Riddle's Assassins von stone0902 (Im Auftrag des Dunklen Lords) ================================================================================ Kapitel 21: Salvation --------------------- Es dämmerte bereits. Tagelang hatte Ginny ihn beobachtet, war ihm gefolgt und hatte auf einen günstigen Moment gewartet. Stets war er umgeben von seinen Freunden oder Mitschülern. Nie war er alleine. Und nun machte er es ihr einfach und servierte sich praktisch auf dem Silbertablett. Ganz allein spazierte Harry Potter über die Ländereien und schien nicht darauf zu achten ob er verfolgt wurde. Wenn sie Glück hatte, würde er geradewegs in den verbotenen Wald spazieren, dort wäre es ihr ein Leichtes, ihn zu töten. Niemand würde sie sehen und wer weiß wie lange es dauern würde, bis man ihn dort fand. Bis dahin konnte sie längst auf und davon sein. Etwas anderes kam nämlich nicht in Frage. Ginevra Weasley würde fliehen müssen und die Schule, ihre Familie und ihre Zukunft hinter sich lassen. Es würde herauskommen, wer ihn getötet hatte. Sicherlich gab es einen Weg, wie sie es zurückverfolgen konnten. Magie hinterließ immer Spuren. Doch auch wenn es nie aufgeklärt werden würde, wäre die Schande für Ginny zu groß und das schlechte Gewissen zu übermächtig, als dass sie noch länger in der Schule bleiben wollte. Sich selbst würde sie dann nie wieder in die Augen sehen können, wenn sie gleich diesen Mord begann. Der Gedanke daran zerriss ihr jetzt schon das Herz. In der Nähe der Gewächshäuser standen einige Bäume, unter denen die Schüler oftmals saßen, wenn sie auf den Ländereien des Schulgeländes ihre Zeit verbrachten. Hinter einem dieser Bäume versteckte sich Ginny, geschützt in seinem Schatten und beobachtete ihr Opfer, den Zauberstab bereits fest in ihrer Hand umklammert und bereit für den Angriff. Allmählich erkannte sie, dass Harry sich auf den Weg zu Hagrid machte. Die kleine Holzhütte stand am Rande des verbotenen Waldes und durch die Fenster war in der Abenddämmerung bereits Licht zu erkennen. Bald würde Harry die Hütte erreichen und wenn er erst einmal bei dem Wildhüter angekommen war, konnte Ginny ihn nicht mehr angreifen, also musste sie schnell handeln. Harry war weit entfernt – es waren mindestens 50 Meter – aber die Weasley konnte gut zielen. Rasch hob sie den Zauberstab und zielte auf den ungeschützten Rücken. Sie würde nicht zögern, sie musste es tun! Nie wieder würde sie eine Chance haben und es war egal, ob sie es tun wollte oder nicht, sie musste sich Riddles Willen beugen! In Gedanken wiederholte sie die Zauberformel – Avada Kedavra. Der tödliche Fluch. Wenn sie alles richtig machte und ihn traf, war endlich alles vorbei. Der Entschluss war gefasst. Stumme Tränen rannen ihr übers Gesicht. Sie öffnete den Mund um den Fluch loszujagen, doch bevor sie die todbringenden Worte aufsagen konnte, wurde ihr der Zauberstab aus der Hand gerissen. Ein Entwaffnungszauber! Ginny fuhr panisch herum und sah gerade noch, wie derjenige, der sie entwaffnet hatte, ihren Stab mühelos auffing. Draco stand nur wenige Meter entfernt bei den Gewächshäusern und sah sie geschockt an. „Was zur Hölle tust du da?“, fragte er. Ginny war vor Schreck kreidebleich geworden, da es nur Draco war, konnte sie allerdings aufatmen. Da hatte sie noch einmal Glück gehabt. Beschämenderweise hatte sie ihn nicht einmal bemerkt. Nicht auszudenken, wenn jemand anderes sie hier erwischt hätte. Als sie wieder zu Harry sah, konnte sie gerade noch erkennen, wie er die Hütte des Halbriesen betrat und hinter den schützenden Holzwänden verschwand. Erneut war es ihr missglückt. „Was sollte das?“, keifte sie jetzt Malfoy an. „Ich war so nah dran!“ Das Schluchzen ließ sich nicht unterdrücken und sie versuchte gar nicht erst ihre Tränen vor dem Slytherin zu verbergen. Der mitleidige Blick, mit dem Malfoy sie bedachte, ließ sie sich noch schlechter fühlen. „Beinahe hätte ich ihn gehabt. Es wäre alles wieder gut geworden“, sprach Ginny eher zu sich selbst als zu ihm. „Du wolltest ihn doch nicht wirklich angreifen?“ Draco war nun zu ihr herüber gekommen und warf einen kurzen Blick hinüber zu Hagrids Hütte, aus deren Kamin dicke Rauchwolken stoben und in den Himmel aufstiegen. „Sieh dich an, du heulst doch!“ „Von wollen ist keine Rede! Ich muss! Ich muss es tun!“ Wollen tat sie es ganz sicher nicht, doch sie wäre verrückt, sich den Befehlen des dunklen Lords zu widersetzen. Das letzte Gespräch mit ihm war ihr noch gut in Erinnerung geblieben. Tom Riddle hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Deutlich hatte er Ginny gezeigt, dass er ihr keine Wahl ließ. Gerade Draco musste sie doch verstehen. Sie teilten so vieles miteinander. Auch er hatte die Aufgabe erhalten jemanden umzubringen und er wusste, dass Ginny seit Jahresbeginn darum bemüht war Harry zu töten. Er kannte Voldemort und wusste, dass er kein Versagen duldete. Wieso stellte er sich ihr jetzt in den Weg, anstatt ihr zu helfen? „Du hättest dich nicht einmischen sollen“, zischte sie jetzt wütend. Sie fühlte sich von ihm verraten. Dabei hatte sie gedacht, sie könnte sich auf ihn verlassen. „Du hasst ihn doch ebenso sehr wie ich! Wieso also hast du ihn gerettet?“ Wenn sie noch ihren Zauberstab gehabt hätte würde sie Draco einen Fluch verpassen, doch er befand sich immer noch in seinem Besitz. „Was ist nur mit dir los?“ Draco schien völlig erschüttert. Langsam, sehr langsam schüttelte er den Kopf und starrte sie aus großen Augen an. „Ich weiß, dass du das eben nicht tun wolltest. Du hättest einen Fehler begangen. Ich wollte nicht, dass du zur Mörderin wirst.“ „Aber ...“ In Ginnys Augen sammelten sich abermals Tränen. „Er ... wird mich bestrafen ...“ Ihr wurde übel bei dem Gedanken daran, was sie erwarten würde, wenn sie Riddle nicht endlich von einem Erfolg berichten würde. Er hatte ihr im Schlafsaal eine Höllenangst eingejagt. Ihr Körper fing an zu zittern. „Ich habe Angst“, schluchzte sie und erneut rollten Tränen über ihr Gesicht. Sie lehnte sich gegen Dracos Schulter und schlang die Arme um ihn. Sie wollte sich nur an irgendetwas festhalten, denn sie hatte das Gefühl, man würde ihr den Boden unter den Füßen wegziehen. Der Druck wurde langsam zu groß und sie hielt dem nicht länger stand. Sie fühlte sich so schwach ... „D-das ... das ist bestimmt F-felix Felicis“, schniefte Ginny. „Gegen diesen Glückstrank habe ich keine Ch-chance!“ Ginny wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, doch es folgten immer wieder neue. Wenn sie doch auch nur ein wenig Glück haben könnte, denn genau dieses schien sie dieses Schuljahr verlassen zu haben. Ansonsten wäre sie nicht in solch einer aussichtslosen Situation. Draco legte einen Arm um sie, tröstete sie stillschweigend und als ihre Schluchzer und Tränen mit der Zeit verstummten, zog er sie mit zurück zum Eingangsportal. „Komm. Lass uns ins Schloss gehen. Wir müssen aufpassen, dass uns niemand sieht. Wir dürfen um diese Uhrzeit nicht mehr draußen sein.“ Ginny ließ sich widerstandslos von ihm mitziehen. In seiner Nähe fühlte sie sich sicher und hoffte, er wäre immer für sie da, wenn sie ihn brauchte. Sie wünschte, er würde sie vor Tom Riddle beschützen können, doch das war nur Wunschdenken. Dazu war Draco leider nicht in der Lage. Doch für heute reichte es, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen war und sie vor dem größten Fehler ihres Lebens bewahrt hatte. ~ Ginny glaubte allmählich, der Mut, der den Gryffindors nachgesagt wurde, habe sie seit langem schon verlassen und dabei brauchte sie genau jetzt davon eine große Portion. Sie brauchte Mut, um sich Tom Riddle erneut zu stellen und um ihm wieder einmal ihr Scheitern kundzutun. Für diesen Anlass hatte sie ein verlassenes Klassenzimmer gewählt, falls Tom sich ihr wieder zeigen wollte. Dies würde er zweifelsohne, wenn nicht nur in ihrem Schlafsaal, womöglich sogar überall tun, denn sie war die Einzige, die ihn sehen konnte. Auch wenn die Mädchen, die sich den Schlafsaal mit Ginny teilten, Tom Riddle nicht sehen konnten, wollte sie gerne mit ihm allein sein, damit sie frei sprechen und agieren konnte. Mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt saß sie auf dem Boden, das Tagebuch lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß. Ihre rechte Hand hielt die Feder und zitterte wie verrückt. Sie brauchte einige Minuten, überlegte lange, wie sie beginnen sollte, bis sie schließlich die Spitze auf das Pergament setzte und begann einige Buchstaben nieder zu kritzeln, die aufgrund ihres Zitterns merkwürdig verzerrt waren. Tom, ich habe Neuigkeiten. Sie schluckte. Hoffentlich erwischte sie ihn mit einer guten Laune, dann würde er ihr ihr erneutes Versagen vielleicht verzeihen. Aber wann hatte der dunkle Lord schon mal gute Laune? Ich hoffe für dich, es handelt sich um gute Neuigkeiten. Der Kloß in Ginnys Hals schien auf die Größe einer Galleone anzuschwellen. Die Erinnerungen an das wütende Gesicht und an die Drohungen, die er bei der letzten Begegnung geäußert hatte, kehrten zurück und ließen Ginnys Hände vor Angst ganz schwitzig werden. Ihr Kopf war plötzlich ganz leer und sie vermochte keine Antwort zu verfassen. Mehrere Sekunden vergingen, bis eine weitere Nachricht erschien. Ah ... Wie vermutet ... Beschämt schloss Ginny die Augen. Wie vermutet? Rechnete er schon damit, dass sie versagte? Dieser Gedanke demütigte sie, hatte sie doch stets versucht ihn glücklich zu machen und zufrieden zu stellen. Allerdings ... wenn er ihr Versagen schon erwartete wäre es vielleicht einfacher es ihm zu erklären. Eine Bewegung ließ Ginny aufsehen und entsetzt sprang sie auf, ließ das Buch zu Boden fallen, als sie feststellte, dass sie nicht mehr allein war und direkt in die Augen ihres personifizierten Alptraums blickte. „Was hast du jetzt schon wieder angestellt?“ Im Klassenzimmer schien es einige Grade kälter zu werden. Mit verschränkten Armen stand Tom vor ihr und sah auf Ginny hinab. Seine Gesichtszüge waren angespannt und ohne Emotionen. Wie sie befürchtet hatte erschien er in dem leeren Klassenzimmer. Allerdings behagte ihr diese vertraute Zweisamkeit nun nicht mehr bei dem Gedanken daran, dass niemand ihr helfen konnte, wenn etwas geschehen sollte. Das hätte sie vorher vielleicht bedenken sollen ... „Sprich endlich!“ Ginny fuhr erschrocken zusammen und öffnete den Mund um zu sprechen, doch es kamen nur gestammelte Laute aus ihr heraus. Die Angst zur Seite schiebend zwang sie sich ihre Fassung zu bewahren. Er konnte ihr nichts tun, versicherte sie sich. Er konnte ihr nichts tun, denn er war nicht aus Fleisch und Blut. Das Einzige, was passieren konnte, war, dass sie vor Angst starb, doch soweit wollte sie es nicht kommen lassen. Sie befeuchtete sich die trockenen Lippen bevor sie sprach. „Harry ... ich habe ihm aufgelauert ... ihn verfolgt ... Ich wollte ihn angreifen, so wie du es wolltest-“ „Aber?“, fragte Tom ungeduldig. Seine dunklen Augen fokussierten sie und die Anspannung war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ich wurde ... erwischt.“ Seine Augen weiteten sich. Er wandte sich von ihr ab, fluchte lauthals und raufte sich die Haare. Dann veränderte sich seine Stimme. Wütend zischte er wie eine Schlange und Ginny erkannte, dass es Parsel war. Er schien die Nerven zu verlieren wenn er jetzt schon in der Schlangensprache fluchte. So außer sich hatte sie ihn noch nie erlebt. „Von wem?“, wollte Tom wissen ohne Ginny dabei in die Augen zu sehen. Zornesröte verdrängte die zarte Blässe die das sonst so schöne Gesicht bedeckte. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt und Ginny war heilfroh, dass sich kein Zauberstab in seinen Fingern befand, nicht befinden konnte. „Einem Schüler.“ Für einen kurzen Moment dachte sie an Draco, aber ihn in dieser Situation zu erwähnen wäre für sie beide ziemlich gefährlich gewesen und Ginny hatte ja nicht einmal gelogen. Draco war ein Schüler. Toms Zorn schien derzeitig zu groß um zu bemerken, dass sie etwas verheimlichte, dabei war es für ihn so leicht sie zu durchschauen. Als er ihr sein Gesicht wieder zuwandte, sah er sie hasserfüllt an. Ginnys Herz zog sich qualvoll zusammen, bei dem Blick, den sie geschenkt bekam. Er sprach mit eiskalter Stimme zu ihr, als ob sie keine Wärme verdient hätte. „Unnützes Gör! Wie konntest du schon wieder versagen?“ „Ich kann nichts ausrichten, wenn er noch Felix Felicis hat“, versuchte Ginny sich zu rechtfertigen. „Ausreden!“ „Ich versuche es doch!“ „Lügen!“ Tom kam einige Schritte auf sie zu. Unbewusst trat sie zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Er hob beide Hände. „Wie gerne ich dir deinen Hals umdrehen würde“, zischte er leise und legte seine Finger um ihren Hals, die sie aber nicht spüren konnte. Wie bei einem Geist glitt er durch sie hindurch, da nur sein Geist anwesend war, nicht sein Körper. Das Einzige, was ihn von einem Geist unterschied, war, dass dieses eiskalte Gefühl bei der Berührung ausblieb. „Wenn ich dazu in der Lage wäre, würde ich nicht zögern dich zu töten“, flüsterte er. In diesem Moment schien Ginnys Herz zu zerbrechen. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie Tom an und langsam spürte sie die Tränen aufsteigen. Sie sah, dass er die Wahrheit sprach, er würde nicht zögern sie zu ermorden. Die Erkenntnis ließ Ginny zusammenbrechen. Sie sackte auf den Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Laut schluchzte sie auf. Tom hasste sie sosehr, dass er sie umbringen wollte! Er trat ihre Gefühle mit Füßen und in diesem Moment wollte Ginny nichts anderes als ihm seinen Wunsch zu erfüllen und sterben, nur damit dieser grausame Schmerz endete. „Ich hasse dich“, schluchzte sie. Mit tränenverschleierten Augen sah sie zu ihm und begegnete einem kühlen Lächeln. „Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.“ Oh, doch, es stimmte. In diesem Augenblick hasste sie ihn, weil er ihr so unglaublich weh tat. Sie konnte ihn nicht mehr lieben, nicht, nachdem er ihr Herz gebrochen hatte. Er verdiente ihre Liebe nicht. Ginny rappelte sich mit dem letzten bisschen Kraft auf, stolperte fast und eilte dann auf die Tür zu. Sie wollte einfach nur noch fort und Tom Riddle nie wieder sehen. „Doch ich hasse dich, Tom! Lass mich in Ruhe und verschwinde endlich!“ Keine zehn Hippogreife hielten sie mehr hier und so griff sie nach dem Türknauf, riss die Tür auf und lief hinaus. „Du wirst mich nie los werden!“, hörte Ginny noch, bevor die Tür hinter ihr zufiel und sie den Korridor entlang rannte, einfach davonlief und Tom und das Tagebuch zurückließ. Sie rannte und rannte, bis ihr ihre Lungen schmerzten und sie kaum noch Luft bekam, eilte die Treppen und Stockwerke hinauf, vorbei an verwirrt und besorgt drein schauenden Schülern, bis sie im siebten Stock ankam. Nach einem Wandteppich ausschauhaltend lief sie den Gang hinab und als sie ihn endlich fand, stellte sie sich vor die gegenüberliegende Steinmauer, wo sie den Raum der Wünsche vermutete. Was sie hier her getrieben hatte, wusste sie zuerst nicht, bis ihr klar wurde, zu wem sie gewollt hatte. Dreimal lief sie vor der Wand auf und ab und stellte sich genau vor, was sie im Raum der Wünsche vorfinden wollte. Als sie die Augen öffnete, atmete sie erleichtert auf, als die Tür erschien und öffnete sie sofort um einzutreten. „Draco?“, rief sie mit brüchiger Stimme. „Bist du hier?“ Überraschenderweise fand sie sich in jenem Raum wieder, indem sie einst mit dem Slytherin gewesen war. Der Raum der Wünsche hatte erneut eine gigantische Größe angenommen und beherbergte eine enorme Anzahl einer Ansammlung an Gegenständen, die in diesem Moment nicht uninteressanter hätten sein können. „Hallo?“, rief sie noch einmal, bis Draco plötzlich hinter einer verrosteten Ritterstatue hervortrat und sie überrascht ansah. „Ginny? Was tust du denn hier?“ Weinend fiel sie ihm um den Hals und sie drückte sich fest an ihn, wie eine Ertrinkende, die endlich Halt gefunden hatte. Sie war so froh ihn zu sehen. „Was ist denn passiert?“, fragte er besorgt und als sie nicht antwortete, sondern nur weiter schluchzte schüttelte er sie leicht. „Sag doch was.“ Leichte Panik schwang in seiner Stimme mit. Er schien völlig überfordert mit der Situation. „Wie bist du denn hier rein gekommen?“ „Du hast gesagt, du wärst oft hier. Und ich wollte unbedingt zu dir. Ich habe mir so sehr gewünscht dich zu sehen.“ Draco packte sie an den Schultern, drückte sie von sich weg und hielt sie auf Armlänge von sich entfernt. Besorgt zog er die Augenbrauen zusammen. „Sag mir, was passiert ist“, forderte er. Ginny sah in seine Augen und das schöne Grau der Iris schien sie abzulenken, sie zu beruhigen, als sie sich darin verlor. Seine Augen waren so viel wärmer, als die von Tom. Noch einmal schüttelte Draco sie, da sie immer noch nicht sprach. „Was ist geschehen?“ Und endlich begann Ginny zu erzählen. Sie redete sich alles von der Seele, was seit dem Tag geschehen war, als Draco ihr das Tagebuch heimlich zugesteckt hatte. Wie es zu dem Auftrag kam, sie eingewilligt hatte, aber nach dem Unglück mit ihrem Bruder Zweifel keimten und dass Tom sie einschüchterte, sie drängte und zwang, dass er nicht nur im Tagebuch drohte, sondern ihr erschien und ihr Angst einjagte. Von dem Ereignis im Klassenzimmer berichtete sie ebenfalls. Draco hatte schweigend zugehört, aber als sie sagte, dass Tom sie am liebsten tot sähe, spiegelte sich auch auf seinem Gesicht das Entsetzen. Ginny weinte immer noch stumme Tränen, die sie minütlich mit einem Taschentuch wegwischte, welches Draco ihr heraufbeschworen hatte. Nachdem ihr Gefühlsausbruch langsam abschwächte, konnte sie wieder klar denken. Hier fühlte sie sich sicher. „Ich hätte dir dieses verfluchte Tagebuch nie geben dürfen!“ Draco war aufgesprungen und ging nervös auf und ab. Dann zog er seinen Zauberstab. „Wo ist es jetzt?“ Ginny sah ihn fragend an. „Das Tagebuch. Du sagst, du hättest es dort liegen gelassen.“ Als Antwort nickte sie. „Es liegt im leeren Klassenzimmer im zweiten Stock, in dem Gang, der zum Klo der Maulenden Myrte führt.“ Sobald sie dies gesagt hatte, lief Draco zur Tür. „Wo willst du hin?“, rief Ginny ihm verwirrt hinterher. „Ich sorge dafür, dass dieses Drecksding nicht mehr in unschuldige Hände fällt.“ Draco verließ den Raum der Wünsche und ließ Ginny alleine zurück. Bis er wieder kam vergingen zehn Minuten, in denen Ginny sich nicht vom Fleck rührte und auf ihn wartete. Als die Tür sich wieder öffnete, sprang sie erleichtert auf, als sie Draco erkannte. Er hatte das Tagebuch bei sich. „Ist es das?“ Ginny nickte und sie fragte sich, was Draco nun vorhatte. „Da ich dir dieses Ding eingebrockt habe, finde ich es nur fair, wenn ich es auch wieder beseitige.“ Draco sah sich im Raum um, als suchte er etwas. „Ich werde es verstecken, damit er dich nicht mehr belästigen kann. Solange es nicht mehr in deinem Besitz ist, kann er dir nichts tun. Ich werde es jetzt hier verstecken. Sieh mir am Besten nicht nach, damit du nicht weißt, wo es ist und nicht in Versuchung kommst es zu suchen.“ Ginny hatte gemischte Gefühle, denn einerseits wäre sie froh, wenn sie das Tagebuch und somit Tom Riddle los sein würde, doch andererseits hatte ihr dieser Gegenstand sehr viel bedeutet. Es war das Symbol ihrer Vergangenheit, dass, was sie mit Riddle verband und sie wusste, ohne dieses Buch würde sie nie wieder die Gelegenheit bekommen, Tom zu schreiben oder eine Nachricht von ihm zu erhalten. Es würde dann für immer vorbei sein. Doch sie nickte. Sie drehte sich um und ließ Draco das Tagebuch im Raum der Wünsche verstecken. Sie würde es nie wieder in Händen halten, nie wieder die Chance erhalten Tom Riddle zu sehen. Sie wusste, dass es das einzig Richtige für sie war, wenn sie sich von ihm trennte. Dieses Wissen ließ sie sich allerdings keineswegs besser fühlen. ~ Ginny saß in der Bibliothek und ging einer in letzter Zeit stark vernachlässigten Aktivität nach: sie lernte. Sie tat etwas, was für eine Schülerin ihren Alters völlig normal war. Mittlerweile war es Mai geworden und schon im Juni waren die ZAG-Prüfungen. Wie die meisten ihrer Klassenkameraden ihrer Jahrgangstufe verbrachte sie ihre Zeit entweder in ihrem Gemeinschaftsraum oder in der Bibliothek. Sie benahm sich wie alle anderen und nichts zeugte mehr von dunklen Machenschaften, die sie einst ausgeübt hatte. Ginny selbst hatte kaum noch Zeit über das Tagebuch zu nachzudenken. Seitdem es fort war, fühlte sie sich frei. Als wäre nie etwas geschehen lebte sie nun ihr Leben. Vieles hatte sich verändert, seitdem Draco das Tagebuch versteckt hatte. Ginnys Leben schien sich wieder zu normalisieren. Sie fühlte sich besser, ihr Körper wurde stärker und vor allem ihre sozialen Beziehungen verbesserten sich. Zu ihrer Freude war das Verhältnis zu Ron wieder so wie früher und auch der Umgang zu ihren Mitschülern wurde wieder normal. Jetzt konnte sie sich wieder auf die kleinen Dinge im Leben freuen, wie zum Beispiel Quidditch spielen. Den Flug auf einem Besen hatte sie lange nicht mehr so genossen. Alles neigte sich zum Guten. Mittlerweile bemühte sie sich sogar Harry gegenüber freundlich zu verhalten. Nach allem, was sie getan hatte, war es das Mindeste, was sie tun konnte. Wenn sie sich im Gemeinschaftsraum oder beim Training begegneten, grüßte sie ihn und versuchte sich an einem freundlichen Lächeln. Das Schuldbewusstsein war jedoch allgegenwärtig. Die Stunden vergingen und allmählich wurde es Zeit für das Essen in der großen Halle. Nachdem Ginny ihre Schulbücher zusammengepackt hatte, verließ sie die Bibliothek und als sie zu den Treppen gehen wollte, fiel ihr die Schülermenge auf, die sich am Eingangsportal versammelte. Neugierig geworden schritt sie näher, um zu erfahren, was der Anlass für diese Ansammlung war, die größtenteils aus Gryffindors bestand. Nachdem sie sich an Romilda Vane und Dennis Creevey vorbeigequetscht hatte, konnte sie einen Blick auf die Person werfen, die von allen andern eingekreist wurde. Eine Schülerin war zur Schule zurückgekehrt und wurde gerade herzlich von ihren Freunden und Mitschülern in Empfang genommen. Ginny erkannte das vertraute Gesicht. Katie Bell war wieder in Hogwarts. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)