaubte. Beschämt senkte Ginny den Kopf. Nach dem Frühstück hatte sie eine Freistunde und diese Zeit nutzte sie um ihren Bruder zu besuchen. Sie wollte einen Moment abpassen, in dem sie mit ihm allein sein konnte, denn sonst hatte er meist Besuch von seinen Freunden. Jetzt saß sie auf einem kleinen weißen Hocker neben seinem Bett, hatte die Arme auf die weiche Matratze gelegt und nahm seine Hand, die sie leicht drückte. Die Gewissensbisse waren nicht verschwunden. Zuerst hatte sie sich Vorwürfe gemacht, sich die Schuld gegeben, die sie gewiss an seinem Unfall trug und verzweifelte beinahe daran, dass ihre dummen Taten das Leben ihres Bruders hätten kosten können. Nach der Begegnung mit Draco, der sie getröstet hatte, milderten seine Worte ihre Wut gegen sich selbst und ihre Angst. Sie versuchte nun alles zu verdrängen, sie wollte Ron gegenübertreten ohne im Hinterkopf die Wahrheit zu kennen. Seit diesem Ereignis hatte sie nicht einmal mehr ins Tagebuch geschrieben. Momentan wollte sie Tom einfach nicht schildern was vor sich ging. Vermutlich aus Angst vor seiner Antwort. Wie würde er wohl auf die gescheiterte Mission reagieren? Ganz zu schweigen von dem ungewollten Angriff auf den jüngsten Sohn der Weasleys. Hätte er Verständnis für ihren Kummer gehabt? Würde er sie trösten, so wie Draco es getan hatte? Ginny schien die Antwort zu erahnen und das Tagebuch blieb am Boden ihres Koffers vorerst ungeöffnet. Ihren Bruder gesund und munter vor sich zu sehen war im Augenblick das Einzige was sie wollte. „Es tut mir so leid“, hauchte sie leise und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Ron hob seine Augenbrauen. „Du brauchst doch nicht weinen. Du kannst ja nichts dafür.“ Er lächelte aufmunternd. „Ich werde ja wieder gesund.“ Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ginny sank auf dem Bett zusammen und vergrub ihr Gesicht in der Bettdecke. Welch ein Glück das es ihm gut ging. Ginny hätte es sich nie verziehen, wenn Ron größeren Schaden genommen hätte. Ron tätschelte ihren Rücken als sie anfing zu weinen. Seine Nettigkeiten hatte sie gar nicht verdient! Wenn er nur wüsste! Dann würde er sie nicht mehr anfassen und sie nicht mehr in seiner Nähe haben wollen. „Na ja, etwas Gutes hat es ja, dass ich hier fest sitze. Ich kann mich vor Lavender verstecken.“ Ginny sah ihn zwischen den tränenverschmierten Wimpern und einigen Haarsträhnen, die ihr ins Gesicht fielen, an. Vergeblich versuchte Ron die Stimmung ein wenig aufzuheitern. „Ich freue mich über deinen Besuch“, sagte er nach einer Weile. „In letzter Zeit sehe ich dich nicht mehr so oft. Eigentlich nur noch beim Quidditch-Training. In den Weihnachtsferien hast du dich auch nur die ganze Zeit in deinem Zimmer versteckt.“ Schuldbewusst senkte Ginny wieder den Blick. Es stimmte, dass sie sich zurückgezogen hatte. Aber wieso sollte sie sich einen Vorwurf machen? Ron hatte sich auch damals zurückgezogen, als er Harry kennen gelernt hatte und nachdem alle ihre Brüder nach Hogwarts gingen oder nicht mehr zu Hause wohnten, war Ginny auch allein gewesen. Ein Teil in ihr wollte widersprechen und es schien ihr lachhaft sich diesbezüglich zu rechtfertigen, doch ein anderer, stärkerer Teil von ihr kannte den Grund für ihre Verschlossenheit. Für diesen Grund konnte man sich nur schämen. „Du hast dich verändert.“ „Ich weiß.“ Eine Weile sah Ron sie abschätzend an. Vermutlich zog er einige Schlüsse, was der Auslöser für diese Veränderung sein könnte. Nie im Leben würde er auf die richtige Antwort kommen. „Mir gefällt das nicht.“ „Mir auch nicht“, antwortete sie und das meinte sie ehrlich. Sie setzte sich wieder aufrecht hin, wischte sich die Tränen weg und bewahrte wieder Fassung. Dieses Gespräch nahm eine Wendung die ihr unangenehm war, doch dem musste sie sich stellen. „Tu mir einen Gefallen, vertrag dich wieder mit Harry. Ihr wart früher doch mal so gut befreundet.“ Ginny erstarrte. Sie traute sich nicht Ron anzusehen und blickte stur aus einem der hohen Fenster des Krankenflügels. Anscheinend hatte ihr Bruder ein Gespür für heikle Themen. „Du hast ihn mal sehr gemocht, weißt du noch?“ Sein Blick war warm, doch Ginny fuhr es eiskalt den Rücken hinunter. Sie biss die Zähne zusammen und bemühte sich um einen gelassenen Gesichtsausdruck. Wenn Ron nur wüsste, dass er gerade dabei war eine bereits verheilte Wunde aufzureißen. Es war nie leicht, über seine erste große Liebe hinwegzukommen, doch Ginny hatte es geschafft. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen, das sich in den Helden Harry Potter verliebt hatte. Er hatte ihre Gefühle mit Füßen getreten und ihr das Herz gebrochen. In ihrem Herzen empfand sie keine Liebe mehr, auch keine Freundschaft oder Zuneigung. Sein Name brachte einen bitteren Beigeschmack mit sich. Sie wollte ihn büßen lassen, für das, was er ihr angetan hatte. Sie wollte, dass er so litt, wie sie es getan hatte. „Gibt es nicht einen Weg, wie ihr euch wieder vertragen könnt?“, fragte er, doch der Hoffnungsschimmer in seinen Augen verschwand als Ginny den Kopf schüttelte. „Ich glaube nicht, dass das so einfach geht.“ Schließlich hatte sie bereits versucht ihn umzubringen. „Misch dich bitte nicht ein, Ron. Das ist eine Sache zwischen ihm und mir.“ „Ach ja? Und was war das dann für eine Aktion in unserem Schlafzimmer? Das ging ein bisschen zu weit! Ihr hättet euch beinahe duelliert wenn ich nicht eingegriffen hätte! Du kannst dir gar nicht vorstellen was ich in diesem Moment für eine Panik hatte!“ Aufgebracht schüttelte er den Kopf. „Meine kleine Schwester und mein bester Freund“, murmelte er dann leise zu sich selbst, als könnte er es immer noch nicht glauben. „Was hast du nur in unserem Schlafraum gemacht?“ Da war sie wieder, die Frage auf die sie unmöglich eine Antwort geben konnte. Sie hatte Felix Felicis gesucht und war bei diesem Vorhaben erwischt worden. Das konnte sie unmöglich zugeben, also schwieg sie. „Du brauchst nicht antworten wenn du nicht willst“, seufzte er, aber Ginny hörte die Enttäuschung in seiner Stimme. „Es geht mich ja nix an“, nuschelte er leise und verbittert, sodass Ginny sich jetzt noch schuldiger fühlte. „Ich muss jetzt wieder gehen.“ Mit diesen Worten erhob sie sich und schulterte ihre Schultasche. Sie wusste nicht mehr was sie sagen sollte und bevor es noch zu einem Streit kam wollte sie lieber verschwinden. Noch dazu kam das die nächste Schulstunde bald beginnen würde. „Ich hoffe, dass du bald entlassen wirst.“ „Das hoffe ich auch“, sagte er und verschränkte bei der Vorstellung noch länger in diesem Gefängnis festzusitzen die Arme vor der Brust. Ginny wollte gerade gehen, als Ron sie noch einmal ansprach. „Ginny?“ Ron bedeutete ihr mit einer Geste näher zu kommen und sah sich nach Madam Pomfrey um. Nachdem Ginny sich ihm einige Schritte genähert und zu ihm hinabgebeugt hatte, flüsterte er ihr etwas zu und es schien als wäre die kurze Auseinandersetzung nie gewesen. „Sei vorsichtig. Irgendjemand hier im Schloss führt nichts Gutes im Schilde. Zuerst Katie. Jetzt hat es mich erwischt. Ich will nur, dass du auf dich Acht gibst.“ Sein Blick war voller Sorge. „Ich habe Angst, dass dir etwas passiert.“ Die Worte brachten sie beinahe aus der Fassung. Entsetzen erfasste sie und betäubte ihren Körper. Mit vor Schreck geweiteten Augen konnte sie ihn nur wortlos anstarren. Er machte sich Sorgen. Um sie. „Hier geht jemand über Leichen.“ Bei dem letzten Wort schauderte sie. Ron nahm ihre Hand und sah sie ermutigend an. Ihre Bestürzung schien er fälschlicherweise als Angst vor dem Attentäter zu interpretieren. „Keine Angst. Irgendwann werden wir ihn kriegen.“ Stumm nickte sie. Niemand wusste, dass sie diejenige war, die bereit war zu morden, dass sie diejenige war, vor der sich die Schüler und Lehrer fürchteten. ~ Im Schlafraum der Mädchen des fünften Jahrgangs von Gryffindor waren von einem der Himmelbetten die Vorhänge zugezogen. Ginny lag auf der Matratze, abgeschottet, obwohl das nur übertriebene Vorsicht war, denn niemand sonst war von den restlichen Mädchen, die diesen Raum bewohnten, anwesend. Vor ihr lag das Tagebuch aufgeschlagen. Mit zweifelndem Blick sah sie auf die leeren Seiten hinab. Sie konnte sich ihm nicht länger widersetzen. Es war an der Zeit Tom Riddle zu schreiben. Seufzend zückte sie ihren Federkiel und tunkte ihn in das Tintenfässchen, das wackelig auf der Bettdecke stand. Bei einer zu starken Bewegung würde es umkippen und die schwarze Tinte über der Decke vergießen. Sorgfältig schrieb sie die Worte Hallo Tom. Sie musste nicht lange warten, nur zwei Atemzüge benötigte es um eine Antwort zu erhalten. Langsam erschienen weitere Wörter, die nicht von ihr stammten sondern von dem wahren Besitzer dieses Tagebuches. Hallo Ginevra. Nur wenige Sekunden stand die Botschaft dort, bis sie wieder verschwand, doch nur um eine weitere Nachricht erscheinen zu lassen. Ich habe lange nichts mehr von dir gehört. Ich hatte schon die Befürchtung, dass etwas geschehen sei. Es klang wahrlich besorgt und interessiert, doch Ginny wusste es besser. Das ist es auch. Ginny schilderte ihm, was sich ereignet hatte. Angefangen davon wie sie von dem Unglück erfahren hatte und was ihrem Bruder zugestoßen war, dass es etwas mit ihrer Mission zu tun hatte, von dem vergifteten Met, der für Dumbledore gedacht gewesen war. Von ihren Gefühlen schrieb sie nichts. Die Trauer und die Aufruhr, der Kummer und die Zweifel wurden mit keinem Wort erwähnt. Die schwere Last der Schuldgefühle würde sie ein Leben lang mit sich tragen. Opfer gibt es immer. Angesichts dieser Gefühllosigkeit musste Ginny hart schlucken. Merlin sei Dank hatte es keine Opfer gegeben, dennoch war es hart zu lesen, wie leicht er ein Opfer in Kauf nahm. Wie viele Unschuldige hatten schon durch seine Hand ihr Leben verlieren müssen? Reiß dich zusammen. Du sagst es ginge ihm gut. Also hör auf zu weinen. Ihre Hand fuhr zu ihrer Wange und fühlte etwas Nasses. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie weinte. Die Tränen liefen ihr Gesicht hinab, fielen auf die Seiten des Tagebuches und verschmierten die schwarze Tinte. Du brauchst nicht zu weinen. Tränen sind ein Zeichen von Schwäche. Und du bist nicht schwach, Liebste. Du bist stark! Das hast du mir schon sehr oft bewiesen. Ginny ließ den Kopf sinken. Im Moment fühlte sie sich aber schwach und armselig. Sie brauchte jemanden der sie stützte und aufrecht hielt. Alleine, war sie sich sicher, würde sie es nicht schaffen. Die Zweifel, die ich bereits in dir gesehen habe werden größer. Ginny überkam die Angst. Wie konnte er so etwas nur wissen? Vor ihr lag doch nur ein Buch! Welch kräftiger Zauber steckte dahinter, dass er in ihr so einfach lesen konnte und ihre Gefühle und Gedanken beinahe besser kannte, als sie selbst? Es war gruselig. Ihr wurde schlecht. In ihrem ersten Schuljahr hatte dieses Buch sie um ein Haar getötet. In der Zaubererwelt war nichts unmöglich. Es gab viele verrückte Dinge wie zum Beispiel ein Buch, das ein Eigenleben führte. Doch damals war der Fluch, der darauf gelegen hatte, zerstört worden und die Gefahr somit gebannt. Nun schien es immer noch Macht zu haben. Es stand außer Frage, dass Tom Riddle einer der mächtigsten Zauberer war. Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es wünsche. Ja, schrieb sie. Das weiß ich nur zu gut. Sollte deine Verunsicherung einmal die Oberhand gewinnen werde ich da sein und dich aufrecht halten. Ein Rückzug wäre überaus bedauerlich. Mit diesen Worten war alles gesagt. Eine stumme Drohung war ausgesprochen die selbst in geschriebener Form beängstigend war. Ginny wusste, dass es eine Entscheidung zu treffen galt und sich gegen Tom zu entscheiden, war die verhängnisvollere. ~ Hufflepuff führte siebzig zu vierzig gegen Gryffindor. Das Quidditchspiel war genau die richtige Möglichkeit für Ginny Weasley sich ein wenig Ablenkung zu verschaffen. Sie widmete sich dem Spiel mit einer gewissen Art an Aggressivität. So kam es das ein oder andere mal zu einer Kollision mit einem gegnerischen Spieler. Auch wenn sie den Kopf nicht frei hatte um sich wirklich auf Quidditch zu konzentrieren, war sie es Ron schuldig ihr Bestes zu geben und Punkte zu machen, um ein gutes Spiel zu erzielen und den Sieg für ihre Mannschaft zu beanspruchen. Leider verlief das Spiel bisher nicht sehr gut. Während sie an den Tribünen vorbeiflog erwischte sie sich wie sie nach einem blonden Haarschopf Ausschau hielt, doch jedes blonde Haar, das sie erblickte, war nicht hell genug um an das Blond der Malfoys heranzukommen. Sie suchte ihn unter den Slytherins und blieb erfolglos. Er war nicht da. „Ich darf meine Zeit nicht mehr mit unnötigen Beschäftigungen wie Quidditch verschwenden...“ hatte er einst zu ihr gesagt. Sie vergeudete keinen weiteren Gedanken daran und widmete sich wieder der Gegenwart. Plötzlich fuhr ein Raunen durch die Zuschauer und entsetzte Schreie drangen an ihr Ohr. Irgendetwas musste geschehen sein! Als Ginny den Besen herum riss sah sie, was die Menge in Schrecken versetzt hatte. Harry Potter stürzte mit einer enormen Geschwindigkeit vom Himmel und schlug schließlich ungebremst auf dem Boden auf! Ihr erster Gedanke drehte sich um die Frage ob er tot sei. Sie fühlte nichts als sie den reglosen Körper am Boden sah und Personen darauf zu liefen. Natürlich war er nicht tot, sagte ihr Verstand. Beim Quidditch passierten oft solche Unfälle, das gehörte mit dazu und es gibt eigentlich nichts, was Madam Pomfrey nicht heilen konnte. Doch trotzdem musste sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen. Friedlich sah er aus. Er schlief und nur der Turbanverband um seinen Kopf zeugte von seinem Absturz. Es war nicht das erste mal, dass Harry vom Besen gefallen war, darin schien er schon geübt zu sein. Den fallenden Harry Potter zu sehen hatte bei Ginny einen Hoffnungsschimmer geweckt, als handle es sich dabei um das Schicksal, das eingreifen wollte. Und jetzt stand sie an seinem Bett, welches direkt neben dem von ihrem Bruder lag, mitten in der Nacht im Krankenflügel, der einzig von den sanften Mondstrahlen erleuchtet wurde. In ihrer Hand hielt sie den Zauberstab, der nur wenige Zentimeter von seiner Kehle entfernt war. Sofort hatte sie die vorteilhafte Gelegenheit wahrgenommen. Ungeschützt lag er im Krankenbett. Sie würden vermuten dass er letztendlich seinen Verletzungen erlegen war, dass sie gravierender waren, als angenommen Niemals wieder würde es eine einfachere Situation geben. Er war ihr ausgeliefert. „Du bist so nah dran.“ Wieso zögerte sie noch? War es nicht das was sie wollte? „Tu es.“ „Das ist die Gelegenheit.“ Sie hörte ein Flüstern. Toms Stimme war ganz nah an ihrem Ohr. Dem Drang sich umzudrehen und nachzusehen ob er da war konnte sie nur mit Mühe widerstehen. Sie konnte seine Lippen beinahe spüren und der warme Atem schien ihre Haut zu berühren. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Er ermutigte sie, trieb sie an. Er hielt sie aufrecht. So weit war es also schon. Niemals hatte sie geglaubt das er je wieder so sehr die Kontrolle über sie haben würde. „Tu es!“ Das Flüstern wurde lauter und drängte sie zum Handeln. Rons Atmung wurde lauter und allmählich entwickelte es sich zu einem Schnarchen. Ginny sah sich zu ihm um und betrachtete das schlafende Gesicht. „Tu mir einen Gefallen, vertrag dich wieder mit Harry.“ Ihr Gewissen sprach mit der Stimme ihres Bruders auf sie ein. Wie konnte sie den Retter ihres Bruders töten? Das war nicht fair. Bilder der Erinnerung tauchten aus ihrem Gedächtnis auf. Sie dachte an die Zeit von Dumbledores Armee, als sie Seite an Seite gekämpft hatten. Früher war Harry Potter ihr Held gewesen. Sie hatte alle Berichte im Tagespropheten aufgehoben und sich die bewegten Bilder angesehen, auf denen er schüchtern gelächelt hatte. Er hatte sie damals aus der Kammer gerettet und wäre dabei beinahe selbst umgekommen. Es stimmte, sie waren einmal Freunde gewesen. Dann verstummte die Stimme. Ginny ließ den Stab sinken. Ein besonders Lauter Schnarcher riss Harry aus seinem Schlaf. Er schreckte hoch, hatte blitzschnell seinen Zauberstab in der Hand und richtete ihn ziellos in die Dunkelheit. Seine Augen waren weit aufgerissen und blickten in den leeren Krankenflügel. Er atmete heftig und sein Herz schlug von innen kräftig gegen seine Brust. Niemand war zu sehen, das konnte er erkennen, auch wenn seine Sicht ohne Brille verschwommen war. Einzig und allein das Schnarchen von Ron war zu hören. Beruhigt ließ Harry den Stab wieder sinken. Ron musste ihn aufgeweckt haben. Er schüttelte den Kopf über sich selbst und legte sich wieder hin. Er wurde ja schon paranoid. Kapitel 20: Fear ---------------- Zu dieser frühen Stunde war selten jemand im Bad der Mädchen, das sich im siebten Stock des Schlosses befand, doch nach diesem Traum hatte sie eine Abkühlung gebraucht. Ginny stand unter der Dusche und ihr erhitzter Körper genoss die kühlen Wasserstrahlen, die aus dem Kopf der Brause auf sie hinabprasselten. In der Eile hatte sie ihre Schlafroben einfach auf den Boden fallen lassen. Mit ein wenig Glück blieb das Bad ungeteilt. So früh am Morgen, an dem noch nicht einmal die Sonne den Tag erleuchtete, begab sich kaum eine Schülerin hierher. Ginny hatte die Arme um sich geschlungen und lehnte ihre Stirn gegen die Wand. Die Fliesen waren kalt auf ihrer Haut. In der letzten Nacht hatte sie von Tom geträumt. Bei dem Gedanken daran spürte sie die Röte in ihre Wangen schießen. Es war ein schöner Traum gewesen, so wie diese, die sie früher oft gehabt hatte. Sie atmete einmal tief ein und wieder aus, um ihre Atmung zu beruhigen, die wie ihr Herzschlag beschleunigt ging. Dieser Traum war nur das Ergebnis ihrer Sehnsucht und ihrer Gefühle gewesen, die von einem Menschen zeugten, den es nicht gab. Er war in ihren Träumen so anders gewesen, ganz anders als der Mann, der wirklich existierte. Das Wasser schien allmählich kälter zu werden. Es hatte sie abgekühlt und fühlte sich nicht mehr angenehm an. Ihr Körper wollte sich der Kälte widersetzen und sich fortbewegen, aber Ginny rührte sich nicht vom Fleck. In sich spürte sie immer noch die Verwirrung, die sich nicht von dem Wasser davon spülen ließ. Ihr Gefühlsleben war in der letzten Zeit so chaotisch, dass es ihr sehr zu schaffen machte. Vor allem ihre Empfindungen für Tom waren wechselhaft. Sie war hin und her gerissen zwischen der einen Seite - Angst, Zorn und Widerwillen - und der anderen Seite - Hingabe und pure Leidenschaft. Sie wusste, dass sie in ein Trugbild verliebt war und dennoch war sie Tom verfallen. Er weckte Gefühle in ihr, die ihre Sinne vernebelten und alles andere unwirklich erscheinen ließen. Vielleicht hatte er sie verhext? Sie fühlte sich, als stände sie unter einem sehr starken Liebeszauber. Wie sonst sollte sie sich die Gefühle für einen derart bösartigen Zauberer erklären, jemandem, mit dem sie keine Zukunft hatte, jemandem, der sogar den Tod für sie bedeuten konnte? Resignierend schloss sie die Augen. Sie wollte ihn. Körperlich. Ihr Verstand warnte sie, doch die Stimme war nur schwach und kaum zu vernehmen. Es war leicht darüber hinweg zu hören. Sie wollte sich ihm hingeben, aber statt ihn zufrieden zu stellen hatte sie alles vermasselt. Im Krankenflügel hätte sie ihren Auftrag erfüllen können, dennoch war sie dazu letztendlich nicht in der Lage gewesen. Nicht nach dem, was ihr Bruder zu ihr gesagt hatte. Er schien das Gewicht zu sein, welches die Waage im Gleichgewicht hielt. Er sorgte dafür, dass die dunkle Macht ihren Willen noch nicht zur Gänze übernommen hatte, kurz bevor es zu spät gewesen wäre. Was würde Tom nur dazu sagen? Sie war eine Versagerin und enttäuschte ihn. Das würde ihm nicht gefallen. Er würde sie für schwach halten. Ihr Körper fing an zu zittern. Sie fürchtete sich vor Toms Reaktion. Schließlich hatte Ginny schon damals lernen müssen, dass Angst ein Bestandteil ihrer Beziehung war. Ein Schaudern überfiel sie, das nicht von dem kalten Wasser her rührte. Noch wusste sie nicht, für welchen Weg sie sich letztendlich entscheiden würde und ob sie den einfachen oder den richtigen Weg wählen würde. So viele Faktoren flossen alltäglich auf ihre Entscheidung ein, von der sie geglaubt hatte, dass sie längst gefallen wäre. Durch die Fenster, die hoch oben in den steinernen Wänden eingelassen waren, schienen bereits die ersten Sonnenstrahlen. Bald würde das Schloss erwachen und noch vor dem Ende dieses Tages würde sie Tom Riddle wiedersehen. Für ihn gab es nur seinen Weg. Alternativen kamen nicht in Frage ... ~ Später an diesem Tag traf sie auf Draco. Die Begegnung ereignete sich zwischen zwei Schulstunden. Ginny war gerade im sechsten Stock auf dem Weg zu Geschichte der Zauberei, als sich einige Meter vor ihr eine Tür öffnete und der Slytherin aus dem Raum trat. Er hatte sie nicht gesehen und wollte eiligst in Richtung der Treppen weitergehen. Ginny beschleunigte ihre Schritte und holte ihn schnell ein. Der Gang war bis auf diese beiden Schüler leer, dennoch war Vorsicht geboten. Sie freute sich darüber ihn anzutreffen und stupste ihn sacht mit ihrem Ellbogen an, doch als er sich zu ihr umdrehte und sie sein Gesicht sah, erschrak sie. Seine Augen waren gerötet und es machte den Eindruck als hätte er geweint. „Hey“, grüßte sie und bemühte sich den Schreck zu überspielen. „Wie geht’s?“, rutschte es ihr automatisch heraus und sogleich hätte sie sich für diese taktlose Frage am liebsten geohrfeigt. Es war unübersehbar, dass es ihm nicht gut ging. Draco wich ihrem forschenden Blick aus. Er fuhr sich durch sein blondes Haar, zerzauste es unmerklich. Diese Geste ließ ihn ziemlich nervös wirken. „Ich habe jetzt keine Zeit“, entgegnete er knapp. Er versuchte sie loszuwerden, aber Ginny blieb ihm auf den Fersen. Am Klassenzimmer von Professor Binns, welches ihr eigentliches Ziel war, war sie schon längst vorbeigelaufen, doch sie blieb an Dracos Seite. „Können wir reden?“ Er antwortete nicht sofort. Er schien unentschlossen und Ginny befürchtete, er würde sie abwimmeln, doch dann sagte er - immer noch ohne ihren Blick zu erwidern: „Meinetwegen. Nach dem Abendessen im ehemaligen Klassenzimmer im vierten Stock. Und jetzt verschwinde endlich!“ Den letzten Satz hatte er so ausdrücklich betont, dass Ginny augenblicklich stehen blieb. In diesem Moment kamen ein paar Mitschüler aus ihrem Haus vorbei, die jedoch nichts von der kurzen Unterhaltung bemerkt hatten. Unter ihnen war auch Colin und so schloss Ginny sich der Gruppe an um zum Unterricht zu gehen. Bevor sie das Klassenzimmer betrat warf sie noch einmal einen Blick über die Schulter zurück in den Gang und sah den Umhang des Slytherins gerade noch um die nächste Ecke verschwinden. Die traurigen Augen ließen sie den ganzen Schultag über nicht in Ruhe und Ginny konnte nicht anders als sich Sorgen zu machen. Dem Unterricht folgte sie nur halbherzig und die Zeit bis zum Abendessen schien sich endlos hinzuziehen. Die Stunden zogen sich wie Blaskaugummi und als sie endlich am Abend beim Essen in der großen Halle saß, verspürte sie keinen Appetit. Das Essen sah köstlich aus, wie jeden Tag, doch die Aufregung überlagerte alle anderen Empfindungen. Dabei war es absurd, dass sie einem Treffen mit Malfoy entgegenfieberte! Ihr Blick wanderte zum Slytherintisch und prüfte jedes einzelne Gesicht. Dracos war nicht unter ihnen. Wieso war er nicht beim Essen? War er schon hier gewesen oder kam er vielleicht noch? Oder ließ er das Abendessen ausfallen? Bei seinem Aussehen würde ihm eine ordentliche Mahlzeit nicht schaden. War er womöglich öfter nicht beim Abendessen? Ginny wusste darauf keine Antwort, schließlich mied sie selbst so oft es ihr möglich war die große Halle und anderenfalls war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie andere um sich wahrgenommen hätte. Es war schon beinahe ein Wunder, dass ihr Dracos Wandel aufgefallen war. Im Laufe dieses Schuljahres hatte er sich stark verändert. Er sah unendlich müde und erschöpft aus. Seine Haut war sehr blass und seine Wangen waren eingefallen. Auch wenn die Schulroben den Körper beinahe vollends verdeckten, schien er dünner geworden zu sein. Und das waren nur die körperlichen Anzeichen. Sein Charakter hatte sich zusätzlich verändert und Ginny hatte einen ganz anderen Draco Malfoy kennen gelernt. Bevor sie die große Halle wieder verließ, um sich zum vereinbarten Treffpunkt zu begeben, nahm sie sich einen Apfel vom Tisch, wickelte ihn in eine Servierte ein und steckte ihn in die Tasche ihres Schulumhangs. Letztendlich war Draco nicht mehr beim Abendessen erschienen. Auf dem Weg in den vierten Stock grübelte Ginny, ob Draco vielleicht nicht beim Abendessen auftauchte, weil er verhindert war – möglicherweise durch Nachsitzen – und somit auch nicht zum abgesprochenen Treffen erscheinen würde. Als sie dann aber das ehemalige Klassenzimmer betrat, saß er bereits dort und wartete auf sie. Es war ein seltsames Bild, wie er auf dem Boden saß, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und die Beine an den Körper gezogen, inmitten dieses verwahrlosten Raumes, als säße er dort schon seit Stunden. Dieses Klassenzimmer musste schon seit langer Zeit leer stehen. Nur wenige Möbel standen in dem kleinen Raum und sie waren von einer dicken Staubschicht überzogen, die beim Öffnen der Tür aufgewirbelt wurde. Der Malfoy von früher hätte wohl kaum eine seiner teuren Roben riskiert und dem schmutzigen Boden vermutlich eher einen der kaputten Stühle vorgezogen, den man mit einem einfachen Zauberspruch reparieren konnte. Sie ließ sich neben ihm nieder, wahrte aber einen kleinen Abstand zwischen ihnen. Draco sagte nichts, sondern starrte nur schwermütig vor sich hin. Die grauen Augen waren nicht mehr gerötet, wie vor ein paar Stunden, aber in ihnen war immer noch Traurigkeit zu erkennen. In Ginny wuchs das Gefühl ihn trösten zu wollen. „Ich hab dir was mitgebracht“, sagte sie während sie in ihrer Tasche kramte. Draco sah nun endlich zu ihr, schenkte ihr somit ein wenig Aufmerksamkeit, doch sein Gesicht zeigte keinerlei Neugier. Schließlich hielt sie ihm den eingepackten Nachtisch vom Abendessen entgegen, den er misstrauisch beäugte. „Ein Apfel“, erklärte sie. „Du warst nicht beim Abendessen. Ich dachte, du hättest vielleicht Hunger.“ Der Blick wanderte vom Apfel zu ihr. „Das ist ... wirklich rührend.“ Er nahm den Apfel, aber verstaute ihn zu Ginnys Missfallen unangerührt in seiner Umhangtasche. Eine kurze Weile herrschte Schweigen und Ginny ließ den Blick durch das Zimmer wandern. Sie war das erste Mal hier und hatte es vorher nicht einmal gekannt, bis Draco es ihr offenbart hatte. „Wieso wolltest du mich treffen, Weasley?“, fragte er und durchbrach somit die Stille. Dass er sie beim Nachnamen nannte überging sie einfach. Sie hatte so viele Fragen für die sie eine Antwort ersehnte. Sie wollte so viel wissen, doch zuerst wollte sie etwas loswerden, denn sie hatte bisher noch nicht die Gelegenheit dazu bekommen. „Ich wollte mich bei dir bedanken“, begann sie und nun war sie es die den Blick des anderen mied. Sie sah aus den Augenwinkeln wie er sie ansah. „An dem Tag, als ich von Rons Vergiftung erfahren habe, war ich total aufgelöst und fertig mit den Nerven. Ich wäre beinahe durchgedreht. Wer weiß was ich getan hätte, wenn ich dir nicht über den Weg gelaufen wäre und wenn du mich nicht beruhigt hättest. Wahrscheinlich hätte ich etwas Dummes gemacht. Ich war nicht mehr bei Sinnen.“ Sie schwieg und bei der Erinnerung an diesen furchtbaren Tag bekam sie eine Gänsehaut. „Mhm, du warst schon ziemlich furchterregend.“ Ein leichter Hauch von Ironie schwang in seiner Stimme mit. Ernst fügte er hinzu: „Jeder hätte vermutlich so wie du reagiert. Bei unserer Familie sind wir am verwundbarsten.“ Ginny sah ihn von der Seite an und erneut fiel ihr auf, wie erschöpft und niedergeschlagen er aussah. „Was hast du eigentlich an dem Tag so spät im Schloss gemacht?“, fragte sie ihn. „Die anderen Schüler waren längst in ihren Gemeinschaftsräumen. Zu dem Zeitpunkt war bestimmt schon Nachtruhe.“ Es war schon ein merkwürdiger Zufall. Draco lehnte den Kopf zurück gegen die Wand und starrte an die Decke des Klassenzimmers. „Ich war auf dem Weg in die Kerker. Ich kam gerade vom Raum der Wünsche, als du mir über den Weg gelaufen bist.“ „Raum der Wünsche?“ Draco nickte. „Mittlerweile verbringe ich dort schon ganze Nächte.“ Er war also schon wieder im Raum der Wünsche gewesen. Dies wäre der Moment um nachzufragen, was er dort getan hatte, schließlich hatte Ginny es immer wissen wollen, doch im Augenblick war ihr das absolut egal. „Draco?“ Seine grauen Augen richteten sich nun auf sie. „Gibt es vielleicht etwas worüber du reden möchtest? Ich sehe, dass dich etwas bedrückt.“ Zuerst war sein Blick erstaunt. Er blinzelte. Einmal, zweimal, dann lächelte er schwach und schüttelte leicht den Kopf. „Das ist nicht weiter wichtig.“ „Es scheint aber etwas Schwerwiegendes zu sein. Ich glaube nicht, dass du dich von Kleinigkeiten vom Besen werfen lässt.“ Draco antwortete nicht darauf und Ginny deutete sein Schweigen als Bestätigung. Er schien zu zögern und da Ginny der Überzeugung war, dass es gut war über Probleme zu reden und sich alles von der Seele zu reden, versuchte sie Draco zum Sprechen zu bewegen. „Mit mir kannst du doch reden. Ich kann gut zuhören.“ Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Ich werde es auch niemandem verraten.“ „Deine Gedanken sind nicht sicher“, sagte Draco und tippte sich leicht gegen die rechte Schläfe. „Auch wenn du nichts verraten wolltest, würdest du es unbewusst. Der dunkle Lord hat seine Mittel.“ Mit diesem Argument lag er gar nicht so falsch. Tom Riddle war ein ausgezeichneter Legilimentiker und er schaffte es selbst in der erscheinenden Illusion Ginny ihre Gedanken und Gefühle zu entlocken. Wenn Draco ihr etwas anvertrauen würde, dass mit Lord Voldemort zusammenhing, bestände die Gefahr, dass man ihr dieses Wissen entwenden und sie den Slytherin somit unwillentlich verraten würde. „Aber ich würde dir so gerne helfen!“ Ginny stand energisch auf. Sie war wütend und enttäuscht zugleich. Sie kam sich nutzlos vor und gab Tom die Schuld dafür, dass Draco sich ihr nicht anvertrauen wollte. Sie ging im Klassenzimmer auf und ab, da sie nicht mehr länger still bleiben konnte und ohne wirklich darüber nachzudenken rutschte ihr etwas heraus. „Ich mag es nicht dich so traurig zu sehen.“ Sie bemerkte gar nicht wie Draco sie überrascht ansah. Ginny schritt weiterhin auf und ab während sie ihren Gedanken Luft machte. Erst als Draco ebenfalls aufstand, blieb sie stehen. „Wieso?“ Seine Stimme war leise und ernst. Zuerst wusste Ginny nicht wovon er sprach. „Wieso willst du mir helfen?“ Draco kam schnell einige Schritte auf sie zu und fasste sie an den Schultern. „Wieso kümmert es dich, wie es mir geht?“ Ginny lächelte. Die Antwort lag schließlich auf der Hand. „Weil wir Freunde sind.“ Nach allem was die beiden Schüler schon miteinander erlebt hatten konnte man das schon so nennen. Draco war momentan derjenige - oder besser gesagt der Einzige - vor dem Ginny sich nicht verstellen musste. Er wusste vieles über sie und nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte sich ein Band geknüpft, welches die beiden miteinander verband. Draco hatte ihr geholfen und sie unterstützte ihn ebenfalls. Und es schmerzte sie ihn unglücklich zu sehen. Draco schwieg sie an. Seine Augen waren vor Verwunderung geweitet. Diese Bemerkung schien ihn unerwartet getroffen zu haben, doch er schien ihr zuzustimmen, denn er widersprach nicht. „Du kannst mir vertrauen“, sagte Ginny. Schließlich vertraute sie ihm auch. In diesen Zeiten mussten sie zusammenhalten. Die Verwunderung wich endlich aus seinen Zügen, nachdenklich legte er den Kopf schief und sein Blick wurde wärmer. „Das tue ich.“ Auf Ginny Lippen breitete sich ein Lächeln aus. Seine linke Hand fuhr von der Schulter ihren Arm hinab. Ganz langsam. Sie beobachtete diese Berührung. Schließlich strich er über ihre Hand und seine Finger verflochten sich mit ihren. Als sie ihre Hand, und somit auch seine, anhob, zog sie ihn ein Stück zu sich. Ihr Blick war aber nun auf seinen Arm gerichtet. Sanft strich sie mit der freien Hand über seinen Unterarm. „Das dunkle Mal“, hauchte sie ehrfürchtig und Ginny verspürte das brennende Verlangen diese Tätowierung sehen zu wollen. Begierig sah sie auf seinen Arm und stellte sich das dunkle Mal auf seiner blassen Haut vor. Das Mal, das jeder Todesser trug. Es war das Zeichen das bezeugte, dass man zu Voldemort gehörte. „Kann ich es sehen?“ Draco erstarrte und seine Finger befreiten sich aus ihrem Griff. Schnell zog er seinen Arm zurück. „Nein.“ Die Antwort kam durch zusammengepresste Lippen. „Ich will es sehen“, sagte Ginny und überhörte einfach das was er sagte. Sie wollte nach seinem Arm greifen, den Ärmel hoch schieben und sich die Tätowierung ansehen, aber Draco wich einen Schritt zurück, drückte seinen Arm fest gegen seine Seite und schüttelte den Kopf. „Nimm deine Finger weg!“, fuhr er sie an. „Was hast du denn?“, fragte sie verständnislos. Was war denn nur plötzlich in ihn gefahren? Sie wusste, dass er das dunkle Mal trug ... Zumindest nahm sie es stark an, denn sie konnte es nicht behaupten bevor sie nicht den Beweis gesehen hatte. Seine Reaktion war in ihren Augen total übertrieben. „Ich gehe jetzt lieber“, sagte Draco und flüchtete schon beinahe aus dem Klassenzimmer. Völlig perplex stand Ginny allein im leeren Raum, starrte auf die verschlossene Tür und fragte sich, was da gerade eigentlich passiert war. ~ Was?! Die Buchstaben waren unordentlich geschrieben, ganz untypisch für Tom und es war auf dem Pergament deutlich zu sehen, wie stark mit der Federspitze aufgedrückt wurde. Ginny konnte Toms wütendes Schreien beinahe hören. Was soll das heißen, du konntest es nicht? An diesem Abend hatte Ginny das Tagebuch aus ihrem Koffer hervorgezogen um Tom zu schreiben bevor sie zu Bett ging. Es hatte nicht all zu lange gedauert, bis Tom die Frage nach ihrem Fortschritt gestellt hatte. Zuerst war sie unsicher gewesen, ob sie von der Nacht im Krankenflügel erzählen sollte. Es war eigentlich nicht erwähnenswert, da schließlich nichts geschehen war. Letztendlich hatte sie ihm doch berichtet, dass sie die Chance vertan hatte Harry umzubringen. Sie war einfach ehrlich gewesen und jetzt erfuhr sie die Konsequenzen ihres Scheiterns. Da gibt es nichts zu entscheiden! Dein Auftrag war eindeutig! Wie kannst du es wagen dich meinen Anweisungen zu widersetzen? Was bist du für eine Hexe, die es nicht fertig bringt, einen einfachen Zauber durchzuführen? Monatelang muss ich mir dein Gejammer von deiner verlangten Rache anhören und es waren alles nur leere Worte von dir! Du hattest deine Chance, sogar mehr als eine! Letztendlich bist du zu feige! Jedes einzelne Wort war wie eine Ohrfeige. Tom verletzte und demütigte sie. Ginny bereute es ihm überhaupt davon erzählt zu haben. Es war naiv von ihr gewesen Verständnis von ihm zu erwarten. Ich bin nicht feige, schrieb sie. Es war keine Feigheit gewesen, die sie daran gehindert hatte einen Mord zu begehen. In diesem Moment, als sie die Möglichkeit hatte Harry im Schlaf zu töten, hatten ihre Gefühle sie daran gehindert. Sie hatte es nicht gekonnt, da hinter all dem Hass, den sie für ihn empfand, noch andere Gefühle steckten. Mitgefühl hatte den Jungen gerettet. Sie wollte niemandem das Leben rauben und somit eine Existenz auslöschen. Wer war sie, dass sie über Leben und Tod entscheiden konnte? Vor Tom konnte sie sich nicht rechtfertigen. Er würde es nicht verstehen. Er hatte keine Gefühle. Jedenfalls keine menschlichen. Du hast versagt. Ich kann auf diejenigen, die versagen, verzichten. Lass mich das ganz deutlich sagen, so etwas wird nicht noch einmal geschehen. Du wirst alles dir nur mögliche versuchen um mich zufrieden zu stellen. Haben wir uns verstanden? Ginny gefiel es gar nicht, wie Tom mit ihr umsprang. Als sei sie seine Dienerin, eine Marionette ohne freien Willen, die nach seiner Pfeife zu tanzen hatte. Willst du mir drohen? Drohen? Oh, viel mehr als das. Ich werde dich dazu zwingen. Ich habe es schon einmal geschafft und ich werde dich mir erneut gefügig machen! So wie schon vor 4 Jahren! Das war zu viel für sie. Du machst mir keine Angst!, schrieb Ginny aufgebracht und schlug wütend das Buch zu. Seine Drohungen wollte sie sich nicht gefallen lassen! Niemals würde er wieder die Kontrolle über sie haben. Sie war nicht mehr so schwach wie damals und er hatte nicht mehr die Macht sich ihrer zu bemächtigen. Sie stand auf und wollte das Tagebuch wieder in ihren Koffer zurück legen, somit Tom einfach ignorieren, doch das was sie dann sah versetzte ihr so einen Schreck, das ihr das Tagebuch aus der Hand fiel und mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden fiel. Tom Riddle stand mitten in ihrem Schlafzimmer. Ihre Zimmergenossinnen, aufgeschreckt von dem fallengelassenen Buch, sahen Ginny fragend an. Die braunen Augen wurden groß vor Entsetzen, doch die anderen Mädchen schienen nicht das Gleiche zu sehen wie sie, denn keine von ihnen schien den jungen Mann zu bemerken, der plötzlich in ihrem Schlafsaal stand. „Sie können mich nicht sehen“, sagte Tom gleichgültig und schenkte den anderen Mädchen nicht einen Blick. Ginny war immer noch wie erstarrt, als Demelza Robbins sie ansprach. „Ist alles in Ordnung, Ginny?“ Die anderen Mädchen begannen zu tuscheln und Ginny erwachte wieder aus ihrer Starre, bückte sich nach dem Buch und griff mit zitternden Fingern danach. „A-alles in Ordnung“, stammelte sie, floh zurück in ihr Himmelbett und zog schnell die roten Vorhänge zu. Als sie sich umdrehte, saß Tom bereits auf ihrem Bett. Seine Augen sahen sie wütend an. Er hatte weiterhin noch nichts gesagt und Ginny wünschte sich, er würde den Mund geschlossen halten. Sie sah überdeutlich wie er seine Kiefer fest aufeinander presste. Sie hatte ihn wirklich verärgert. Sie konnte nichts sagen. Die anderen würden sie hören. Sie stand so unter Schock, dass sie noch nicht einmal auf die Idee kam einen Zauber zu sprechen, der die anderen ihre Worte nicht hören ließ. Doch wozu auch? Sie konnten Tom nicht sehen und auch nicht hören und Ginny selbst würde keine einzige Silbe über ihre Lippen bringen. Verängstigt kroch sie ans Bettende und drückte sich gegen die Wand, versuchte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Tom zu bringen. Durch die zugezogenen Vorhänge drang nur schwaches Licht und seine Augen wirkten dadurch noch dunkler als sonst. „Du hast mich wirklich verärgert“, begann er und seine Stimme war kalt wie Eis. „Du wagst es, das Buch einfach zu schließen und willst mir somit den Mund verbieten?“ Sofort schüttelte sie den Kopf. „Wage es nicht noch einmal, Ginevra, so mit mir umzugehen. Für wen hältst du dich, du kleines dummes Gör!“ Tom kam näher und überbrückte die Distanz, bis er ihr so nahe kam, dass nur wenige Zentimeter ihre Gesichter trennten. Ginny hielt unwillkürlich den Atem an, als er eine Hand nach ihr ausstreckte. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Vieles hatte sie erwartet, doch überraschenderweise legte seine Hand sich an ihre Wange. Sie sah, wie die Finger sich bewegten und sie streichelten, doch sie konnte seine Berührungen nicht spüren, solange sie die Augen offen hielt. Dies allein war die Bestätigung, dass er nicht wirklich da war. Beruhigen tat sie diese Gewissheit jedoch nicht. „Muss ich dir erst zeigen, was passiert wenn du mir nicht gehorchst?“, hauchte er ihr gegen die Lippen. Seine Worte hätten zärtlich sein können, wenn die Drohung darin nicht so gewaltig gewesen wäre. Seine Augen waren schwarz und voller Hass und standen somit im Kontrast mit seiner lieblichen Stimme. Ginny wagte einen Seitenblick zu ihrem Zauberstab. „Der hilft dir jetzt auch nicht mehr“, hörte sie seine Stimme gefährlich nah an ihrem Ohr und Ginny schloss vor Angst die Augen. Nun spürte sie seine Hand an ihrer Wange, die sie zärtlich streichelte. Sie sah ihn immer noch vor sich, konnte ihm nicht entkommen. Sie spürte seine Nähe und seinen süßen Atem als er sprach. „Du wirst dich mir fügen, ob du willst oder nicht. Du hast gar keine andere Wahl.“ Seine Finger glitten über ihren Hals, bevor er seine Hand zurückzog. „Ansonsten werde ich dich vernichten.“ Und daran bestand keinerlei Zweifel. Nie mehr würde sie ihn verärgern, schwor sie sich. Nie wieder! Ihre Dummheit hatte sie in diese Lage gebracht, dabei wusste sie doch nur zu gut wie er sein konnte. Sie hoffte, dass es bald vorbei sein würde. Tom sollte einfach nur noch verschwinden. Er beugte sich zu ihrem Ohr hinab und flüsterte mit seiner eiskalten Stimme: „Mache ich dir jetzt Angst?“ „Ja!“, hauchte sie. Panik ergriff sie und ihr ganzer Körper zitterte. „Gut.“ Als sie ihre Augen wieder öffnete war er verschwunden. Sie war nun wieder allein in ihrem Bett und die einzigen Stimmen, die sie hörte, waren von ihrer Zimmergenossinnen, die sich leise miteinander unterhielten. Ginnys vor Panik angespannter Körper löste sich, sie sank in sich zusammen, vergrub das Gesicht in ihren Händen und brach in Tränen aus. Kapitel 21: Salvation --------------------- Es dämmerte bereits. Tagelang hatte Ginny ihn beobachtet, war ihm gefolgt und hatte auf einen günstigen Moment gewartet. Stets war er umgeben von seinen Freunden oder Mitschülern. Nie war er alleine. Und nun machte er es ihr einfach und servierte sich praktisch auf dem Silbertablett. Ganz allein spazierte Harry Potter über die Ländereien und schien nicht darauf zu achten ob er verfolgt wurde. Wenn sie Glück hatte, würde er geradewegs in den verbotenen Wald spazieren, dort wäre es ihr ein Leichtes, ihn zu töten. Niemand würde sie sehen und wer weiß wie lange es dauern würde, bis man ihn dort fand. Bis dahin konnte sie längst auf und davon sein. Etwas anderes kam nämlich nicht in Frage. Ginevra Weasley würde fliehen müssen und die Schule, ihre Familie und ihre Zukunft hinter sich lassen. Es würde herauskommen, wer ihn getötet hatte. Sicherlich gab es einen Weg, wie sie es zurückverfolgen konnten. Magie hinterließ immer Spuren. Doch auch wenn es nie aufgeklärt werden würde, wäre die Schande für Ginny zu groß und das schlechte Gewissen zu übermächtig, als dass sie noch länger in der Schule bleiben wollte. Sich selbst würde sie dann nie wieder in die Augen sehen können, wenn sie gleich diesen Mord begann. Der Gedanke daran zerriss ihr jetzt schon das Herz. In der Nähe der Gewächshäuser standen einige Bäume, unter denen die Schüler oftmals saßen, wenn sie auf den Ländereien des Schulgeländes ihre Zeit verbrachten. Hinter einem dieser Bäume versteckte sich Ginny, geschützt in seinem Schatten und beobachtete ihr Opfer, den Zauberstab bereits fest in ihrer Hand umklammert und bereit für den Angriff. Allmählich erkannte sie, dass Harry sich auf den Weg zu Hagrid machte. Die kleine Holzhütte stand am Rande des verbotenen Waldes und durch die Fenster war in der Abenddämmerung bereits Licht zu erkennen. Bald würde Harry die Hütte erreichen und wenn er erst einmal bei dem Wildhüter angekommen war, konnte Ginny ihn nicht mehr angreifen, also musste sie schnell handeln. Harry war weit entfernt – es waren mindestens 50 Meter – aber die Weasley konnte gut zielen. Rasch hob sie den Zauberstab und zielte auf den ungeschützten Rücken. Sie würde nicht zögern, sie musste es tun! Nie wieder würde sie eine Chance haben und es war egal, ob sie es tun wollte oder nicht, sie musste sich Riddles Willen beugen! In Gedanken wiederholte sie die Zauberformel – Avada Kedavra. Der tödliche Fluch. Wenn sie alles richtig machte und ihn traf, war endlich alles vorbei. Der Entschluss war gefasst. Stumme Tränen rannen ihr übers Gesicht. Sie öffnete den Mund um den Fluch loszujagen, doch bevor sie die todbringenden Worte aufsagen konnte, wurde ihr der Zauberstab aus der Hand gerissen. Ein Entwaffnungszauber! Ginny fuhr panisch herum und sah gerade noch, wie derjenige, der sie entwaffnet hatte, ihren Stab mühelos auffing. Draco stand nur wenige Meter entfernt bei den Gewächshäusern und sah sie geschockt an. „Was zur Hölle tust du da?“, fragte er. Ginny war vor Schreck kreidebleich geworden, da es nur Draco war, konnte sie allerdings aufatmen. Da hatte sie noch einmal Glück gehabt. Beschämenderweise hatte sie ihn nicht einmal bemerkt. Nicht auszudenken, wenn jemand anderes sie hier erwischt hätte. Als sie wieder zu Harry sah, konnte sie gerade noch erkennen, wie er die Hütte des Halbriesen betrat und hinter den schützenden Holzwänden verschwand. Erneut war es ihr missglückt. „Was sollte das?“, keifte sie jetzt Malfoy an. „Ich war so nah dran!“ Das Schluchzen ließ sich nicht unterdrücken und sie versuchte gar nicht erst ihre Tränen vor dem Slytherin zu verbergen. Der mitleidige Blick, mit dem Malfoy sie bedachte, ließ sie sich noch schlechter fühlen. „Beinahe hätte ich ihn gehabt. Es wäre alles wieder gut geworden“, sprach Ginny eher zu sich selbst als zu ihm. „Du wolltest ihn doch nicht wirklich angreifen?“ Draco war nun zu ihr herüber gekommen und warf einen kurzen Blick hinüber zu Hagrids Hütte, aus deren Kamin dicke Rauchwolken stoben und in den Himmel aufstiegen. „Sieh dich an, du heulst doch!“ „Von wollen ist keine Rede! Ich muss! Ich muss es tun!“ Wollen tat sie es ganz sicher nicht, doch sie wäre verrückt, sich den Befehlen des dunklen Lords zu widersetzen. Das letzte Gespräch mit ihm war ihr noch gut in Erinnerung geblieben. Tom Riddle hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Deutlich hatte er Ginny gezeigt, dass er ihr keine Wahl ließ. Gerade Draco musste sie doch verstehen. Sie teilten so vieles miteinander. Auch er hatte die Aufgabe erhalten jemanden umzubringen und er wusste, dass Ginny seit Jahresbeginn darum bemüht war Harry zu töten. Er kannte Voldemort und wusste, dass er kein Versagen duldete. Wieso stellte er sich ihr jetzt in den Weg, anstatt ihr zu helfen? „Du hättest dich nicht einmischen sollen“, zischte sie jetzt wütend. Sie fühlte sich von ihm verraten. Dabei hatte sie gedacht, sie könnte sich auf ihn verlassen. „Du hasst ihn doch ebenso sehr wie ich! Wieso also hast du ihn gerettet?“ Wenn sie noch ihren Zauberstab gehabt hätte würde sie Draco einen Fluch verpassen, doch er befand sich immer noch in seinem Besitz. „Was ist nur mit dir los?“ Draco schien völlig erschüttert. Langsam, sehr langsam schüttelte er den Kopf und starrte sie aus großen Augen an. „Ich weiß, dass du das eben nicht tun wolltest. Du hättest einen Fehler begangen. Ich wollte nicht, dass du zur Mörderin wirst.“ „Aber ...“ In Ginnys Augen sammelten sich abermals Tränen. „Er ... wird mich bestrafen ...“ Ihr wurde übel bei dem Gedanken daran, was sie erwarten würde, wenn sie Riddle nicht endlich von einem Erfolg berichten würde. Er hatte ihr im Schlafsaal eine Höllenangst eingejagt. Ihr Körper fing an zu zittern. „Ich habe Angst“, schluchzte sie und erneut rollten Tränen über ihr Gesicht. Sie lehnte sich gegen Dracos Schulter und schlang die Arme um ihn. Sie wollte sich nur an irgendetwas festhalten, denn sie hatte das Gefühl, man würde ihr den Boden unter den Füßen wegziehen. Der Druck wurde langsam zu groß und sie hielt dem nicht länger stand. Sie fühlte sich so schwach ... „D-das ... das ist bestimmt F-felix Felicis“, schniefte Ginny. „Gegen diesen Glückstrank habe ich keine Ch-chance!“ Ginny wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, doch es folgten immer wieder neue. Wenn sie doch auch nur ein wenig Glück haben könnte, denn genau dieses schien sie dieses Schuljahr verlassen zu haben. Ansonsten wäre sie nicht in solch einer aussichtslosen Situation. Draco legte einen Arm um sie, tröstete sie stillschweigend und als ihre Schluchzer und Tränen mit der Zeit verstummten, zog er sie mit zurück zum Eingangsportal. „Komm. Lass uns ins Schloss gehen. Wir müssen aufpassen, dass uns niemand sieht. Wir dürfen um diese Uhrzeit nicht mehr draußen sein.“ Ginny ließ sich widerstandslos von ihm mitziehen. In seiner Nähe fühlte sie sich sicher und hoffte, er wäre immer für sie da, wenn sie ihn brauchte. Sie wünschte, er würde sie vor Tom Riddle beschützen können, doch das war nur Wunschdenken. Dazu war Draco leider nicht in der Lage. Doch für heute reichte es, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen war und sie vor dem größten Fehler ihres Lebens bewahrt hatte. ~ Ginny glaubte allmählich, der Mut, der den Gryffindors nachgesagt wurde, habe sie seit langem schon verlassen und dabei brauchte sie genau jetzt davon eine große Portion. Sie brauchte Mut, um sich Tom Riddle erneut zu stellen und um ihm wieder einmal ihr Scheitern kundzutun. Für diesen Anlass hatte sie ein verlassenes Klassenzimmer gewählt, falls Tom sich ihr wieder zeigen wollte. Dies würde er zweifelsohne, wenn nicht nur in ihrem Schlafsaal, womöglich sogar überall tun, denn sie war die Einzige, die ihn sehen konnte. Auch wenn die Mädchen, die sich den Schlafsaal mit Ginny teilten, Tom Riddle nicht sehen konnten, wollte sie gerne mit ihm allein sein, damit sie frei sprechen und agieren konnte. Mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt saß sie auf dem Boden, das Tagebuch lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß. Ihre rechte Hand hielt die Feder und zitterte wie verrückt. Sie brauchte einige Minuten, überlegte lange, wie sie beginnen sollte, bis sie schließlich die Spitze auf das Pergament setzte und begann einige Buchstaben nieder zu kritzeln, die aufgrund ihres Zitterns merkwürdig verzerrt waren. Tom, ich habe Neuigkeiten. Sie schluckte. Hoffentlich erwischte sie ihn mit einer guten Laune, dann würde er ihr ihr erneutes Versagen vielleicht verzeihen. Aber wann hatte der dunkle Lord schon mal gute Laune? Ich hoffe für dich, es handelt sich um gute Neuigkeiten. Der Kloß in Ginnys Hals schien auf die Größe einer Galleone anzuschwellen. Die Erinnerungen an das wütende Gesicht und an die Drohungen, die er bei der letzten Begegnung geäußert hatte, kehrten zurück und ließen Ginnys Hände vor Angst ganz schwitzig werden. Ihr Kopf war plötzlich ganz leer und sie vermochte keine Antwort zu verfassen. Mehrere Sekunden vergingen, bis eine weitere Nachricht erschien. Ah ... Wie vermutet ... Beschämt schloss Ginny die Augen. Wie vermutet? Rechnete er schon damit, dass sie versagte? Dieser Gedanke demütigte sie, hatte sie doch stets versucht ihn glücklich zu machen und zufrieden zu stellen. Allerdings ... wenn er ihr Versagen schon erwartete wäre es vielleicht einfacher es ihm zu erklären. Eine Bewegung ließ Ginny aufsehen und entsetzt sprang sie auf, ließ das Buch zu Boden fallen, als sie feststellte, dass sie nicht mehr allein war und direkt in die Augen ihres personifizierten Alptraums blickte. „Was hast du jetzt schon wieder angestellt?“ Im Klassenzimmer schien es einige Grade kälter zu werden. Mit verschränkten Armen stand Tom vor ihr und sah auf Ginny hinab. Seine Gesichtszüge waren angespannt und ohne Emotionen. Wie sie befürchtet hatte erschien er in dem leeren Klassenzimmer. Allerdings behagte ihr diese vertraute Zweisamkeit nun nicht mehr bei dem Gedanken daran, dass niemand ihr helfen konnte, wenn etwas geschehen sollte. Das hätte sie vorher vielleicht bedenken sollen ... „Sprich endlich!“ Ginny fuhr erschrocken zusammen und öffnete den Mund um zu sprechen, doch es kamen nur gestammelte Laute aus ihr heraus. Die Angst zur Seite schiebend zwang sie sich ihre Fassung zu bewahren. Er konnte ihr nichts tun, versicherte sie sich. Er konnte ihr nichts tun, denn er war nicht aus Fleisch und Blut. Das Einzige, was passieren konnte, war, dass sie vor Angst starb, doch soweit wollte sie es nicht kommen lassen. Sie befeuchtete sich die trockenen Lippen bevor sie sprach. „Harry ... ich habe ihm aufgelauert ... ihn verfolgt ... Ich wollte ihn angreifen, so wie du es wolltest-“ „Aber?“, fragte Tom ungeduldig. Seine dunklen Augen fokussierten sie und die Anspannung war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ich wurde ... erwischt.“ Seine Augen weiteten sich. Er wandte sich von ihr ab, fluchte lauthals und raufte sich die Haare. Dann veränderte sich seine Stimme. Wütend zischte er wie eine Schlange und Ginny erkannte, dass es Parsel war. Er schien die Nerven zu verlieren wenn er jetzt schon in der Schlangensprache fluchte. So außer sich hatte sie ihn noch nie erlebt. „Von wem?“, wollte Tom wissen ohne Ginny dabei in die Augen zu sehen. Zornesröte verdrängte die zarte Blässe die das sonst so schöne Gesicht bedeckte. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt und Ginny war heilfroh, dass sich kein Zauberstab in seinen Fingern befand, nicht befinden konnte. „Einem Schüler.“ Für einen kurzen Moment dachte sie an Draco, aber ihn in dieser Situation zu erwähnen wäre für sie beide ziemlich gefährlich gewesen und Ginny hatte ja nicht einmal gelogen. Draco war ein Schüler. Toms Zorn schien derzeitig zu groß um zu bemerken, dass sie etwas verheimlichte, dabei war es für ihn so leicht sie zu durchschauen. Als er ihr sein Gesicht wieder zuwandte, sah er sie hasserfüllt an. Ginnys Herz zog sich qualvoll zusammen, bei dem Blick, den sie geschenkt bekam. Er sprach mit eiskalter Stimme zu ihr, als ob sie keine Wärme verdient hätte. „Unnützes Gör! Wie konntest du schon wieder versagen?“ „Ich kann nichts ausrichten, wenn er noch Felix Felicis hat“, versuchte Ginny sich zu rechtfertigen. „Ausreden!“ „Ich versuche es doch!“ „Lügen!“ Tom kam einige Schritte auf sie zu. Unbewusst trat sie zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Er hob beide Hände. „Wie gerne ich dir deinen Hals umdrehen würde“, zischte er leise und legte seine Finger um ihren Hals, die sie aber nicht spüren konnte. Wie bei einem Geist glitt er durch sie hindurch, da nur sein Geist anwesend war, nicht sein Körper. Das Einzige, was ihn von einem Geist unterschied, war, dass dieses eiskalte Gefühl bei der Berührung ausblieb. „Wenn ich dazu in der Lage wäre, würde ich nicht zögern dich zu töten“, flüsterte er. In diesem Moment schien Ginnys Herz zu zerbrechen. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie Tom an und langsam spürte sie die Tränen aufsteigen. Sie sah, dass er die Wahrheit sprach, er würde nicht zögern sie zu ermorden. Die Erkenntnis ließ Ginny zusammenbrechen. Sie sackte auf den Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Laut schluchzte sie auf. Tom hasste sie sosehr, dass er sie umbringen wollte! Er trat ihre Gefühle mit Füßen und in diesem Moment wollte Ginny nichts anderes als ihm seinen Wunsch zu erfüllen und sterben, nur damit dieser grausame Schmerz endete. „Ich hasse dich“, schluchzte sie. Mit tränenverschleierten Augen sah sie zu ihm und begegnete einem kühlen Lächeln. „Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.“ Oh, doch, es stimmte. In diesem Augenblick hasste sie ihn, weil er ihr so unglaublich weh tat. Sie konnte ihn nicht mehr lieben, nicht, nachdem er ihr Herz gebrochen hatte. Er verdiente ihre Liebe nicht. Ginny rappelte sich mit dem letzten bisschen Kraft auf, stolperte fast und eilte dann auf die Tür zu. Sie wollte einfach nur noch fort und Tom Riddle nie wieder sehen. „Doch ich hasse dich, Tom! Lass mich in Ruhe und verschwinde endlich!“ Keine zehn Hippogreife hielten sie mehr hier und so griff sie nach dem Türknauf, riss die Tür auf und lief hinaus. „Du wirst mich nie los werden!“, hörte Ginny noch, bevor die Tür hinter ihr zufiel und sie den Korridor entlang rannte, einfach davonlief und Tom und das Tagebuch zurückließ. Sie rannte und rannte, bis ihr ihre Lungen schmerzten und sie kaum noch Luft bekam, eilte die Treppen und Stockwerke hinauf, vorbei an verwirrt und besorgt drein schauenden Schülern, bis sie im siebten Stock ankam. Nach einem Wandteppich ausschauhaltend lief sie den Gang hinab und als sie ihn endlich fand, stellte sie sich vor die gegenüberliegende Steinmauer, wo sie den Raum der Wünsche vermutete. Was sie hier her getrieben hatte, wusste sie zuerst nicht, bis ihr klar wurde, zu wem sie gewollt hatte. Dreimal lief sie vor der Wand auf und ab und stellte sich genau vor, was sie im Raum der Wünsche vorfinden wollte. Als sie die Augen öffnete, atmete sie erleichtert auf, als die Tür erschien und öffnete sie sofort um einzutreten. „Draco?“, rief sie mit brüchiger Stimme. „Bist du hier?“ Überraschenderweise fand sie sich in jenem Raum wieder, indem sie einst mit dem Slytherin gewesen war. Der Raum der Wünsche hatte erneut eine gigantische Größe angenommen und beherbergte eine enorme Anzahl einer Ansammlung an Gegenständen, die in diesem Moment nicht uninteressanter hätten sein können. „Hallo?“, rief sie noch einmal, bis Draco plötzlich hinter einer verrosteten Ritterstatue hervortrat und sie überrascht ansah. „Ginny? Was tust du denn hier?“ Weinend fiel sie ihm um den Hals und sie drückte sich fest an ihn, wie eine Ertrinkende, die endlich Halt gefunden hatte. Sie war so froh ihn zu sehen. „Was ist denn passiert?“, fragte er besorgt und als sie nicht antwortete, sondern nur weiter schluchzte schüttelte er sie leicht. „Sag doch was.“ Leichte Panik schwang in seiner Stimme mit. Er schien völlig überfordert mit der Situation. „Wie bist du denn hier rein gekommen?“ „Du hast gesagt, du wärst oft hier. Und ich wollte unbedingt zu dir. Ich habe mir so sehr gewünscht dich zu sehen.“ Draco packte sie an den Schultern, drückte sie von sich weg und hielt sie auf Armlänge von sich entfernt. Besorgt zog er die Augenbrauen zusammen. „Sag mir, was passiert ist“, forderte er. Ginny sah in seine Augen und das schöne Grau der Iris schien sie abzulenken, sie zu beruhigen, als sie sich darin verlor. Seine Augen waren so viel wärmer, als die von Tom. Noch einmal schüttelte Draco sie, da sie immer noch nicht sprach. „Was ist geschehen?“ Und endlich begann Ginny zu erzählen. Sie redete sich alles von der Seele, was seit dem Tag geschehen war, als Draco ihr das Tagebuch heimlich zugesteckt hatte. Wie es zu dem Auftrag kam, sie eingewilligt hatte, aber nach dem Unglück mit ihrem Bruder Zweifel keimten und dass Tom sie einschüchterte, sie drängte und zwang, dass er nicht nur im Tagebuch drohte, sondern ihr erschien und ihr Angst einjagte. Von dem Ereignis im Klassenzimmer berichtete sie ebenfalls. Draco hatte schweigend zugehört, aber als sie sagte, dass Tom sie am liebsten tot sähe, spiegelte sich auch auf seinem Gesicht das Entsetzen. Ginny weinte immer noch stumme Tränen, die sie minütlich mit einem Taschentuch wegwischte, welches Draco ihr heraufbeschworen hatte. Nachdem ihr Gefühlsausbruch langsam abschwächte, konnte sie wieder klar denken. Hier fühlte sie sich sicher. „Ich hätte dir dieses verfluchte Tagebuch nie geben dürfen!“ Draco war aufgesprungen und ging nervös auf und ab. Dann zog er seinen Zauberstab. „Wo ist es jetzt?“ Ginny sah ihn fragend an. „Das Tagebuch. Du sagst, du hättest es dort liegen gelassen.“ Als Antwort nickte sie. „Es liegt im leeren Klassenzimmer im zweiten Stock, in dem Gang, der zum Klo der Maulenden Myrte führt.“ Sobald sie dies gesagt hatte, lief Draco zur Tür. „Wo willst du hin?“, rief Ginny ihm verwirrt hinterher. „Ich sorge dafür, dass dieses Drecksding nicht mehr in unschuldige Hände fällt.“ Draco verließ den Raum der Wünsche und ließ Ginny alleine zurück. Bis er wieder kam vergingen zehn Minuten, in denen Ginny sich nicht vom Fleck rührte und auf ihn wartete. Als die Tür sich wieder öffnete, sprang sie erleichtert auf, als sie Draco erkannte. Er hatte das Tagebuch bei sich. „Ist es das?“ Ginny nickte und sie fragte sich, was Draco nun vorhatte. „Da ich dir dieses Ding eingebrockt habe, finde ich es nur fair, wenn ich es auch wieder beseitige.“ Draco sah sich im Raum um, als suchte er etwas. „Ich werde es verstecken, damit er dich nicht mehr belästigen kann. Solange es nicht mehr in deinem Besitz ist, kann er dir nichts tun. Ich werde es jetzt hier verstecken. Sieh mir am Besten nicht nach, damit du nicht weißt, wo es ist und nicht in Versuchung kommst es zu suchen.“ Ginny hatte gemischte Gefühle, denn einerseits wäre sie froh, wenn sie das Tagebuch und somit Tom Riddle los sein würde, doch andererseits hatte ihr dieser Gegenstand sehr viel bedeutet. Es war das Symbol ihrer Vergangenheit, dass, was sie mit Riddle verband und sie wusste, ohne dieses Buch würde sie nie wieder die Gelegenheit bekommen, Tom zu schreiben oder eine Nachricht von ihm zu erhalten. Es würde dann für immer vorbei sein. Doch sie nickte. Sie drehte sich um und ließ Draco das Tagebuch im Raum der Wünsche verstecken. Sie würde es nie wieder in Händen halten, nie wieder die Chance erhalten Tom Riddle zu sehen. Sie wusste, dass es das einzig Richtige für sie war, wenn sie sich von ihm trennte. Dieses Wissen ließ sie sich allerdings keineswegs besser fühlen. ~ Ginny saß in der Bibliothek und ging einer in letzter Zeit stark vernachlässigten Aktivität nach: sie lernte. Sie tat etwas, was für eine Schülerin ihren Alters völlig normal war. Mittlerweile war es Mai geworden und schon im Juni waren die ZAG-Prüfungen. Wie die meisten ihrer Klassenkameraden ihrer Jahrgangstufe verbrachte sie ihre Zeit entweder in ihrem Gemeinschaftsraum oder in der Bibliothek. Sie benahm sich wie alle anderen und nichts zeugte mehr von dunklen Machenschaften, die sie einst ausgeübt hatte. Ginny selbst hatte kaum noch Zeit über das Tagebuch zu nachzudenken. Seitdem es fort war, fühlte sie sich frei. Als wäre nie etwas geschehen lebte sie nun ihr Leben. Vieles hatte sich verändert, seitdem Draco das Tagebuch versteckt hatte. Ginnys Leben schien sich wieder zu normalisieren. Sie fühlte sich besser, ihr Körper wurde stärker und vor allem ihre sozialen Beziehungen verbesserten sich. Zu ihrer Freude war das Verhältnis zu Ron wieder so wie früher und auch der Umgang zu ihren Mitschülern wurde wieder normal. Jetzt konnte sie sich wieder auf die kleinen Dinge im Leben freuen, wie zum Beispiel Quidditch spielen. Den Flug auf einem Besen hatte sie lange nicht mehr so genossen. Alles neigte sich zum Guten. Mittlerweile bemühte sie sich sogar Harry gegenüber freundlich zu verhalten. Nach allem, was sie getan hatte, war es das Mindeste, was sie tun konnte. Wenn sie sich im Gemeinschaftsraum oder beim Training begegneten, grüßte sie ihn und versuchte sich an einem freundlichen Lächeln. Das Schuldbewusstsein war jedoch allgegenwärtig. Die Stunden vergingen und allmählich wurde es Zeit für das Essen in der großen Halle. Nachdem Ginny ihre Schulbücher zusammengepackt hatte, verließ sie die Bibliothek und als sie zu den Treppen gehen wollte, fiel ihr die Schülermenge auf, die sich am Eingangsportal versammelte. Neugierig geworden schritt sie näher, um zu erfahren, was der Anlass für diese Ansammlung war, die größtenteils aus Gryffindors bestand. Nachdem sie sich an Romilda Vane und Dennis Creevey vorbeigequetscht hatte, konnte sie einen Blick auf die Person werfen, die von allen andern eingekreist wurde. Eine Schülerin war zur Schule zurückgekehrt und wurde gerade herzlich von ihren Freunden und Mitschülern in Empfang genommen. Ginny erkannte das vertraute Gesicht. Katie Bell war wieder in Hogwarts. Kapitel 22: Wounds ------------------ Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors herrschte reges Treiben. Das letzte Quidditchspiel stand kurz bevor. Die Partie Gryffindor gegen Ravenclaw würde entscheiden, welches Haus in diesem Schuljahr den Quidditchpokal gewann. Nach der letzten Pleite mit Cormac McLaggen, der während des Spiels den Sucher der Mannschaft vom Besen gehauen hatte, waren die Gryffindors heilfroh, dass Katie Bell wieder aus dem St. Mungo’s zurückgekehrt war und wieder die Rolle der Jägerin einnehmen konnte. Die Chancen schienen für die Mannschaft gut zu stehen. Überall im Schloss wurde über das letzte Spiel der Saison gesprochen. Die Gryffindors waren sehr zuversichtlich. „Um zu gewinnen müssen wir nur den Schnatz fangen und dreihundert Punkte Vorsprung haben“, sagte Ron, der Ginny schon seit einer halben Stunde mit dem Thema Quidditch in den Ohren lag. „Also ein Kinderspiel“, zwinkerte Ginny. Die beiden Weasleys saßen mit Hermine an einem runden Tisch an einem der Fenster, durch welches man auf den Ländereien des Schlosses das schöne Maiwetter bewundern konnte. Ginny hatte ihre Schulbücher ausgebreitet und verbrachte nach dem Schulunterricht den restlichen Abend mit Lernen, bis sich Ron dazu gesellt und sie ins Gespräch verwickelt hatte. „Du bist beim letzten Training sehr gut geflogen, Ginny“, erwähnte Ron nun schon zum dritten Mal. „Wenn du dich beim Spiel genauso ins Zeug legst, haben wir eine gute Chance. Du musst uns sehr viele Punkte holen. Wir brauchen mindestens-“ „Dreihundert Punkte“, beendete Ginny den Satz und schüttelte amüsiert den Kopf über das Verhalten ihres älteren Bruders. Ron war so nervös wegen des entscheidenden Spiels, dass er an nichts anderes mehr denken konnte, als an Quidditch. Hermine, die Ginny beim Lernen geholfen hatte, warf einen tadelnden Blick zu Ron. Mehrmals hatte sie ihn schon ermahnt, er würde stören. „Ron“, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Augenbrauen waren streng zusammengezogen und sie hatte große Ähnlichkeiten mit Professor McGonagall. „Deine Schwester versucht zu lernen. Die ZAG-Prüfungen sind bereits nächste Woche!“ „Und das Quidditchspiel ist am Samstag, Hermine! Das ist nun einmal wichtiger!“ Empört schnappte Hermine nach Luft. Beide hatten in dieser Angelegenheit unterschiedliche Standpunkte. „Das ist nicht dein Ernst! Die ZAG-Prüfungen sind eine wichtige und ernstzunehmende Prüfung! Durch sie erfährt man wo man schulisch steht und in welchen Fächern Defizite bestehen. Die guten Noten werden gebraucht, um in der sechsten Klasse weiterhin die Kurse belegen zu können, denn in einigen Fächern werden nur die Schüler mit den Bestnoten genommen. Außerdem ist die Zwischenprüfung eine gute Vorbereitung auf die Abschlussprüfung in der siebten Klasse. Wenn ich daran denke, dass unsere UTZ-Prüfungen schon im nächsten Jahr stattfinden.“ „Ach, du. Das ist doch noch ewig hin.“ Gelassen zuckte Ron mit den Schultern. „Wie bitte?“, fragte Hermine schrill. Sie sah aus, als hätte sie soeben erfahren, dass es ab dem heutigen Tag nicht mehr erlaubt war Hauselfen Kleider zu schenken, um ihnen die Freiheit zu ermöglichen. „Die Zeit rinnt davon! Es ist nie früh genug um zu lernen! Wenn ich mir vorstelle, ich habe nur noch ein Jahr um den ganzen Stoff zu lernen...“ Ron verdrehte die Augen und Ginny hätte es ihm gleichgetan, aber Hermine war so nett gewesen ihr bei Zauberkunst zu helfen. Nachdem Hermine in den Sommerferien ihre ZAG-Ergebnisse erhalten hatte und feststellen musste, dass sie nur in neun von zehn Fächern die Bestnote erreicht hatte, bemühte sie sich noch mehr gute Zensuren zu erzielen. In diesem Moment kam Harry die Treppe von den Schlafsälen heruntergeschlendert. Er rettete diese hitzige Diskussion, bevor sie in einen heftigen Streit ausbrechen konnte, indem er verkündete, dass es Zeit fürs Abendessen wäre. Ginny warf überrascht einen Blick auf ihre Armbanduhr und stellte fest, dass es tatsächlich schon so spät war. Die Zeit verging wie im Flug und weil Ron sie so sehr abgelenkt hatte, war sie mit ihren Übungen noch nicht sehr weit gekommen. „Ich würde vorschlagen“, sagte Hermine, „wir verschieben das Lernen auf Morgen und dann gehen wir in die Bibliothek, weil wir dort ungestört sind.“ Sie warf Ron einen giftigen Blick zu, den er geflissentlich ignorierte. Es war unwahrscheinlich, dass Ron sich ebenfalls in der Bibliothek aufhalten würde. Dorthin begab er sich nur, wenn es wirklich notwendig war. „Gehen wir?“, fragte Harry in die Runde. Sein Blick glitt von Ron zu Hermine und blieb letztendlich auf Ginny liegen. Für sie war es immer noch merkwürdig wieder normal mit Harry umzugehen und es würde wohl auch noch eine Weile dauern, bis sie sich daran gewöhnt hatte. Trotzdem war sie ihm dankbar dafür, dass er es ihr so leicht machte und einer Versöhnung keine Steine in den Weg stellte. Und das nach allem, was sie getan hatte. „Geht ruhig schon mal vor. Ich komme nach, wenn ich dieses Kapitel fertig gelesen habe.“ Die drei verabschiedeten sich und kletterten nacheinander aus dem Portraitloch. Einen Moment überlegte Ginny, ob sie das Abendessen vielleicht ausfallen lassen sollte, um noch ein wenig weiter zu lernen, da es sie so gut ablenkte, aber dann knurrte ihr Magen und dieses Zeichen konnte sie nicht ignorieren. Sie las noch einige Zeilen über den Geminiozauber, den sie vor Kurzem bei Professor Flitwick im Unterricht behandelt hatten. Ihr blieben nur noch wenige Tage um diesen Zauber zu beherrschen. Professor Flitwick hatte die Bemerkung fallen gelassen, dass dieser Zauber gerne in den Prüfungen abgefragt wurde. Nach zwölf weiteren Seiten aus Große Errungenschaften der Zauberkunst klappte Ginny das Lehrbuch zu und räumte ihre Schulsachen zusammen, um sie in den Schlafsaal zurückzubringen. Anschließend verließ auch sie den Gemeinschaftsraum, um in der Großen Halle zu Abend zu essen. Währenddessen wiederholte sie in Gedanken das Gelesene um es in Erinnerung zu behalten. In der Großen Halle suchte Ginny sich einen freien Platz am Gryffindortisch und fand am Tischende Ron, der für sie einen Platz freigehalten hatte. Doch irgendetwas schien nicht zu stimmen. Sofort hatte Ginny Rons nervösen Blick bemerkt. Er und Hermine flüsterten verhalten miteinander und wirkten besorgt. Nun bemerkte Ginny, dass Harry nicht bei ihnen saß, obwohl er zusammen mit Ron und Hermine zur Großen Halle aufgebrochen war. „Stimmt etwas nicht?“, fragte sie nach, doch Ron zuckte nur ratlos mit den Schultern. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber irgendetwas stimmt nicht mit Harry.“ Er machte eine kurze Pause und fuhr dann mit gedämpfter Stimme fort. „Auf dem Weg hierher haben wir uns kurz getrennt. Hermine wollte zu Professor Vektor gehen und ich bin noch mal kurz aufs Klo gegangen. Wir wollten uns eigentlich hier wieder treffen, aber auf dem Rückweg von den Jungenklos lief mir dann auf einmal Harry über den Weg – total durchnässt und voller Blut! Ich habe keine Ahnung wo er war oder was passiert ist. Er wollte nur unbedingt mein Zaubertränkebuch haben. Das macht doch überhaupt keinen Sinn!“ Auch Ginny war nun beunruhigt. Das klang gar nicht gut. Irgendetwas musste passiert sein. Für einen kurzen Moment musste sie an Tom denken und an ihren alten Auftrag, denn da war sie es gewesen, die versucht hatte Harry in Schwierigkeiten zu bringen. Diese Gedanken schob sie schnell beiseite, denn die Erinnerung an Tom schmerzte noch zu sehr. Die Wunden waren noch zu frisch und noch nicht verheilt. Vielleicht handelte es sich hierbei nur um einen Schülerstreich, denn vor den Quidditchspielen gab es häufig welche von dieser Sorte und da kam es öfter mal vor, dass ein Spieler verletzt im Krankenflügel landete. Was für eine Rolle spielte aber das Schulbuch bei der ganzen Sache? „Vielleicht sollten wir im Krankenflügel nachsehen“, sagte Hermine nach einer Minute des Schweigens. „Wenn er sich verletzt hat ist er bestimmt dorthin gegangen.“ Ron schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass er derjenige war, der verletzt wurde. Er schien zwar ziemlich aus der Fassung zu sein, aber es machte auf mich nicht den Anschein, als wäre es sein Blut gewesen.“ Neben ihr verfielen Ron und Hermine wieder in ein leises Gespräch, wie auch schon zu dem Zeitpunkt bevor Ginny sich am Tisch dazugesetzt hatte. Sie tuschelten jetzt aber so leise, dass Ginny nichts mehr mitbekam und sie vertiefte sich in ihre eigenen Gedanken und Spekulationen. Vielleicht gab es ja aber auch eine ganz einfache Erklärung für alles. Nach dem Abendessen begaben sich die drei Schüler auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. Als sie dort ankamen trafen sie auch gleich auf Harry, der ziemlich zerknirscht auf einem Sofa saß. Er trug andere Kleidung und Ginny bemerkte, dass seine Haarspitzen nass waren. Dies alles passte zu der Beschreibung ihres Bruders, Harry wäre total durchnässt und voller Blut gewesen. Das musste der Grund dafür gewesen sein, dass er sich umgezogen hatte. „Harry! Was bei Merlins Bart ist passiert?“ Auf Rons Frage bekam er erst einmal nur einen langen niedergeschlagenen Seufzer als Antwort. Während Ron sich neben Harry auf das Sofa setzte, nahmen die beiden Mädchen auf den Sesseln gegenüber Platz und Harry begann zu erzählen, was auf dem Weg zur Großen Halle geschehen war. „Ich habe mich mit Malfoy duelliert“, platzte es aus ihm heraus. „Was?“, ertönte es einstimmig. Ginny wurde plötzlich ganz anders zumute. Vorhin hatte Ron schließlich von Blut geredet. Wenn sie jetzt genauer darüber nachdachte fiel ihr auf, dass sie Draco nicht beim Abendessen gesehen hatte. „Unterwegs bin ich ihm zufällig über den Weg gelaufen.“ „Du hast ihm doch wohl nicht schon wieder hinterherspioniert!“, entrüstete sich Hermine, aber Ron wies sie sofort zurecht. „Nun lass ihn doch einfach erzählen.“ „Ich traf ihn im sechsten Stock.“ „Ist das nicht das Klo der Maulenden Myrthe?“, fragte Hermine verwundert. Harry nickte. „Ja. Auf der Karte des Rumtreibers habe ich die beiden zusammen gesehen und das kam mir ziemlich seltsam vor, also habe ich einen kleinen Abstecher gemacht. Als Malfoy mich allerdings bemerkte, hat er mich sofort angegriffen. Wir haben uns duelliert und dann wollte er den Cruciatus anwenden.“ Entsetzt schnappte Hermine nach Luft und Ron ließ ein nicht gerade harmloses Schimpfwort fallen. Ginny wollte nur hören, wie die Geschichte weiterging. „Es ging alles so schnell. Ich habe den ersten Zauber benutzt, der mir in den Sinn kam und das war der Sectumsempra. Ich habe ihn aus dem Buch des Prinzen. Dort stand nur, er sei gegen Feinde. Ich wusste nicht, was passieren würde, ehrlich nicht.“ Da Harry nicht fortfuhr stieg die Spannung ins Unermessliche. Es war eindeutig, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. „Was hat der Zauber bewirkt?“, fragte Ginny unsicher. Harry schien noch ein Stück tiefer in sich zusammenzusacken. „Er hat Malfoy ziemlich stark verletzt. Er wurde regelrecht aufgeschlitzt. Hat eine Menge Blut verloren. Es war furchtbar. Tja und dann kam Snape...“ In Einzelheiten schilderte Harry die Einzelheiten des weiteren Verlaufs, doch nachdem er berichtet hatte, was Draco widerfahren war, hatte Ginny Schwierigkeiten damit sich weiterhin auf seine Worte zu konzentrieren und nicht die Fassung zu verlieren. Nur am Rande nahm sie wahr, was Harry über Snape und das Zaubertränkebuch sagte. Draco war verletzt worden und es klang wirklich übel. Dieser Fluch hätte ihn töten können. Glücklicherweise war Snape rechtzeitig da gewesen und hatte Draco geheilt, der nun im Krankenflügel lag. Ginnys Gedanken überschlugen sich. Harry hatte Draco so etwas schlimmes angetan. Ihm konnte sie jedoch keinen Vorwurf machen, schließlich hatte Draco ihn zuerst mit einem Unverzeihlichen verfluchen wollen. Wie konnte Draco nur so dumm sein? Diese Unvorsichtigkeit sah dem Slytherin überhaupt nicht ähnlich. Ginny wollte sich unbedingt vergewissern, dass es ihm gut ging und sie würde nicht ruhen, bis sie sich mit eigenen Augen davon überzeugt hatte. ~ Es war die Nacht vor dem finalen Quidditchspiel. Nach dem Abendessen war Ginny ins Klo der Maulenden Myrthe gegangen, an den Ort, an dem Draco verletz wurde. Dort hatte sie in einer der Kabinen gewartet, bis es Nacht wurde und die Ausgangssperre in Kraft trat. Das Schloss hüllte sich nun in Dunkelheit und keine Seele lief mehr auf den Gängen herum. Langsam öffnete sie die Kabine und trat hinaus. Niemand war während ihres Aufenthaltes hier hinein gekommen. Myrthes Klo wurde immer noch gemieden, vor allem jetzt, da hier ein Schüler verletzt worden war. Ginny stand nun vor dem Spiegel und aus dem schmutzigen und verstaubten Glas sah ihr ihr eigenes Gesicht in dem spärlichen Licht entgegen. An diesem Abend wollte sie sich in den Krankenflügel schleichen um nach Draco zu sehen. Die Information über seine Verletzungen hatte sie sehr bestürzt. Sie wollte nach ihm sehen und mit ihm sprechen. So stand sie nun vor dem Spiegel, nahm ihren Zauberstab und klopfte ihn sich einmal auf den Kopf. Diese Geste wirkte ein wenig albern, doch wenige Sekunden später wurde bereits deutlich, dass es sich hierbei um einen Zauber handelte. Der Desillusionierungszauber zeigte seine Wirkung und allmählich verschwand die Person mitsamt ihrem Spiegelbild. Ginnys Aussehen passte sich der Umgebung an und dadurch wurde sie praktisch unsichtbar. Ein kaltes Gefühl erfüllte sie von Kopf bis Fuß, bis in die Zehenspitzen hinein. Prüfenderweise sah sie an sich hinab und hielt sich die Hände vor das Gesicht, doch sie konnte ihren Körper nicht sehen. Ginny konnte sich ein stolzes Grinsen nicht verkneifen, denn nicht jeder konnte solch einen schweren Zauber vollbringen. Wenn dieser in den ZAG-Prüfungen dran kam hatte sie gute Chancen. Vorsichtig öffnete sie die Tür und ging leise in Richtung Krankenflügel. Ginny hatte Glück, sie traf niemanden auf ihrem Weg. Selbst wenn sie auf jemanden gestoßen wäre, hätte derjenige sie nicht sehen können. Obwohl sie sich nicht sicher war, ob die Lehrer nicht auch ihre Tricks hatten, so einen Zauber zu durchschauen. Geräuschlos öffnete sie die Tür zum Krankenflügel und schlüpfte durch einen schmalen Spalt hinein um anschließend die Tür wieder zu schließen. Der Saal war dunkel und die wenigen Schüler, die hier die Nacht verbrachten, schienen alle zu schlafen. Von Madam Pomfrey war weit und breit keine Spur. Ginny kam extra in der Nacht hierher, um nicht das Risiko einzugehen, dass sie und Draco miteinander gesehen werden. Ein heimlicher Besuch wäre tagsüber schwieriger zu bewerkstelligen gewesen. Durch das spärliche Mondlicht versuchte Ginny Draco zu erkennen und ging leise durch den Raum. Die meisten Betten waren leer, nur zwei junge Schüler konnte sie ausmachen, die ihr allerdings unbekannt waren und so konnte sich Draco nur in dem Bett befinden, bei dem der Vorhang zugezogen war. Behutsam zog sie ein wenig von dem Stoff beiseite um Draco in dem Bett liegen sehen zu können. Er schien noch wach zu sein, er sah aus einem der langen Fenster, aus dem einem der Mond in Form einer Sichel entgegenschien. Diese kleine Bewegung des Vorhangs erlangte sofort Dracos Aufmerksamkeit. „Wer ist da?“ „Ich bin’s“, flüsterte Ginny zur Antwort. Anscheinend schien er ihre Stimme zu erkennen, denn er zog die Hand, die er nach seinem Zauberstab ausgestreckt hatte, der auf dem Nachttisch lag, wieder zurück. Sie schlüpfte durch den Vorhang hindurch und sah belustigt wie Dracos Augen die Luft nach ihr absuchten. „Ich kann dich nicht sehen.“ „Warte einen Moment.“ Erneut klopfte sie sich mit dem Zauberstab auf den Kopf. Dieses Mal spürte sie ein heißes Gefühl über ihren Körper laufen. Der Zauber wurde aufgehoben und Ginny wurde wieder sichtbar. „Ein Desillusionierungszauber? Ich bin beeindruckt.“ „Vielen Dank“, grinste Ginny und setzte sich auf die Bettkante. „Also...“, begann Draco nachdem sie beide kurz geschwiegen hatten. „Bist du zufällig hier? Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“ „Ich wollte sehen wie es dir geht.“ Besorgt musterte sie ihn. Ihm schien es den Umständen entsprechend gut zu gehen, die Spuren des Kampfes waren jedoch noch überaus deutlich zu erkennen. Draco sah schrecklich aus. Lange, helle Striemen zogen sich über sein Gesicht, die sich im spärlichen Mondlicht blass auf der hellen Haut abzeichneten. „Mir geht es furchtbar!“, sagte Draco empört und er sah sie mit einem Blick an, der zu fragen schien: Sieht man das denn nicht? „Sieh mich doch an. Ich bin entstellt!“ Ginny verkniff sich ein Kichern bei seiner Reaktion. Sein Aussehen war wohl ein wunder Punkt. „Bleiben etwa Narben?“ „Nein. Morgen ist schon wieder alles verheilt. Madam Pomfrey hat mir einen Trank gegeben, der die Wunden über Nacht verschließen lässt. Sie sagte, es dürfte dann nichts mehr zu sehen sein. Merlin sei Dank“, fügte er leise murmelnd hinzu. Er fuhr sich mit der rechten Hand über seine Wange und seine Augen hatten einen besorgten Ausdruck angenommen. Es wäre ein Jammer wenn dieses schöne Gesicht entstellt bleiben würde. „Das wird Potter mir büßen.“ Die Hand zur Faust geballt schlug er wütend auf die Matratze. „Woher kennt er überhaupt solche schwarzmagischen Flüche?“ Ginny zuckte mit den Schultern, dabei war es eine Lüge, denn sie wusste, woher Harry den Sectumsempra kannte. Dieser Zauber war eine Notiz aus dem Zaubertränkebuch. Dieses Buch war ihr schon von Anfang an nicht geheuer gewesen, nur ihr Gefühl riet ihr dieses Geheimnis für sich zu behalten. „Dafür sollte er von der Schule fliegen!“, schimpfte Draco. „Harry muss nachsitzen und Professor Snape hat es natürlich so geregelt, dass er morgen nicht zum entscheidenden Quidditch-Spiel antreten kann.“ Draco verschränkte die Arme vor der Brust und schnaubte. „Das geschieht ihm ganz recht.“ „Ich werde stattdessen die Position des Suchers einnehmen.“ Prüfend musterte der Slytherin sie und zog eine Augenbraue hoch. „Du als Sucher?“ „Das werde ich schon schaffen. So schwierig kann es ja nicht sein, wenn du Sucher bist.“ Ginny bekam von Draco einen giftigen Blick zugeworfen, dem sie schmunzelnd standhielt. Bei dem Thema Quidditch kam sie nicht umhin an eine der Jägerinnen ihrer Hausmannschaft zu denken. Vermutlich wusste Draco es bereits, die Neuigkeit hatte sich schließlich noch am selben Tag wie ein Lauffeuer im Schloss verbreitet. „Katie ist wieder da.“ „Ich weiß.“ Er sagte es ganz gleichgültig. Sein Gesicht wurde wieder zu einer ausdruckslosen Maske, aber Ginny wusste, dass es in seinem Inneren anders aussah. Er war erleichtert, dass Katie Bell geheilt war und aus dem St. Mungo’s Hospital zurückkehren konnte. Deutlich konnte Ginny sich an den Tag nach dem Unfall in Hogsmeade erinnern. Draco war ganz verstört gewesen, dass der Fluch der Kette, der eigentlich für Dumbledore gedacht gewesen war, eine unschuldige Schülerin getroffen hatte. Bis auf Ginny hatte allerdings nie jemand erfahren, wer hinter alldem steckte. „Sie scheint sich an nichts zu erinnern“, wollte sie Draco wissen lassen. „Alles scheint wieder zur Normalität überzugehen.“ „Hat der dunkle Lord noch einmal mit dir Kontakt aufgenommen?“ „Nein“, antwortete Ginny und tief in ihrem Inneren verspürte sie Enttäuschung. Denn es war so, dass ein Teil von ihr Tom Riddle vermisste. „Seitdem das Buch fort ist habe ich ihn weder gesehen, noch gehört.“ Lange Zeit hatte sie es vermieden darüber nachzudenken und jetzt wurde ihr bewusst, wie lange es schon her war, seit sie mit Tom gesprochen hatte. Schmerzhaft wurde ihr bewusst, dass sie sich nach ihm sehnte. Aber es war besser so, wie es jetzt war, davon war sie überzeugt. „Nun, ich denke das Buch war der Schlüssel. Ohne es wird er wohl nicht mehr kommunizieren können.“ Ginny nickte ihm zustimmend zu und legte dann ihre Hand auf seine. „Danke. Alleine hätte ich es wohl nicht geschafft.“ Ihre Finger verhakten sich sanft ineinander. „Ich glaube fest daran, dass du nicht nach dem Buch suchen wirst.“ „Nein, das werde ich nicht. Das habe ich mir geschworen.“ Draco lächelte, die Antwort schien ihm zu gefallen. Seine warme Hand löste ein wohliges Gefühl aus, das ihren Arm hinauffuhr und sich in ihrem gesamten Körper breit machte. Ginny genoss es bei ihm zu sein und fühlte sich in seiner Gegenwart wohl. Er gab ihr so vieles, was sie sich von Tom immer gewünscht hatte. Von ihm ging keine Gefahr aus und mittlerweile fühlte sie sich bei Draco sogar geborgen. So oft schon hatte er sie getröstet und sie sich an seiner Schulter die Augen ausgeweint. Wenn sie genauer darüber nachdachte, fühlte sie sich sogar von ihm angezogen. Als ihr dies bewusst wurde, zog sie ihre Hand wieder zurück. Sie spürte ihre hitzigen Wangen und hoffte nur, dass er in der Dunkelheit nicht sehen konnte, dass sie rot wurde. Bevor sie allerdings darüber nachdenken wollte, wie toll sie den Slytherin plötzlich fand, gab es aber weitaus Dringlicheres zu klären. Schließlich mussten sie noch einen Weg finden ihn aus der Tyrannei eines größenwahnsinnigen Lords zu befreien und davor zu bewahren einen Mord gegen den eigenen Willen zu begehen. „Was machen wir jetzt mit dir, Draco?“ „Mit mir?“, fragte er verwirrt. „Wie können wir dich retten?“, präzisierte Ginny ihre Frage. Anscheinend schien sie etwas Falsches gesagt zu haben, denn sein Blick verfinsterte sich. „Was redest du da für einen Unsinn?“ „Ich weiß doch, dass du den Auftrag nicht ausführen willst. Du willst Dumbledore nicht töten.“ „Ich habe es dir schon einmal gesagt“, zischte er, „was ich will oder nicht, steht nicht zur Debatte.“ „Aber-“ „Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Das geht dich alles nichts an.“ „Aber-“ „Kein aber.“ Dracos Blick machte deutlich, dass die Diskussion für ihn beendet war. „Es wird Zeit, dass du wieder gehst.“ Es war jedes Mal das Gleiche, sie näherten sich einander und entfernten sich auch wieder. Mittlerweile kannte Ginny ihn so gut, dass sie wusste, dass Einwände nichts brachten. Resignierend stand sie vom Bett auf und zog ihren Zauberstab aus der Hosentasche. „Wenn du es dir anders überlegt hast, dann komm zu mir, Draco. Es gibt Wege dir zu helfen, wenn du dir helfen lassen willst.“ Sein Gesicht war von ihr abgewandt, er sah aus dem Fenster und seine Miene war ausdruckslos. Als er nicht antwortete, wandte sie sich zum Gehen. „Ginny.“ Sie blieb stehen und sah ihn abwartend an. „Viel Glück für Morgen.“ Ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus, während sie hinter den Vorhang trat. Ginny hob den Zauberstab und klopfte ihn sich abermals leicht auf den Kopf um den Desillusionierungszauber anzuwenden und dann klammheimlich aus dem Krankenflügel zu verschwinden. Am nächsten Morgen fing Ginny den Schnatz und Gryffindor gewann mit vierhundertfünfzig zu hundertvierzig Punkten nicht nur das Spiel gegen Ravenclaw, sondern auch den Quidditchpokal. Kapitel 23: Whisper ------------------- Die vier Haustische in der Großen Halle waren verschwunden, stattdessen befanden sich dort viele Einzeltische, an denen jeweils ein Schüler saß. Auf jedem von den Tischen lag ein Federkiel und ein Tintenglas bereit. Vor einer Minute wurde das große Stundenglas umgekippt und unter den wachsamen Augen der Prüfer drehten die Schüler ihre Blätter mit den Prüfungsaufgaben um und begannen zu schreiben. Die erste ZAG-Prüfung der diesjährigen Fünftklässler hatte somit begonnen. In der dritten Reihe saß Ginny und las sich die erste Frage durch. Das erste Prüfungsfach war Verteidigung gegen die dunklen Künste und sie fühlte sich gut vorbereitet. Die ersten Fragen waren ein Kinderspiel. Gegenflüche wurden abgefragt sowie die Bekämpfung gegen einige magische Wesen, wie zum Beispiel Vampire, Drachen oder Trolle. Das Lernen machte sich bezahlt und mit einem guten Gefühl konnte Ginny bisher alles beantworten. Die letzten Fragen wurden allerdings zunehmend schwieriger. Mittlerweile war sie bei der vorletzten Frage angelangt. Erläutern Sie worum es sich bei einem Inferius handelt und wie man ihn bekämpft. Bei dieser Frage lehnte sich Ginny zurück und überlegte. Inferi hatten sie in diesem Schuljahr bei Professor Snape durchgenommen. Wenn sie sich richtig erinnerte, handelte es sich hierbei um Leichen. Ja, genau. Leichen, die mit einem schwarzmagischen Zauber dazu gebracht werden Befehle auszuführen. Kurz schauderte Ginny bei dem Gedanken daran, dann schrieb sie die Antwort auf. Aber womit bekämpfte man Inferi? Ginny überlegte und überlegte, doch sie kam nicht drauf... „Feuer.“ Ginny erschrak so heftig, dass sie beinahe das Tintenglas vom Tisch geworfen hätte. Völlig entsetzt sah sie sich in der Großen Halle um, um zu sehen, woher die Stimme gekommen war, doch sie sah nur ihre Mitschüler, die fleißig ihre Prüfung schrieben. Diese Stimme gehörte ohne Zweifel Tom Riddle, denn seine würde sie unter Tausenden wiedererkennen. Aber er konnte nicht hier sein! Das war unmöglich! „Ich bilde mir das nur ein“, sagte sie sich und atmete einige Male tief durch um sich zu beruhigen. Der Prüfungsdruck sorgte vermutlich dafür, dass die Nerven ihr einen Streich spielten. Toms Stimme konnte nur Einbildung sein. „Rede dir das ruhig ein.“ Da war es schon wieder, das unheilvolle Flüstern in ihrem Kopf, das anscheinend niemand außer ihr hören konnte, denn niemand außer ihr reagierte. Ginny war vor Schreck erstarrt. Verlor sie nun den Verstand? Wieso hörte sie auf einmal Toms Stimme? Das Tagebuch hatte sie schließlich nicht mehr. Es lag versteckt, irgendwo in den Unweiten vom Raum der Wünsche. Konnte Tom sie auch ohne das Buch kontaktieren? „Was tust du hier?“, dachte Ginny panisch. Die Stimme in ihrem Kopf lachte leise. „Du brauchst mich. Daher helfe ich dir. Schreib es auf. Die Helligkeit und Hitze eines Feuers.“ Ginny starrte auf ihr Pergament. Das war doch totaler Irrsinn! Tom Riddle sagte ihr die Antworten für die ZAG-Prüfung vor? Tatsache war, dass seine Antwort richtig war, denn jetzt erinnerte sie sich wieder daran, dass Snape dies im Unterricht gesagt hatte. Inferi brauchen Dunkelheit und Kälte. Von daher ist die beste Waffe gegen sie ... Feuer, schrieb sie die Antwort mit zitternder Hand. „Mit den Inferi habe ich Erfahrung. Ich habe schon viele von ihnen geschaffen. Sie waren überaus nützlich.“ Toms Lachen sorgte dafür, dass es Ginny eiskalt den Rücken hinunter lief. „Verschwinde!“, war das Einzige, was sie im Moment denken konnte. „Willst du wirklich, dass ich gehe?“ Ginny bemerkte, dass ein Prüfer sie bereits misstrauisch beobachtete. Jetzt war sie auch noch aufgefallen. Wenn sie sich nicht unauffälliger benahm, käme sie in Schwierigkeiten. Es gab nur noch eine Frage, dann konnte sie die Prüfung abgeben und verschwinden. Sie beschloss Tom zu ignorieren und sich nicht aus der Fassung bringen zu lassen. Nennen Sie die drei Unverzeihlichen Flüche und erläutern Sie, was diese bewirken und wie man sich davor schützen kann. „Ah, das sind meine Liebsten“, säuselte Tom. Ginny tunkte ihre Feder ins Tintenglas und begann auf dem Pergament ihre Antwort zu schreiben. Avada Kedavra. Dieser verbotene Fluch bewirkt den Tod. Man kann sich nicht gegen ihn schützen. Es gibt, bis auf eine Ausnahme, niemanden, der ihn überlebt hat. „Glück, nichts weiter.“ Ginny ignorierte ihn und schrieb den zweiten Fluch auf. Der Cruciatus-Fluch. Er wird angewendet, um sein Opfer zu foltern. Auch gegen ihn kann man sich nicht wehren. „Ich liebe es die Schreie meiner Opfer zu hören, wenn sie am Boden liegen und sich vor Schmerz krümmen. Egal für wie loyal sie sich halten, bei dem Cruciatus reden sie alle ...“ Ginny nahm all ihren Mut zusammen und seinen Worten keine Beachtung zu schenken, damit seine Erzählung keine bildhafte Gestalt in ihrem Kopf annahm. Nur noch eine letzte Antwort ... Imperius. Mit diesem Fluch kann man seinem Opfer dem eigenen Willen unterwerfen und es kontrollieren. Dies ist der einzige Fluch gegen den man sich verteidigen kann, indem man enorme Willenskraft dagegen aufbringt und sich den Anweisungen widersetzt. „Den kennst du am besten“, flüsterte Tom, „schließlich hast du ihn selbst schon genutzt, nicht wahr? Wie hat es sich angefühlt, die Macht über jemand anderen zu haben? Hast du es genossen?“ Verzweifelt scheiterte Ginny an dem Vorhaben Tom zu ignorieren und dachte sogleich an den Tag in der Eulerei, und an Harry, der ihr schutzlos ausgeliefert gewesen war und dem sie ohne Bedauern den Imperius aufgehalst hatte. Für einen Moment hatte sie die Macht über ihn gehabt und beinahe wäre es dazu gekommen, dass sie ihn dazu gezwungen hätte aus dem Fenster zu springen. Jetzt im Nachhinein war dies für sie einfach nur noch grauenvoll. „Ich bereue es!“, dachte Ginny, kniff die Augen zusammen und legte die Hände auf ihre Ohren. Sie wollte es nicht mehr hören. Tom Riddle sollte aus ihrem Kopf verschwinden und sie in Ruhe lassen. „Wenn sie es wüssten ... Dir würde eine lebenslange Haft in Askaban bevorstehen. Meine treuesten Anhänger sitzen dort, Ginervra. Nur bist du alles andere als treu“, zischte Tom wütend. „Du hast dich mir widersetzt und mich verraten!“ Trotz der prekären Lage, in der sie sich gerade befand, schmunzelte Ginny, denn sie fand, dass dies die beste Entscheidung war, die sie je getroffen hatte. Ein Überprüfen der Antworten sparte sie sich und gab, ohne noch einmal darauf zu blicken, ab. Sie drückte ihre Pergamentblätter dem Prüfer beim Hinausgehen barsch in die Hand und verließ die Große Halle, in der Hoffnung der Stimme zu entkommen. Ginny lief schnell, beinahe schon gehetzt, durch die Korridore. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Was um alles in der Welt war das gewesen? Sie hatte sich mit dem Gedanken abgefunden, dass Tom fort war und nun hörte sie auf einmal seine Stimme. Was hatte das zu bedeuten? Auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum stieß sie gedankenverloren einige Schüler an, die ihr patzige Bemerkungen hinterher riefen, aber das nahm Ginny kaum wahr. „Ich werde verrückt“, murmelte sie vor sich hin. Unaufmerksam ging sie durchs Schloss, doch als sie um die nächste Ecke bog, blieb sie wie erstarrt stehen. Tom Riddle stand nur drei Meter weit entfernt, lässig gegen die Steinmauer gelehnt, neben der Statue von Lachlan dem Lulatsch und lächelte sie süffisant an. Er trug die Schuluniform von Slytherin. Das Schulsprecherabzeichen prangte an seinem grauen Pullunder. So anziehend dieser Junge auch war, er versetzte Ginny in reinste Panik. Sah denn keiner der anderen Schüler, dass Tom Riddle hier war? Jemand, der nicht zu dieser Schule gehörte? Das musste doch jemandem auffallen! Nur sehr weit verborgen in ihrem Kopf schwirrte der Gedanke, dass es sich abermals um eine Erscheinung handelte und niemand außer ihr den schwarzhaarigen Jungen sehen konnte. „Schau nicht so besorgt“, sagte Tom und sein Blick bohrte sich fest in ihren. „Du bildest dir mich nur ein.“ „Warum sollte ich das tun ?“, fragte Ginny kreidebleich, als sie ihre Sprache wieder gefunden hatte. „Weil du mich vermisst.“ Sein rechter Mundwinkel zog sich hoch und zeigte die Andeutung eines Lächelns. Alles in ihr schrie hinsichtlich dieser offenkundigen Lüge, aber über ihre Lippen kam kein Wort. Am liebsten hätte Ginny Tom ins Gesicht geschlagen und ihm das selbstgefällige Grinsen aus der Visage gewischt. Stattdessen lief sie davon und floh in den sicheren Gemeinschaftsraum der Gryffindors, während sein grauenvolles Lachen in ihren Ohren widerhallte. ~ Den ganzen restlichen Tag über blieb Ginny im Gemeinschaftsraum der Gryffindors und verließ den Turm nicht einmal zum Abendessen. Sie bevorzugte es in der Gesellschaft von so vielen Mitschülern wie möglich zu bleiben, um nicht noch einmal die Gefahr einzugehen einer Halluzination von Tom Riddle zu begegnen. Noch einmal würde sie es nicht verkraften. Anscheinend war sie nicht mehr ganz dicht, denn wenn es nicht an dem Buch lag, dass sie Tom sehen und hören konnte, dann musste sie wirklich allmählich den Verstand verlieren. Vielleicht sollte sie zu Madam Pomfrey gehen und sich untersuchen lassen ... Ginny überlegte, ob es in ihrer Familie irgendwelche bekannten Fälle von Geisteskrankheit gab und ging, soweit es ihr möglich war, den Stammbaum der Weasleys durch, nur um sich für ein paar weitere Minuten zu beschäftigen. Später unterhielt sie sich mit ihren Klassenkameraden über die heutige Prüfung sowie die, die noch folgen würden und spielte am Abend mit Colin eine Partie Zauberschach. Aber auch dieser Tag ging vorüber und umso später es wurde, umso mehr Schüler gingen in ihre Schlafsäle und als der Gemeinschaftsraum sich leerte, ging auch Ginny zu Bett. Die Mädchen unterhielten sich noch während sie sich umzogen und bettfertig machten. Sobald die roten Samtvorhänge der Betten allerdings zugezogen waren, wurde es still im Schlafsaal. Ginny nahm sich ein Buch mit ins Bett um noch darin zu lesen. Sie hatte Angst davor einzuschlafen, da sie nicht sichergehen konnte, ob ihre Träume vor dem Slytherin noch sicher waren und versuchte diesen Moment soweit wie möglich hinauszuzögern. Als es weit nach Mitternacht war, fingen die Buchstaben auf den Seiten an zu verschwimmen, die Sätze machten keinen Sinn mehr und Ginnys Augen wurden schwer, bis sie ihr ganz zufielen. Das nächste was sie spürte war eine Berührung. Es war eine zärtliche Geste. Eine Hand strich ihr das Haar aus der Stirn und dann sanft über ihre Wange. Es fühlte sich gut an und Ginny konnte spüren, dass jemand neben ihr im Bett lag. Als sie die Augen öffnete, sah sie Tom neben sich liegen, mit der einen Hand in ihrem Haar und die andere wanderte über ihren Körper. Sein Gesicht war ihrem ganz nah. „Du träumst, Süße“, flüsterte er ihr ins Ohr und sein Atem hinterließ einen Schauer auf ihrer Haut. Ginny erblickte das Buch, dass sie noch in ihrer Hand hielt, doch handelte es sich nicht mehr um das Schulbuch, welches sie vor dem Zubettgehen gelesen hatte, sondern um das Tagebuch. „Ein Traum“, wiederholte Ginny während Tom begann ihren Hals zu küssen. Die Angst und Anspannung, die sie tagsüber verspürt hatte, waren verflogen. Ginny fühlte sich wohl und genoss die Zärtlichkeiten. Tom entwand Ginny sanft das Buch aus ihrem Griff und führte ihre Hand an seine Wange. Sie sah in seine Augen, musterte seine Gesichtszüge, die blasse Haut, die feingeschwungenen Lippen, die sich jetzt zu einem Lächeln verformten, zu einem Lächeln, das ihr Herz höher schlagen ließ ... Ja, es stimmte. Sie hatte Tom vermisst, mit jeder Faser ihres Körpers. Ihr Herz wäre beinahe vor Kummer vergangen, bei dem Gedanken daran, ihn nie wieder zu sehen. Doch hier im Traum konnte sie bei ihm sein. Es war ihre einzige Möglichkeit. Sie legte ihre Hand in seinen Nacken, zog ihn zu sich heran, um seine Lippen mit ihren zu verschließen ... ... und ließ sich fallen. Kapitel 24: Farewell -------------------- Die ZAG-Prüfungen waren allesamt geschrieben und obwohl Ginny für dieses Schuljahr nicht mehr lernen brauchte, war die Bibliothek momentan der Ort, den sie am meisten aufsuchte. So war es auch heute. Auch nach den Prüfungsvorbereitungen kam sie gern her um zu lesen, da ihr die ruhige Atmosphäre gefiel und sie ungestört sein konnte. Nicht mehr allzu viel Zeit blieb ihr in Hogwarts, denn bald würden die Sommerferien beginnen und sie würde in den Fuchsbau zu ihrer Familie zurückkehren. Dies war ein Ereignis, auf das Ginny sich freute. Seit ihrer ersten Prüfung hatte sie Tom weder gesehen, noch seine Stimme gehört. Nur in ihre Träumen schlich er sich manchmal. Aber so war es okay. Ginny hatte sich damit abgefunden, dass mehr einfach nicht möglich war. Und wenn sie doch einmal drohte durchzudrehen, lenkte sie sich mit Quidditch ab. Fliegen hatte ihr schon immer gut getan. In der Bibliothek gab es eine kleine, bescheidene Sammlung von Büchern, die sich dem Thema Quidditch widmete. Ginny stand vor diesem Regal und suchte gerade nach einem gescheiten Buch, als sie Draco bemerkte, der hektisch auf sie zu eilte. „Ich habe dich überall gesucht.“ Mehrmals sah er sich um, ob sie beobachtet wurden, aber die Bibliothek war an diesem Tag nicht sehr gut besucht, da die meisten Schüler bei diesem schönen Wetter lieber die Zeit im Freien verbrachten. Madam Pince hatte ihre lange Nase tief in einen dicken Wälzer gesteckt und wirkte beschäftigt. „Ich habe es geschafft“, flüsterte Draco gehetzt. „Ich habe es endlich repariert.“ Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er wirkte sichtlich mit sich zufrieden. „Wolltest du deswegen das Finsternispulver haben?“, fragte Ginny mit einer hochgezogenen Augenbraue. Sie wusste immer noch nicht, was Draco wohl damit anstellen wollte. Vor ein paar Tagen hatte er ihr eine Eule geschickt und sie um Rat gebeten, er suchte etwas um im Verborgenen bleiben zu können. Da war Ginny das Finsternispulver eingefallen, das sie in den Weihnachtsferien von George bekommen hatte. Also hatte sie es ihm kurzerhand geschickt, ohne zu wissen, was er damit vorhatte. Draco schüttelte den Kopf. „Ich erzähle es dir“, flüsterte er, kam näher und legte seine Hände auf ihre Schultern, zog sie noch ein Stück weiter vom Gang weg, um auch wirklich ungestört zu sein. „Im Raum der Wünsche ist ein Verschwindekabinett“, flüsterte er ihr leise, aber sehr schnell ins Ohr. Er war ungeduldig. „Es war kaputt. Das ganze Jahr habe ich versucht es zu reparieren.“ Das also hatte er andauernd getan. So oft war er im Raum der Wünsche gewesen und nie hatte Ginny erfahren, was er dort getrieben hatte. Jetzt wusste sie es. Es musste dieser seltsame Schrank sein, den sie gesehen hatte und in den Draco sie damals hineingeschubst hatte. War das seine Absicht gewesen? Testen, ob es funktionierte? Er hatte sie also tatsächlich verschwinden lassen wollen. Im Moment konnte Ginny aber deswegen nicht sauer sein, denn Dracos Verhalten machte sie misstrauisch. „Dumbledore hat die Schule verlassen“, fuhr Draco flüsternd fort und sah sich erneut nervös um. „Woher weißt du das?“ Draco holte etwas aus seiner Hosentasche. Es war die verzauberte Galleone, die Ginny ihm einst gegeben hatte. Und sie wusste auch noch, wofür er sie gebraucht hatte. „Madam Rosmerta.“ Draco nickte. „Sie hat mir vorhin Bescheid gegeben. Dumbledore ist in Hogsmeade, er wird bald zurückkommen. Ich muss mich beeilen.“ Ginny beschlich ein ungutes Gefühl. Wie er über Dumbledore sprach gefiel ihr gar nicht. „Was genau geschieht, wenn Dumbledore zurückkommt?“, fragte Ginny besorgt, obwohl sie die Antwort schon kannte. Draco sah sie entschlossen an und sein Blick bestätigte ihre Vermutung. „Nein!“, hauchte sie und fasste ihn am Arm, als würde sie ihn festhalten wollen, damit er nichts Dummes tat. „Tu das nicht, Draco! Ich bitte dich!“ Ginny hatte sich zwar von Tom losgesagt und mit dieser ganzen Sache abgeschlossen, aber sie hatte nie daran gedacht, dass das nur für sie galt. Draco hatte ebenfalls einen Auftrag und er war kurz davor ihn auszuführen. „Ich wollte mich nur verabschieden“, sagte er von ihrem Gefühlsausbruch unberührt und wischte ihre Hand weg. „Es war ja eigentlich ganz nett mit dir, Weasley.“ Draco ging und Ginny wollte ihm gerade hinterher stürmen, als Madam Pince um die Ecke gehuscht kam und sie direkt in die Bibliothekarin hineinlief. Anscheinend hatte Madam Pince’ feines Gehör das Geflüster gehört und sie sich auf den Weg gemacht, um nach dem Rechten zu sehen. Fassungslos sah sie mit einem strengen Blick auf Ginny hinab, unter dem die Gryffindor merklich zusammenschrumpfte. „Miss Weasley, wir befinden uns in einer Bibliothek! Etwas mehr Rücksicht, wenn ich bitten darf!“ ~ Ginny fühlte sich überhaupt nicht wohl in ihrer Haut. Gemeinsam mit Ron und Neville stand sie im siebten Stock vor dem Raum der Wünsche. Ihr Bruder hatte sie abgefangen, nachdem sie aus der Bibliothek gekommen war und sie mit einem ziemlich ernsten Gesichtsausdruck gebeten mit ihm zu kommen. Er hatte versucht, so viele Mitglieder der DA wie möglich zusammenzutrommeln, denn Harry hatte ihn gebeten Malfoy im Auge zu behalten. Letztendlich hatte sich nur noch Neville ihnen angeschlossen, während Luna mit Hermine den Zaubertränkelehrer überwachte. „Was geht hier eigentlich vor?“, fragte Neville, der ebenfalls ziemlich beunruhigt aussah. „Harry glaubt, dass Malfoy etwas vorhat“, erklärte Ron und Ginny wusste, dass diese Vermutung so ziemlich ins Schwarze traf. Harry hatte ihnen die Karte des Rumtreibers dagelassen, damit sie sehen konnten, wo der Slytherin sich im Schloss aufhielt, aber darauf war er nicht zu finden gewesen. Ron hatte daher beschlossen zum Raum der Wünsche zu gehen, denn Harry hatte anscheinend herausgefunden, dass man von der Karte verschwand, wenn man sich in diesem magischen Raum befand. Ginny hoffte nur, dass Draco sich nicht wirklich hinter dieser kalten Steinmauer verbarg, denn sie wusste nicht, was sie tun sollte, wenn sie auf ihn treffen würde. Noch etwas anderes beunruhigte sie. Ron hatte erzählt, dass Harry mit Dumbledore unterwegs war. Das verhieß nichts Gutes. Wenn Draco wirklich versuchte Dumbledore anzugreifen – was schon mal ein ziemlich unausgeglichener Kampf wäre – und jetzt auch noch Harry Potter dabei sein würde ... dann sah es für Draco nicht sehr gut aus. Vor allem, da der Gryffindor ein Zeuge wäre. Ginny würde Draco gerne warnen, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte. „Was meinst du soll Malfoy denn vorhaben?“ „Ich weiß es nicht, Neville. Aber es war Harry ziemlich ernst damit. Er hat Malfoy schon das ganze Jahr über verdächtigt.“ „Hat Harry ihn deswegen angegriffen? Weil er denkt, er habe etwas mit dem Angriff auf Katie zu tun?“ Unsicher kaute Ron auf seiner Unterlippe herum und zuckte dann nur mit den Achseln. Ein Geräusch ließ sie alle drei aufschrecken. An der Wand hatte sich die Tür zum Raum der Wünsche gezeigt und als diese sich langsam öffnete, hielten die drei Gryffindors ihren Zauberstab bereit. Und tatsächlich war es Draco Malfoy, der aus der Tür kam. Vorsichtig erspähte er die Umgebung und hielt etwas Seltsames in seiner linken Hand. Es sah aus wie eine abgetrennte, verwitterte Hand, wie ein widerlicher Schrumpfarm. Als der Slytherin die drei Gryffindors mit ihren erhobenen Zauberstäben sah, warf er mit seiner freien Hand etwas in die Luft. Für eine Sekunde begegneten sich Dracos und Ginnys Blicke, bevor alles um sie herum schwarz wurde. Erschrocken keuchte Neville neben ihr auf und von Ron hörte sie ein gemurmeltes „Lumos“, aber es blieb weiterhin stockfinster. Das musste das Finsternispulver sein, dass, das Ginny ihm kürzlich erst geschickt hatte. Jetzt konnte sie sich auch denken, wieso er danach gefragt hatte. Etwas, mit dem man im Verborgenen bleiben kann. Draco hatte alles genauestens geplant. Ginny wusste nicht, was sie tun sollte. Sie konnte Schritte hören, die an ihr vorbeiliefen, mehrere schwere Schritte, die nicht von Schülern stammen konnten. Jetzt fügte sich alles zusammen. Das Verschwindekabinett! Draco hatte es repariert. Aber was, wenn man mit diesem Ding nicht nur Leute verschwinden lassen konnte? Schließlich mussten sie ja auch wieder irgendwo auftauchen. Das hieße, es musste noch ein zweites geben. Und durch diese beiden Kabinette müsste Draco jemanden hergebracht haben. In den Raum der Wünsche. Direkt nach Hogwarts hinein. Todesser! Sofort schnellte sie mit der Hand, in der ihr Zauberstab lag, in die Höhe und richtete sie ins Nichts. Sie konnte nichts sehen, nur Schritte und Geflüster hören, aber konnte sie wirklich sicher sein, dass sie auf einen Feind zielte und nicht auf einen Freund? Plötzlich spürte Ginny ein Gewicht, dass sie beinahe erdrückte. Erschrocken keuchte sie, doch es waren nur zwei Arme, die sie fest drückten. Jemand umarmte sie. Völlig irritiert, rührte sich Ginny nicht. Sie spürte nur den großen, warmen Körper, der sich fest an ihren presste. Draco, dachte sie. Das ist Draco, ganz bestimmt. Sie spürte seine Finger, die ihren Arm entlang tasteten und ihr etwas in die Hand drückten. Etwas kleines, glattes, kaltes. Etwas aus Glas. Einen Augenblick später ließ er sie wieder los und war verschwunden. Sie hörte seine Schritte, die sich entfernten. Allem Anschein nach musste dieser Schrumpfarm, den er bei sich hatte, ihm irgendwie den Weg zeigen. „Verdammt, ich kann nichts sehen!“, fluchte Ron. „Kommt hierüber“, rief Neville. „Wir müssen einen anderen Gang finden, in dem es hell ist.“ Gemeinsam tasteten sie sich durch die Dunkelheit, bis sie wenige Meter weiter einen Korridor entdeckten, wo das Finsternispulver nicht hingelangt war und sie wieder etwas sehen konnten. Allen dreien war die Angst ins Gesicht geschrieben. „Todesser“, flüsterte Ron und sein Gesicht war kreidebleich. „Ich fass es nicht! Malfoy hat die Todesser ins Schloss gelassen! Harry hatte Recht!“ „Wir müssen die anderen warnen!“, sagte Neville. Die Sorge um die anderen war ihm deutlich anzusehen. Ginny besah sich den Gegenstand, den ihre Finger umschlossen. Was hatte Draco ihr da gegeben? Es war eine kleine Phiole aus Glas. Darin befand sich eine Flüssigkeit – ein Zaubertrank. Aber das konnte doch nicht das sein, was sie vermutete ... „Ginny?” Rons Blick lag auf der Phiole in ihrer zitternden Hand. „Sag mal, wo hast du Felix Felicis auf einmal her?“ Und tatsächlich, es war das Flüssige Glück, das sie in Händen hielt, aber wie bei Merlins Bart war Draco daran gekommen? Hatte er es Harry entwendet und etwas geschafft, was selbst Ginny nicht gelungen war? Aber wieso hatte er es dann nicht für sich selbst behalten? Sie empfand enorme Dankbarkeit, denn das war wirklich ein Beweis ihrer Freundschaft. Ginny entkorkte den Zaubertrank und hielt sie dann den beiden Jungen auffordernd entgegen. „Trinkt“, sagte sie und plötzlich waren aus der Ferne Schreie zu hören. Die Todesser schienen auf Gegenwehr gestoßen zu sein. „Wir werden es brauchen.“ ~ Flüche, von Hexen und Zauberern, die sich duellierten, jagten durch die Luft. Der Orden des Phönix kämpfte gegen die Todesser. Professor McGonagall, Tonks und Lupin leisteten sich einen erbitterten Kampf gegen die maskierten Anhänger von Lord Voldemort. Sogar Fenrir Greyback war dabei und hatte sich schon auf sein erstes Opfer gestürzt. Entsetzt musste Ginny feststellen, dass es Bill war. Sofort feuerte sie einen Schockzauber auf Greyback ab, um Bill zu retten, doch es benötigte noch weitere Flüche um dieses Monster zu verscheuchen. Bill lag blutend und leblos am Boden. Sofort eilte Ginny zu ihm und erschrak, als sie sehen musste, wie schlimm es ihren älteren Bruder erwischt hatte. Er war sehr schwer verwundet. Greyback war zwar nicht in einen Werwolf verwandelt gewesen, hatte aber auch als Mensch eine ungeheure Brutalität an den Tag gelegt. Erleichtert bemerkte Ginny Bills flache Atmung und konnte sich die aufkommenden Tränen noch verkneifen. Der Moment der Freude verging aber rasch, da ein Fluch nur knapp an ihr vorbeisauste. Um Bill würden sie sich später kümmern müssen. Jetzt widmete sie sich dem Kampf und unterstützte ihre Gefährten. Die Lehrer und einige Schüler kämpften tapfer gegen die Todesser und verteidigten sich, so gut wie sie konnten. Von Draco war weit und breit keine Spur. Ebenso wenig wie von Harry oder Dumbledore. Wenn Ginny daran dachte, dass nicht mehr viel gefehlt hätte, dann hätte sie ebenfalls zu den maskierten Leuten gehörten, die jetzt ihre Freunde angriffen. Einmal mehr wusste Ginny, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Plötzlich kamen von einer Treppe noch mehr Todesser und einer von ihnen attackierte Ginny, allerdings wehrte sie den Fluch mit einem Lähmzauber ab. Gleich darauf feuerte sie ihm einen Impedimenta entgegen. Von überall kamen Flüche. Es herrschte das reinste Chaos. Es tat Ginny im Herzen weh, Hogwarts so sehen zu müssen, dem Ort, an dem sie sich wohl fühlte, ihrem zweiten zu Hause. Ginny hatte zwar Angst, aber sie wusste, dass ihr nichts geschehen würde. Das lag vermutlich an Felix Felicis. Ohne ihn hätte es sie vielleicht schon längst erwischt. Auf einmal rief jemand: „Es ist vorbei, Zeit zu gehen!“ Ginny erkannte, dass es Snape war. Einige Todesser folgten seinem Ausruf und versuchten, zu fliehen. Snape lief an ihnen vorbei, ohne sich in den Kampf einzumischen, ohne zu helfen oder anzugreifen. Es ist vorbei ... Das musste bedeuten, dass Dumbledore ... Und dann sah sie Draco, der hinter Snape herlief. Auch er hatte nur wenig für den Kampf übrig. Ginny erschrak, als sie sein blasses und vor Angst erstarrtes Gesicht erkannte. Draco rannte, rannte, als hinge sein Leben von ihm ab. Gemeinsam liefen sie den Korridor entlang und verschwanden dann um die nächste Ecke. Sie versuchten wohl, das Schloss zu verlassen. Hatte Draco es tatsächlich über sich gebracht? Kurz darauf kam Harry von der Treppe hinuntergestürmt. Mit wutverzerrtem Gesicht versuchte er Snape und Draco zu verfolgen. Dann stürzte Greyback sich auf ihn ... Epilog: Epilogue ---------------- Nach dem Kampf hatten sich alle im Krankenflügel versammelt. Die Todesser hatten das Schloss verlassen und Verwüstung und Chaos hinterlassen. Der Schock saß ihnen allen immer noch tief in den Gliedern. Dumbledore war tot. Es war unvorstellbar. Albus Dumbledore, der Schulleiter von Hogwarts, war ermordet worden. Während Lehrer, Schüler und die Mitglieder vom Orden des Phönix den Todessern entgegengetreten waren, hatte es noch einen weiteren Kampf auf dem Astronomieturm gegeben. Dumbledore hatte ihnen allen viel bedeutet. Er war nicht nur einer der größten Zauberer seiner Zeit, sondern auch ein herzensguter Mann gewesen und hatte immer an das Gute im Menschen geglaubt. Sich Hogwarts ohne ihn vorzustellen, war undenkbar. Für alle war es ein Schock gewesen, erfahren zu müssen, dass es Snape gewesen war, der den tödlichen Fluch ausgesprochen hatte. Harry war dabei gewesen und hatte ihnen alles erzählt. Ginny saß neben ihm, hielt tröstend seine Hand. Den Kampf hatte Harry unbeschadet überstanden. Greyback hatte ihn – im Gegensatz zu Bill – nicht erwischt, da er ihn rechtzeitig hatte schocken können. Nur Harrys Herz war verletzt worden, denn Dumbledore war für ihn nicht nur sein Schulleiter gewesen, sondern weit mehr als das. Er hatte einen guten Freund verloren. Die Atmosphäre im Raum war drückend. Sie schwiegen und hingen ihren Gedanken nach. Auf ihren Gesichtern zeigten sich Trauer, Sorge und Bestürzung. Nur leise Schluchzer durchbrachen die Stille. Ginny Gedanken drifteten ab, sie verließen den Krankenflügel, verließen Hogwarts. Sie fragte sich, wo Draco jetzt wohl war, wohin er mit Snape geflohen war. Ob es ihm gut ging? Sein angsterfülltes und reuevolles Gesicht würde sie wohl nie vergessen. Letztendlich hatte er Dumbledore nicht getötet. Hatte er es nicht gekonnt oder war Snape einfach einen Schritt schneller gewesen? Was wäre wohl geschehen, wenn Draco sich im letzten Moment anders entschieden und sich auf ihre Seite gestellt hätte, dann wäre er jetzt vielleicht bei ihnen und hätte jetzt neben ihnen gesessen. Ginny konnte nur erahnen, was er jetzt wohl durchmachen musste. Mit Dumbledores Tod war ein Teil der gewohnten Sicherheit verloren gegangen. Dieser Mann hatte Rückhalt geboten und stets gewusst, was zu tun war. Aber nun war er fort und hatte statt seiner eine Leere hinterlassen, die wohl niemand füllen konnte. Es würde alles noch viel schlimmer kommen. Dieser Kampf war nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen, auf das, was noch kommen würde. Ein Jahr später hatte es in Hogwarts eine noch viel größere Schlacht gegeben. Ein langer und harter Kampf hatte viele Leben gefordert und das Schloss in Schutt und Asche gelegt. Doch nun feierten sie ihren Sieg. Voldemort war tot. Der mächtigste und schrecklichste schwarze Magier aller Zeiten war besiegt worden. Bei einem Duell hatte Harry ihn geschlagen. Dem Auserwählten, auf den alle ihre Hoffnung gesetzt hatten, war es gelungen, diesen Alptraum ein für alle mal zu beenden. Der dunkle Lord war an seine Grenzen gestoßen und die Liebe hatte schlussendlich über ihn gesiegt. Doch die Erleichterung und Freude über das Ende seiner Schreckensherrschaft war getrübt vom Verlust der Angehörigen, Freunden und Verwandten. Nach dem Kampf saß Ginny neben ihrer Mutter in der Großen Halle. Sie beide hielten sich gegenseitig im Arm und weinten um Fred, der im Kampf sein Leben lassen musste. Noch nie da gewesener Schmerz breitete sich in Ginnys Brust aus. Der Tod ihres Bruders hatte sie schwer getroffen und riss sie in ein tiefes Loch der Dunkelheit. Auch wenn sie allzeit damit gerechnet hatte, dass es jemanden treffen könnte, den sie liebte und wenn jeder sich dazu bereit erklärt hatte, für diese Sache zu sterben, so war es doch ein Schock, der tief unter die Haut ging. Nach einer Weile entdeckte Ginny unter den unzähligen Menschen Draco, der gemeinsam mit seinen Eltern in einer Ecke der Großen Halle stand. Auch er war gezeichnet vom Kampf. Um ein Haar hätte es auch ihn erwischt, denn er war im Raum der Wünsche gewesen, als das Dämonsfeuer ausgebrochen war und den Raum mit allem, was sich darin befand, zerstört hatte. Somit war auch das Tagebuch, das dort versteckt gewesen war, vernichtet. Es wäre ohne die Zauberkünste von Voldemort ohnehin nur noch ein normales Buch gewesen. Aber Draco wurde gerettet und jetzt war er endlich wieder frei. Endlich konnte er sein eigenes Leben leben. So wie sie alle. ~ Der Sommer war fast vorüber und obwohl die warme Jahreszeit bei allen beliebt war, war es im Fuchsbau noch nie so still gewesen, wie in den letzten Wochen. Die Erinnerung des Verlustes ihres Familienmitgliedes knallte jeden Tag erneut mit einer ungeheuren Wucht auf sie ein. Nur noch selten wurde gelacht, denn derjenige, der sie am meisten zum Lachen brachte, war nicht mehr da. Es hatte lange gedauert, bis das Leben der Weasleys wieder zur Normalität übergegangen war, doch das Leben musste nun einmal weitergehen. Ginny saß in ihrem Zimmer auf der Fensterbank und sah durch die Glasscheibe hinaus in den Garten, wo sie ihre Mutter beobachten konnte. Diese hatte sich in Haus- und Gartenarbeit gestürzt. Das war ihr Weg, die Trauer zu bewältigen. Ginny wusste, wenn ihre Mutter mal wieder den Garten entgnomte, war es ein besonders schlimmer Tag für sie. Der Fuchsbau war leer. Ihr Vater und Percy gingen im Ministerium wieder ihrer Arbeit nach, Ron half George im Scherzartikelladen aus und Bill lebte nun mit Fleur in Shell Cottage. Charlie hatte sich vor ein paar Tagen verabschiedet und war zurück nach Rumänien gereist. Wenn Hogwarts wieder aufgebaut war, würde Ginny dorthin zurückkehren, um ihren Abschluss zu machen. Auf ihren Knien lag ein Buch. Sanft strich sie über den ledernden Schutzumschlag. Ginny lächelte leicht. Dieses Geschenk hatte sie genau zum richtigen Zeitpunkt erreicht. Eines Nachts hatte eine Eule an ihr Fenster geklopft und ein Paket gebracht, aus dem Ginny dieses Notizbuch ausgepackt hatte. Auch wenn die Wahl des Buches ein wenig ironisch war, dadurch hatte sie wieder jemanden gefunden, dem sie sich anvertrauen und ihr Herz ausschütten konnte. Ginny schlug das Buch auf. Die Seiten waren aus Pergament und noch unbeschrieben. Dies war mehr als nur ein Déjà-vu-Erlebnis. Eine Weile starrte sie auf die leeren Seiten, bis sie sich eine Feder nahm und anfing zu schreiben. Es ist so leer und so still, seitdem Fred nicht mehr da ist ..., begann sie und schrieb sich alles von der Seele. Das war ihr Weg, mit der Trauer umzugehen. Er fehlt mir so. Dann, ganz plötzlich, erschienen weitere Wörter, von einer unsichtbaren Hand geschrieben. Ich bin für dich da, lautete die Antwort. Diese Worte bedeuteten ihr viel. Er half ihr über ihren Schmerz hinwegzukommen. Danke, schrieb Ginny. Du bist ein wahrer Freund. So oft hatte sie schon nachts wachgelegen und dieses Buch als Ventil für ihre überlaufenden Gefühle gebraucht und immer noch hörte er ihr zu, tröstete sie und spendete ihr Mut. Ohne ihn würde sie vermutlich nicht lange durchhalten. Wann wird es aufhören weh zu tun? Vermutlich nie. Die Antwort war schonungslos, aber sie wusste, dass er Recht hatte. Freds Tod würde für immer eine Narbe in ihrem Herzen hinterlassen. Aber du bist stark und wirst dein Leben weiterführen. Ginny stieß einen langen Seufzer aus und sah, als sie aus dem Fenster schaute, wie ihre Mutter gerade einen Gnom über die Gartenhecke schleuderte. Ja, sie würde stark sein und ihre Familie unterstützen. Die Familie musste zusammenhalten, das hatte Ginny gelernt, genauso wie es wichtig war, seinen Prinzipien und seinen Freunden treu zu bleiben. Ich habe mich bei Harry für alles entschuldigt, schrieb Ginny. Das war das Mindeste, was sie tun konnte. Obwohl ich ihm nicht erklärt habe, weshalb ich so gehandelt habe, glaube ich, dass er eine Ahnung hatte. Die Antwort erschien augenblicklich. Er wird dir verzeihen. Er hat ein gutes Herz. Es war merkwürdig, die Worte von ihm zu hören. Er hat selbst mir das Leben gerettet – zweimal sogar – obwohl ich es nicht verdient hätte. Sag so etwas nicht, Draco, tadelte sie ihn. Du hättest anders gehandelt, wenn du gekonnt hättest. Im Nachhinein erst hatte Draco ihr anvertraut, dass Voldemort seine Mutter als Druckmittel benutzt hatte und ihm deshalb keine Wahl geblieben war. Er hätte Dumbledore töten müssen, um das Leben seiner Familie sowie sein eigenes zu schützen. Stattdessen war sie ganz leicht auf Voldemorts Lügen hineingefallen. Er hatte ihre Schwächen ausgenutzt und sie manipuliert. Aber das war nun, Merlin sei Dank, vorbei. Nach dem Tod des dunklen Lords hatte Ginny nie wieder von Tom Riddle geträumt. Das einzig Gute, was bei dieser ganzen Sache bei rausgekommen war, war vermutlich ihre Freundschaft mit Draco, die sich ergeben hatte. Wenn die Anfänge auch schwierig gewesen sein mochten, so hatte sich im Laufe der Zeit ein Band zwischen ihnen geknüpft. Den Beweis dafür hatte er ihr anhand von Felix Felicis gegeben. Draco hatte nie gesagt, woher er den Glückstrank her hatte. Nur einmal hatte Ginny ihn danach gefragt, aber er tat so, als hätte es die Begegnung vor dem Raum der Wünsche am Tag von Dumbledores Ermordung nie gegeben. Ginny beließ es dabei. In ihrem letzten Schuljahr waren sie sich nur sehr selten begegnet, aber dann hatte Draco ihr nach dem Kampf dieses Buch geschickt, mit einem kurzen Brief, der erklärte, wofür es gedacht war. Dieses Buch hatte er mit einem Zauber versehen. Er selbst besaß ein Gegenstück und anhand von diesen beiden Exemplaren konnten sie sich schreiben und miteinander in Verbindung bleiben. So sehr diese Situation auch der Geschichte mit Tom Riddle ähnelte, so war es etwas komplett anderes, denn Ginny wusste, dass sie diesmal einem wahren Freund schrieb, der sie nicht benutzte, sondern der sie wirklich mochte. Und das war viel besser. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)