Avatar - New Generation von Korra_Sato ================================================================================ Kapitel 15: Nisa, die Luftnomadin --------------------------------- Am nächsten Tag strafte Kaya ihre Mitstreiterin mit beleidigtem Schweigen und gelegentlichen tödlichen Blicken. Sie konnte einfach nicht fassen, dass sie bisher nicht bemerkt hatte, dass Thal ein Mädchen war – und noch weniger konnte sie fassen, dass sie nun bereits zweimal ein Mädchen geküsst hatte. In ihrem Kopf wirbelten Gedanken von „Ich werde Thal dafür umbringen“ bis „Eigentlich war es doch ganz schön“ herum und letzterer kehrte immer wieder wie ein Bumerang zu ihr zurück, egal wie energisch Kaya versuchte ihn beiseite zu schieben. Das machte sie nur noch wütender und so ließ sie ihren Frust über das eigene Gedankenchaos an Thal aus. Schließlich war die ja auch Schuld dran. Thal nahm das Ganze gelassen hin und ließ die wütende Wasserbändigerin den Berg hinauf vorausstapfen. Seit sie sich über ihre Gefühle für Kaya im Klaren war, fühlte sie sich irgendwie… entspannter. Sie wusste, dass sie zusammengehörten genauso sicher und intensiv wie sie bändigte. Und Kaya würde das auch erkennen, irgendwann. Das war nur eine Frage der Zeit und die hatten sie ja. Immerhin schaffte es Thal Kaya dazu zu bringen, ihnen für später einige Fische aus einem kleinen Bergbach zu fangen – auch wenn sie dafür noch mehr böse Blicke erntete und einen der Fische ins Gesicht geklatscht bekam. Viel zu schnell wurde es wieder dunkel und den beiden Mädchen blieb nichts anderes übrig, als ihr Nachtlager auf einem kleinen, relativ ebenen Felsvorsprung aufzuschlagen. Mit wenigen sicheren Handgriffen erschuf Thal aus den unterwegs gesammelten Zweigen und den umliegenden Steinen ein prasselndes Lagerfeuer, über dem auch bald die mitgebrachten Fische brieten. Kaya schlang immer noch eisern schweigend ihr Abendessen hinunter und legte sich dann so weit wie nur möglich von Thal entfernt zum Schlafen hin. „Vielleicht solltest du dich nicht ganz so nah an den Rand legen“, unterbrach die Erdbändigerin schließlich mit ruhiger, aber freundlicher Stimme die seit Stunden anhaltende Stille. Kaya knurrte jedoch nur unwirsch und ignorierte den Ratschlag. Thal grinste verstohlen. Minuten vergingen. „Wird dir nicht langsam kalt?“ Kaya biss sich auf die Lippen und verfluchte ihre Begleitung in Gedanken. Natürlich wurde es langsam kalt – sie lag eindeutig zu weit vom Lagerfeuer weg und außer dem ebenfalls unterwegs gesammelten Moos und ihrem Gewand hatte sie auch keinen Schutz gegen die Kälte. Aber am Feuer lag Thal und keine zehn Eisbärhunde würden sie in die Nähe dieser Verrückten bringen. Also schwieg sie weiterhin verbissen, während Thal sie unentwegt beobachtete. Weitere Minuten vergingen und langsam fror Kaya wirklich. Unvermittelt eine Bewegung hinter ihr und plötzlich erschien Thal über sie gebeugt. „Hasst du mich so sehr, dass du eher von einem Felsen fallen oder erfrieren möchtest?“ Kaya stutzte. Nein, sie hasste die Erdbändigerin nicht. Genaugenommen war ihr dieser Gedanke noch gar nicht in den Sinn gekommen, aber sie konnte die Frage sofort beantworten. Sie war vielleicht stocksauer und beleidigt, aber das war weit entfernt von Hass. „Oder hast du etwa Angst vor mir?“ Ein sanft spottender Unterton und Kaya wurde sofort wieder wütend. „Ich hab keine Angst!!“, entgegnete sie gereizt. „Na dann beweg deinen Hintern zum Feuer. Wenn wir nicht zusammenarbeiten erfrieren wir wirklich noch. Beide.“ Kurze Zeit später lagen sie tatsächlich dicht nebeneinander am Lagerfeuer und Kaya musste insgeheim zugeben, dass es so wirklich wärmer war, auch wenn sie sich demonstrativ von Thal und dem Feuer weggedreht hatte. Plötzlich spürte sie wie Thal sich bewegte und offenbar hatte sie den Kopf auf die Hand gestützt, denn als sie sprach war ihre Stimme dicht an Kayas Ohr. Sehr dicht. „Was ist so schlimm daran, dass ich dich geküsst hab?“ Wieder einmal fehlten der Wasserbändigerin vor Verblüffung die Worte. „Na… Sowas macht man nicht ungefragt. Und du bist ein Mädchen.“, antwortete sie schließlich ein wenig ungeschickt. „Und?“ „Na, nichts und…“ „Hätte es dir weniger ausgemacht, wenn ich ein Junge gewesen wäre?“ „K-Keine Ahnung. Vielleicht.“ Kaya riskierte einen schnellen verlegenen Blick in Thals Richtung. Nur Sekundenbruchteile, aber ausschlaggebend. „Hast du schon mal einen Jungen geküsst?“ „J-Ja…“ „Dann sag mir, worin der Unterschied liegt.“ Diesmal ließ Thal Kaya Zeit. Zeit um zurückzuschrecken, sie von sich zu stoßen. Doch nichts geschah. Nur die Sterne spiegelten sich in den großen blauen Augen als Thal sich ihr näherte. Kayas erster Kuss war am Nordpol gewesen, in Appas Stall. Mit Alek. Es war überraschend gewesen, vielleicht ein wenig aufregend, aber Kaya hatte ihm natürlich sofort eine gescheuert und aus dem Stall gejagt, obwohl sie damals ziemlich geschmeichelt war. Aber so etwas gehörte sich einfach nicht für eine Prinzessin, das hatte ihr Katara deutlich genug eingebläut. Doch dieser Kuss war anders. Irgendwie leichter… Es fühlte sich an wie ein kleines Schneegestöber in ihrem Inneren – nicht kalt, sondern wie tausend tanzende Flocken, irgendwie fremdartig und irgendwie auch… schön… Nach endlosen Sekunden trennten sich ihre Lippen wieder und Kaya sah atemlos in Thals mandelförmige Smaragdaugen, die sich jetzt direkt über ihr befanden. Sie musste nicht sprechen – Thal war als könne sie durch Kayas Augen direkt in ihre Seele blicken und darin alles sehen… Verwirrung, Sehnsüchte, Vergangenes, Zukünftiges… „Hast du Angst?“ Thal hatte den Kopf gesenkt und ihre raue Stimme war so dicht an Kayas Ohr, dass dieser Schauer über den Rücken rannen. „N-Nein…“ „Gut…“ Federleicht berührten Thals Lippen Kayas Hals als sie nach unten wanderten, während ihre Hände bereits das Gewand der Wasserbändigerin beiseiteschoben, um mehr Haut zum Vorschein zu bringen. Thal ging weit in dieser Nacht, jedoch niemals zu weit. Kurz vor der Morgendämmerung erwachte Kaya für einen Moment und fand sich in den Armen der Erdbändigerin wieder, die diese schützend um sie gelegt hatte. Doch bevor Kaya überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte, war sie auch schon wieder eingeschlafen, übermannt von der Erschöpfung durch das Chaos in ihrem Kopf. Als sie zum nächsten Mal die Augen aufschlug war es bereits hell und Thal war schon dabei sorgfältig das Lagerfeuer zu löschen. „Guten Morgen.“ Ein leichtes Lächeln lag auf den Lippen der Erdbändigerin bevor sie den Blick auf das Gebirge über ihnen richtete. „Wir sollten uns lieber gleich auf den Weg machen, sonst müssen wir noch eine Nacht in dieser Gegend verbringen. Ich hoffe wirklich, dass wir Ira heute finden.“ Kaya nickte nur, während sie sich fragte, welcher Teil der letzten Nacht Realität oder vielleicht doch nur irgendein merkwürdiger Traum gewesen war. Dann schrak sie aus ihren Gedanken hoch, stellte fest, dass Thal bereits einige Meter vorausgegangen war und beeilte sich, ihr zu folgen. Nach einigen Minuten schweigenden Wanderns hielt die Erdbändigerin inne. Der Weg war deutlich beschwerlicher geworden und erinnerte die beiden Mädchen mehr denn je daran, dass sie gerade dabei waren, einen Gebirgspass zu überqueren. „Was ist los?“, fragte Kaya beunruhigt. Thal schien zu lauschen. „Da drüben ist ein kleiner Bach. Wir sollten unsere Wasservorräte nochmal auffüllen, bevor wir weitergehen.“ Die Wasserbändigerin nickte und tatsächlich standen sie nach kurzer Zeit vor einer kleinen, aber munter sprudelnden Quelle. „Ich mach das schnell.“ Kaya öffnete die verbliebene Wasserflasche und hob die Hand, um das Wasser zu bändigen – doch nichts geschah. Verdutzt hielt sie inne, schüttelte dann kurz ungläubig den Kopf und hob erneut die Hand – wieder nichts. „Das kann doch nicht…“ Die Wasserbändigerin ließ sich auf die Knie fallen und versuchte es wieder, doch egal welche Bändigungsbewegungen sie auch versuchte – nicht mal auf die Lehrbuchformen ihrer Mutter reagierte ihr Element. Thal hatte schweigend mit etwas Abstand hinter Kaya gestanden. Als diese sich mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihr umdrehte, war der Erdbändigerin als hätte ihr jemand einen Dolch ins Herz gestoßen. „Ich kann nicht mehr bändigen!“ „Vielleicht bist du grade einfach nur zu gestresst. Wir laufen schließlich seit drei Tagen durch die Wildnis. Wenn wir hier raus sind, ist sicher wieder alles in Ordnung.“ Thal versuchte ihre Stimme so beruhigend wie nur irgend möglich klingen zu lassen, während sie Kaya sanft die Wasserflasche abnahm und diese mit der Hand auffüllte. Kaya nickte nur wie betäubt. Dann machten sie sich wieder auf den Weg um die verschollene Feuerbändigerin zu finden. Ira kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als Nisa sie durch das Dorf der Luftbändiger führte. Wo man hinsah erblickte man die lebendige Kultur eines totgeglaubten Volkes. Nur die Blicke der Bewohner waren alles andere als freundlich. Ira konnte ihnen das Misstrauen nicht verübeln – schließlich war sie eine Feuerbändigerin und die Feuernation war es gewesen, die diese Menschen gnadenlos gejagt und fast ausgerottet hatte. Bei diesem Gedanken wurde Ira schlecht – nicht weil sie sich Sorgen um sich selbst machte, sondern weil sie sich für ihr Volk schämte. „Nisa!!“ Eine donnernde Stimme zerschnitt die Luft, überraschend barsch für so ein fröhliches Volk. „Was hast du schon wieder angerichtet?! Du wirst uns noch alle umbringen!“ Die junge Luftbändigerin hob trotzig den Kopf und sah dem wutentbrannten Mönch, der eben gesprochen hatte, gerade ins Gesicht. „Ich hab überhaupt nichts angerichtet – außer die Wahrheit in dieses Dorf zu bringen: Der Krieg ist längst vorbei. Wir müssen uns nicht länger verstecken!“ „Das ist eine Lüge!“ „Ist es nicht! Und dieses Mädchen kann es beweisen. Ira ist die Prinzessin der Feuernation. Ihr Vater hat zusammen mit Avatar Aang den früheren Feuerlord besiegt und den Frieden zurück in diese Welt gebracht!“ Die einkehrende Stille schien ewig anzuhalten – dann brach ein unglaubliches Stimmengewirr los. „Aang ist vor über 130 Jahren verschwunden!“ „Sie lügt doch!“ „Nehmt sie fest!“ Die Mönche waren fast einstimmig dafür, Ira gefangen zu nehmen – doch Nisa stellte sich ihnen in den Weg. „Was ist los mit euch? Hört ihr doch erst mal zu!“ Ira verbeugte sich tief vor dem Wort führenden Mönch. „Ich würde euch gerne erzählen, wie es dazu kam, dass Avatar Aang – der sich übrigens nach wie vor bester Gesundheit erfreut - meinen Großvater besiegen konnte.“ Unter dem Protest vieler Mönche und Dorfbewohner wurde schließlich für den Abend eine Versammlung einberufen, um Ira die Chance zu geben, ihre Geschichte vorzutragen. Bis dahin durfte sie sich in Nisas Begleitung frei bewegen, jedoch unter der Auflage in der Nähe des Dorfes zu bleiben. Und so zeigte Nisa ihrer neuen Freundin den Tempel – den Mönchen zuliebe nur von außen – sowie den Rest des Dorfes. Gegen Nachmittag machten sich die beiden dann auf zu einem Rundgang um das gesamte Areal der Luftbändiger. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Luftbändiger sehen würde – abgesehen von Aang.“ In Iras Gesicht lag eine Mischung aus Traurigkeit und Bewunderung. „Ohne meine Familie hättet ihr euch nie verstecken müssen…“ Nisa lächelte sie aufmunternd an. „Du kannst gar nichts dafür, damals warst du ja noch nicht mal geboren. Also hör auf dir Vorwürfe zu machen. Wir gehen jetzt zurück zum Dorf und dann kannst du allen erzählen was damals passiert ist und wie die Welt da draußen nun ist.“ Und die Luftbändiger glaubten Ira. Zwar gab es einige Diskussionen und endlose Fragen nach Details, die Ira geduldig beantwortete und schließlich erklärte der Ältestenrat Ira zu einer Freundin der Luftnomaden. Ira bekam die Erlaubnis so lange zu bleiben, wie sie wollte und musste versprechen niemandem vom Versteck der letzten Luftbändiger zu erzählen. „Siehst du, ich wusste doch, dass sie dir glauben werden!“ Nisa machte einen Drei-Meter-Luftsprung und ließ sich fröhlich kichernd wieder zu Boden gleiten. „Manchmal sind sie stur wie Himmelbisons, aber sie sind sehr weise.“ Ira lächelte, dann jedoch seufzte sie. „Ich wünschte, ich könnte für immer hier bleiben.“ Verdutzt hielt Nisa inne. „Warum? Also, du könntest es, wenn du es möchtest. Aber willst du deine Familie gar nicht wieder sehen?“ „Meine Familie schon…“ „Aber?“ Nisa ließ sich auf einen Felsen gleiten und bedeutete Ira, ihrem Beispiel zu folgen. „Ich möchte kein Feuerbändiger sein.“ Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. „Ich schäme mich für das, was mein Volk getan hat. Außerdem wäre es den meisten Leuten der Feuernation sowieso lieber, ich würde verschwinden.“ „Warum denn das?“ Nisa starrte die Prinzessin entgeistert an. „Ich habe euch von Azula erzählt. Nun… Sie ist meine Tante. Und ich sehe ihr ausgesprochen ähnlich.“ „Aber du bist nicht wie Azula, kein Stück!“ Ira lächelte müde. „Das interessiert die Leute aber nicht. Ich sehe aus wie sie und habe offenbar auch ein gutes Stück ihrer Fähigkeiten geerbt.“ Unvermittelt packte Nisa sie an den Schultern und Ira sah verdutzt in die überraschend ernsten grauen Augen der Luftbändigerin. „Du hast mir von deinem Großonkel erzählt, nach dem du benannt wurdest.“ „Ja, General Iroh, der Drache des Westens.“ „Siehst du? Er war ein großartiger Feuerbändiger und du wurdest nach ihm benannt. Du bist kein bisschen wie Azula.“ Ira lächelte unwillkürlich. „Vielen Dank, Nisa.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)