Digimon - Cut von Selma ================================================================================ Kapitel 14: Home, sweet Home ---------------------------- Schon seit, gefühlten, Stunden gingen Quinn und Gazimon den Strand herab, beziehungsweise Quinn lief und Gazimon ließ sich tragen. Seidem war ihnen keine Seele, ob digital oder etwas anderes, begegnet. Dafür tauchte plötzlich eine Straße auf, die aus der Wüste kam und ins Wasser führte. Vom Aufbau her erinnerte sie an eine altbekannte, zweispurige Landstraße. Etwas ratlos betrat Quinn den Asphalt, der unter der Hitze flimmerte, während Gazimon sich auf seinem Rücken bewegte, um einen besseren Blick zu bekommen, bevor es auf den Boden sprang und zur anderen Spur wechselte, wo es stehen blieb und prüfend über das Material kratzte. „Heiß“, meinte es, „aber wir scheinen Glück zu haben.“ - „Wieso? Das ist nur eine Straße, wir bräuchten ein...“ Noch bevor Quinn etwas sagen konnte, war Gazimon schon wieder herangesprungen, hastig an ihm heraufgeklettert und hielt dem Studenten den Mund zu. „Ssst, sag nichts, denke nichts und um deines Lebens willen wünsch dir grade bloß nichts“, zischte Gazimon ihm ins Ohr und deutet mit einer Hand in eine bestimmte Richtung. Ein kleines quadratisches Glitzerding flog in naher Entfernung an ihnen vorbei. Erst als man von ihm nichts mehr sehen konnte, nahm Gazimon die Pfote weg. „Na das ist ja wohl grade nochmal gut gegangen,“ seufzte es. „Jetzt schuldest du mir erneut dein Leben.“ - „Wieso?“ brachte Quinn irritiert vor. „Du hättest dich grade fast ins Jenseits gewünscht. Das war ein Glich. Die Dinger geistern jetzt schon seit Jahren durch unsere Welt. Keiner weiß woher sie kamen, warum sie hier sind und wie man sie wieder loswird. Nur sollte man sich hüten in ihrer Nähe Wunschgedanken zu äußern. Die Dinger würden dir alles erfüllen, aber zu einer hohen Gegenleistung. Sie bedienen sich dazu der Kraft des Wünschenden und das über die Maßen. Wenn du dabei drauf gehst, hast du halt Pech gehabt.“ Gazimon zuckte mit den Schultern. „Glaub mir, es sieht nicht schön aus, wenn jemand durch einen Glich-Wunsch stirbt. Denn dann wird dem Digimon auch die Wiedergeburt verwehrt.“ Gazimon erschauderte allein bei der bloßen Erinnerung. „Dafür replizieren sich diese Gliches nach besonders großen Wünschen. Aber bis man das rausgefunden hat, haben einige, auch machthungrige, Digimon das Zeitliche gesegnet. Das mag zwar hin und wieder ganz nützlich sein, aber der Preis ist einfach zu hoch.“ Gazimon sprang wieder von Quinns Schultern herunter, nachdem er sich sicher war, dass der Glich nicht zurückkehrte und kehrte auf die andere Spur neben Quinn zurück. „Wir brauchen keine fahrbaren Untersätze um uns hier fortzubewegen.“ - „Glaub nicht, das ich noch einen Meter laufe.“ Gazimon winkte ab. „Stell dich einfach nur grade hin und lehn dich dann ein Stückchen weit vor.“ Quinn blickte Gazimon abschätzend an, bevor er es tat. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper, als sich der Asphalt unter seinen Füßen zu bewegen begann und Quinn fiel mit einem Aufschrei nach hinten. Sofort blieb der Boden wieder stehen. Lachend kam Gazimon neben ihm zum Stehen. „Oh, hatte ich etwa vergessen zu erwähnen, dass man die Beine am besten etwas hintereinander stellt und nicht nebeneinander? Das tut mir jetzt aber leid.“ Der Spott war nicht zu überhören und auch, dass der letzte Satz kaum ernst gemeint war. Als Quinn zurückblickte musste er erkennen, das sie sich, trotz der Kürze schon ein ganzes Stück vom Strand entfernt hatten. Mit einem mißbilligenden Blick richtete er sich wieder auf und stellte sich ungefähr so, wie ein Surfer, der eine Welle nehmen wollte. „Was ist das?“ wollte er wissen. „Eine Landstraße, sieht man doch.“ erwiderte Gazimon. „Aber Straßen bewegen sich doch nicht und dann auch noch so schnell...“ - „Dann warte erstmal, bis wir auf eine Autobahn treffen.“ Gazimon lehnte sich einen Moment weit nach vorne und bremste sofort wieder ab, um nach Quinn zu sehen. „Kommst du jetzt? Ich möchte noch vor Anbruch der Nacht in einer Stadt sein.“ Es dauerte etwas, bis der Student ein Gefühl für die 'Straße' bekam, doch dann entwickelte sich recht schnell ein regelrechtes Duell, wer sich weiter vorlehnen konnte, ohne hinzufallen, um Geschwindigkeit aufzunehmen. Obwohl sie ziemlich schnell in die Kurven gingen, bleiben die Beine immer genau mittig in der eigenen Fahrspur, von Fliehkräften war nichts zu spüren. Ebensowenig vom Gegenwind, der fast nicht existent war. ## Er schlug die Augen auf, stöhnte, drehte sich auf die andere Seite, nur um das Kopfkissen zurecht zu zupfen und dann mitten in der Bewegung inne zu halten.Wieder zupfte er an dem Kissen und richtete sich dann mit einem Ruck auf. „Was zur Hölle?“ Hermann lag in einem Bett und es war nicht irgend ein Bett sondern seines. Ein Rundumblick bestätigte die Erkenntnis. Er war daheim. Aber wie war er hieher gekommen? Noch ganz benommen fuhr sich Hermann durch das Gesicht und bemerkte, dass der Ring fort war. Überrascht blickte er auf seine Hand. War das etwa nur ein Traum gewesen? Ein sehr realistischer bisweilen. Hastig stand er auf, mißachtete das leichte Ziepen an der Brust und rannte ins Bad, da sich dort der nächst größere Spiegel befand. Der Student zog das lange Schlafanzughemd nach oben und stöhnte im nächsten Moment auf. Die Kette war zwar ebenfalls verschwunden, aber die Verbände zeigten weiterhin Präsenz, ebenso wie der Ohrclip. „Na, auch schon ausgeschlafen?“ Eine fremde Stimme erklang direkt hinter Hermann, doch im Spiegel war nichts zu sehen. Der Junge wirbelte herum, nur um mit dem Kopf etwas zurück zu schrecken. Überraschung war in seinen Augen zu lesen. Etwa auf Kopfhöhe schwebte vor ihm eine kleine Plattform in etwa einer Armlänge Abstand. Auf dieser stand eine halb durchsichtige, kleine Gestalt, die eine schwarze Hose und einen blaue Jacke mit weißem Fellbesatz trug. Auf der linken Schulter war ein rundes schwarzes Logo zu sehen, in dessen Mitte ein rotes Caro war und darin wiedereum eine weiße 8. Die Kapuze der Jacke war hochgschlagen, weshalb Hermann das Gesicht nicht sehen konnte. Die Gestalt stützte sich auf einen kleinen Stock. An die Art und Weise der Haltung und das Erscheinen musste der Student unwillkürlich an eine kleine grünhäutige, spitzohrige Gestalt einer Space-Opera denken. „Wage es ja nicht und vergleiche mich mit Yoda“, fauchte die Person bevor sie eine Hand vom Stock hob und die Kapuze zurück schlug. Darunter kam das Gesicht einer braunhaarigen Frau zutage, die ihn, aus dunklen Augen musterte. So zumindest kam es ihm vor. Aber auch er sah sie sich nun genauer an. „Na, da bist du sprachlos“, meinte sie keck. „Hm, bin wohl abgetreten.“ Die Gestalt nahm eine Hand von dem Stab, streckte sie in Hermanns Richtung und drehte sie. „Jep, ich bin tot. Dann bist du mein Nachfolger. Ich bin Kerem, Ex-Seeker der Caro 8.“ Sie zuckte mit den Schultern und sah sich um. Jedenfalls hatte Hermann den Eindruck. Aus seiner Fassungslosigkeit konnte er keinen Hehl machen. „Jetzt zieh hier kein Gesicht, als hättest du einen Geist gesehen. Ich bin doch nur ein Gedächtnisengramm und dazu gedacht meinen Nachfolger in seine Aufgaben einzuweisen Du brauchst also keine Rücksicht zu nehmen und kannst alles fragen, was dir in den Sinn kommt. Es reicht übrigens wenn du die Fragen nur deutlich genug geistig formulierst, das sieht wahrscheinlich auch besser aus, als jemdand der mit sich selbst Gespräche führt ohne zu antworten..“ Die Liliputanerin grinste ihn an. „Hübsches Bad aber auch dein Zimmer ist nicht zu verachten, besonders das Zeug unter dem Bett“, wechselte sie sprunghaft das Thema, während Hermann erst sichtlich blass geworden war, dann rot. Langsam schwebte sie um den, immer noch sprachlosen, Hermann herum und betrachtete die Bandagen, bevor der Junge hastig das Shirt wieder herunterfallen ließ. „Hm, vielleicht hätte ich dich doch nicht sofort wieder hierher bringen sollen, sondern abwarten, bis die Verletzungen ausgeheilt sind. Hier dauert so etwas ja wieder normal lang“, führte sie ihren Monolog fort. „Wie?“ fand Hermann seine Stimme wieder. „Ja, wir sind gewechselt. Alle Seeker können das. Es gibt ...“ Sie hielt kurz inne, stockte, sah dann zu Boden und wieder zu Hermann. „... gab ja die dauerhafte Verbindung, aber uns stand das Privileg zu, selbst Übergänge erschaffen und nutzen zu können. Manchmal musste es halt schnell gehen und dann konnte man nicht an den ausgewiesenen Punkten ewig lange anstehen und warten.“ Die Fröhlichkeit in ihrer Stimme und das Lächeln waren fast vollkommen verschwunden. „Heute sind wahrscheinlich nur einige sehr wenige hochentwickelte Digimon noch dazu in der Lage so etwas zu erschaffen und für kurze Zeit zu halten.“ Dann schwieg sie. Aber auch Hermann schwieg, was auch daran lag dass er erstmal das verarbeiten musste, was er gerade gehört hatte. Er ließ sich etwas Wasser in das Waschbecken laufen und klatschte es sich anschließend in das Gesicht. „Womit habe ich das verdient?“ Hermann meinte diese Frage nicht im positiven Sinne, doch Kerem schien das zu überhören. „Nenn es Schicksal oder Bestimmung, ganz wie du willst.“ Sie zuckte mit den Schultern und grinste Hermann wieder an. „Na toll,“ stöhnte dieser. „Am besten fangen wir mit dem Training sofort an. Immerhin haben wir 20 Jahre aufzuholen.“ - „Wie?“ - „Hier oben.“ Sie tippte sich an die Schläfe und dann auf Hermanns Kopf. „Was? Raus aus meinen Gedanken“, fauchte er, dem plötzlich bewußt wurde, dass sie diese Dinge nur wissen konnte, wenn sie Zugriff auf seine Erinnerungen hatte. „Keine Panik“, Kerem lächelte weiterhin geheimnisvoll. „Privates bleibt Privat. Da lass ich schon die Finger von. Musste nur wissen, was die letzten Jahre passiert ist. Das ist arg, dass alles vergessen wurde. Wenn ich die Typen, die dafür verantwortlich sind, in die Finger bekomme und wenn ich noch leben würde ... Die würden sich wünschen niemals geboren worden zu sein, wenn ich mit denen fertig wäre.“ Das Hologramm schlug die Fäuste zusammen, während sie den Stock auf dem Arm zwischenlagerte. „Und ich wette sie behaupten es wäre alles zum Wohle der Menschheit geschehen. Ich pfeif drauf.“ Zorn zeigte sich in ihrem Gesicht nur um von Trauer abgelöst zu werden. „Diese Statue ... das waren wir ...unser Team.“ Ihre Stimme erstarb. „Sie sind also auch tot.“ Die kleine Gestalt auf der Plattform war sichtlich um Haltung bemüht. „Umso wichtiger ist unserer Arbeit.“ „Hermann?“ Es klopfte an der Tür. Beide Köpfe ruckten herum. „Meine Mutter“, flüsterte der Student. Doch Kerem deutete an die Stirn. „Bist du das?“ - „Jaaah?“- „Was machst du hier? Ich dachte, du hättst Vorlesungen und wärst in deiner Wohnung.“ - „Ups,“ kam es von Kerem. „Da habe ich wohl etwas falsch gedeutete.“ - 'Was heißt hier falsch gedeutet? Weißt du in was für Schwierigkeiten ich jetzt stecke?' - „Entschuldigung.“ - „Nein, einer meiner Profs ist Krank geworden. Ich dachte ich nutze die Zeit und komme euch mal wieder besuchen“, rief Hermann in Richtung Tür. „Du schwindelst deine Mutter an?“ - 'Lässt du mir denn eine Wahl?' - „Gut, ich mache grade Frühstück. Kommst du?“ - „Ja. Gib mir bitte noch 2 Minuten.“ Draußen entfernten sich Schritte und Hermann ließ sich seufzend auf den geschlossenen Klodeckel niedersinken. „Na toll und wie erkläre ich ihnen das jetzt?“ Er hob sein Hemd kurz an, so das die Bandagen sichtbar wurden. Seine Verletzungen zwickten mittlerweile wieder bei jeder Bewegung. „Dir fällt schon was ein. Da bin ich mir sicher.“ - 'Na danke auch. Über die Sache mit dem Ausgewählt sein und diesem Training sprechen wir noch.' Mit einem Stöhnen erhob Hermann sich wieder und ging zurück in sein Zimmer, um sich umzuziehen. „Und die können dich nicht sehen?“ - „Ja“, bestätigte Kerem. „Du bist der einzige, der mich sehen oder hören kann.“ - „Na wie tröstlich. Die einen haben einen Vogel und ich habe ein Gedächtnisengramm. Super Aussicht“, meinte Hermann sarkastisch, während er sich das Hemd über den Kopf zog und dann kurz stutzte, als es hängen blieb. An seinem rechten Arm fand sich ein dickeres dunkelblaues Lederarmband, das da voher garantiert nicht gewesen, ihm aber auch wegen den langen Ärmeln nicht aufgefallen war. Es wog auch irgendwie scheinbar garnichts. „Na erwartest du, dass der Seekerstone nur ein Aussehen hat? Das ist so eine Art Tarnung. Außerdem ist er so leichter zu transportieren.“ - „Aha?“ Hermann drehte den Arm und suchte nach einem Verschluss, den es jedoch nicht gab. „Und wie ziehe ich das Ding aus?“ - „Gar nicht“, verkündete Kerem fröhlich. -- Hier spricht Posten 7. Bestätige Zielperson befindet sich bei den angegebenen Koordinaten. Sie scheint verletzt zu sein. Sichtung eines Begleiters Negativ. Ich beobachte weiter.“ -- Mit einem Gähnen kam Hermann die Treppen hinunter und ließ sich an dem Küchentisch nieder. Das Zwicken versuchte der Student zu ignorieren. „Morgen“, grüßte er, während Kerem um ihn herumschwebte und die Sachen auf dem Tisch begutachtete. „Gesund ist etwas anderes“, kommentierte sie als Hermann zu einer Nuss-Nougat-Creme griff. 'Ach halt den Rand.' Fast provokativ strich er sich eine dicke Schicht auf sein Brot und bereute es schon beim ersten Biß. Die Liliputanerin lachte. „Geschieht dir nur recht“, neckte sie. Hermann erwiderte nichts, zusehr kämpfte er mit der Süße des Brotaufstriches. „Schatz, was gibt es eigentlich neues von der Uni?“ Genau auf diese Frage hatte der Student gehofft nicht angesprochen zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)