In the end von Ryusei (It doesn't even matter) ================================================================================ Kapitel 6: A ------------ A Es war ein Phänomen, dass Menschen bei einem Unfall immer stehen bleiben und zusehen mussten. So als hätten sie keine eigenen Probleme. Oder ein eigenes Leben. Als gäbe es nichts Wichtigeres, als sich am Leid anderer zu erfreuen. Zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich jemanden umbringen. Jeden, der um mich herum stand. Jeden, der mir tröstend die Hand auf die Schulter legte. Jeden, der mir sagte: „Aber sei doch froh, dass du noch lebst.“ Wie sollte ich froh sein? Ich wollte nicht gerettet werden. Ich hatte mich gewehrt, hatte um mich getreten, geschrieen und mich mit aller Kraft am Türrahmen festgehalten. Ich solle nicht unvernünftig sein, sagten sie, und zerrten mich mit Gewalt aus der brennenden Wohnung. Man könne für ihn sowieso nichts mehr tun. Und das letzte, was ich sah, war die geschlossene Schlafzimmertür. „Der Brand ist sicherlich bald gelöscht…“ „Schrecklich. Wenn es nun auf die anderen Häuser übergegriffen hätte…“ Ich wollte nicht zuhören. Was kümmerte es mich, wenn Fremde ebenfalls in dem Feuer gestorben wären? Meine Hände griffen fester um die Decke, die um meine Schultern lag. Rauchvergiftung. Leichte Verbrennungen. Wen kümmerte es. Mein Blick galt dem Asphalt zu meinen Füßen. Die Wärme des brennenden Hauses war zu fühlen. Ich musste es nicht ansehen. Wasserdampf trieb die Straße entlang, benetzte Haare und Wimpern. Und schließlich erlosch das Feuer. Dichte Rauchschwaden stiegen in den Himmel. Aber keine Flammen mehr, die aus den Fenstern züngelten. Keine Stimme mehr, die vor Angst vor dem Feuer laut schrie. „B…“ Ganz rau. Ich hatte nicht angenommen, dass sie überhaupt noch funktionierte. In der Wohnung hatte ich geschrieen. Nach ihm. Ihm, der aus dem Schlafzimmer nicht mehr entkommen konnte. Die Tür hatte sich wegen der Hitze verzogen. Rettungskräfte betraten den Hausflur. „Seid vorsichtig, dass die Treppen nicht nachgeben…“ „Sie sagten in der Wohnung wäre noch eine Person?“ Ich merkte nicht, dass man mit mir sprach. „Bitte sei noch am Leben… Bitte… Bitte sei noch am Leben… Ich flehe dich an…“ Tränen rannen über meine Wangen und ich musste husten. Meine Fingerknöchel wurden weiß, so fest grub ich meine Finger in die Decke. Vielleicht hatte ihn das Feuer nicht erreicht. Vielleicht hatte er ein sicheres Versteck gefunden. Vielleicht war er über das Fenster entkommen. Vielleicht… Das erste, was ich sah, war der weiße Rücken eines Sanitäters. Dann eine orangefarbene Trage. Und mir wurde klar, dass ich umsonst gehofft hatte. Sein Körper war schwarz. Nur wenige Stellen waren vom Feuer verschont worden und leuchteten feucht-rot. Meine Hände bebten, während ich zusehen musste, wie sie ihn an mir vorbei trugen. Keine Regung. Kein Zucken. Kein Schrei mehr. Die Augen eingesunken und dunkel. „Das ist nicht fair…“ Tränen tropften zu Boden, ehe ich das Gesicht in meinen Händen vergrub. „Das ist… einfach nicht fair…“ Salziges Wasser rann über meine Arme. Ich wagte nicht, noch einmal aufzusehen. Ich brachte es nicht über mich, mich von ihm zu verabschieden. Allein der Gedanke ließ mich würgen. Ich wollte ihn nicht verlieren. Erläuterung Spoiler zu "Another Note" B verbrennt am Ende. Darum hier der Feuertod. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)