Digimon - Cut von Selma ================================================================================ Kapitel 12: Zeitzeugen ---------------------- „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Mit diesen Worten ergriff Gazimon Quinns Hemd und zog ihn näher an das Wasser heran, bevor er sich hastig in Sicherheit brachte, ehe sich die nächste Welle am Strand brach und somit Quinns Kopf und Oberkörper kräftig durchnässte. Der Student stieß einen leisen Schrei aus, der von der nächsten Welle gurgelnd verschluckt wurde. Hustend und spuckend durchbrach er die Oberfläche und krabbelte hastig schnell höher an den Strand. „Na, auch schon wach?“ kommentierte Gazimon die Geschehnisse trocken. Er saß auf einem höhergelegenen Stein, wo ihn das Wasser bestimmt nicht erreichen konnte. Seine Wunden hatten sich fast vollständig geschlossen, aber er war immer noch sauer, und das würde Quinn wohl noch eine ganze Weile zu spüren bekommen, hatte Gazimon für sich selbst beschlossen. „Sag mal willst du mich ertränken?“ röchelte der Student, immer noch hustend. Gazimon zuckte mit den Schultern. „Sehe ich etwa danach aus, als würde ich so etwas tun?“ fragte er scheinheilig. Mit wütendem Blick zog sich Quinn das T-Shirt über den Kopf und wrang es aus. Wenigstens waren die Außentemperaturen nicht grade das, was man als kalt bezeichnen würde und so bereitete ihm das 'oben ohne' keine allzugroßen Probleme. Unschlüssig blickte er zwischen sich und dem Wasser hin und her. Gefahr schien im Moment jedenfalls nicht in Verzug zu sein, denn Gazimon hatte sich auf dem Stein zusammengerollt und schien ein Nickerchen zu halten. Quinn ließ seinen Blick schweifen, doch egal, wohin er sah es gab nur Sand zur linken, Wasser zur rechten und ein paar Steine dazwischen. Andere Digimon waren nirgendwo zu sehen. Unterhalb von Gazimons Felsen gab es ein kleines natürliches Becken, in dem sich Meerwasser gesammelt hatte. Der Student nutzte es, um sein Hemd darin aufzuweichen, wenn es jetzt eh schon nass war, konnte er wenigstens versuchsten den gröbsten Schmutz heraus zu bekommen. Kurz darauf folgte seine Hose. Seine Schuhe verzichtete Quinn zu waschen und stellte sie lieber auf einen Stein, so das sie nicht nass werden konnten. „Ich sehe schon, ich entdecke jeden Tag neue Qualitäten an dir“, kam es auf einmal in einem süffisanten Tonfall von oben. „Wenn du damit fertig bist kannst du mir mein Fell in Ordnung bringen.“ Doch für diese Worte erntete Gazimon diesmal Quinns klatschnasses T-Shirt. „Ich bin doch nicht dein Diener.“ Kurz irritiert über die Attacke verlor Gazimon den Halt und fiel hinterrücks vom Stein. Ein Aufplatschen ließ erahnen wo er gelandet war. Als jedoch danach weder ein Aufschrei noch sonst etwas zu hören war und Gazimon auch nicht wieder auf dem Stein auftauchte begann Quinn sich doch etwas Sorgen zu machen. Langsam lief er um den Wellenbrecher herum. „Das gibt Rache! Ich sagte doch, ich hasse Wasser.“ Ein tropfnasses Gazimon stürzte sich, mit dem T-Shirt auf Quinn und diesmal versanken beide in den Fluten. Zwei Dolphmon schwammen in der Nähe des Strandes entlang. Aufgeschreckt durch den Krach kamen sie ein Stück näher ans Land heran, als sie sahen, was dort stattfand, sahen sie sich an und schwammen vondannen. Währenddessen kämpften die Beiden um die Vorherrschaft um das trockenere Gebiet. Bot Gazimon durch sein Fell viel Zupackfläche musste Quinn jedoch recht schnell erkennen, das dieser nicht gewillt war loszulassen, was er einmal geklammert hatte und so landete der Student auch immer wieder, getragen vom eigenen Schwung erneut unter Wasser. Durch das nasse Fell gewann Gazimon auch noch einen gewissen Gewichtsvorteil, den er geschickt zu nutzen wußte, wenn es darum ging Quinn zu tunken, oder ihm anderweitig das Leben schwer zu machen. Nach einiger Zeit beruhigte sich die Szenerie ein wenig. Der Student lag völlig erschöpft im Sand und starrte in den Himmel. Gazimon war auf Nummer sicher gegangen und hatte sich den nächsten Felsen zu Quinn ausgesucht und versuchte nun die nervende Nässe aus seinem Fell zu bekommen. Zu allem Übel haftete der Sand dadurch auch noch besonders gut an den einzelnen Haaren. „Ich komme mir vor wie ein laufender Sandhaufen“, grummelte er leise. Doch als von Quinn keine Reaktion erfolgte, hörte er in seinen Bemühungen auf und drehte sich zu dem Jungen um. Dieser schien überhaupt keine Notiz von ihm zu nehmen. Gazimon sprang von seinem Felsen und trat langsam zu ihm. „Hallo? Jemand zu Hause?“ Er wedelte vor Quinns Augen auf und ab, doch der Student reagierte immer noch nicht. „Hey.“ Ein Stoß in die Seite brachte endlich den gewünschten Erfolg. Quinn drehte sich zur Seite. „Sag mal spinnst du“, stöhnte er. „Das geht auch sanfter.“ - „Habe ich ja versucht. Aber der werte Herr schläft ja neuerdings mit offenen Augen.“ - „Ich habe nicht geschlafen. Nur nachgedacht.“ Gazimon schnaubte. „Ach, so nennt man das nun bei euch?“ Beleidigt drehte das Digimon sich um und sprang zurück auf den Felsen, wo es weiter mit dem Sand kämpfte. Quinn sah ihm verdutzt nach. „Sag jetzt ja nicht, das du dir Sorgen gemacht hast.“ Er hielt sich immer noch die Seite. „Wieso sollte ich?“ erwiderte Gazimon, das ihm immer noch den Rücken zudrehte und beschäftigt tat. „Ist doch alles bestens.“ ## Es war, als würde ihn etwas rufen. Hermann schreckte aus seinem unruhigen Schlaf auf, doch er war alleine. Niemand teilte sich den Raum mit ihm. Zwar drang gedämpfter Krach von Draußen herein, doch dieser 'Ruf' war vollkommen klar gewesen, nichts gedämpftes. Noch einmal ließ der Student seinen Blick schweifen, dann sank er, leicht genervt, wieder zurück. Doch noch bevor er seine Augen schließen konnte, erklang der 'Ruf' erneut. Es war jedoch weniger das rufen seines Namens, als mehr das Gefühl, als riefe man nach seiner Person. Wurde er jetzt ganz kirre? Ignorieren ließ sich diese Sache jedoch nicht, dazu war sie zu hartnäckig. Schließlich traf er eine Entscheidung, angelte nach seinem Hemd und streifte dieses vorsichtig über seinen bandagierten Oberkörper. Es ziepste immer noch, war aber auszuhalten. Leise verließ er die Behausung. Fast augenblicklich wurde der Student von Massen an unterschiedlichsten Digimon mitgerissen. Gegen die Vielen anzukämpfen war sinnlos, und so versuchte er sich nur am Rand zu halten und das was er sah halbwegs in, für ihn erträgliche, Bahnen zu denken. Hermann war sich durchaus bewusst, das zahlreiche Blicke auf ihm ruhten, was die Sache auch nicht grade angenehmer machte. Sobald es ging, bog er in Seitenstraßen ab und lehnte sich an die Wand. Doch lange fand er dort auch keinen Frieden, denn einige Wesenheiten, die Simone sicherlich als große Goblins bezeichnen würde, verirrten sich auch hierher und begannen sich zu streiten, was nur wenige Sekunden später in eine wüste Prügelei gipfelte. Hastig suchte Hermann das Weite und lief einfach immer weiter, bis er plötzlich vor einem großen, neumodischen Gebäude wiederfand. Ein Schild zeichnete es als 'Museum' aus. Warum auch immer, Hermann hatte das Gefühl, hier richtig zu sein. Langsam schritt er die paar Stufen hinauf, die zum Eingang führten. Es gab so etwas wie ein Kartenhäuschen, aber dieses war verlassen. Jedoch verkündete ein Schild daneben, dass geöffnet sei. Eine weitere Tür trennte den Eingangsbereich vom Museumsteil ab. Nachdem Hermann diese durchschritten hatte, fand er sich in einer großen Halle wieder. In der Mitte stand, als Blickfang, eine große Gruppenstatue. 8 Personen waren darauf abgebildet. 'Den Menschen gewidmet, die unsere Gemeinschaft auf so tragische Weise verlassen mussten.' Am Sockel der Statue war eine Gedenktafel angebracht. Sie war so voller Namen, dass sie sich einmal komplett darum zog. Als Hermann einen der Namen berührte begann erst er zu leuchten, dann die daneben, und in einer Wellenbewegung setzte es sich fort, über die Gedenktafel hinaus, am Boden entlang, durch den ganzen Saal. Der Student zuckte zurück. Sofort verlosch erst der Name den er berührt hatte, danach die Anderen. Das mussten hunderte Namen sein. Er schluckte schwer. „Entsetzlich, nicht? Die Halle reichte fast nicht für alle Namen.“ Hermann zuckte zusammen und wirbelte herum. Doch da war niemand. „Hier unten!“ Als der Junge den Blick senkte, konnte er etwas erkennen, was man vielleicht als 'älteres Hobbit-Ehepaar' bezeichnen konnte. Zumindest sahen die männliche Ausgabe ungefähr so aus. Auch wenn man bei dem 'Opa' kein wirkliches Gesicht, unter all den Kopf und Barthaaren sehen konnte. Er trug zerschlissene Kleidung und einen Stab den eine art Katzenklaue krönte. Die weibliche Ausgabe davon war schon mehr gepflegt, trug einen Besen mit sich herum, warum auch immer man ein Haushaltsgerät mit ins Museum nahm, und hatte die Haare zu einem Dutt hochgesteckt. Auch ihre Augen waren von Haaren verborgen, die spitzen Ohren und der Mund jedoch nicht. „Niemand hat es verdient so zu sterben. Weder Digimon noch Mensch.“ Immernoch war Hermann sprachlos. Selbst nachdem er mehrmals geschluckt hatte, klang seine Stimme kratzig und leise. „So viele?“ Die Frage kam ihm im nachhinein selbst mehr als töricht vor. Langsam begann alles für ihn ein Bild zu ergeben. Der große Kampfplatz, die vielen Bilder ... bisher war Hermann immer noch von einer ganz kleinen Minderheit ausgegangen, und dann alle ausgelöscht an einem einzigen Tag. Wie hatte man so etwas vertuschen können? Es hätte doch, zumindest in den Familien oder im engsten Freundeskreis auffallen müssen, wenn da plötzlich einer nicht mehr da war. Wer oder was besaß so große Macht, die Leute so zu manipulieren und zu beeinflussen? Und Quinn und Paul zogen einfach so drauf los... „Alles in Ordnung?“ Hermann wurde aus seinen Gedanken gerissen und drehte sich hastig von der Statue weg, dessen Anblick er auf einmal nicht mehr ertragen konnte. „Es... es geht schon.“ Er spürte, dass seine Wangen feucht waren. Hastig wischte Hermann es weg. Er zitterte leicht. „Sicher?“ - „Jaah.“ Wie zum Zeichen, begann sich der Student nun die Vitrinen anzusehen, die man an den Wänden entlang aufgestellt hatte und die diverse Exponate enthielten die fast ausschließlich aus seiner Welt stammten. Die Dinge waren zwar durch die Bank veraltet, aber besser vertraut, als das Meiste hier. Es gab Bücher, aber auch Cassetten, Dinge die man früher so mit sich herumgetragen hatte, ein Mischpult mit Schallplatten, scheinbar war wenigstens einer der Leute DJ gewesen und sogar ein Gebiß, was auf ein hohes Alter des Besitzers schließen ließ. Als Hermann das Schild darunter las, einige der Dinge waren wohl noch Personen zuzuordnen gewesen, wurde er in seiner Vermutung bestätigt. 84 Jahre alt war die Frau geworden und ihr Partner war Myotismon gewesen. Auch wenn er sich unter diesem Namen nichts vorstellen konnte. Doch die bedrückende Stimmung blieb, wurde mit jedem Gegenstand, der einen Besitzernamen trug, sogar noch belastender. „Es war schon immer ein Privileg auserwählt zu werden. Viele wollten es, aber nur wenigen war es schlußendlich vergönnt.“ Das 'Ehepaar' war wieder näher zu ihm getreten und der 'Mann' sah ihn an. „Nur diejenigen, die ein reines, starkes Herz hatten, klare Vorstellungen, Opferbereitschaft und den Blick für die wirklich wichtigen Dinge im Leben konnten sich sicher sein, in ein engeres Auswahlverfahren zu gelangen, was noch nicht bedeutete, dass man dadurch auch schon automatisch weiterkam. Ein paar weitere Prüfungen musste jeder über sich ergehen lassen. Es gab früher viele, die das, wass dann passieren konnte, als 'Bund fürs Leben' bezeichneten.“ Etwa auf der Hälfte der Halle, genau gegenüber des Einganges, hörten die Vitrinen auf und machten einem runden Glaskasten Platz. Irgendwie wirkte er ein wenig, zwischen den ganzen eckigen Ausstellungsflächen, verloren. Auch wenn das, was es beinhaltete wieder eckig war. Ein, etwa 2 Handteller großer Quader lag darin auf einer art Kissen gebettet. Die Außenwände waren durchsichtig und in der Höhe etwa 2 cm. Im unteren Fünftel befand sich eine dunkelblaue, glänzende Substanz in die ein ziemlich kompliziert anmutender Schaltkreis mit kleinen Prozessoreinheiten und Unterbrechern, sowie 6 Dioden am oberen Rand gebettet war. Die Lampen waren dunkel und auch sonst wirkte das Gerät ziemlich tot. Hermann konnte nichts erkennen, was auf Batterien oder sonst eine Art der Stromversorgung hindeutete. Als er jedoch sich mit einer Hand kurz am Glas abstützte, war es ihm, als höre er wieder dieses Rufen, diesmal aber mehr als ein Flüstern. Generell, fiel ihm jetzt erst auf, hatte er seitdem er diesen Raum betrat, nichts mehr diesbezügliches gehört. Trotzdem zog er hastig die Hand zurück. Fast augenblicklich verstummte das Flüstern. „Ein schönes Exponat, oder?“ Diesmal war es die Frau, die das Wort ergriff. „Eins der wenigen Werke aus der Zusammenarbeit beider Welten, das heute noch existiert. Sie waren damals schon ziemlich selten, heute dürfte es wohl ein Unikat sein.“ - „Was ist das?“ Die Frage war Hermann herausgerutscht, bevor er es überhaupt bemerkte. Doch die Alte schien auf genau Diese gewartet zu haben. „Der Stein der Suchenden, oder auch Seeker-Stone, wurde er von euch genannt. Geschaffen aus Digimon- und Menschentechnologie. Ursprünglich dafür gedacht um Wächter zu finden, und sie in der ersten Zeit vor Gefahren zu schützen, bevor sie ihren Partner finden. Das ist ein Mitgrund, warum es nur Menschen möglich war, sie zu nutzen.“ Sie sah ihn plötzlich scharf an. „Aber nicht jeder ist dafür geeignet.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren schritt sie davon. Verwirrt sah der Student ihr nach. Irrte er sich, oder hatte sie ihm eben einen mitleidigen Blick zugeworfen? Er schüttelte den Kopf, um ihn wieder frei zu bekommen und wollte sich den weiteren Vitrinen zuwenden, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Ein leiese Klacken war zu hören, dann befand sich das Gerät nicht mehr auf dem Kissen sondern schwebte knapp darüber. Es stieß leicht an die hintere Wölbung des Abdeckglases, was das Geräusch erklärte. „Ähm, hallo?“ Suchend sah Hermann sich um, vielleicht konnten ihm diese zwei ja erklären, was da abgeht. Doch kaum, dass er sich ein Stück weit umgedreht hatte, explodierte das Glas hinter ihm förmlich. Scharfe Scherben flogen ihm um die Ohren und er ließ sich schnell fallen. Zur eigenen Überraschung verfehlten die meisten Glassplitter ihn jedoch, und das, obwohl er direkt davor gestanden hatte. Nur seine Hände und die Arme wurden leicht angerizt. „Junge, was hast du angestellt!“ Die beiden Digimon waren hinter der Statue gewesen und kamen nun eiligst zu ihm. „Das war ich nicht, ehrlich.“ beteuerte Hermann noch, doch dann bemerkte er, dass sie ihn gar nicht ansahen sondern zu einem Punkt über dem Studenten. Als auch er den Blick hob schwebte dieses Gerät genau über ihm. Hastig wollte Hermann das Ding zurücklegen, doch als sich seine Finger darum schlossen war es, als bräche eine Tsunami über ihn herein. Eine reißende Woge aus Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen und Eindrücken raste durch seinen Geist und hinterließ nichts als Schwärze. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)