Wer mein Schweigen nicht versteht von CookiesVanilleKipfel (~versteht auch meine Worte nicht~ Kyo x Shinya) ================================================================================ Kapitel 8: Hoffnung kann erst nach Trauer kommen ------------------------------------------------ Chapter 8 希望は悲しみの後に来ることができます。 Hoffnung kann erst nach der Trauer kommen. Die ersten Sonnenstrahlen scheinen durch das halb geöffnete Fenster und scheinen mir natürlich mitten ins Gesicht. Ich drehe mich grummelnd zur Seite, merke dass etwas wärmendes da ist und schmiege mich nah an diese Wärmequelle. Das leichte Ziepen in meinem Arsch lässt mich wieder daran denken, was vergangene Nacht gewesen ist, lässt noch einmal alles Revue passieren. Ich hatte Sex mit Reita ... schönen Sex. Oh mein Gott... Aber, eigentlich ist das doch nicht schlimm, oder? Es war ja auch angenehm, so weit ich weiß. Schlagartig wird mir auch bewusst, dass diese Wärmequelle, an welche ich mich kuschele, nur er sein kann, doch ich stör mich nicht weiter daran. Die Eindrücke, die ich die Nacht gesammelt habe, müssen erst einmal verarbeitet werden. Während ich weiter darüber nachdenke, ob es gut war diese Erfahrungen zusammeln oder nicht, fängt er an mich am Nacken zu kraulen. Kurz unterliege ich der Versuchung zu schnurren und dränge mich noch ein wenig mehr an ihn. "Bereust du es?", höre ich ihn flüstern. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich ihm antworten soll, weiß selbst noch keine Antwort darauf. Für einen kurzen Augenblick bin ich ganz still, rege mich nicht mehr und denke darüber nach. Ich finde nichts Falsches daran mit ihm geschlafen zu haben, nur wie er mich gefragt hat... aber das ist wieder was anderes. Ich schüttele leicht den Kopf und flüstere genauso leise und zaghaft ein 'nein' zurück. Seine Hand krault mich weiter am Nacken, streichelt von Zeit zu Zeit durch meine verstrubbelten Haare oder berührt sanft meinen Rücken, zieht mit den Fingerspitzen an einigen Narben entlang. Wie ich diese Narben doch hasse, sie werden mich ein Leben lang an das erinnern, an mein Leben erinnern, welches ich nie führen will und wollte. Doch ihm scheinen sie nichts auszumachen, er betrachtet sie wie alles andere Vergängliche im Leben. Wenn ich ihn so ansehe, beneide ich ihn sogar fast schon um seine Einstellung zum Leben. Ich hätte viel weniger Probleme mit mir, wenn ich genauso denken oder gar handeln würde. Doch ein Leben zu leben, welches ein anderer führt, wäre auch nicht das, was ich will und für richtig halte. Es entspricht nicht mir, sondern ihm, ich könnte es auch niemals so führen wie er, leider. Die Hand, die meinen Körper entlang streicht, beruhigt mich, sagt mir, dass ich doch das Richtige getan habe und sorgt dafür, dass kein bisschen Reue in mir aufkommt. Es ist das erste Mal, wo ich mir nicht einfach wertlos und verbraucht vorkomme. Wider Erwarten fühle ich mich sogar richtig gut. Wer hätte das gedacht? Keine Ahnung wie lange wir noch so im Bett liegen und vor uns hindösen, aber man hört von draußen schon das rege Treiben der Menschen, die ihren alltäglichen Dingen nachzugehen scheinen. Seine Hand hat währenddessen nicht aufgehört mich mit sanften Berührungen zu beschenken. So viel Zärtlichkeit hätte ich Akira gar nicht zugetraut, aber ich bin ihm dankbar für die Zuneigung, die er mir zu kommen lässt. Ich mache mir im Moment keine Sorgen darüber was passieren wird, wenn ich mich wieder zu Hause blicken lasse, es würde nur den Augenblick zerstören, das gute Gefühl in mir schwinden lassen, welches in mir hochgekommen ist. Als Zeichen, dass ich mit den Gedanken gerade abgeschlossen habe, grummelt auch schon mein Magen, zeigt damit das er endlich was zum Verdauen braucht. Ich höre leise wie Reita schmunzelt und seine Hand verschwindet aus meinen Haaren, in welche sie sich mittlerweile vergraben hat. Träge steht er auf, zieht sich frische Shorts an und wendet sich wieder zu mir. "Lass uns frühstücken, ich glaub wir haben sogar noch etwas da.", meint er zu mir und wartet bis auch ich aus dem Bett krieche und mir etwas überziehe, was ich dann auch erfolgreich geschafft habe und so gehen wir in die Küche. Ich setze mich, faul wie ich bin, gleich an den Küchentisch und lasse ihn alles was wir brauchen aus den Schränken beziehungsweise Kühlschrank kramen. Nach 15 Minuten, die er nun in der Küche rumgehetzt ist um irgendwas Essbares zu finden, hat jeder nur eine Schüssel alter Cornflakes vor sich stehen. Na ja, besser als nichts, sage ich mir und fange an zu essen. Wenn man davon absieht, dass die Flakes schon alt und pappig sind, schmecken sie noch nicht einmal schlecht, aber nur wenn man davon absieht. "Mhm.", grummelt mein Gegenüber. Etwas irritiert sehe ich ihn an, was hat er denn? "'Tschuldigung.", murmelt er. Okay... ich bin jetzt aufrichtig verwirrt. Kann denn keiner Klartext mit mir sprechen? Oder bin ich nur zu dumm um es zu verstehen? "Wegen dem Essen, war aber nichts Besseres da." Ich bin ein bisschen perplex, denn mit so etwas habe ich nicht gerechnet, ich mein, er war sonst nie so 'nett', also schon sympathisch, aber dass er so etwas wie eine Entschuldigung rausbekommt, für etwas wo er nicht einmal was dafür kann, ist dann doch etwas viel. Und das, obwohl er sonst immer der Macho ist. Da kommt mir der Gedanke, ich sollte vielleicht mal reagieren, nur so aus Höflichkeit. "Ist okay.", nuschele ich zurück. Ist er vielleicht doch, wie ich es anfangs vermutet habe, ein verletzter Teenager, der sich eine Maske zum Schein aufgebaut hat? Ist er vielleicht nicht so, wie er sich sonst vor anderen präsentiert? Bricht er nur deshalb die Regeln, um überhaupt eine Art der Aufmerksamkeit zu bekommen? Ist er mir vielleicht doch ähnlicher, als ich bis jetzt angenommen habe? Dies alles sind Fragen, die mir durch den Kopf gehen, unaufhaltsam. Es sind aber auch Fragen, auf die ich wahrscheinlich vorerst keine Antwort bekomme. Nur... Geduld ist eine Tugend, die ich leider nicht besitze, also wäre es besser gar nicht weiter darüber nachzudenken, denn ihn nach Antworten zu fragen, ist ausgeschlossen. Wir verstehen uns doch auch nur so gut, wegen dem scheinbar mangelnden Interesse des jeweils anderen und uns gegenseitig zu bedrängen, wäre ein Fehler. Das weiß er, das weiß ich und deswegen würde keiner von uns so etwas fragen. Aus Respekt dem anderen Gegenüber. Ich lege den Löffel in das Schälchen, die vorher noch die alten Cornflakes beinhaltet hatte. Fertig mit essen, warte ich darauf, dass es mir mein Gegenüber gleich tut und wir uns wesentlichen Dingen widmen können, auch wenn ich nicht weiß welche. Er lässt sich wirklich so viel Zeit, wie er braucht und ich sitze hier und langweile mich. Eigentlich sollte ich mich mal waschen, ehe der fertig ist, bin ich schon dreimal fertig. "Hast du 'ne Zahnbürste für mich?", frage ich deshalb. Ich hasse es mir provisorisch meine Zähne mit dem Finger zu putzen, dass fühlt sich schließlich auch nicht sauberer an. Er nickt und gibt mir schließlich zu verstehen, dass im Bad noch eine Packung liegen würde, die ich allerdings erst suchen müsste, da er zu faul ist jetzt danach zu schauen. Ich erhebe mich und gehe wie geplant in das Badezimmer. Schublade für Schublade öffne ich, in der Hoffnung nun doch endlich diese beschissene Zahnbürste zu finden, so schwer kann das doch nicht sein! Nach zehn Minuten habe ich sie nun doch endlich gefunden... wer hätte gedacht, dass man die im untersten Schrank ganz hinten verbarrikadiert, da kommt doch echt keine Sau drauf, ey! Na ja, ich klaue mir noch schnell die Zahnpasta, nachdem ich mich an den Zahnbürsten bedient habe, und putze mir die Zähne, ich habe schließlich keine Lust mit Mundgeruch, geschweige denn mit den Resten der alten Flakes zwischen den Zähnen, rum zu rennen. Als ich nun endlich fertig bin, wasche ich sie kurz ab und lege sie auf den Rand des Waschbeckens. Mein Blick schweift durch das Zimmer und hat gefunden, was ich suche; Handtücher. Davon nehme ich mir eines was sich mir gerade anbietet und lege es auf dem Klodeckel ab. Die Badezimmertür verschließe ich und auf dem Weg zur Dusche verschwinden meine Shorts auch irgendwo auf dem Boden und ich betrete die gläserne Schiebetür. Diese schließe ich und stelle die Dusche an, lege meinen Kopf an die Fliesen und lasse das warme Wasser auf mich niederprasseln. Wie lange ich darunter stehe, weiß ich nicht, ist mir eigentlich auch egal. Es ist angenehm hier zu stehen, wenn man bedenkt, dass ich mich in einer Dusche befinde, unter der ich noch nie gestanden habe, dass ich in einer Wohnung bin, in welcher ich noch nie war und dass sich hier noch ein Junge aufhält, der mir ähnlich zu sein scheint, mit dem ich Sex hatte und den ich noch nicht wirklich lange kenne. Nun trete ich doch endlich aus der Dusche, ich will ja nicht ganz schrumplig sein und wickele mir das bereitgelegte Handtuch um die Hüfte. Meine Hand fischt noch ein zweites aus dem Regal, welches ich mir dann, nachdem ich meine Haare kurz damit abgeschrubbelt habe, um die Schultern lege. So wie ich bin, laufe ich durch die mir fremde Wohnung und suche meinen Gastgeber. Hätte ich gewusst, dass er sich in seinem Zimmer befindet, hätte ich mir den Rundgang auch sparen können. Ich sehe wie er auf dem Bauch in seinem Bett liegt, den Kopf in sein Kissen gedrückt. Ich räuspere mich einmal kurz, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Augen, die mich ansehen, sehen müde aus, müde und trostlos. Ist irgendwas passiert? Habe ich irgendwas verpasst? Ich war doch nur duschen! "Stör ich?", frage ich deswegen. So wie er mich ansieht, fühle ich mich doch gleich unwohl hier nur mit Handtüchern zu stehen. Er schüttelt lediglich den Kopf und zeigt auf seinen Stuhl, der vor seinem Schreibtisch steht, auf welchem ein paar Klamotten liegen. Dankbar nehme ich mir die Sachen und ziehe mich ungeniert vor ihm um. Nicht wissend was ich jetzt machen soll, lege ich mich neben ihn auf sein Bett. Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, dass er sich mittlerweile auf den Rücken gedreht hat und seine Arme im Nacken verschränkt hält, um seinen Kopf darauf zu betten. Ich rücke noch ein bisschen näher an ihn heran, presse mich schon regelrecht an seinen Körper. Hoffentlich versteht der auch, was ich damit bezwecken will. Ihm scheint es mit einem Mal schlecht zu gehen, er wirkt viel zu sehrin sich gekehrt. Von ihm scheint keine Initiative zu kommen, da stellt sich mir die Frage, bemerkt er mich überhaupt noch oder ist er mit seinen Gedanken soweit abgedriftet, dass ihm sozusagen alles am Arsch vorbei geht? Meinen Kopf lege ich auf seine Brust, schmiege den Rest meines Körpers noch dichter an ihn und lasse meine Hand über seinen Körper streichen. Er hatte mir mit seiner Zuwendung sehr geholfen, hilft sogar immer noch, jetzt bin ich dran etwas für ihn zu tun. Vielleicht hilft es ihm ja, zeigt ihm, dass er nicht alleine ist, falls er sich so fühlt. Ich bleibe einfach weiter so liegen, streiche mit der Hand über seinen Brustkorb oder lege sie auf seinen Bauch. Zwischendurch fahre ich seine Seiten entlang oder ziehe mit den Fingern die Linien seiner Muskeln nach. Nach einiger Zeit, er ist wohl aus seiner Starre erwacht, legt er seine Hand an meinen Nacken und beginnt, mir auch Zärtlichkeiten zu kommen zu lassen. Mein ganzer Rücken kribbelt unter seiner Hand, durch seine so sanften Berührungen. Das so eine kleine Geste so schön sein kann, hätte ich nie für möglich gehalten, nie! Ich drehe meinen Kopf, sodass ich ihm in sein, na ja halbes, Gesicht sehen kann. Seine Augen sind geschlossen und sein Mund steht zur Hälfte offen, alles in allem sieht er recht entspannt aus. Hat es vielleicht doch etwas gebracht? Diese Gedanken dränge ich gekonnt beiseite, um mich selbst auf die mir gegebenen Berührungen konzentrieren zu können. Irgendwie ist das ganze hier eine total verquere Situation. Ich mein, ich liege hier mit Reita, genau Schläger - Kyo und Drauf - Hau - Reita, und wir kuscheln! Das Bild an sich müsste doch schon ziemlich seltsam aussehen. "Mhm." Meine Gedankengänge sind heut der Wahnsinn. Mit fällt nämlich gerade auf, dass er so gut wie jedes Gespräch mit solchen Lauten beginnt. Wusste bisher gar nicht, dass ich so ein guter Beobachter beziehungsweise Zuhörer bin. Ich grinse leicht und sehe ihn wieder an, als Zeichen, dass er doch anfangen könnte mir den Hauptteil zu sagen, denn dieses Gegrummel bringt mich ja nun auch nicht wirklich weiter. "Meine Alten kommen nachher wieder.", meint er dann doch noch. Okay, ich kann verstehen weshalb er so pissig ist, bin ich schließlich auch immer, wenn sie wieder kommen. Ich murre kurz damit er weiß, wie wenig Gefallen ich daran finde, zu wissen, dass sie wieder kommen und ich ihn hier allein lassen muss. Den halben Tag liegen wir noch so da, machen nichts, reden kaum und sind ungewohnt die meiste Zeit nachdenklich und hängen jedem Gedanken nach, der uns in den Sinn kommt. Total ungewohnt für mich, meinen Kopf so oft am Tag zu benutzen. Da ich befürchte durch das ganze Grübeln doch noch Migräne - Anfälle zu bekommen, höre ich lieber auf und steige bedacht aus dem Bett. Der Blonde schaut leicht irritiert zu mir, als würde ich gleich Amok laufen. "Hast du mal 'ne Kippe für mich?" Ja ja, ich weiß, scheiß Raucherlunge, aber was soll ich tun? Genau, nichts! Alles andere wäre zu anstrengend. Er erhebt sich ebenfalls um in irgendwelchen Taschen zu kramen und wirft mir letztendlich eine zu. "Stell dich aber ans Fenster, ich hasse es wenn es hier drinnen stinkt.", sagt er und verlässt das Zimmer. Ich stelle mich wie befohlen an das geöffnete Fenster und zünde mir meine Kippe an. Kurz darauf war Wasserrauschen zu hören. Also wäscht er sich heut doch noch, gut. Ich genieße hier das Nikotin, das durch meine Lungen strömt und warte darauf, dass er endlich wieder kommt. Denn allein irgendwo rum zu stehen ist langweilig, zu zweit ist es zwar auch nicht gerade spannender, aber halt angenehmer. Er lässt sich verdammt viel Zeit. Ich schnippe meine Kippe aus dem Fenster und setze mich auf sein Bett. Es ist mittlerweile später Nachmittag und wir haben die meiste Zeit des Tages in seinem Bett verbracht, muss man ja aufpassen, dass man sich genug dreht und wendet damit man sich nicht wund liegt. Nach noch längerem Warten stapft er frisch gestylt wieder ins Zimmer. Draußen liegt die Stadt mittlerweile im Halbdunkel und es hatte leicht angefangen zu regnen. Ich hasse so einen Nieselregen, dann soll es doch lieber richtig gießen. Nieseln ist nichts Halbes und nichts Ganzes, ich kann damit einfach nichts anfangen... abgesehen davon ist es doch schöner, wenn man gleich klitschnass ist, anstatt sich die ganze Zeit voll tröpfeln zu lassen. Sinnlos. "Mhm." Wieder macht er den glorreichen Anfang mich, mehr oder weniger, anzusprechen. "Wäre besser, wenn du jetzt gehst, meine Alten werden bald da sein.", sagt er dann. Ich nicke und erhebe mich, setze schon dazu an die Klamotten, die er mir gegeben hat, wieder auszuziehen und mich wieder in meine verschlissenen Sachen zu stecken. "Behalt sie, sind ja eh nicht mehr meine Größe.", ein Grinsen ziert seine Lippen als er das sagt. Mal wieder eine Anspielung auf meine Größe, normalerweise würde ich jeden an die Gurgel springen und abklatschen, der es wagt mir so dumm zu kommen. Warum auch immer, aber er darf das! "Okay, danke." Ich nicke ihm zu und laufe mit ihm zur Wohnungstür. "Bis Morgen dann.“, sage ich. "Ja, bis Morgen." Reita in ungewohnt deprimierter Stimmlage. Komischerweise umarmen wir uns noch kurz zum Abschied und ich verlasse leicht irritiert den Gebäudekomplex. Langsam laufe ich durch die Straßen und suche etwas an dem ich mich orientieren kann. Irgendwie kommt mir die Gegend nicht einmal bekannt vor. Wäre ich intelligent gewesen, hätte ich nach dem Weg gefragt, aber ich bin ja so dumm, wie alle von mir erwarten. Der Regen prasselt immer noch auf mich nieder, durchweicht mich schon fast. Irgendwie pisst mich das grad, im wahrsten Sinne des Wortes, mächtig an. Drei Seitenstraßen weiter hängt ein Schild an einem Gebäude, dieses kommt mir auch gleich bekannt vor. Es ist dieses Namensschild von dieser komischen Bar, in welcher ich mich mit Reita getroffen habe. Von hier aus verläuft der Weg nach Hause auch recht zügig und ich stehe schneller vor meiner Unterkunft als gedacht. Oder vielleicht eher gewünscht? Eigentlich will ich dieses Gebäude gar nicht betreten, möchte mir nicht ansehen oder gar miterleben müssen, was dort auf mich wartet. Ich verbinde mit diesem Gebäude einfach nichts Gutes. Was soll es da schon Gutes gegeben haben? Bis auf die ersten fünf Jahre meines Lebens, an die ich mich sowieso kaum noch erinnern kann. Da ich ja meinen Schlüssel nicht einstecken konnte, bin ich gezwungen, wenn ich denn rein will, zu klingeln. Nachdem ich einmal tief eingeatmet habe drücke ich den Knopf für die Klingel. Wartend stehe ich nun vor meinem eigenen zu Hause und... komme nicht rein. Was ist da los?! Ich drücke noch ein paar Mal drauf, in der Hoffnung diese beschissene Tür öffnet sich doch noch. Und hey, nach dem ich draußen noch zwei Minuten am verzweifeln bin, tut sie das sogar. Die Tür öffnet sich also und ich sehe... niemanden. Ähm, irgendwas kaputt oder so? "Hallo.", quietscht mich etwas an. Mein Blick senkt sich und in meinem Blickfeld befindet sich nun ein... ja, kleines Mädchen? Hab' ich mich eventuell in der Tür geirrt oder gar in der Straße? "Wohn' ich hier?", frage ich vorsichtshalber noch einmal nach. Ich schaue mich noch einmal zu allen Seiten um. Ja, ich bin hier eindeutig richtig. Der beste Beweiß sind meine nackten Nachbarn, die ihre Gartengeräte im Schuppen verstauen, damit nicht noch mehr rostet oder vom Regen zermatscht wird. "Ähm, ja.", sagt sie dann. "Hä, wer bist'n du? Und was machst du hier?" Ich glaube man sieht mir meine Irritation vollkommen an, es wäre zwecklos sie zu verstecken. "Tooru ist irgendwas passiert? Ich bin es doch, Kimiko, deine Schwester!? Erinnerst du dich nicht mehr? Hattest du einen Unfall, Nii-san?", plappert sie mich auch gleich voll. Achso, ja, Schwester... hätte ich fast wieder vergessen. "Nein, ist nichts passiert. Vergiss es einfach." Somit schreite ich durch den Türbogen und elegant an ihr vorbei. Gedämpfte Schreie hallen durch das Haus. Was ist hier wieder los? Ich versuche den Ort der Quelle ausfindig zu machen und komme zu dem Ergebnis, dass es aus dem Wohnzimmer kommen müsste. Ich erkenne die Schreie, es sind Schreie meiner Mutter. Langsam hebe ich den Arm um die Tür zu öffnen, halte noch einige Sekunden die Klinke in der Hand, bis ich mich dazu entschlossen habe sie runter zu drücken. Was passiert, wenn ich drin bin? Was werde ich sehen, wenn diese Tür aufgeht? Alles Fragen auf die ich nur eine Antwort finde, wenn ich diese verdammte Tür öffne. Eine kleine Hand mit zarten Fingern legt sich auf meine. Irritiert, wie ich es in letzter Zeit oft bin, schau ich das kleine Mädchen neben mir an. "Hm?" "Papa hat gesagt, dass jetzt keiner rein darf.", sagt sie. Ich schau in ihre kleinen Kinderaugen, wie naiv sie mir entgegen schaut. Sie weiß doch gar nicht, was da drin vor sich geht. Vielleicht sollte ich sie lieber erst wegbringen? Wohin? Daisukes kleine Schwester kennt sie, aber es ist schon spät und Daisuke, ich bin nicht auf ihn angewiesen! Zu Reita kann ich sie auch nicht bringen... argh. Ruki? Ja! Ob sie nun traumatisiert wird von alten nackten Menschen oder von dem Bild was sich hinter dieser Tür verbirgt, ist doch ganz gleich. Zögerlich nehme ich ihre kleine Hand in meine und ziehe sie hinter mir her. Den verdutzten Blick ignoriere ich gekonnt, wäre ja gelacht, wenn ich das nicht schaffen würde und mich von so etwas aus der Bahn werfen lasse. "Wo gehen wir hin, Nii-san?" "Ich möchte dir jemanden vorstellen." Mehr sage ich dazu nicht und sie scheint auch nicht gerade neugierig zu sein, sonst würde sie ja fragen. Wir stehen vor der Tür unserer Nachbarn und ich habe bereits den Klingelknopf gedrückt. "Aber die Nachbarn kenne ich doch schon. Mama sagt, wir sollen da nicht hin gehen, weil die keine Sachen haben.", meint sie dann. Ich grinse kurz, irgendwie ist das ja schon ziemlich ... ähm... süß? "Sie haben vielleicht keine Sachen, aber es sind dennoch ganz nette Menschen." Ohje, ich muss schon aufpassen, dass mir nicht der Brechreiz hochkommt. Dass ich so was mal sagen würde... Unbewusst schüttele ich sachte meinen Kopf. "Ja bitte?", fragt die Frau die uns die Tür aufgemacht hat, was ich wohl nicht so wirklich realisiert habe, aber na ja. "Ist Ruki da?" Irgendwie ist mir ja schon im Hinterkopf bewusst gewesen, dass er so nicht wirklich heißt, aber woher soll ausgerechnet ich seinen richtigen Namen kennen? "Wer? Hier wohnt kein Ruki.", erklärt sie mir daraufhin. "Ich meine Ihren Sohn." Ich hoffe mal, dass sie nicht noch einen hat. Irgendwie ist mir unwohl dabei meine kleine Schwester einem nackten Jungen, der nicht mehr alle Latten am Zaun hat, zu überlassen. "Achso. Ja. Einen Moment bitte." Kurz darauf schreit dieses weibliche Wesen das ganze Haus zusammen. Na ja, immerhin kenn ich jetzt seinen richtigen Namen, Takanori. Und den werde ich solange nicht vergessen bis der Tinitus, der mich jetzt permanent daran erinnern wird, verschwunden ist. "Kyo? was machst du denn hier?" "Kannst du mal bitte eine Weile auf...." Wie war noch mal ihr Name? Ähm.. "...Kimko...", rate ich. "Kimiko!", gibt sie beleidigt von sich. "Äh, ja, na ja. Sie halt. " "Was soll ich mit ihr machen?", fragt er total verwirrt. "Aufpassen?" Oh mein Gott, ich sollte wirklich mal öfter mit Menschen sprechen, ich bin schon zu dämlich irgendeinen Satz zu formulieren. "Oh. Ja, ich denke, das geht klar." Yes, und schon ein Problem weniger. Ich schiebe sie sachte an den Schultern zu ihm rüber und beuge meinen Kopf zu ihrem Ohr. "Geh schön mit..." Ah, scheiß Tinitus! "Takanori spielen, hai?", beende ich meinen Satz. Ich glaube die Beiden denken jetzt auch, dass ich irgendwie sprachbehindert bin, aber egal. Sie kann gar nicht widersprechen, denn ich flüchte gleich darauf wieder rüber zu unserem Haus. Wieder lege ich meine Hand auf die Türklinke, um sie runter zu drücken. Soll ich meiner Mutter helfen? Soll ich mich da wirklich rein hängen, mit dem Wissen, dass ich dann selbst wieder geprügelt werde? Sie hat mir bis jetzt auch noch nie geholfen, wenn es dieser Mann auf mich abgesehnen hatte. Soll ich es ihr wirklich gleich tun? So ein Mensch sein wie sie es ist? Und mit dem Gewissen leben nichts gemacht zu haben, falls sie ernsthaft verletzt wird? Wird es nicht langsam Zeit, dass ich ihr beistehe? Meine Finger verkrampfen sich langsam um das kalte Metall, welches dazu dient die Tür zu öffnen. Kurz beiße ich mir auf die Unterlippe, um die Angst die in mir aufsteigt zu bekämpfen. Es wird Zeit zu handeln. Die Tür fliegt mit einem Ruck auf, doch keiner beachtet mich. Meine Mutter nicht, da sie nicht in der Lage dazu ist, irgendetwas wahr zu nehmen und mein Vater nicht, da er sich gerade in Rage prügelt und wahrscheinlich wieder zu viel getrunken hat. Mein Vater hebt seinen Arm um zu seinem nächsten Schlag auszuholen, in der Hand hält er so etwas wie ein Stuhlbein, welches gerade dabei ist mit meiner Mutter zu kollidieren. Meine Hand greift wie von selbst in die Hand meines Erzeugers, um zu verhindern, dass dieser weiter auf diese Frau einschlägt. "Nimm deine Pfoten von mir, du hässliche Missgeburt! Hab ich ausgerechnet einen Dreckwanst von Sohn in die Welt gesetzt, damit der mir in den Rücken fällt?" Von diesen Worten geschockt, achte ich nicht ganz darauf, ob ich seine Hand nun fest im Griff halte, Fehler. Denn diese reißt sich los und saust auf den entblößten Rücken meiner Mutter. Sie schreit kurz auf und lässt es in einem Wimmern verebben. "Was hast du mir da geboren, hä? Kannst du nichts richtig machen?!", schreit er weiter und schlägt noch einige Male zu, bis ich wieder zur Besinnung komme. Ich bin es doch schon gewohnt solche Worte zu hören, wie missraten ich doch sei, aber dass er meiner Mutter daran die Schuld gibt, kratzt auch bei mir an der Gefühlsmauer. Trägt sie Schuld an dem, was aus mir geworden ist? Ist sie dafür verantwortlich oder habe ich mir das selbst zu zuschreiben? Ist nicht viel mehr mein Vater die Ursache dafür? Bin ich ein so schlechter Mensch? Ich will dieses Bild, welches sich mir bietet, einfach nicht mehr ansehen, will nicht weiter einfach tatenlos zusehen, wie dieser Mann mein Leben weiter zerstört! Ich will, dass es endlich ein Ende hat! Ich packe ihn und werfe mich auf ihn, reiße ihn somit zu Boden und versuche ihn mit meinem Gewicht auch dort zu halten. Meine Mutter hat ihre Augen geweitet und sieht mich mit einer Mischung aus Angst und Dankbarkeit an. Ich drücke seine Arme gen Boden und versuche ihr klar zu machen, dass sie sich in Sicherheit bringen soll. "Geh endlich!", schreie ich sie an, da sie sich immer noch nicht regt. "Aber was ist mit Kimiko?" Pure Angst steht in ihren Augen geschrieben. Das ist das erste Mal, dass ich sie als sich sorgende Mutter erlebe. Bei mir war sie nie so... "Die hab' ich schon weggebracht. Also hau endlich ab!" Mehr sage ich nicht, denn ich muss mich darauf konzentrieren, dass mein Vater keinen weiteren Schaden anrichtet, während sie noch hier ist. Wieso sorge ich mich überhaupt? Interessiert sie wenigstens, was aus mir wird? Hat sie vielleicht Angst um mich? Warum ist sie zu dem Mädchen so und nicht zu mir? Nur weil sie süß ist im Gegensatz zu mir? Von meinen Gedanken abgelenkt, achte ich nicht mehr ganz so doll auf den Mann unter mir, wie ich eigentlich sollte. Dieser hat sich eben so ruckartig aufgebäumt, sodass ich auf dem harten Boden aufpralle. Ein kurzes Ächzen entweicht meiner Kehle, als er sich über mir aufbäumt und ein viel sagendes Grinsen seine Lippen ziert. Ich merke wie die Schläge langsam aber sicher all meine Gedanken zur Seite prügeln, mir keine Chancen lassen mich in eine andere Welt zu flüchten. Seine Schläge sind brutal und erbarmungslos wie immer, seine Treffer die gleichen wie sonst auch. Ich hab das Gefühl, dass alles unter seinen Berührungen anschwillt. Meine Bewegungsfähigkeit ist sehr eingeschränkt, das Einzige was mir sagt, dass ich einen Körper besitze, sind die Schmerzen, die sich überall hin ausbreiten. Langsam kommen bei mir die Zweifel auf. Habe ich das Richtige getan, indem ich meiner Mutter geholfen habe? Wäre es nicht besser gewesen einfach in mein Zimmer zu gehen, so wie sonst auch, wenn er sie wieder schlägt? Wir haben uns gegenseitig noch nie geholfen, warum also jetzt? Was veranlasst mich dazu? Wir behandeln uns doch sonst auch immer wie Dreck! Aber wurde es nicht Zeit alte Gewohnheiten abzulegen? Endlich etwas zu verändern? Oder lag es einfach nur daran, dass er meiner Mutter die Schuld daran gegeben hat, daran was aus mir geworden ist? Ich merke wie er meine Hose runter reißt, dasselbe Spiel wie immer spielt. Wenn ich mich wehren würde, würde es nur noch schmerzhafter werden, also bleibe ich wie jedes Mal einfach nur regungslos liegen, wie eine Puppe. Seine Hände streichen grob an meinem Körper entlang und fügen mir, wie sonst auch, Wunden zu. Alles unter seinen Fingern beginnt zu brennen und zu schmerzen. Wieso tut er mir so etwas an? Ich bin sein Sohn verdammt noch mal! Ich versuche die Gedanken aus meinem Kopf zu verjagen, versuche mein Hirn leer zu bekommen, während ich an die Zimmerdecke starre und sich dieser Mann weiterhin in mich rammt, mich von innen heraus zerreißt. Habe ich so etwas verdient? Bin ich wirklich so missraten, wie mir dauernd vorgeworfen und gezeigt wird? Wie lange wird das wohl noch so weiter gehen? Wie lange wird man mich noch so behandeln? Ich hoffe sehr, dass es sich bald ändern wird, dass Reita nicht der einzige Mensch bleibt, der mich versteht, der mich mag so wie ich bin... Grob zieht er sich aus mir zurück, schlägt mich abermals. Ich mache einfach nichts. Was soll es mir schon bringen, außer noch mehr Schmerz? Den Respekt vor meinem Vater habe ich schon seit Jahren verloren, ich fürchte ihn nur noch. Tue aus Angst das, was er von mir verlangt, habe in solchen Augenblicken keine Würde und Ehre mehr... von Stolz ganz zu schweigen. Er lässt von mir ab, zieht sich wieder ordentlich an und verlässt das Zimmer. Ich atme schneller und intensiver ein und aus, versuche den Schmerz etwas weg zu atmen, um es erträglicher zu machen. Langsam und mühevoll richte ich mich wieder auf, versuche mir so schmerzfrei wie möglich meine Sachen wieder anzuziehen und verlasse schleichend und langsam das Gebäude. Draußen ist es bereits finster und das Wetter gleicht mal wieder meiner Stimmung, denn es schüttet wie aus Gießkannen. Mich stört der Regen nicht, er macht sogar den Kopf etwas freier. Und so laufe ich, mit dem Regen als Begleiter, meinen Weg entlang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)