Code Geass: Messing with Time von Shin-no-Noir (Und weil es so schön war, gleich noch mal...) ================================================================================ Kapitel 6: Das nervenzehrende Abwarten -------------------------------------- Obwohl es dieses Mal keinen Champagner und daher auch keine triefendnasse Kallen gegeben hatte (die Flasche war auf mysteriöse Art und Weise verschwunden, als gerade niemand hingesehen hatte), zog sich die kleine Feier des Schülerrats in die Länge. Lelouch hätte sich nur allzu gerne früher verabschiedet, aber nachdem Nanali mit einem kleinen Tablett voller Törtchen zu ihnen gestoßen war, hatte er es nicht mehr übers Herz gebracht, sich einfach davonzuschleichen, und sich stattdessen vorgenommen, das ausgelassene Beisammensein zu genießen. Diesen guten Vorsatz hatte er auch in die Tat umgesetzt - allerdings nur so lange, bis ihm irgendwann aufgefallen war, dass die Nachrichten über das Attentat auf den Dritten Prinzen längst hätten ausgestrahlt werden sollen. Von da an war er den Saal nur noch auf- und abgeschritten wie ein rastloser Tiger, der sich plötzlich in einem viel zu kleinen Käfig wiederfand, und hatte ungeduldig darauf gewartet, dass er endlich auf sein Zimmer gehen konnte, um sich dort ganz und gar seinen Grübeleien zu widmen. Als die Feier dann aber tatsächlich zu einem Ende gekommen war, hatte Lelouch es sich noch einmal anders überlegt. Anstatt auf seinem Zimmer zu sitzen und sich den Kopf über etwas zu zerbrechen, an dem er im Moment ohnehin nichts ändern konnte, befand er sich nun auf dem Weg zu Clovis - um sicherzugehen, dass C.C. ihn auch in einem Stück gelassen hatte, und weil er keine Ahnung hatte, wieviel Zeit er mit Nanali verbringen konnte, ohne ihr irgendwann zwangsläufig durch sein merkwürdiges Verhalten aufzufallen. Unterwegs verschwendete er allerdings kaum noch einen Gedanken an die Gründe, die ihn zu diesem ohnehin recht unbedeutenden Entschluss bewogen hatten. Es gab andere Dinge, die Lelouch beschäftigten - Dinge, die ihm partout keine Ruhe lassen wollten und die tausend Mal wichtiger waren als sein nervtötender Habbruder oder seine eigene Psyche, die im Augenblick ja etwas angeschlagen sein mochte, aber durchaus schon schlechtere Tage gesehen hatte. Ununterbrochen hielt er unterwegs Ausschau nach Anzeichen dafür, dass die Regierung doch noch etwas zum vermeintlichen Tod des Gouverneurs bekanntgegeben hatte, aber ohne Erfolg. Offenbar würde es noch eine Weile dauern, bis man die Bevölkerung über irgendetwas informieren würde, und das beunruhigte Lelouch. Obwohl er wusste, dass eine kleine Verspätung wie diese noch lange kein Grund war, die Nerven zu verlieren, gingen ihm alle möglichen Schreckensszenarien durch den Kopf: Hatte er etwas Entscheidendes übersehen? Könnte ihm jemand auf die Schliche gekommen sein? Was, wenn er unwissentlich schon viel mehr verändert hatte als geplant, so wie bei Kallens Begrüßungsfeier? Was, wenn Suzaku etwas zugestoßen war? Lelouch war sich im Klaren darüber, dass Letzteres keineswegs die naheliegndste Ursache für diese winzige Abweichung war. Nichtsdestotrotz war es mit Abstand die Möglichkeit, die ihn am meisten beschäftigte. Er traute es den Puristen ohne weiteres zu, auf Folter zurückzugreifen, um ein Geständnis zu erzwingen, und wenn Lelouch nur daran dachte, drehte ihm sich der Magen um. Wie könnte er es sich verzeihen, wenn Suzaku seinetwegen ernsthaft verletzt würde? Opfer waren notwendig, sicher, aber obwohl ihm bewusst war, dass manch einer das durchaus als Heuchelei werten würde, gab es nach wie vor Ausnahmen für Lelouch. Opfer, die zu bringen er einfach nicht bereit war. Und unter diese Kategorie fiel nicht nur seine kleine Schwester, sondern auch sein bester Freund und - das musste er sich eingestehen - auch sonst jeder, der ihm nahe genug stand. Würden Personen, die ihm wichtig waren, trotz all der Vorsichtsmaßnahmen etwas zustoßen, die er zu treffen gedachte, dann würde er auch dieses Mal damit leben müssen. Er war bereit, die Folgen seines Versagens zu tragen. Das hier jedoch war etwas gänzlich anderes. Lelouch würde seinen besten Freund nicht verlieren – schon gar nicht so. Und was, wenn Suzaku längst tot war? Durch einen Unfall, oder weil jemand aus irgendeinem Grund beschlossen hatte, dass die Hinrichtung nicht in der Öffentlichkeit abgehalten werden sollte? Die Chancen dafür standen nicht besonders hoch, aber allein die Tatsache, dass er keine der beiden Möglichkeiten vollkommen ausschließen konnte, war fast schon mehr, als Lelouch verkraften konnte. Angst wand sich in seinem Magen wie eine kalte Schlange und die Gewissheit, dass er nichts anderes tun konnte als abzuwarten, bereiteten ihm nicht nur heftige Kopfschmerzen, sondern machte ihn beinahe wahnsinnig. ~ „Du siehst aus, als hätte gerade jemand deine mit Abstand liebste Schachfigur in zwei Teile zersägt“, grüßte Clovis ihn, gleich nachdem Lelouch eingetreten war. Sein Bruder saß wie üblich auf dem langen roten Sofa im hinteren Zimmerteil und hatte nach dem kleinen Block auf seinem Schoß zu urteilen bis gerade eben noch müßig vor sich hin gezeichnet. Dass Clovis nicht länger die graue Kluft eines Soldaten trug, sondern etwas von dem, was Lelouch ihm beim letzten Mal vorbeigebracht hatte, war zu erwarten gewesen. Die hauptsächlich in Blautönen gehaltenen Gewänder, in die der Dritte Prinz nun gekleidet war, waren nicht annährend so prunkvoll wie das, was er normalerweise bevorzugte, und vielleicht waren sie sogar ein bisschen zu groß ausgefallen, aber alles in allem standen sie ihm wohl nicht schlecht. Zumal es vermutlich ohnehin kaum etwas gab, das weniger vorteilhaft an Clovis la Britannia aussah als die schlichten Uniformen des Militärs. Lelouch bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. Aber da sein Bruder eher neugierig als schadenfroh wirkte, verkniff er sich eine bissige Erwiderung. „War C.C. hier?“, fragte er stattdessen. Alles, was er brauchte, war eine positive Antwort - dann könnte er wieder verschwinden, ohne sich weiter in irgendeiner Weise mit unangenehmer Verwandtschaft herumschlagen zu müssen. Auf einmal bereute er es, überhaupt hergekommen zu sein. Clovis hob die Brauen. „Falls du diese Person meinst, die der Überzeugung zu sein scheint, ich könnte mich für den Rest meines Lebens von italienischer Teigware ernähren…“ Er warf einen vielsagenden Blick zu den Pizzakartons, die sich bereits auf dem Tisch vor ihm zu stapeln begannen. Lelouch ging davon aus, dass einige von ihnen noch voll waren, und entschied, dass C.C. Clovis wirklich nicht ausstehen konnte. Nicht, dass ihn das im Augenblick großartig gekümmert hätte. „Wenn das so ist, bist du ja gut versorgt“, kommentierte er gleichgültig. „Dann kann ich ja wieder gehen.“ Er machte kehrt, in der vollen Absicht, auch genau das zu tun. „Lelouch!“ Sein Bruder klang pikiert. Lelouch drehte sich wieder zu ihm um. „Was?“, fragte er kühl. Unglücklicherweise ließ Clovis sich mittlerweile nicht mehr so leicht einschüchtern. „Wenn du willst, dass ich mich hier zu Tode langweile“, sagte er mit einer Stimme, die der von Lelouch in ihrem Mangel an Wärme in nichts nachstand, „dann bist du auf dem richtigen Weg. Bleib.“ Der plötzliche Befehlston seines Bruders überraschte und ärgerte Lelouch zugleich. Er spürte das Gewicht der Pistole in seiner Rechten und wünschte sich beinahe, er hätte ihn einfach erschossen, als es sich angeboten hatte. „Ich sehe keinen Grund dazu“, erwiderte er frostig. Gerade wollte er sich wieder von ihm abwenden, als Clovis ihn abermals aufhielt. „Warte!“, rief sein Bruder hastig. Lelouch sah ihn mit unbewegtem Blick an. „Ich…“ Clovis seufzte. „Es tut mir leid, in Ordnung?“ Er schloss die Augen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Aber ich werde noch wahnsinnig hier.“ Das konnte Lelouch allerdings nur allzu gut nachempfinden. Und gerade deshalb hielt sein Mitgefühl sich in Grenzen. „Bleib?“ Clovis sah ihn hoffnungsvoll an – ein Blick, der in der Vergangenheit sicher schon etliche Leute dazu gebracht hatte, ihm alles zu geben, was er nur haben wollte. Lelouch konnte sich gut vorstellen, dass sein Bruder auf diese Weise selbst Cornelia zu erweichen vermochte. Bei ihm würde diese Masche allerdings nicht funktionieren. Das zumindest sagte er sich, bis Clovis ein paar Herzschläge später auch noch hinzufügte: „Bitte?“ und dabei einen Tonfall gebrauchte, der es unmöglich machte, ihm seinen Wunsch abzuschlagen – es sei denn, man mochte dieses ausgesprochen erhebende Gefühl, das Menschen in der Regel immer dann befällt, wenn sie gerade dabei sind, einen kleinen Welpen zu treten, der nichts weiter getan hat, als sie mit großen Augen um ein Leckerli anzubetteln. Lelouch hasste sich für seine Schwäche, aber anstatt konsequent zu sein und sich wortlos abzuwenden, blieb er, wo er war, und schloss lediglich die Tür hinter sich. Anschließend zögerte er nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor er widerwillig auf dem weinroten Sessel platznahm, der keine zwei Schritte von ihm entfernt an der Wand stand. Clovis strahlte ihn an. „Habe ich erwähnt, dass du mein Lieblings-Kleiner-Bruder bist?“ Lelouch blickte finster zurück. „Habe ich erwähnt, dass ich dir gerne den Hals umdrehen würde?“ „Hm… ja, ich glaube, das hast du tatsächlich. Dieses eine Mal, als-“ „Clovis?“ „Hm?“ „Weißt du, was eine rhetorische Frage ist?“ „Natürlich. Oder glaubst du, ich-“ „Dann halt die Klappe.“ Clovis blinzelte. „Du hast wirklich schlechte Laune, oder?“ „Nein, ich stehe nur so kurz davor zu testen, ob man jemanden bewusstlos bekommen kann, indem man ihm eine Schusswaffe an den Kopf wirft.“ Clovis betrachtete ihn neugierig. „Kann man dich fragen, was so nervenaufreibendes vorgefallen ist, oder wäre das eine eher ungute Idee?“ Lelouch seufzte. „Clovis…“ Sein Bruder seufzte ebenfalls. „Schon gut. Wenn du meinst, dass ich dir nicht helfen kann…“ „Wie solltest du mir helfen können?“ Trotz Lelouchs abweisender Art schien Clovis sich nicht beleidigt zu fühlen. Er zuckte die Schultern. „Manchmal hilft es, darüber zu reden.“ „Oh ja.“ Lelouch rollte die Augen. „Und du bist selbstverständlich der Erste, dem ich mein Herz ausschütten würde.“ Clovis stützte das Kinn auf die Hand und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Weshalb nicht?“ „Was?“ „Weshalb nicht?“, wiederholte Clovis. Seine meerblauen Augen spiegelten genau wie sein Tonfall mildes Interesse wider. „Es ist schließlich nicht so, als könnte ich deine Geheimnisse irgendjemandem weitererzählen.“ Mit kaum merklich gewölbten Brauen und einem Hauch von Ironie in der Stimme fügte er hinzu: „Es sei denn, du hast vor, mir in nächster Zeit einen Papageien mitzubringen?“ Dafür hatte Lelouch allerdings die passende Antwort parat. „Vielleicht gar keine so schlechte Idee“, gab er trocken zurück. „Ich habe gehört, sie reden weniger, wenn man sie zu zweit hält.“ Clovis brauchte einen Moment, um zu begreifen; dann jedoch überkreuzte er die Arme und schnaubte verdrossen. „Ich sehe schon“, sagte er in seinem hochnäsigsten Tonfall. „Offenbar weißt du eine gepflegte Konversation noch immer nicht zu schätzen.“ Er nahm die Fernbedienung von der Sofalehne und kehrte Lelouch demonstrativ den Rücken zu, als er seine Aufmerksamkeit voll und ganz auf den Bildschirm richtete. Für eine Weile herrschte Stille. Lelouch war zufrieden damit, in Ruhe die gegenüberliegende Wand anstarren zu können, als wäre sie die Wurzel all seiner Probleme, und sein Bruder vertrieb sich die Zeit damit, die einzelnen Fernsehsender nach etwas abzusuchen, für das es sich lohnte, wenigstens den Ton einzuschalten. Als Clovis aber irgendwann tatsächlich fündig wurde, ein interessiertes „Oh?“ von sich gab und sich dann mit einem kurzen Knopfdruck um die bis dahin nicht vorhandene Lautstärke des Geräts kümmerte, wäre Lelouch beinahe samt seiner Sitzgelegenheit auf dem Boden gelandet, so hastig wirbelte er herum. „Prinz Clovis wurde ermordet!“, verkündete Jermiah Gottwald gerade auf einer Pressekonferenz. „Er ist im Kampf für Frieden und Gerechtigkeit gefallen!“ „Huh“, machte Clovis unbeeindruckt. „Und das fällt ihnen nach ganzen zwei Tagen auf?“ Lelouch beachtete ihn nicht. Mit Nachdruck in der Stimme fuhr Jeremiah fort: „Wir müssen seine Ideale weiterverfolgen, auch wenn der Schmerz noch tief in unserem Inneren sitzt!“ Damit endete seine Ansprache auch schon und an seiner statt wurde eine Nachrichtensprecherin eingeblendet. „Wir haben nur bruchstückhafte Informationen erhalten“, teilte sie den Zuschauern mit, „aber es wurde bereits ein Verdächtiger festgenommen.“ „Oh?“ Clovis warf mit hochgezogenen Brauen einen kurzen Blick über die Schulter zu Lelouch, aber als dieser ihn weiterhin ignorierte, richtete auch er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher. „Meldungen zufolge ist es ein Ehrenbrite“, berichtete die blonde Journalistin weiter. Lelouch hielt den Atem an. Keine zwei Sekunden später wurde der angebliche Mörder auch schon eingeblendet. Suzaku war sichtlich aufgewühlt, aber er schien unverletzt zu sein, und Lelouch hätte vor Erleichterung beinahe laut aufgeseufzt. „Grenadier Suzaku Kururugi. Der Verdächtige ist ein ehemaliger Elfer“, klärte die Frau auf dem Bildschirm auf, während der besagte Grenadier sich gerade eine Ohrfeige von einem der Soldaten einfing, zwischen denen er lief. „Der Ehrenbrite Suzaku Kururugi!“ „Huh.“ Clovis schaltete den Fernseher wieder aus und wandte sich zu Lelouch um, die verärgerte Empörung von zuvor wie weggeblasen. „Das ist interessant. Was meinst du, wieso ausgere- Lelouch?“ Lelouch bemerkte, dass er noch immer auf den nun schwarzen Bildschirm starrte, und wandte sich mit einem Lächeln, von dem er hoffte, dass es seine schier grenzenlose Erleichterung verbarg, Clovis zu. „Tut mir leid, was hast du gesagt?“ Sein Bruder blinzelte verdutzt. „Ist alles in Ordnung?“ „Natürlich. Wieso fragst du?“ Clovis starrte ihn an. „Du bist auf einmal so…“ Er blinzelte erneut. „Nett.“ Lelouch hob die Brauen. Clovis sah ihn noch einen Moment länger an - die Augen in Überraschung geweitet und den Mund leicht geöffnet -, aber dann zuckte er die Achseln. „Wie auch immer“, sagte er gleichmütig. „Zumindest wissen wir jetzt, weshalb die Nachrichten von meinem Tod so lange zurückgehalten worden sind.“ Lelouch schlug die Beine übereinander und lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Eigentlich war es vorhersehbar.“ Clovis warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, doch schon gleich darauf hob er abermals die Schultern und überraschte Lelouch, indem er ihm zustimmte: „Vermutlich. Ich hätte mir denken können, dass sie sich erst einen geeigneten Sündenbock suchen.“ Ein nachdenklicher Ausdruck trat in seine Augen. „Aber weshalb haben sie so lange gebraucht? Wollten sie, dass es echter aussieht?“ „Wahrscheinlich“, sagte Lelouch. Insgeheim jedoch war er sich ziemlich sicher, dass die Verzögerung eher etwas damit zutun hatte, dass Suzaku der Pilot des Lancelot war und zudem auch noch einen berühmten Vater gehabt hatte. Man hatte nicht irgendeinen Ehrenbriten verantwortlich machen wollen, sondern Suzaku – und zwar so, dass niemand Grund hatte, seine Schuld anzuzweifeln. Nicht einmal die selbsternannten Verfechter Japans, auch wenn das dem Scharfrichter die Arbeit erheblich erleichtert hätte. Bevor sein Bruder ihn weiter in diese Unterhaltung verstricken konnte, erhob Lelouch sich. „Ich muss noch etwas erledigen“, erklärte er sich, als Clovis daraufhin alles andere als begeistert wirkte. „Und ich soll hier sitzen und mich langweilen, bis du das nächste Mal beschließt, mich mit deiner Gegenwart zu beglücken?“ Clovis’ Tonfall war der von beißendem Sarkasmus, und Lelouch seufzte. Wandelndes Ärgernis hin oder her, der Unmut seines Bruders war nicht ganz unberechtigt. „Nützt es etwas, wenn ich sage, dass es mir leidtut?“ „Nein.“ Aber obwohl er auch weiterhin genervt aussah, hatten Clovis’ Züge merklich an Härte verloren. Vielleicht lag es daran, dass Lelouch früher – in seiner Kindheit und vielleicht auch noch das erste Mal, als er siebzehn Jahre alt gewesen war – nur schwer dazu zu bewegen gewesen war, sich für irgendetwas zu entschuldigen. Tatsächlich konnte er sich nicht erinnern, Clovis überhaupt jemals um Verzeihung für irgendetwas gebeten zu haben. „Und wenn ich dir sage, dass ich dir am Wochenende den ganzen Tag über Gesellschaft leisten werde?“ Er lächelte hintersinnig. „Wir könnten Schach gegeneinander spielen.“ Clovis fixierte ihn noch ein paar Sekunden länger mit einem Blick, der nicht gerade von grenzenlosem Enthusiasmus kündete, aber schließlich seufzte resignierend. „Ich habe gar keine Wahl, oder?“ Lelouch gestattetes sich ein weiteres kleines Lächeln. „Nein.“ Abermals ein Seufzen. „Könnte ich dann wenigstens einmal etwas anderes als kalte Pizza von… deiner liebreizenden Bekannten bekommen? „Ich werde mit ihr reden“, versicherte Lelouch. „Aber versprechen kann ich nichts.“ Clovis zuckte die Schultern. „Ich schätze, mehr kann ich nicht verlangen.“ Lelouch nickte knapp und wandte sich um. Sobald er die Tür hinter sich verschlossen und die Pistole in einer der nun leeren Kisten deponiert hatte, holt er das zweite Handy aus der Tasche, das er sich vorsorglich von C.C. hatte besorgen lassen. Lelouch wusste zwar noch nicht, wie er Suzaku auf seine Seite bringen sollte, aber vorerst würde er sich darauf konzentrieren, ihn seinen Henkern abspenstig zu machen. Er hoffte nur, dass Kallen nicht allzu intensiv darüber nachdenken würde, wie ein vermeintlich Fremder an die Nummer ihres Mobiltelefons gekommen war. ~ Der Anruf, den er tätigen musste, um sich mit seinen zukünftigen Anhängern in Verbindung zu setzen, war allerdings nicht der einzige Grund dafür, dass Lelouch sich frühzeitig wieder auf den Weg gemacht hatte, und als er nach Hause kam und eine aufgelöste Nanali ihn in ihrem Rollstuhl bereits an der Tür erwartete, war er keineswegs überrascht. Bevor sie mehr als ein paar Worte sagen konnte, beugte er sich zu ihr hinunter und umarmte sie. „Ich weiß“, sagte er und hoffte, dass seine Stimme nicht zitterte. Er musste stark für seine kleine Schwester sein. Aber, Gott... es war so lange her, dass er ihr das letzte Mal so nahe gewesen war. „Aber es ist doch eine Lüge, oder?“, fragte Nanali leise und erwiderte die Umarmung. „Dass Suzaku…“ „Aa“, bestätigte Lelouch sofort. „Es ist ein Missverständnis, ganz sicher. Suzaku würde so etwas nie tun.“ Nur dein Bruder…, ergänzte eine gehässige kleine Stimme in seinem Hinterkopf, aber Lelouch ignorierte sie. Er würde Nanali nicht anlügen, aber er konnte ihr auch nicht die Wahrheit sagen. Noch nicht. Er drückte seine kleine Schwester noch etwas fester an sich und schloss die Augen. Zum ersten Mal, seit er seine eigentliche Zeit verlassen hatte, erlaubte er es sich, ihre Nähe zu genießen – ihre Körperwärme zu spüren und sich davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich hier war, am Leben war, und dass sie ihn nicht für Sünden hasste, von denen sie unmöglich etwas wissen konnte. Er hielt sie fest, bis irgendwann – ob nach Sekunden, Minuten oder Stunden vermochte Lelouch nicht zu sagen – Sayako zu ihnen stieß, um ihnen mitzuteilen, dass das Abendessen fertig sei, nur um sich gleich darauf wieder diskret zurückzuziehen. Dann erst machte Lelouch sich widerwillig von Nanali los, zwang sich zu einem Lächeln und sagte in dem unbekümmertsten Tonfall, den er zustande brachte: „Wir sollten Sayako nicht zu lange warten lassen.“ Sobald Nanali ihm zugestimmt hatte, ging er an ihr vorbei ins Haus – wissend, dass seine kleine Schwester ihm folgen würde. Die Tür fiel lautlos hinter ihnen ins Schloss, ohne dass Lelouch jemals die Frau bemerkt hätte, die ihn die ganze Zeit über aus einem der Fenster heraus beobachtet hatte - mit ausdruckslosen Zügen und einem unergründlichen Ausdruck in den goldenen Augen. ______________ Puh. Irgendwie habe ich mich schwer mit diesem Kapitel getan. Aber immerhin müssen die nächsten paar auch "nur noch" überarbeitet werden, bevor sie nach oben können. Folglich kann ich mich beim Nachbessern ganz auf einzelne Formulierungen konzentrieren, ohne plötzlich in Schreibwut zu verfallen. *hihi* Vielleicht sollte ich mir außerdem von Nanali ein paar Törtchen geben lassen, wo ich schon mal dabei bin, und sie im Austausch für Kommentare anbieten? *legt den Kopf schräg* Hm. o.o Einen Versuch wäre es sicherlich wert. *nickt vor sich hin* Aber ich freue mich natürlich schon, wenn das Lesen Spaß gemacht und Clovis für die beabsichtigte Unterhaltung gesorgt hat. Im nächsten Kapitel sehen wir dann Staatsfeinde, Idealisten und... Zitrusfrüchte! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)